mehr
beträgt (1885) 39,081 km. Über die Entwickelung desselben und seinen gegenwärtigen Zustand, die Verwaltungsbehörden etc. s. Eisenbahnen II.
Das Post- und das Telegraphenwesen sind einheitlich organisiert, sie unterliegen der Beaufsichtigung des Reichs; indes finden auf Bayern [* 2] und Württemberg [* 3] auf Grund des Artikels 52 der Reichsverfassung diese Bestimmungen nicht volle Anwendung, indem dieselben getrennte Verwaltungen des Post- und Telegraphenwesens haben. Mit der österreichisch-ungarischen Monarchie ist das Deutsche Reich [* 4] durch den Postvertrag vom und den Telegraphenvertrag vom geeinigt. Am Schluß des Jahrs 1884 betrug die Zahl der Postanstalten im Reichspostgebiet 13,405, in Bayern 1464, in Württemberg 559, zusammen 15,428;
die Einnahmen (inkl. Telegraphie) beliefen sich im Reichspostgebiet auf 158,2 Mill. Mk., in Bayern auf 12,3 Mill. Mk., in Württemberg auf 7,1 Mill. Mk., zusammen auf 177,9 Mill. Mk.;
die Ausgaben auf resp. 137, 11,5 und 6, zusammen 154,5 Mill. Mk. Die eingegangenen Briefsendungen betrugen in demselben Jahr im Reichspostgebiet 1501,8 Mill., in Bayern 178 Mill., in Württemberg 80,2 Mill.;
die eingegangenen Pakete ohne Wert im Reichspostgebiet 74 Mill., in Bayern 9,7 Mill., in Württemberg 4,2 Mill.;
die Briefe und Pakete mit Wertangabe resp. 9,1 Mill., 4,7 Mill., 651,500;
die Anzahl der eingegangenen Postanweisungen betrug resp. 51,7 Mill., 4,9 Mill., 2,7 Mill.;
der Gesamtwertbetrag der Geldsendungen resp. 15,061, 2476,4 und 629,5 Mill. Mk. Am Schluß des Jahrs 1884 betrug die Zahl der Telegraphenanstalten im Reichspostgebiet 10,645, in Bayern 1211, in Württemberg 402;
die Länge der Telegraphenlinien resp. 68,387 km, 8398 km, 2781 km und die Länge der Drähte resp. 243,919 km, 36,788 km, 7304 km. Die Anzahl der im J. 1884 ausgegebenen internen Telegramme (ohne Transit) betrug im Reichspostgebiet fast 11,7 Mill., in Bayern 1,1 Mill., in Württemberg 686,905;
die Zahl der internationalen aufgegebenen Telegramme resp. 2,1 Mill., 117,679 und 52,732 Mk.
Geld- und Kreditwesen.
In sämtlichen deutschen Münzstätten: Berlin [* 5] (Münzbuchstabe A), Hannover [* 6] (B), Frankfurt [* 7] a. M. (C), München [* 8] (D), Dresden [* 9] (E), Stuttgart [* 10] (F), Karlsruhe [* 11] (G), Darmstadt [* 12] (H) und Hamburg [* 13] (J), wurden bis Ende 1885 für 1,928,890,830 Mk. Goldmünzen, für 444,491,484 Mk. Silbermünzen, für 35,159,823 Nickelmünzen und für 9,682,638 Mk. Kupfermünzen geprägt und den einzelnen Bundesstaaten überwiesen:
Doppelkronen | 1445733180 Mark |
Kronen | 455195720 " |
Halbe Kronen | 27961930 " |
Fünfmarkstücke | 71648250 " |
Zweimarkstücke | 102510120 " |
Einmarkstücke | 171131669 " |
Fünfzigpfennigstücke | 71484454 " |
Zwanzigpfennigstücke | 27716991 " |
Zehnpfennigstücke | 23502156 " |
Fünfpfennigstücke | 11657667 " |
Zweipfennigstücke | 6213187 " |
Einpfennigstücke | 3469451 " |
Zusammen | 2418224775 Mark. |
Am waren Reichskassenscheine im Gesamtbetrag von 144,845,570 Mk. vorhanden und zwar 2,524,338 Abschnitte zu 5 Mk., 959,854 Abschnitte zu 20 Mk. und 2,260,536 Abschnitte zu 50 Mk.
Der Gesamtnotenumlauf der 18 Notenbanken, welche in Gemäßheit des § 8 des Reichsbankgesetzes vom zur Ausgabe von Noten berechtigt sind, betrug im J. 1884: 1061 Mill. Mk.; sie hatten bei einem Grundkapital von zusammen 268 Mill. Mk. und einem Reservefonds von zusammen 38 Mill. Mk. an Aktiven 1740 Mill. Mk. und an Passiven 1727 Mill. Mk. Im J. 1885 betrug der Gesamtumsatz der Reichsbank 73,200 Mill. Mk. Banknoten waren durchschnittlich 727 Mill. Mk. im Umlauf und mit 80,57 Proz. durch Metall gedeckt.
Die Grundstücke hatten einen Buchwert von über 19 Mill. Mk., der Reservefonds betrug über 22 Mill. Mk. Die Bilanz der sämtlichen deutschen Banken (ohne Noten- und ohne Hypothekenbanken), nämlich der Diskontogesellschaft in Berlin, des Berliner [* 14] Kassenvereins, von 73 Banken mit Aktienkapital bis 10 Mill., 7 Banken mit Aktienkapital von 10-15 Mill., 14 Banken mit Aktienkapital über 15 Mill., 5 dividendenlosen Banken und 7 Maklerbanken, ergibt pro 1882 folgendes Resultat in Millionen Mark: Aktiva: Aktienkapital 917,1, Kassa 182,8, Wechsel 408,2, Effekten 205,5, Lombard 142,7, Debitoren 841, Immobilien 70;
Passiva: Accepte 285, Kreditoren 510, Depositen 181,5, Reserven 101,8;
Gewinn- und Verlustkonto: Bruttogewinn 110,1, Unkosten 15, Reingewinn 69,9, verteilte Dividende 62,7 oder in Prozenten des Aktienkapitals 6,8 Proz. Bei den 26 deutschen Hypothekenbanken betrug Ende 1882 in Millionen Mark das Aktienkapital 215,3, Reserven 26,3, Bruttogewinn 61,5, Nettogewinn 15,9, verteilte Dividende 13,5 oder 6,24 Proz. des Aktienkapitals. Im J. 1884 gab es im Deutschen Reich 879 Vorschuß- und Kreditvereine mit 451,779 Mitgliedern und 163 Konsumvereine mit 114,423 Mitgliedern.
Zur Vertretung der Interessen von Handel und Gewerbe dienen endlich in Deutschland [* 15] die Handels- und Gewerbekammern, deren Organisation in den einzelnen Staaten indes noch eine ziemlich verschiedene ist. Während in Preußen, [* 16] Baden, [* 17] Hessen [* 18] nur Handelskammern vorhanden sind, werden die betreffenden Funktionen in Bayern, Sachsen, [* 19] Württemberg, Sachsen-Meiningen durch Handels- und Gewerbekammern wahrgenommen; in einer größern Zahl kleiner Staaten, wie Anhalt, [* 20] Schaumburg-Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, [* 21] existiert eine gesetzliche Vertretung des Handels und der Industrie überhaupt nicht; in andern Staaten wieder, wie in den beiden Mecklenburg, [* 22] Oldenburg, [* 23] Sachsen-Koburg-Gotha, wird eine solche Vertretung durch Privatvereine wahrgenommen.
Die Zahl der Handels- und Gewerbekammern in den einzelnen deutschen Staaten verhält sich im übrigen folgendermaßen: Baden 8 Handelskammern, Braunschweig [* 24] 1 Handelskammer, Bremen [* 25] 1 Handels- und 1 Gewerbekammer, Elsaß-Lothringen [* 26] 4 Handelskammern und 2 Gewerbekammern, Hamburg 1 Handels- und 1 Gewerbekammer, Hessen 6 Handelskammern, Lübeck [* 27] 1 Handels- und 1 Gewerbekammer, Preußen 79 Handelskammern, unter denen die kaufmännischen Korporationen zu Berlin, Stettin, [* 28] Magdeburg, [* 29] Tilsit, [* 30] Königsberg, [* 31] Danzig, [* 32] Memel [* 33] und Elbing [* 34] sowie das Kommerzkollegium zu Altona [* 35] die Funktionen von Handelskammern übernehmen; Reuß [* 36] ä. L. und Reuß j. L. je 1 Handelskammer, Sachsen 5 Handels- und Gewerbekammern, Sachsen-Meiningen 3 Handels- und Gewerbekammern, Sachsen-Weimar 1 Gewerbekammer, Württemberg 8 Handels- und Gewerbekammern.
Die wichtigsten Seeplätze sind schon oben angeführt. Für den Binnenhandel sind ganz besonders von Bedeutung Berlin, Leipzig [* 37] und Frankfurt a. M.; nächstdem in Norddeutschland Breslau, [* 38] Magdeburg, Frankfurt a. O., Braunschweig, Köln, [* 39] denen sich für den Export der Erzeugnisse der eignen Fabriken ¶
mehr
namentlich noch Aachen, [* 41] Krefeld, [* 42] Elberfeld, [* 43] Barmen, Solingen, [* 44] Remscheid, [* 45] Chemnitz, [* 46] Sonneberg [* 47] u. a. anschließen; in Süddeutschland Nürnberg, [* 48] Regensburg, [* 49] Augsburg, [* 50] Stuttgart, Mainz, [* 51] Mannheim, [* 52] Straßburg [* 53] und Mülhausen. [* 54] Der Mittelpunkt des deutschen Buchhandels (s. d.) ist Leipzig.
IX. Verfassung und Verwaltung.
Die Verfassung des Deutschen Reichs.
Das deutsche Kaisertum hat keinen universellen, sondern einen nationalen Charakter. Es ist nicht, wie das ehemalige Deutsche Reich, eine Wahlmonarchie, sondern die Kaiserwürde ist erblich mit der Krone Preußen verbunden. Indessen ist der Kaiser nicht der Monarch des Reichs, denn letzteres ist kein Einheitsstaat, sondern ein Bundesstaat, ein Gesamtreich, zusammengesetzt aus den verbündeten deutschen Einzelstaaten. Träger [* 55] der Reichsgewalt sind vielmehr nach der Reichsverfassung vom welche im wesentlichen mit derjenigen des frühern Norddeutschen Bundes übereinstimmt, die verbündeten Regierungen.
Dem Kaiser steht nur eine Vollzugsgewalt zu, indem er allerdings als König von Preußen die erste Stelle unter den deutschen Fürsten einnimmt. Als Kaiser übt derselbe die ihm übertragenen Befugnisse »im Namen des Reichs« oder »im Namen der verbündeten Regierungen« aus. Auf der andern Seite bedeutet der Übergang der deutschen Gesamtverfassung von derjenigen eines Staatenbundes, wie es der Deutsche Bund (s. d.) war, zur bundesstaatlichen Verfassung den wichtigsten und erheblichsten Fortschritt auf der Bahn unsrer nationalen Entwickelung.
Das Deutsche Reich hat das Gesetzgebungsrecht eines wirklichen Staats. Die Reichsgesetze, welche innerhalb des Kompetenzkreises der Reichsgesetzgebung erlassen werden, gehen den Landesgesetzen der Einzelstaaten vor und erhalten ihre rechtsverbindliche Kraft [* 56] durch die Verkündigung von Reichs wegen, welche im Reichsgesetzblatt durch den Kaiser erfolgt. Die Gesetze selbst kommen durch den übereinstimmenden Mehrheitsbeschluß des Bundesrats, welcher sich aus den instruierten Vertretern der deutschen Regierungen zusammensetzt, einerseits und des Reichstags, der deutschen Volksvertretung, anderseits zu stande.
Daß der Kaiser gegenüber einem vom Bundesrat und vom Reichstag beschlossenen Gesetz ein Vetorecht nicht besitzt, wird von denjenigen, welche eine möglichst kräftige Zentralgewalt an der Spitze des Reichs sehen möchten, freilich als ein wesentlicher Mangel der Reichsverfassung bezeichnet, zumal selbst dem Präsidenten der Vereinigten Staaten [* 57] wenigstens ein suspensives Veto zusteht. Auch in der Reichsverfassung, welche 1849 von dem Frankfurter Parlament beschlossen wurde, war ein suspensives Veto des Kaisers vorgesehen.
Hierunter versteht man nämlich die Befugnis der Staatsregierung, den Vollzug eines Gesetzes durch einmaligen Widerspruch und das Inkrafttreten desselben so lange zu hemmen, bis etwa ein nochmaliger Beschluß der gesetzgebenden Faktoren ebendasselbe Gesetz aufrecht erhält. Allerdings wird in der deutschen Reichsverfassung jener Mangel einigermaßen durch das bedeutende Stimmgewicht ersetzt, welches der Krone Preußen im Bundesrat zusteht, woselbst sie 17 von 58 Stimmen führt.
Damit ist dem Kaiser als König von Preußen die Macht gegeben, jede Veränderung der Reichsverfassung abzulehnen. Denn nach Artikel 78 der Verfassungsurkunde gilt eine Verfassungsänderung als abgelehnt, wenn sie im Bundesrat 14 Stimmen gegen sich hat. Ebenso kann der Kaiser in den wichtigsten Fragen der Reichsgesetzgebung wie der Reichsverwaltung Neuerungen verhindern, wofern er die Präsidialstimme für die Aufrechthaltung der bestehenden Einrichtungen abgeben läßt.
Dies ist der Fall bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen, die Kriegsmarine und das Zollwesen sowie über die Besteuerung von Salz, [* 58] Tabak, [* 59] Branntwein, Bier und Zucker, [* 60] die dem Reiche gebührt. Ebenso gibt die Präsidialstimme im Bundesrat stets dann den Ausschlag, wenn es sich um Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen handelt, welche ebendiese Gegenstände betreffen, wofern sich die Präsidialstimme für die Aufrechthaltung der bestehenden Vorschriften oder Einrichtungen ausspricht (Reichsverfassung, Art. 5, 35,37).
Schärfer tritt der monarchisch-staatliche Charakter der Reichsverfassung auf dem Gebiet der Reichsverwaltung hervor. Denn der Kaiser hat nicht nur das ausschließliche Recht, die vom Bundesrat in seiner Mehrheit gebilligten Gesetzentwürfe an den Reichstag zu bringen, sowie das Recht der Verkündigung der Reichsgesetze, sondern er hat auch ihre Ausführung zu überwachen (Art. 17). Diese letztere Bestimmung begründet für den Kaiser in denjenigen Angelegenheiten, welche in den Kompetenzkreis der Reichsgesetzgebung gehören, das Recht, die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Verordnungen zu erlassen, ein Recht, welches die Verfassung ausdrücklich in Ansehung des Militärwesens, der Kriegsmarine, der Post- und Telegraphenverwaltung und des Konsulatwesens hervorhebt.
Da aber auch der Bundesrat ein Verordnungsrecht besitzt, so wird bei dem Erlaß eines Reichsgesetzes in der Regel in diesem Gesetz selbst eine Bestimmung darüber getroffen, welche Stelle die Vollzugsbestimmungen erlassen soll, ob Kaiser, Bundesrat, Reichskanzler oder die Regierungen der Einzelstaaten; immer vorbehaltlich des Rechts des Kaisers, die Ausführung der Reichsgesetzgebung in jedem Fall zu überwachen. Dem Kaiser gebührt ferner die Oberaufsicht über das gesamte Verwaltungswesen des Reichs. Er ernennt die Reichsbeamten, läßt dieselben vereidigen und verfügt erforderlichen Falls ihre Entlassung (Reichsverfassung, Art. 18). Er ernennt auch insbesondere den Reichskanzler, den einzigen verantwortlichen Minister des Reichs, welcher zugleich den Vorsitz im Bundesrat führt (Art. 15). Der Kaiser hat das Recht, den Bundesrat und den Reichstag zu berufen, zu eröffnen und zu schließen (Art. 12). Eine etwanige Auflösung des Reichstags erfolgt auf Grund eines Bundesratsbeschlusses mit Zustimmung des Kaisers (Art. 24). Als ein wirklicher Staat hat das Reich ferner andern Staaten gegenüber den notwendigen diplomatischen Verkehr zu unterhalten; es hat das Gesandtschaftsrecht eines Staats, und die deutschen Einzelstaaten haben, mit Ausnahme von Bayern, Württemberg, Sachsen und Braunschweig, darauf verzichtet, sich bei den auswärtigen Kabinetten noch besonders vertreten zu lassen.
Der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten. Er hat im Namen desselben Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andre Verträge mit fremden Staaten einzugehen und Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen. Zur Erklärung des Kriegs im Namen des Reichs bedarf es der Zustimmung des Bundesrats, es sei denn, daß ein Angriff auf das Reichsgebiet oder dessen Küsten erfolgt ist. Was das Vertragsrecht anbetrifft, so ist die Beschränkung beigefügt, daß Verträge mit fremden Staaten, welche sich auf Gegenstände beziehen, die in den Bereich der Reichsgesetzgebung gehören, zu ihrem Abschluß der Zustimmung ¶