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Schmelzöfen gebraucht, am Harz, im Erzgebirge, Thüringer Wald etc.; Schwerspat in den Regierungsbezirken Wiesbaden [* 2] und Kassel. [* 3] Bau- und Werksteine gibt es fast überall, in der nördlichen Ebene werden die erratischen Blöcke dazu verwendet. Die Sandsteine der Sächsischen Schweiz, des Sollinger Waldes, des Wesergebirges etc. werden als vortreffliches Baumaterial weithin befördert, ebenso der Tuffstein der Eifel und der Trachyt des Siebengebirges. Die Granite des Riesen- und Fichtelgebirges liefern Platten und Pflastersteine, treffliche Pflastersteine auch der Basalt in Mitteldeutschland.
Münchens Prachtbauten haben zur Aufschließung vieler schöner Marmorlager am Alpenrand geführt, selbst zur Bearbeitung des deutschen Statuenmarmors, der auch in den mitteldeutschen Gebirgen nicht fehlt. Zu größern Kunstsachen verwendet man auch den Serpentin aus Sachsen [* 4] und Schlesien, [* 5] den Alabaster, den feinsten und reinsten Gips, [* 6] in Thüringen; ebenda werden auch Milliarden von Steinmärbeln verfertigt und mit den Sonneberger Spielwaren ausgeführt.
Die lithographischen Steine von Solnhofen an der Altmühl im Fränkischen Jura sind weltberühmt. Wetzsteine werden im Thüringer Wald, in den Alpen [* 7] etc. gebrochen. Die ausgezeichnetsten Lager [* 8] von Dachschiefer in Europa [* 9] trifft man im Thüringer Wald bei Lehesten und Gräfenthal an, woselbst jährlich Dachschiefer im Wert von mehr als 2 Mill. Mk. gebrochen werden; daselbst gibt es auch Lager von Tafel- und Griffelschiefer, die das Material zur Anfertigung der weitverbreiteten, von Sonneberg [* 10] ausgeführten Schiefertafeln und Griffel liefern. Sonst findet sich Dachschiefer noch im Erzgebirge, Oberharz und in mehreren vorzüglichen Lagern im Schiefergebirge in Westfalen [* 11] und der Rheinprovinz. [* 12] Mühlsteine [* 13] werden mehrfach gebrochen, ganz besonders aus der Lava zu Niedermendig auf der Eifel.
Von Edelsteinen finden sich in Deutschland [* 14] nur untergeordnete Arten, der Topas [* 15] im Königreich Sachsen, der Chrysopras in Schlesien, der Achat [* 16] an der Nahe bei Oberstein und Idar, der nebst fremdem eingeführten im oldenburgischen Fürstentum Birkenfeld eine eigne Industrie geschaffen hat; der Bergkristall in Schlesien, Sachsen, im Harz etc. erscheint in vielen Formen, als Amethyst, Rauchtopas, Chalcedon, Onyx, Karneol, Jaspis etc. Noch ist der Bernstein [* 17] zu erwähnen, der in einzelnen Stücken in der Norddeutschen Tiefebene in Lehmlagern, Kies etc. an den verschiedensten Orten, ganz besonders aber an der Küste der Ostsee und in ihrer nächsten Nähe, vorkommt und in Ostpreußen [* 18] in großer Menge durch Baggerung im Kurischen Haff bei Memel, [* 19] durch Graben im Samland und durch Tauchen und Schöpfen in der See an der sogen. Bernsteinküste von Brüsterort bis Pillau gewonnen wird. Kunstsachen daraus werden in Danzig, [* 20] Memel und Stolp [* 21] gefertigt.
Chemische Industrie.
Chemische Fabriken von Wichtigkeit gibt es außer zu Staßfurt [* 22] und Leopoldshall in Berlin, [* 23] Pommerenzdorf bei Stettin, [* 24] Schönebeck an der Elbe, Neusalzwerk in Westfalen, Duisburg, [* 25] Aachen, [* 26] Hamburg, [* 27] Nürnberg, [* 28] Ludwigshafen, [* 29] Heilbronn, [* 30] Stuttgart [* 31] etc. Schreibkreide kommt aus Rügen; Farberde wird in Thüringen und Franken gefunden. Farbenfabriken gibt es in Thüringen, Bayern [* 32] (Nürnberg, Schweinfurt, [* 33] Amberg); [* 34] wichtig sind die Ultramarinfabriken zu Nürnberg und in der Rheinprovinz und die in neuester Zeit ganz besonders hervortretenden Anilin- und Alizarinfabriken (zu Höchst a. M., Elberfeld, [* 35] Offenbach, [* 36] Krefeld, [* 37] Mannheim [* 38] etc.). Parfümerien erzeugen vorzüglich Berlin und Frankfurt [* 39] a. M., wohlriechendes Wasser Köln, [* 40] vortreffliche Mineralöle und Paraffin, [* 41] wie schon bemerkt, die Kreise [* 42] Weißenfels [* 43] und Aschersleben [* 44] in der Provinz Sachsen.
Zündwaren werden in Hessen, [* 45] Württemberg, [* 46] Rheinbayern, den Provinzen Sachsen, Schlesien und Hannover [* 47] teilweise für den Export hervorgebracht; die Seifen- und Kerzenerzeugung führt uns nach Berlin, Barmen, Köln. Nürnberg hat durch seine Bleistifte, zu deren Anfertigung Graphit aus Sibirien herbeigeschafft wird, einen Weltruf erhalten; Gasbereitungsanstalten findet man jetzt bereits in den meisten mittelgroßen Städten, selbst schon in kleinern Städten, Dörfern und Fabriken; Leimfabriken in den Rheinlanden.
Eingeführt wurden 1884 in das deutsche Zollgebiet: Pottasche 22,992, Soda, kalciniert 37,647, roh 66,767, Chilisalpeter 2,006,474, andrer Salpeter 28,872, Salpetersäure 2970, Salzsäure 22,037, Schwefelsäure [* 48] 71,295, Superphosphate 302,727, Zündwaren und Feuerwerk 8280 Doppelzentner;
ausgeführt: Pottasche 84,489, Soda, kalciniert 110,821, roh 46,390, Chilisalpeter 9599, andrer Salpeter 68,395, Salpetersäure 7441, Salzsäure 98,202, Schwefelsäure 161,352, Superphosphate 114,350, Zündwaren und Feuerwerk 39,254 Doppelzentner.
Industrie in Papier, Leder, Stroh etc.
Für die Papierfabrikation [* 49] bestehen im Reich etwa 1140 Anstalten und 100 kleinere Handpapierfabriken, davon allein 130 Anstalten mit 190 Maschinen in Westfalen und der Rheinprovinz, 92 Anstalten mit 133 Maschinen im Königreich Sachsen, 73 Anstalten mit 84 Maschinen in Bayern etc. Sie ist am bedeutendsten in den Regierungsbezirken Aachen (in den Roerkreisen Düren [* 50] und Jülich), Arnsberg [* 51] (zu beiden Seiten der untern Lenne), Liegnitz [* 52] und im Königreich Sachsen; viele der Fabriken in diesen Gegenden aber liefern nur Stroh- und Packpapiere.
In den übrigen Teilen des Reichs sind sie mehr vereinzelt, nicht selten aber groß und durch Leistung ausgezeichnet. Papiertapeten werden vorzugsweise in Rheinpreußen, Unterfranken, Hessen, Berlin und Hamburg erzeugt, Buntpapiere in Aschaffenburg [* 53] und Mainz, [* 54] Dachpappen und Preßspäne in den Regierungsbezirken Potsdam [* 55] und Liegnitz, Papiermachéwaren in Berlin, Sonneberg in Thüringen, Koblenz [* 56] etc., geschmackvolle Buchbinderwaren in Berlin, Leipzig, [* 57] Frankfurt a. M., Offenbach, Nürnberg, Koblenz etc. In das deutsche Zollgebiet wurden 1884: 102,234 Doppelzentner Papier aller Art, Papiertapeten und Waren aller Art aus Papier ein-, aus demselben 1,058,980 Doppelzentner ausgeführt.
Strohwaren werden vorzüglich im Schwarz- und Wasgenwald, bei Dippoldiswalde (Sachsen), in den Regierungsbezirken Erfurt, [* 58] Trier [* 59] und Breslau, [* 60] in Berlin etc. verfertigt. Die Korbflechterei arbeitet für den Export vornehmlich im bayrischen Regierungsbezirk Oberfranken bei Lichtenfels. Die Hutfabrikation befindet sich seit der Emanzipation von Frankreich in steigender Entwickelung. Für Gummi- und Guttaperchawaren gibt es große Fabriken in Harburg, [* 61] Berlin etc.
Die Gerberei ist in Deutschland ein altes Gewerbe; bedeutender ist sie im S. und W. als im N. und O. Ausgezeichnete Ledersorten liefern Mainz und Worms [* 62] in Rheinhessen. Im preußischen Staat ist die Lederbereitung am bedeutendsten in der Rheinprovinz zu Malmedy, in Westfalen im Siegenschen, in Hessen-Nassau [* 63] zu Eschwege. Auch in Thüringen ist dieser Industriezweig von Wichtigkeit. Feine Lederwaren werden in allen größern Städten angefertigt, jedoch ¶
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vorzugsweise in den süddeutschen Staaten und in der Rheinprovinz. Die Schuhmacherei in Pirmasens [* 65] und Mainz liefert die feinsten Waren für das Ausland; wichtig ist dieselbe ferner in der Provinz Sachsen, in Thüringen, Berlin, Offenbach, im württembergischen Amt Balingen etc. Handschuhe produziert namentlich Württemberg zur Ausfuhr. Ledergalanteriewaren von ausgezeichneter Güte liefern Berlin, Nürnberg, Offenbach, Hanau [* 66] etc. Für die Anfertigung von Sattler-, Riemer- und Täschnerwaren sind Berlin, Breslau, Aachen, Düsseldorf, [* 67] München, [* 68] Nürnberg, Stuttgart, Karlsruhe [* 69] und andre Städte Hauptplätze. Einfuhr in das deutsche Zollgebiet 1884: 699,578 Doppelzentner Häute und Felle und 76,933 Doppelzentner Leder und Lederwaren;
Ausfuhr: 184,695 Doppelzentner Häute und Felle; 140,560 Doppelzentner Leder und Lederwaren.
Textilindustrie etc.
Deutschland ist ein Wolle, Flachs und Hanf erzeugendes Land; zu ihrer Verarbeitung haben sich die aus dem Ausland eingeführten großen Mengen dieser Rohmaterialien gesellt. Deutschland bringt aber nicht bloß Wollen- und Leinenstoffe, sondern vor allem auch Baumwollen- und Seiden- sowie gemischte Stoffe in den Welthandel. Viele Tausend Hände am preußischen Niederrhein, in Westfalen, in Sachsen und Schlesien sind mit Spinnen [* 70] und Weben [* 71] beschäftigt. In den Streich- und Kammwollspinnereien sowie in den Tuch- und Wollwarenfabriken arbeiten wenigstens 150,000 Menschen.
Die Streichwolle, zur Fabrikation von tuchartigen Geweben gebraucht, wird in großen Anstalten gesponnen, die in der Regel mit der Tuchfabrikation verbunden sind. Sie verfügt im Reich über wenigstens 2,600,000 Feinspindeln. Hauptsitze der Tuchfabrikation sind vor allen die Rheinprovinz, der südliche Teil von Brandenburg [* 72] nebst angrenzenden Kreisen von Schlesien (Lausitz) und das westliche Sachsen nebst Teilen von Thüringen. In der Rheinprovinz steht der Regierungsbezirk Aachen obenan, woselbst in den Städten Aachen, Burtscheid, Düren, Eupen [* 73] und Montjoie diese Industrie schon seit langer Zeit in Flor ist und eine Vollkommenheit erreicht hat, die ihren Erzeugnissen den überseeischen Markt sichert; nach Nordamerika [* 74] allein gehen von hier jährlich Tuche und Buckskins im Wert von mindestens 5 Mill. Mk. Im Regierungsbezirk Düsseldorf treten die Städte Lennep, [* 75] Werden und Kettwig hervor.
In dem zweiten Mittelpunkt, der Lausitz, erfreut sich die Tuchfabrikation durch die in jüngster Zeit erfolgte Erbauung zahlreicher Eisenbahnen einer steigenden Entwickelung und arbeitet ebenfalls für den Export nach Nordamerika und dem Orient. Im Regierungsbezirk Frankfurt liefern Buckskins hauptsächlich Kottbus, Peitz, Forst und [* 76] Spremberg, [* 77] glatte Tuche Guben, [* 78] Sorau, [* 79] Sommerfeld und Finsterwalde. Andre brandenburgische Städte, ausgezeichnet durch dieselbe Industrie, sind Schwiebus [* 80] mit glatten Tuchen und Luckenwalde [* 81] mit Buckskins. In Schlesien treten besonders die Städte Görlitz [* 82] mit Export nach Ostasien, Grünberg [* 83] und Sagan [* 84] und im Königreich Sachsen Großenhain, [* 85] in der Provinz Sachsen Burg und in Anhalt [* 86] Zerbst [* 87] und Dessau [* 88] hervor. Im dritten Hauptsitz der Tuchfabrikation sind von ganz besonderer Wichtigkeit die Städte Meerane, [* 89] Krimmitschau, Reichenbach, [* 90] Werdau, [* 91] Kirchberg, Lengenfeld, Döbeln [* 92] und Roßwein im Königreich Sachsen, Pößneck in Thüringen etc. In andern Städten blühen die Kammwollspinnerei und die Fabrikation von Wollwaren (Glauchau), [* 93] während Gera, [* 94] Greiz [* 95] und Zeulenroda im Reußischen der Sitz der deutschen Tibetfabrikation sind und jährlich Tibetwaren im Wert von mehr als 30 Mill. Mk. liefern, die mit den englischen Waren auf überseeischen Märkten erfolgreich konkurrieren.
Gleichfalls von großer Wichtigkeit sind die Kammwollspinnereien und Wollwarenfabriken zu Mülhausen [* 96] und Gebweiler [* 97] sowie die Tuchfabriken zu Bischweiler [* 98] im Elsaß. Auch Württemberg besitzt in einigen Städten noch eine ziemlich erhebliche Tuch- und Wollwarenmanufaktur, während in Oberhessen die zahlreichen Anstalten für diese Industrie nur klein sind. Vereinzelt tritt mit Tuchfabriken in andern Gegenden noch manche Stadt hervor, z. B. Neumünster in Schleswig-Holstein. [* 99]
Die Tuchmacherei war zu Anfang dieses Jahrhunderts noch ein allgemein verbreitetes Gewerbe, das in den östlichen Provinzen Preußens [* 100] selbst für Polen arbeitete; heute hat es in den nordöstlichen Provinzen indes fast gänzlich aufgehört, nur grobe Wollwaren werden durch Nebenbeschäftigung noch auf dem platten Land erzeugt. Die Strumpfwarenfabrikation ist von Bedeutung in Sachsen (Zwickau, [* 101] Chemnitz), [* 102] in Thüringen (Apolda) [* 103] und im Reußischen (Zeulenroda).
Die Teppichweberei wird vorzüglich in Berlin, Hanau, Schmiedeberg i. Schl. und Barmen betrieben; in Schmiedeberg i. Schl. und Wurzen [* 104] im Königreich Sachsen werden sogen. Smyrnateppiche verfertigt. Die Shawlweberei ist in Berlin zu Hause, das Deutschland auch mit Stickwolle und die Welt mit Stickmustern versieht. Einfuhr in das deutsche Zollgebiet 1884: 1,056,662 Doppelzentner Schafwolle, 189,978 Doppelzentner Wollengarne und 19,042 Doppelzentner Wollwaren aller Art;
Ausfuhr: 119,140 Doppelzentner Schafwolle, 51,889 Doppelzentner Wollengarne, 24,897 Doppelzentner wollene Strumpfwaren und 246,806 Doppelzentner andre wollene Waren etc.
Die Leinweberei hatte einst für Deutschland fast noch größere Bedeutung als die Tuchfabrikation; sie war für die Landbevölkerung eine allgemein gebräuchliche Nebenbeschäftigung. Noch hat sich dieselbe in dieser Weise vorzüglich in den Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern [* 105] und Posen [* 106] erhalten. Schlesien, die sächsische Lausitz, Westfalen, Hannover und die Schwäbische Alb, wo früher schon der Hauptsitz dieser Thätigkeit war, sind auch gegenwärtig durch Einführung englischen Maschinengarns sowie der mechanischen Flachsspinnerei wieder einigermaßen Herr über die englische Konkurrenz geworden.
Die Flachsspinnereien (mit etwa 300,000 Feinspindeln), die noch keineswegs den innern Bedarf decken, sind besonders im schlesischen Gebirge (Liebau etc.), woselbst sie ein kleines Seitenstück zu der großartigen Flachsspinnerei Böhmens (von Trautenau bis Reichenberg) [* 107] bilden, sowie in Westfalen (Bielefeld) [* 108] und in der Rheinprovinz (Dülken, Viersen, Düren) zu Hause; die außerhalb Preußens sind meist nur klein. Die Einfuhr an Rohmaterial und Garnen übertrifft bei weitem die Ausfuhr.
Garne kommen namentlich aus dem britischen Reich (Belfast), Belgien [* 109] und Österreich. [* 110] Die ausgezeichnetsten Leinengarne in Deutschland liefert Bielefeld, das nebst seiner Umgegend, der Grafschaft Mark, auch ein Mittelpunkt der deutschen Leinwandfabrikation ist, von dem dieselbe sich über andre Gegenden Westfalens (Warendorf), über große Teile von Hannover (Osnabrück, [* 111] Hildesheim), [* 112] über Lippe [* 113] etc. ausbreitete. Ein zweiter Mittelpunkt dieser Industrie liegt in der sächsischen Lausitz, wo in Zittau [* 114] und dessen Umgegend, namentlich in Großschönau, die schönsten Leinwandsorten und die feinsten Damaste verfertigt werden. Von hier nach O. erstreckt sich das Gebiet der Leinweberei weit nach ¶