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ihrer verschiedenen Abstufung ganz an die bunte Karte des »Römischen Reichs deutscher Nation« und ist auch nur durch die Kenntnis von dessen Territorialverhältnissen verständlich; denn der Grundsatz »Cujus regio, ejus religio« hat bestimmt, was katholisch, was protestantisch blieb: daher finden wir in den Gebieten der zerfallenen alten Herzogtümer Schwaben, Franken und Sachsen den raschesten Wechsel beider Kirchengebiete nebeneinander. Im S. herrscht die katholische, im N. die evangelische Kirche. In wenigen Bezirken standen beide Konfessionen gleichberechtigt nebeneinander.
Katholisch blieben die drei großen Erzbistümer am Niederrhein: Mainz, Trier, Köln, die westfälischen Bistümer Münster und Paderborn, die fränkischen Bistümer am Main: Würzburg und Bamberg, und das Stift Fulda, an der Altmühl das Bistum Eichstätt, am Rheine noch die Bistümer Worms und Speier, dazu alles österreichische Land am Oberrhein und in Südschwaben das sogen. Vorderösterreich, die schwäbischen und bayrischen Bistümer und Prälaturen und das Herzogtum Bayern mit der Oberpfalz; nur in Schlesien wollte trotz Gewalt und List die Gegenreformation nicht völlig gelingen und wurde unmöglich, seit Karl XII. von Schweden den Protestanten wieder einige Luft geschafft hatte.
Dagegen waren der ganze Norden von Ostfriesland bis Pommern, der größere Teil des Wesergebiets, das Elbgebiet abwärts von der Grenze Böhmens, das Odergebiet von Schlesien abwärts protestantisch und bildeten ein großes, zusammenhängendes evangelisches Gebiet, an dessen nordwestlicher Grenze im Bistum Osnabrück und Minden, am östlichen Harzfuß in Halberstadt und in der Lausitz die katholische Kirche gleichberechtigt sich mit ihren geistlichen Stiftungen erhielt.
Innerhalb dieses Gebiets lagen nur einzelne katholische Inseln, so die mainzischen Besitzungen in Niederhessen und Thüringen mit Eichsfeld und Erfurt und das Bistum Hildesheim, wo nur in den Städten Hildesheim und Erfurt auch die evangelische Kirche gleichberechtigt blieb. In mehreren Halbinseln griff das protestantische Gebiet zwischen die katholischen Lande ein; eine langgestreckte zog von der Werra durch Hessen und die Wetterau bis zum Odenwald. Kurpfalz mit seiner gemischten katholisch-protestantischen Bevölkerung verband sie mit dem lutherischen Zweibrücken jenseit des Rheins.
Insular lagern sich, vom katholischen Westfalen und Unterrheinland umgeben, das reformierte preußische Kleve und die Grafschaft Mark; das Herzogtum Berg mit Düsseldorf hatte katholisch-protestantische Bevölkerung. Andre protestantische Inseln im katholischen Gebiet bildeten die Grafschaften Bentheim, Sayn, Löwenstein, Kastell u. a., die zahlreichen Reichsstädte, von denen wenige katholisch blieben, zahlreich zerstreute Dörfer von Reichsrittern mitten im katholischen Fulda, Würzburg, Bamberg und Eichstätt und die eingeschlossenen sächsischen Ämter.
Eine zweite protestantische Halbinsel in das katholische Land hinein, die vom Fichtelgebirge bis zum Rhein reicht, bildeten durch Franken und Schwaben die Brandenburg-Baireuther und Ansbacher, die Öttingen-Öttingschen, die meisten Hohenloheschen, die württembergischen und Baden-Durlachschen Lande, umgeben von zahlreichen kleinen Parzellen, von der Grafschaft Pappenheim und von den zahlreichen Reichsstädten, von denen manche, wie Augsburg, paritätisch waren.
Merkwürdig ist der auch hierin sich aussprechende Gegensatz, denn während mitten im katholischen Schwaben, von Augsburg bis Lindau, die Reichsstädte protestantisch sind, blieben die von Württemberg umschlossenen, wie Stadt Weil und Schwäbisch-Gmünd, katholisch. Im bayrischen Kreis bildeten die paritätische Reichsstadt Regensburg und die lutherische Grafschaft Ortenburg bei Passau die äußersten und einzigen Vorposten des Protestantismus gegen SO. In der Oberpfalz erhielt sich nur in den sulzbachschen Landen der Protestantismus neben der katholischen Kirche. Im Reichsland Elsaß-Lothringen hatte sich das Verhältnis der Konfessionen zu einander während der französischen Herrschaft wesentlich zu gunsten der Katholiken geändert; so wurden aus den ehemals evangelischen Städten Straßburg und Mülhausen vorwiegend katholische.
In den ehemaligen Besitzungen der Grafen von Hanau-Lichtenberg, der Grafschaft Saarwerden, den Gebieten der alten Reichsstadt Straßburg und einigen kleinern Landesteilen und reichsritterschaftlichen Orten im Unterelsaß sowie im Gebiet der ehemaligen Reichsstadt Münster und in der württembergischen Grafschaft Horburg hat sich die evangelische Kirche vorherrschend erhalten; in allen andern Teilen des Landes sind aber die Katholiken überwiegend, meist sogar fast allein herrschend.
In der Provinz Ostpreußen, im äußersten Nordosten des Reichs, ist das Gebiet des ehemaligen Herzogtums Preußen fast ganz evangelisch; fast ganz katholisch ist nur die Landbevölkerung des Bistums Ermeland, das also eine Insel zwischen den evangelischen Landesteilen Ostpreußens bildet; Westpreußen, soweit es ehedem zu Polen gehörte, ist sehr gemischt. In der Provinz Posen bekennen sich die zahlreich in den letzten Jahrhunderten eingewanderten Deutschen überwiegend zur evangelischen, die Polen fast ausschließlich zur katholischen Kirche.
Kirchenwesen.
Die Verfassung der evangelischen Kirche ist in den Staaten des Reichs verschieden. Sie unterscheidet in ihrem System die Presbyterial- und Episkopalverfassung. Bei ersterer ruht die Kirchengewalt in der Hand der aus der Wahl der Gemeinden hervorgehenden Organe, bei letzterer in der Hand des Landesherrn als obersten Bischofs. Wird aber die Ausübung auf kollegiale Behörden übertragen, so wird die Episkopalverfassung als Konsistorialverfassung bezeichnet. Wo sich die Gemeinden bei der Reformation auf sich selbst angewiesen sahen, insbesondere in den apostolischen Gemeinden, gelangte die Presbyterialverfassung zur Geltung.
Dies war namentlich bei den Anhängern des reformierten Bekenntnisses und (von Frankreich und Schottland abgesehen) in der Pfalz sowie am Niederrhein der Fall. In Preußen, wo mit der Verfassung eine doppelte Änderung in dem alten Verhältnis der Kirche zum Staat eintrat, fungiert für die neun alten Provinzen als oberste Kirchenbehörde der Oberkirchenrat. Er ist kollegialisch organisiert und unmittelbar dem König untergeordnet. Unter dem Oberkirchenrat stehen für die einzelnen Provinzen Konsistorien.
In den neuen Provinzen befinden sich die dem Kultusminister unterstellten Konsistorien. Anderseits bestehen neben den Kirchenbehörden in den alten Provinzen Synoden (Kreis-, Provinzial- und eine Generalsynode) für die der Kirche zugefallene Selbstverwaltung (nicht für die Glaubenslehren). Die neuen Provinzen haben hierin eine mehr oder minder abweichende Verfassung. In vollkommenem Maß ist das Synodalsystem bereits in den meisten deutschen Staaten ausgebildet. An der Spitze der römisch-katholischen Kirche steht der Papst in Rom, den Mittelpunkt der geistlichen Thätigkeit dagegen bilden die Bischöfe. Für die Katholiken bestehen im Deutschen Reich 5 Erzbistümer: Köln und Gnesen-Posen in Preußen, München-Freising und Bamberg
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in Bayern, Freiburg in Baden für die oberrheinische Kirchenprovinz, d. h. für die Katholiken in Baden, Württemberg, Hohenzollern, Hessen und Hessen-Nassau; 20 Bistümer: Ermeland, Kulm, Breslau, Hildesheim, Osnabrück, Münster, Paderborn, Fulda, Limburg und Trier in Preußen, Augsburg, Passau, Regensburg, Eichstätt, Würzburg und Speier in Bayern, Rottenburg in Württemberg, Mainz in Hessen, Straßburg und Metz in Elsaß-Lothringen;
3 apostolische Vikariate (das Dresdener für Sachsen, das für Anhalt und das der nordischen Missionen).
Diesen unterstehen die Erzpriester und Dekane. Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Kongregationen wurden durch das Reichsgesetz vom vom Gebiet des Reichs ausgeschlossen, nur die ausschließlich der Krankenpflege gewidmeten Orden können fortbestehen und neu errichtet werden. Die Altkatholiken haben einen staatlich anerkannten Bischof in Bonn.
Vgl. Böttcher, Germania sacra; topographischer Führer für kirchengeschichtliche Ortskunde (Leipz. 1874 ff.).
Geistige Kultur. Bildungsanstalten.
Deutschland steht in der Volksbildung auf der ersten Stufe unter den größern Völkern der Erde, wiewohl in den letzten Dezennien der Ausgleich vielfach große Fortschritte gemacht hat. Deutschland und namentlich Preußen verdanken die Blüte der Volksbildung den Bestrebungen der Anhänger Pestalozzis, die, unterstützt durch die politischen Verhältnisse in Preußen während der beiden ersten Dezennien des gegenwärtigen Jahrhunderts, das Schulwesen reformierten und in ganz neue Bahnen lenkten.
Einen Stoß aber bekam es durch die nach 1840 mit Eichhorn beginnende Reaktion, die, erst kaum fühlbar, nach einigen Seiten sogar noch wohlthuend wirkte, mit Herausgabe der Stiehlschen Schulregulative (1854) aber nach und nach immer mächtiger hervortrat und zu einer Zersetzung des Volksschulwesens führte, die 1872 noch rechtzeitig eine Änderung des Systems bewirkte. Am weitesten in der allgemeinen Bildung stehen die östlichen Provinzen zurück, in denen noch immer ein nicht geringer Prozentsatz von Rekruten, ohne lesen und schreiben zu können, jährlich eingestellt wird; in den Provinzen Westpreußen und Posen waren es 1883/84: 7,38, bez. 8,89 Proz., im ganzen Königreich 1,97 gegen 3,98 Proz. im Jahr 1874 (vgl. Analphabeten).
In den übrigen deutschen Staaten ist das Volksschulwesen mehr oder weniger ähnlichen Schwankungen unterworfen gewesen wie in Preußen; jedoch ging die Reaktionsperiode in einigen schnell vorüber oder traf andre kaum, so daß das Schulwesen in mehreren Ländern das in Preußen immer noch übertrifft, bez. überholt hat. Das gilt namentlich von allen sächsischen Ländern, von Baden, Braunschweig, Württemberg etc. In Bayern fand man 1879 bei der Einstellung der Rekruten 0,47 Proz., 1883/84 nur noch 0,08 Proz. derselben ohne Schulbildung. Das Volksschulwesen ist meist konfessionell geschieden. In fast allen Teilen des Reichs besteht für die Volksschule noch eine Lokalschulaufsicht, die meist in den Händen der Geistlichen liegt.
Die Grundlage der Volksbildung bildet der Schulzwang, wonach alle Einwohner ihre nicht anderweit gehörig unterrichteten Kinder vom zurückgelegten 5., bez. 6. bis im allgemeinen zum vollendeten 14. Lebensjahr zur öffentlichen Schule schicken müssen. Anfangs- und Endpunkt der Schulpflicht sind in den verschiedenen Staaten, sogar in den Provinzen verschieden; die allgemeine Schulpflicht selbst aber besteht in ganz Deutschland Gegenwärtig schätzt man die Zahl der Volksschulen in Deutschland auf 57,000, welche von ca. 7,100,000 Kindern besucht werden.
Für die Ausbildung von Schullehrern bestehen Präparandenanstalten (73) und Schullehrerseminare (183). Einen Übergang von den Volksschulen zu den höhern Schulanstalten bildet die Mittelschule unter den verschiedensten Bezeichnungen und Einrichtungen (im preußischen Staat ist für dieselbe 1872 eine einheitliche Grundlage aufgestellt worden), und als Ergänzung der Volksschule erscheint die Fortbildungsschule, welche die Volksschulbildung befestigen und in ihrer Anwendung auf das praktische Leben erweitern soll. Bei letzterer findet sich eine Schulpflicht nur unter gewissen Voraussetzungen anerkannt. In den höhern Lehranstalten soll die wissenschaftliche Vorbildung erworben werden, die als Unterlage für die spätere Berufs- oder Fachbildung dient. Die Gymnasien haben als Mittelpunkt das Studium des klassischen Altertums. Zur Vorbereitung dienen auch Progymnasien mit gleichen Zielen, aber ohne oberste Klasse.
Im Verlauf des Kampfes der seit dem 17. Jahrh. in den Vordergrund tretenden naturwissenschaftlichen Forschung mit der Alleinherrschaft des klassischen Altertums entstanden (1817) Realschulen, in denen das mathematisch-naturwissenschaftliche Element gegen das philologisch-historische der Gymnasien überwog. Die Realschulen erster Ordnung, die bei gleicher Klassenzahl und Unterrichtsdauer wie die Gymnasien ihren Lehrplan erfüllen, stehen hinter letztern nicht mehr zurück; nur die Richtung der Ausbildung bleibt eine verschiedene.
Man unterscheidet noch Realgymnasien, d. h. Realschulen erster Ordnung, deren Lehrplan für die drei untern Klassen mit den Gymnasien völlig übereinstimmt; ferner Oberrealschulen, die an Stelle des Lateins höhere Ziele in den neuern Sprachen und Naturwissenschaften verfolgen. Zu den Realgymnasien stehen die Realprogymnasien, zu den Oberrealschulen die Realschulen (zweiter Ordnung) in demselben Verhältnis wie die Progymnasien zu den Gymnasien. Während diese Anstalten in Ermangelung der obersten Klasse nur der Vorbereitung dienen, sollen die höhern Bürgerschulen eine selbständig in sich abgeschlossene Bildung vermitteln.
Im J. 1884 gab es in Deutschland 878 Lehranstalten, die zur Ausstellung der Qualifikationszeugnisse zum einjährig-freiwilligen Militärdienst berechtigt waren (vgl. die Übersicht derselben, S. 820).
Die Universitäten oder Hochschulen bestehen in der Regel aus 4 Fakultäten: der theologischen, juristischen, medizinischen und philosophischen. Die theologische Fakultät ist ganz vorherrschend eine evangelische, katholisch nur bei den Universitäten zu München, Würzburg, Freiburg, Münster und dem Lyceum zu Braunsberg; eine evangelisch- und eine katholisch-theologische Fakultät (daher 5 Fakultäten) haben die Universitäten zu Bonn, Breslau und Tübingen; die letztere besitzt eigentlich 7 Fakultäten, indem zu den 5 noch eine staatswissenschaftliche und eine naturwissenschaftliche hinzutreten.
Die Universitäten zu München und Würzburg besitzen gleichfalls 5 Fakultäten: dort ist eine staatswirtschaftliche, hier eine staatswissenschaftliche hinzugefügt worden. Die Akademie zu Münster steht im Rang einer Universität gleich, obschon sie nur 2 Fakultäten (eine katholisch-theologische und eine philosophische) hat. Die älteste Universität im Deutschen Reich ist die zu Heidelberg (1386), die jüngste die zu Straßburg (1872). Im ganzen gibt es mit Einschluß der Akademie zu Münster und der katholisch-theologischen Fakultät zu Braunsberg 22 Hochschulen, davon 11 im preußischen Staat: Berlin (1810 gestiftet),
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Übersicht der höhern Lehranstalten (mit Berechtigung) in Deutschland.
Provinzen, bez. Staaten | Gymnasien | Progymnasien | Realgymnasien | Oberrealschulen | Realschulen | Realprogymnasien | Höhere Bürgerschulen | Privatlehranstalten | Zusammen | Auf 1 höhere Lehranstalt kommen Einw. |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Ostpreußen | 15 | 2 | 6 | - | - | 1 | 2 | - | 26 | 74382 |
Westpreußen | 13 | 4 | 4 | - | - | 3 | 2 | 1 | 27 | 52070 |
Brandenburg | 36 | 1 | 16 | 3 | - | 9 | 1 | 2 | 68 | 49841 |
Pommern | 18 | 3 | 5 | - | - | 4 | - | - | 30 | 51334 |
Posen | 14 | 2 | 4 | - | - | - | - | 1 | 21 | 81114 |
Schlesien | 36 | 1 | 9 | 3 | - | 3 | 4 | 2 | 58 | 69102 |
Sachsen | 26 | 1 | 6 | 2 | 1 | 6 | 2 | - | 44 | 52543 |
Schleswig-Holstein | 12 | - | 3 | 1 | 2 | 10 | - | 1 | 29 | 38867 |
Hannover | 21 | 3 | 12 | - | - | 12 | 2 | - | 50 | 42403 |
Westfalen | 21 | 2 | 10 | - | - | 6 | 3 | - | 42 | 48653 |
Hessen-Nassau | 12 | - | 4 | - | 9 | 11 | 3 | - | 39 | 39858 |
Rheinprovinz | 28 | 15 | 13 | 3 | 5 | 15 | 4 | 1 | 84 | 48500 |
Hohenzollern | 1 | - | - | - | - | - | 1 | - | 2 | 33812 |
Königreich Preußen | 253 | 34 | 92 | 12 | 17 | 80 | 24 | 8 | 520 | 52460 |
" Bayern | 33 | - | 4 | - | - | - | 33 | 1 | 71 | 74430 |
" Sachsen | 16 | - | 11 | - | 20 | - | - | 4 | 51 | 58290 |
" Württemberg | 14 | 5 | 2 | 3 | 10 | 4 | - | 2 | 40 | 49280 |
Großherzogtum Baden | 12 | 4 | 2 | - | 1 | - | 10 | 1 | 30 | 52340 |
" Hessen | 7 | 1 | 4 | - | 12 | - | 1 | 1 | 26 | 36010 |
Beide Mecklenburg | 10 | - | 6 | - | 2 | 2 | 3 | - | 23 | 29450 |
Thüringen | 15 | - | 6 | - | 2 | 6 | 3 | 1 | 33 | 35450 |
Oldenburg | 5 | - | - | - | 3 | 1 | - | - | 9 | 37490 |
Braunschweig | 5 | - | 1 | - | 1 | 1 | - | 2 | 10 | 34930 |
Anhalt | 4 | - | 2 | - | - | 2 | - | 1 | 9 | 25840 |
Waldeck, beide Lippe | 4 | - | - | - | - | 3 | - | - | 7 | 30300 |
Drei Hansestädte | 4 | - | 5 | - | 2 | - | 2 | 10 | 23 | 29300 |
Elsaß-Lothringen | 12 | 2 | 4 | 1 | 3 | 4 | - | - | 26 | 60260 |
Deutsches Reich: | 394 | 46 | 139 | 16 | 73 | 103 | 76 | 31 | 878 | 51520 |
Bonn (1818), Braunsberg (Lyceum), Breslau (1702, 1811 vereinigt aus der zu Frankfurt a. O. und der Leopoldina zu Breslau), Göttingen (1737), Greifswald (1456), Halle (1817 vereinigt aus denen zu Halle und Wittenberg), Kiel (1665), Königsberg i. Pr. (1544), Marburg (1527) und Münster (Akademie, 1786);
3 in Bayern: Erlangen (1743), München (1472 in Ingolstadt gestiftet, 1802 nach Landshut, 1826 nach München verlegt) und Würzburg (1402);
1 im Königreich Sachsen: Leipzig (1409);
1 in Württemberg: Tübingen (1477);
2 in Baden: Freiburg (1457) und Heidelberg (1386);
1 in Elsaß-Lothringen: Straßburg (1872);
1 in Hessen: Gießen (1607);
1 in Thüringen: Jena (1557);
1 in Mecklenburg: Rostock (1419).
Die Zahl der Lehrenden und Studierenden auf allen Universitäten belief sich im Wintersemester 1884/85 auf 2073 Lehrer (davon 976 ordentliche Professoren) und 27,637 Zuhörer. Weiteres s. Universitäten. Der Ausbildung in den Bauwissenschaften dienen 9 technische Hochschulen: die technische Hochschule in Berlin, die polytechnischen Schulen zu Aachen, Darmstadt, Dresden, Hannover Karlsruhe, München, Stuttgart und Braunschweig (Collegium Carolinum). Groß ist die Zahl der Fachschulen. So gibt es für die Baukunst mehrere Baugewerk-, Kunst- und Bauhandwerk-, Kunst- und Baugewerk-, Bauschulen etc.;
für das Bergwesen Bergakademien in Berlin, Freiberg und Klausthal und 14 Bergschulen (davon 10 in Preußen);
für das Forstwesen die Forstakademien in Eberswalde, Münden, München, Tharandt, Hohenheim bei Stuttgart, ferner einige Forstlehranstalten und eine Zentralforstschule zu Aschaffenburg;
für die Handelswissenschaften mehrere höhere Handelsschulen, Handelsakademien, Handelslehranstalten, Handelsschulen, eine Buchhändlerlehranstalt in Leipzig etc.;
für die Kriegswissenschaften Kriegsakademien in Berlin und München, ferner Kadettenhäuser, Kriegs- und Unteroffizierschulen, eine Marineschule in Kiel;
für die Landwirtschaft verschiedene landwirtschaftliche Akademien und Lehranstalten zu Jena, Hohenheim, Poppelsdorf, Berlin, Halle, Weihenstephan in Bayern, Göttingen u. a., teils für sich allein bestehend, teils in Verbindung mit den Universitäten, sodann eine Gärtnerlehranstalt zu Sanssouci, Ackerbauschulen und sehr zahlreiche landwirtschaftliche Fortbildungsschulen;
für die Musik zahlreiche Konservatorien (Leipzig, Stuttgart, Dresden, Köln, Berlin, München u. a.), Musikschulen etc.;
für das Seewesen eine Marineakademie in Kiel, zahlreiche Navigations- und Schiffahrtsschulen etc. Endlich sind noch vorhanden mehrere Tierarzneischulen (Berlin, Hannover, München, Dresden, Stuttgart), pharmazeutische Lehranstalten, Hebammenschulen, Turnlehrerbildungsanstalten, Industrie- und Gewerbeschulen, einige Web- und höhere Webschulen (Elberfeld, Mülheim a. Rh., Krefeld), Taubstummen-, Blindenanstalten etc. Als Bildungsanstalten sind auch anzusehen die zahlreichen gelehrten Gesellschaften und Vereine, die Bibliotheken, Museen, die botanischen und zoologischen Gärten, die Presse etc.
VI. Landwirtschaft. Waldkultur.
Ackerbau.
Deutschland ist vorwaltend ein Land des Ackerbaues und der Viehzucht. Über die Hälfte von Deutschlands Boden nehmen trotz seiner ausgedehnten Gebirgs- und Bergländer bebautes Land und Wiesen ein, nämlich 26,177,350,6, bez. 5,903,501,1 Hektar, d. h. 48,5, bez. 10,9 Proz. der Gesamtfläche. Nur das Hochgebirgsland Süddeutschlands und die Bergländer erzeugen nicht ihren eignen Bedarf. Selbst in den Bergländern des mittlern Deutschland sind es nur die höchsten Rücken des Schwarzwaldes, des Böhmerwaldes und der Sudeten sowie die höchsten Gipfelhöhen der übrigen Gebirge, wo weder die Kartoffel noch Sommergetreide, Hafer und Sommerroggen, gedeihen. Die größten Ackerländereien findet man in den preußischen Provinzen Posen (61,3 Proz. der Gesamtfläche)
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und Sachsen (60,2 Proz.), ferner in Anhalt (60,8 Proz.), in Schwarzburg-Sondershausen (57,6 Proz.), Provinz Schleswig-Holstein (57,6 Proz.), Lübeck (56,9 Proz.), Sachsen-Altenburg (56,4 Proz.), Mecklenburg-Schwerin (56,2 Proz.). Ausgedehnt ist der Anbau des Weizens, im S. und am Rhein auch der des Dinkels. Sie bilden mit Gerste und im NO. auch mit dem mehr hier und im bergigen Innern als im S. gebauten Roggen Hauptgegenstände der Ausfuhr; untergeordneter ist die Ausfuhr, nicht die Erzeugung, des insbesondere in den Berggegenden gebauten Hafers und der Hülsenfrüchte, von letztern am bedeutendsten in den Provinzen Posen und Brandenburg und den Marschländern des Nordwestens. Im J. 1884 belief sich in Deutschland die gesamte Erntemenge von Weizen auf 2,478,883 Ton. (zu 1000 kg), Roggen auf 5,450,992 T., Gerste auf 2,229,598 T., Hafer auf 4,236,665 T., Spelz und Emer auf 480,577 T., Buchweizen auf 138,370 T. Danzig versendet ins Ausland jährlich fast 200 Mill. T. Weizen und über 40 Mill. T. Roggen, Stettin 3 Mill. T. Weizen und 30 Mill. T. Gerste; Weizen und Gerste gehen vornehmlich nach England, Roggen zumeist nach Norwegen. Dessen ungeachtet gehört Deutschland zu den Ländern, die durchschnittlich noch eines erheblichen Zuschusses an Getreide bedürfen, namentlich an Roggen und Gerste. So stellten sich für das deutsche Zollgebiet 1884 Ein- und Ausfuhr von Getreide (im freien Verkehr) wie folgt:
Einfuhr | Ausfuhr | |
---|---|---|
Weizen | 752901 Ton. | 36193 Ton. |
Roggen | 961399 " | 6286 " |
Gerste | 439879 " | 37265 " |
Mehl | 46275 " | 131689 " |
Hafer | 366413 " | 18527 " |
Mais | 191991 " | 415 " |
Zahlreiche große Kunstmühlen setzen ihr Produkt zum Teil auch ins Ausland (England und Holland) ab. Die süddeutschen Gebirge besitzen nicht allein die größten Strecken vollkommen unproduktiven Landes (Oberbayern nur 31,6 Proz. Ackerland), sondern die Üppigkeit des Graswuchses schließt auch im Gebirge teils den Ackerbau aus, teils nötigt sie zu jener merkwürdigen Wechselwirtschaft von Wiese und Feld, die man Eggartenwirtschaft nennt. Sonst ist gegenwärtig die Lehre von der Fruchtfolge die Grundlage des Ackerbaues, auf welcher die Fruchtwechselwirtschaft basiert, der die sogen., schon durch Karl d. Gr. eingeführte und noch oft angewendete Dreifelderwirtschaft nahekommt, während in nicht dicht bevölkerten Gegenden, z. B. in Schleswig-Holstein und Mecklenburg, noch die Koppel- oder Graswirtschaft weit verbreitet ist. Im übrigen ist neuerdings die Landwirtschaft in Deutschland eine intensivere geworden.
Dem industriereichen Siegener Land sind die Hauberge eigen, Eichenschälwaldungen, die nach dem Abtreiben des Niederwaldes als Feld benutzt werden, bis der Stockausschlag wieder Herr wird. Der arme Moorbauer des nordwestlichen Deutschland verschafft durch Brennen des Moorbodens seiner Frucht die nötige Düngung, verpestet aber freilich zur Zeit dieses Moorbrennens die Atmosphäre Deutschlands durch den Moordampf oder Herauch. Hier im N. auf dem gebrannten Moor wie auf der sandigen Geest gedeiht vornehmlich noch der Buchweizen.
In dem Rhein- und Neckarland reift auch der Mais. An den Bau der Kartoffel, deren jährlicher Ertrag in Deutschland sich durchschnittlich auf fast 21 Mill. Ton. (1884: 24,0 Mill. T.) beläuft, schließt sich die für Preußen insbesondere so wichtige Brennerei und Spiritusgewinnung, vorzugsweise als Nebenbeschäftigung der Landwirtschaft, an. Die Zahl sämtlicher Brennereien in Deutschland (ohne Bayern, Württemberg und Baden) beläuft sich auf 40,200, ihre Produktion (1883-84) auf 3,6 Mill. hl und die Steuereinnahme für Spiritus jährlich auf fast 50 Mill. Mk.
Ausgedehnt ist in vielen fruchtbaren Gegenden Deutschlands der Anbau von Handelsgewächsen. Obenan steht der Flachs, den nicht allein die Gebirgsgegenden des Südens und das Bergland Mitteldeutschlands, sondern auch die norddeutsche Niederung liefert, wie die Gegend von Ülzen in Hannover und das Ermeland in Preußen, überall die Basis einer einst über ganz Deutschland, vornehmlich seine ärmern Bergländer, ausgedehnten urwüchsigen Industrie, der Leinwandweberei (s. unten).
Von einiger Ausdehnung ist der Bau des Hanfes nur in Baden und Rheinbayern. Der Anbau des Flachses sowohl als des Hanfes in Deutschland hat neuerdings erheblich nachgelassen, indem die Anbaufläche des erstern von 133,890 Hektar im J. 1878 auf 108,297 Hektar im J. 1883, also um 19,1 Proz., und die Anbaufläche des Hanfes in derselben Zeit von 21,181 Hektar auf 15,255 Hektar, also um 28 Proz., zurückgegangen ist. Um des Öls willen werden vor allem Raps und Rübsen, untergeordnet Leindotter, nur an sehr wenigen Orten, wie um Erfurt, Mohn gebaut.
Jedoch ist der Anbau der Ölpflanzen durch den allgemein eingeführten Gebrauch von Petroleum und der mineralischen Schmieröle erheblich eingeschränkt worden. Mit Raps und Rübsen (Winter und Sommer) waren in Deutschland im J. 1878: 179,054,6 Hektar, im J. 1883 dagegen nur 133,470,8 Hektar angebaut. Die Anbaufläche des Leindotters ist in derselben Zeit von 2088,4 Hektar auf 2487,9 Hektar gestiegen, diejenige des Mohns von 6333,9 Hektar auf 5756,7 Hektar gesunken. Nächst den Küstenländern liefern im Innern Sachsen, Thüringen und andre Gegenden bedeutende Quantitäten Ölfrüchte.
Nicht unbeträchtlich ist auch die Erzeugung von Kleesamen, und namentlich versendet Breslau große Mengen desselben nach England. Die Einfuhr in das deutsche Zollgebiet ergab 1884: 936,570 Doppelzentner Raps und Rübsaat und 609,925 Doppelzentner Leinsaat;
die Ausfuhr 127,338 Doppelzentner Raps etc. und 207,068 Doppelzentner Leinsaat. Von Petroleum wurden in das Zollgebiet 1884: 4,625,447 Doppelzentner eingeführt und 3131 Doppelzentner aus demselben ausgeführt. Der Bau der Farbepflanzen beschränkt sich auf verhältnismäßig wenig Distrikte, der des Krapps auf die Rheinebene, Schlesien und Württemberg; noch beschränkter ist der des einheimischen Waids (in Thüringen, bei Ingolstadt) und des Saflors (Thüringen und Franken).
Gering ist auch der Anbau der Kardendstieln ^[richtig: Kardendisteln] in Schlesien, Sachsen, Mittelfranken, am Unterrhein. Von großer Wichtigkeit für viele Gegenden Deutschlands mit fruchtbarem Sandboden ist der Tabak. Den besten und meisten baut man in der Rheinpfalz, im Elsaß, im Neckarthal, bessere Sorten auch noch in Mittelfranken, insbesondere um Nürnberg und Erlangen. Geringere Sorten liefern der Werragrund und der Norden, wo in Pommern und der Ukermark noch ausgedehnter Tabaksbau stattfindet. Jedoch nimmt derselbe im allgemeinen ab. Im Erntejahr 1884 bis 1885 waren dem Tabaksbau in Deutschland 21,091 Hektar gewidmet; davon kamen 4428 (1843 noch 10,000) auf Preußen, 7633 auf Baden, 2432 auf Elsaß-Lothringen, 4889 auf Bayern (meist auf die Pfalz, nächstdem auf Mittelfranken), 1073 auf Hessen etc. Pfälzertabake werden als Deckblätter selbst nach Amerika ausgeführt, alle übrigen Tabake aber im Land selbst in Tabaks- und
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Zigarrenfabriken verarbeitet, die jedoch auch viele amerikanische Tabake verwenden. Die Industrie in Tabak und Zigarren beschäftigt in 10,500 Anstalten mindestens 100,000 Arbeiter. Der Hauptsitz derselben ist Bremen nebst den angrenzenden hannöverschen Ortschaften; aber auch über das übrige Deutschland sind zahlreiche Fabriken verbreitet, so in Brandenburg (Berlin, Schwedt), Westfalen (Vlotho, Minden), Hessen-Nassau, im Großherzogtum Hessen, in der Rheinpfalz, in Baden, Elsaß-Lothringen etc. Höher noch als der Tabaksbau hat der Zuckerrübenbau für die Runkelrübenzuckerfabriken den Ertrag des Bodens gesteigert.
Derselbe hat seinen Mittelpunkt in der fruchtbaren Landschaft zwischen Magdeburg, Braunschweig und Merseburg, also in der Provinz Sachsen (woselbst Magdeburg der Hauptzuckermarkt für Deutschland ist), in Anhalt und Braunschweig, nächstdem in Schlesien zwischen Breslau und Schweidnitz und in Brandenburg im Oderbruch. Die Zahl der Zuckerfabriken in Deutschland belief sich 1836 auf 122, 1874 auf 336, 1884 auf 408 und 1885-86 auf 398, nämlich 312 im preußischen Staate (davon 129 in der Provinz Sachsen, 57 in der Provinz Schlesien, 44 in der Provinz Hannover, 19 in Westpreußen, 16 in Posen, 15 in der Provinz Brandenburg etc.), 32 in Braunschweig, 27 in Anhalt, 5 in Württemberg, 5 in Mecklenburg etc. Der jährliche Gewinn an Rohzucker stieg von 1836 bis 1884 von 14,081 auf 9,401,093 Doppelzentner. 1836 gebrauchte man 9 Doppelzentner Rüben zur Produktion eines Zentners (50 kg) Rohzucker, jetzt nur noch 5. Selbstgebaute Rüben wurden in der Kampagne 1883/84 seitens der Zuckerfabriken auf 140,843 Hektar geerntet; der Steuerbetrag aus der Zuckerfabrikation belief sich in demselben Kampagnejahr auf 142,7 Mill. Mk. Runkelrübensame wird in großartiger Weise bei Aschersleben gebaut. Auch ein Kaffeesurrogat erzeugt hier und da Deutschland in der Zichorie, so Preußisch-Sachsen, Braunschweig, das Neckarthal, der Breisgau. Bei Halle wird auch der Kümmel auf dem Feld gebaut.
Garten-, Wein-, Hopfenbau.
Ulm, Nürnberg, Bamberg, Schweinfurt, Erfurt, Quedlinburg, Darmstadt, Straßburg im Elsaß, Guben in der Lausitz, Bardewiek bei Hamburg sind durch Gemüsebau, mehrere derselben besonders durch Spargelzucht und Zucht von Sämereien berühmte Orte. In Nürnberg und Bamberg werden dabei viele Arzneipflanzen, in den Krautländereien des letztern auch Süßholz gebaut. Keine Gegend übertrifft aber das innere Thüringen, mit Erfurt im Mittelpunkt, in dem Handel mit Gemüse, Blumensämereien und lebendigen, blühenden Gewächsen.
Berlin zeichnet sich gegenwärtig in der Blumenzucht aus und macht mit seinen Hyazinthen selbst Holland Konkurrenz. Obstbau ist durch einen großen Teil Deutschlands verbreitet: die Bergränder der Oberrheinischen Tiefebene, die Bergstraße, der Südfuß des Taunus, die Wetterau, Württemberg, insbesondere der Fuß der Alb, Franken, Thüringen, das Werrathal bei Witzenhausen, das Elbthal von Meißen bis Böhmen hinein, die warmen Sandhügel der Lausitz, die Küstenländer, selbst Pommern (Stettin), liefern treffliches Obst, frisch und getrocknet, zur Ausfuhr; in Württemberg und um Frankfurt a. M. ist der Obstwein (Cider) ein weitverbreitetes Getränk und Gegenstand der Ausfuhr. In der Umgegend von Stuttgart kommen fast 2000 Obstbäume auf 1 qkm. Aus den Vierlanden bei Hamburg werden Erdbeeren in großer Menge nach London geschickt. Heidelbeeren aus den Gebirgen, aber auch aus den Waldungen des Norddeutschen Tieflandes (Mecklenburg, Lüneburger Heide), Preißelbeeren aus dem Harz, Schwarzwald etc. sind ebenfalls vielfach geschätzte Früchte.
[Weinbau.]
Für viele Gegenden Deutschlands ist der Weinbau, dessen Kultur nur noch in Ländern mit mindestens 9° C. jährlicher Durchschnittswärme eine lohnende ist, ein wichtiger Erwerbszweig. Das Hauptgebiet des Weinbaues liegt in den südwestlichen Ländern und steht mit den Weingegenden der Schweiz und Frankreichs in Verbindung. Hier ist die Oberrheinische Tiefebene in ihrer ganzen Ausdehnung von Basel bis Mainz in günstigen Lagen, d. h. in der Hügelregion längs des Fußes der Gebirge, ein Rebenland, und aus ihr zieht der Weinstock in die Seitenthäler hinein bis zur Höhe von 400 m, von Basel rheinaufwärts bis zum Bodensee.
Aus dem nördlichen Teil der Tiefebene geht der Weinstock die Thäler des Neckar und Main hinauf. Am Neckar trifft man die obere Grenze des Weinbaues oberhalb Rottenburg; am Main wird derselbe in großer Ausdehnung bis oberhalb Schweinfurt, in geringer noch bis Lichtenfels betrieben. Alle Thäler an den Zuflüssen dieser beiden Nebenflüsse des Rheins haben bis zur Höhe von 400 m ebenfalls Weinlagen; in einigen derselben, wie an der Enz, Tauber etc., sind dieselben ausgedehnt und vorzüglich.
Ganz am untern Ende der Tiefebene, im sogen. Rheingau, findet man die besten Weinlagen Deutschlands am Südabhang des Taunus- und Rheingaugebirges (Rüdesheim, Johannisberg, Geisenheim, Rauenthal etc.); von dort zieht sich eine reiche Weingegend längs der Nahe über Kreuznach bis ins Birkenfeldische, eine andre längs des Rheins im Schiefergebirge bis Roisdorf und Siegburg hinunter; die letztere bildet wieder den Ausgang für den Weinbau in den Seitenthälern des Rheinthals: im Ahrthal bis Hönningen, im Moselthal bis über die Reichsgrenze hinaus etc. Ein andres Gebiet des Weinbaues in Deutschland, wohl so groß wie jenes, aber wegen der geringern Jahreswärme mit dem erstern gar nicht vergleichbar, liegt in Mitteldeutschland vom Thüringer Wald bis über die Oder hinweg; es wird von der Saale, Elbe und Oder durchströmt.
An der Saale wird Weinbau von Jena bis in die Gegend von Halle (am meisten an der Mündung der Unstrut bei Naumburg) betrieben; an der Elbe dehnt das Weingebiet sich von Dresden bis Wittenberg aus; in der Odergegend zeichnet sich Grünberg aus. Noch weiter nördlich gibt es Weinberge an der Havel (Werder), die aber nur Tafeltrauben liefern. Vereinzelt findet man noch Weinbau im Werrathal (Witzenhausen) und an der Donau (Regensburg), hier die äußersten Ausläufer der österreichisch-ungarischen Weinregion bildend.
Die Fläche, auf welcher Weinbau betrieben wird, belief sich im ganzen Reich 1884 auf 119,973,6 Hektar und die Produktion an Wein im Durchschnitt 1878-83 auf 16,3 (1884: 24,8) hl vom Hektar, im ganzen 1884 auf 2,973,916 hl. Davon entfielen auf den preußischen Staat 17,040 Hektar und 399,546 hl, auf Bayern 22,331 Hektar und 384,101 hl, Württemberg 18,546 Hektar und 524,024 hl, Baden 19,885 Hektar und 309,141 hl, Elsaß-Lothringen 30,625 Hektar und 886,700 hl, Hessen 10,346 Hektar und 459,604 hl und auf die übrigen Staaten 1200 Hektar und 11,000 hl. In verschiedenen Gegenden hat sich die Fabrikation moussierender Weine eingebürgert, namentlich bei Koblenz und Mainz. In das deutsche Zollgebiet wurden 1884: 537,368 Doppelzentner Wein und Most in Fässern, 38,439 Doppelzentner Schaumwein in Flaschen und 8462 Doppelzentner sonstiger Weine in Flaschen eingeführt, dagegen 106,784 Doppelzentner Wein und Most in Fässern, 13,812
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Doppelzentner Schaumwein in Flaschen und 50,287 Doppelzentner sonstiger Weine in Flaschen ausgeführt.
[Hopfenbau und Bierbrauerei.]
Hopfen wird in vielen Gegenden Deutschlands gebaut, nirgends aber besser und mehr als in Bayern; 1884 nahm er 46,689 Hektar (davon 26,815 in Bayern) ein. Das Produkt der Gegend von Spalt und Hersbruck in Mittelfranken wird nicht allein über Deutschland, sondern auch ins ferne Ausland versandt. In der Provinz Posen hat die Hopfenkultur ihren Mittelpunkt bei Neutomischel, in Elsaß-Lothringen bei Hagenau und Bischweiler; hier und ebenso in Baden und Württemberg nimmt dieselbe zu. Das Hauptland der Bierproduktion, sowohl in Rücksicht auf die Menge als auf die Qualität des Erzeugnisses, ist Bayern; daselbst produzierten (nur im Gebiet diesseit des Rheins) 1882: 5482 Bierbrauereien (die größten in München, Regensburg, Nürnberg, Augsburg, Kulmbach) nahe an 12,5 Mill. hl Bier. Es spielt daher der Malzaufschlag in diesem Land in den Staatseinnahmen eine ähnliche Rolle wie die Branntweinsteuer in Preußen.
Obgleich die bayrische Bierbrauerei gegenwärtig über ganz Deutschland verbreitet ist, führt dieses Land selbst doch noch das meiste Bier aus. Im ganzen Reichssteuergebiet waren im J. 1884/85: 11,537 Brauereien vorhanden, welche über 24,6 Mill. hl Bier erzeugten und eine Steuer von über 19,5 Mill. Mk. entrichteten (s. Bier);
die gesamte Einfuhr von Bier ins deutsche Zollgebiet betrug 1884: 136,451 Doppelzentner, die Ausfuhr dagegen 1,433,267 Doppelzentner, letztere war seit 1880 um nicht weniger als 367,659 Doppelzentner gestiegen.
Viehzucht.
Im innigsten Verband mit dem Landbau steht die Viehzucht. Der Wiesenreichtum der deutschen Berg- und Thallandschaften, der Wiesen- und Weidereichtum seiner Hochgebirge, die fetten Wiesgründe seiner Marschen im N., fleißiger Anbau von Klee, Luzerne und andern Futterkräutern machen Deutschland zu einem Land ausgedehntester Zucht des Rindviehs. Für Ostfriesland, die Marschländer an der Nordsee, Mecklenburg, Pommern, das Frankenland, insbesondere Unter- und Mittelfranken, für das jenseit des Rheins gelegene Glanthal, für die Alpenreviere, vor allen den Algäu, aber auch für Württemberg, die Berglandschaften Thüringens und Hessens ist Rindviehzucht ein Haupterwerb.
Von hier aus wird nicht allein das Binnenland, sondern werden auch Großbritannien und Frankreich mit Schlachtvieh versehen, ersteres vor allem über Hamburg und Tönning. Aus den Nordseeländern und Mecklenburg geht Butter nicht allein nach England, sondern auch nach überseeischen Ländern, namentlich Südamerika, aus dem Algäu Schweizerkäse ins Binnen- und Ausland. Am preußischen Niederrhein deckt die Viehzucht des Landes nicht den Bedarf der dichten Fabrikbevölkerung.
Von den 15,785,322 Stück Rindvieh Deutschlands mit einem Verkaufswert von 3074 Mill. Mk. kommen auf Preußen nach der Viehzählung von 1883: 8,737,199, Bayern 3,037,098, Königreich Sachsen 651,329, Württemberg 904,139, Baden 593,526, Elsaß-Lothringen 428,650, Hessen 289,105, Oldenburg 211,147 etc. Die Ziege ist überall, vor allem in Berggegenden, das Milchvieh des Armen. Auch die Schweinezucht ist überall zu Hause, aber in Westfalen und Pommern berühmt.
Ziegen gab es 1883 in Deutschland 2,639,994, Schweine 9,205,791. Pommern und Mecklenburg liefern die besten Gänse. Die Pferdezucht Deutschlands ist ebenfalls ein wichtiger Gegenstand der deutschen Landwirtschaft: Ostpreußen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Oldenburg, Hannover, Braunschweig, Lippe im N., Elsaß-Lothringen, Württemberg und Bayern im S. züchten nicht bloß ihren Bedarf, die östlichen und nördlichen Gestüte liefern sogar den Heeren Frankreichs und Italiens Remontepferde; auch die Ausfuhr von Wagen- und Luxuspferden ist nicht gering.
Von den (1883) 3,522,316 Pferden in Deutschland besitzt Preußen 2,417,138, Bayern 356,316, Königreich Sachsen 126,886, Württemberg 96,885, Mecklenburg-Schwerin 88,146, Baden 66,607, Hessen 47,546, Oldenburg 35,977, Elsaß-Lothringen 138,725. Unter den Gestüten erfreut sich besonders das zu Trakehnen in Ostpreußen eines europäischen Rufs. In Deutschland kommen auf 1 qkm 6,5 Pferde, 29,2 Stück Rindvieh, 17 Schweine und 4,9 Ziegen; auf 100 Einw. entfallen 7,7 Pferde, 34,5 Stück Rindvieh, 20,1 Schweine und 5,8 Ziegen.
Die Schafzucht ist vorzüglich in den Gebieten des großen Grundbesitzes bedeutend; sie leidet aber gegenwärtig durch die starke Einfuhr von Wolle aus überseeischen Ländern und nimmt infolgedessen immer mehr ab. Von Sachsen aus hat sich zuerst außerhalb Spaniens die Zucht der edlen Merino- (Eskorial-) Rassen in Deutschland Eingang verschafft; später verbreiteten sich die ebenfalls spanischen Negretti vornehmlich von Böhmen aus. Aber erst durch die Kreuzung dieser Rassen, die nach 1820 in Schlesien zu Kuchelna bei Ratibor zu stande kam und die Eskorial-Negrettirasse hervorbrachte, ward die Einführung der edlen Schafe allgemein.
Von den 19,185,362 Schafen, welche man 1883 in ganz Deutschland zählte, kommen auf Preußen 14,747,975, Bayern 1,178,270, Königreich Sachsen 149,037, Württemberg 550,104, Baden 131,461, Hessen 101,663, Mecklenburg-Schwerin und -Strelitz 939,097, bez. 188,078, Sachsen-Weimar 145,442, Oldenburg 160,937, Braunschweig 243,935, Anhalt 130,610, Elsaß-Lothringen 129,433. Im Anfang der 60er Jahre waren in Deutschland noch ca. 28 Mill. Schafe vorhanden, 1873 war ihre Zahl auf nicht mehr ganz 25 Mill. und 1883 auf nur wenig über 19 Mill. gesunken. Zu Anfang der 60er Jahre kamen in Deutschland auf 1 qkm noch 52 und auf 100 Einw. 73 Schafe, 1883 dagegen auf 1 qkm nur noch 35,5 und auf 100 Einw. nur 42 Schafe.
Die Einfuhr von Schafwolle ist von 687,555 Doppelzentner (1880) auf 1,056,661 Doppelzentner (1884) gestiegen. Die wichtigsten Verkaufsplätze der ausländischen Wolle sind: Hamburg, Bremen und Berlin;
im übrigen konzentriert sich der Verkauf der deutschen Wollen auf den alljährlichen Wollmärkten, von denen diejenigen zu Breslau und Berlin die wichtigsten sind;
auf beiden werden alljährlich noch gegen 50,000 Doppelzentner Wolle umgesetzt.
Die Zahl der Maultiere, Maulesel und Esel in Deutschland ist unbedeutend, sie belief sich 1883 auf 9795, davon 7038 in Preußen, 1511 in Elsaß-Lothringen, 287 in Hessen, 235 in Bayern etc. Die Ein- und Ausfuhr von Vieh im freien Verkehr des deutschen Zollgebiets betrug 1872 und 1884:
Einfuhr (Stück): | Ausfuhr (Stück): | |||
---|---|---|---|---|
1872 | 1884 | 1872 | 1884 | |
Pferde, Esel | 59403 | 74666 | 26713 | 19077 |
Rindvieh | 224722 | 110602 | 248784 | 235889 |
Schafe, Ziegen | 264751 | 77801 | 1243595 | [???] |
Schweine | 988701 | 894152 | 227496 | [???] |
Von nur geringer Bedeutung ist die Seidenweberei in Deutschland, die wichtigen Seidenwebereien der preußischen Rheinlande müssen daher ihren Bedarf an Rohseide aus dem Ausland einführen. Der Import von Rohseide in das deutsche Zollgebiet betrug 1880: 29,038 Doppelzentner und ist 1884 auf 37,763 Doppelzentner gestiegen, während davon im erstern Jahr 8832
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Doppelzentner, 1884: 10,423 Doppelzentner wieder ausgeführt wurden. Die Bienenzucht ist für viele Gegenden von nicht geringer Wichtigkeit, Hannover mit seinen Heiden besitzt allein 172,000 Bienenstöcke. Im ganzen hatten die Bienenstöcke in Deutschland 1883 einen Bestand von 1,911,748, darunter 368,174 mit beweglichen Waben; gegen 1873 hat die Gesamtzahl um 421,736 abgenommen, diejenige der beweglichen Waben aber um 74,351 zugenommen, so daß die Bienenzucht in Deutschland im ganzen einen Rückschritt, die Technik derselben aber einen Fortschritt gemacht hat. Die Bienenzucht wird am stärksten in Norddeutschland gepflegt; in Lüneburg kommen mehr als 15 Stöcke auf 100 Einw., während in einigen sächsischen und rheinischen Bezirken nur 1-2, im Kreis Mannheim nur 0,9 Bienenstöcke auf 100 Einw. entfallen. Aus Schlesien gingen bekanntlich Dzierzons Verbesserungen in der Bienenzucht hervor.
[Fischerei.]
Auch die Fischerei, einst für die nördlichen Küsten und Flüsse wichtiger noch als gegenwärtig, hat neuerdings dank den Bemühungen des Deutschen Fischereivereins wieder an Ausdehnung zugenommen. Trotzdem bleibt die Beteiligung Deutschlands an der Hochseefischerei in der Nordsee sehr gering und ist auf Emden (Heringe), Norderney (Schellfische) und einzelne Orte an der Unterelbe (Blankenese) beschränkt. Umfangreicher ist der Fischfang (besonders auf Dorsche) an der Ostseeküste, wo Eckernförde und Travemünde die bedeutendsten Fischereiplätze sind.
Austernfang wird bei den Inseln Sylt, Föhr und Amrum betrieben und bringt eine jährliche Ausbeute von 3-5000 Ton. München, dessen Fischmarkt im ganzen Binnenland der reichste und interessanteste ist, hat auch eine bedeutende Anstalt für die jetzt überall im deutschen Bergland Eingang findende künstliche Fischzucht; eine andre von gleichem Ruf befindet sich bei Hüningen im Oberelsaß. Vor allem erscheint die Zucht der Forellen überall sehr lohnend. Die Einfuhr von frischen Fischen und Flußkrebsen betrug 1884: 139,139, die Ausfuhr 53,928 Doppelzentner.
Waldkultur.
Deutschland besitzt prachtvolle Laub- und Nadelwälder, die nicht bloß den regen Natursinn des deutschen Volkes gefördert haben, sondern auch eine wesentliche Quelle seines Nationalwohlstandes geworden sind. Der eigentliche Waldboden findet sich in den Binnenländern, wo Gebirge und Berglandschaften für den Ackerbau oft nur wenig oder gar nicht geeignet sind, in viel größerm Umfang als in den Küstengegenden. Die Waldungen beanspruchen in Schleswig-Holstein nur 6,3, in Hannover 16, Pommern 19,8, Posen 20,2, dagegen in Brandenburg 32,5, Hessen-Nassau 40, im preußischen Staat überhaupt 23,4 Proz., ferner in Bayern 33, Sachsen 27,4, Württemberg 30,8, Baden 37, Hessen 31,3, Oldenburg 9,2, in ganz Deutschland 25,8 Proz. von der Gesamtfläche, d. h. für das ganze Reich 13,900,000 Hektar; 4,800,000 Hektar sind mit Laubwald bestanden.
Die Kiefer hat ihre Hauptheimat in dem Tiefland östlich von der Elbe, wo aber auch die Buche auf fruchtbarem Boden sich erhalten hat; auf dem Sandboden des bayrischen Franken, in der Rheinebene, in der süddeutschen Hochebene, soweit Kiesboden, herrscht gleichfalls die Kiefer. Die Buche dagegen ist der herrschende Waldbaum der Höhen des deutschen Berglandes, aber auch des Unterharzes und der Küstenländer der Ostsee, während die Eiche, zwar überall auch einzeln zwischen der Buche verbreitet, ihre Hauptheimat auf dem kieseligen Boden der niederrheinischen Gebirge, in Westfalen, am Solling, Spessart, Odenwald und in Oberschlesien hat; mächtige Eichen beherbergen auch die gemischten Waldungen der süddeutschen Hochebene und das Norddeutsche Tiefland.
Während der Spessart die herrlichsten »Holländer« für den Schiffbau liefert, ist der Wald auf dem Orber Reisig (Hessen-Nassau) und auf vielen rheinländischen Gebirgen Niederwald und als solcher wichtig für die Lohgerbereien durch die Eichenlohe, die er als Schälwald liefert. Von größter Wichtigkeit für Deutschland sind aber seine herrlichen Bestände von Fichten und Tannen in den Alpen, im Böhmerwald, auf dem Schwarzwald, Wasgenwald, Thüringer Wald und Frankenwald, auf dem Oberharz und Riesengebirge.
In den Alpen gesellt sich dazu die Lärche; die den höchsten Alpen angehörige Zirbelkiefer findet sich nur noch in einzelnen Beständen. Der Nadelwald vor allem gibt Tausenden der Waldbewohner durch Holzschlag und den Transport des Holzes Nahrung. 1883 zählte man in der deutschen Forstwirtschaft 91,630 Erwerbsthätige, und insgesamt fanden 427,000 Personen in diesem Beruf ganz oder teilweise ihren Lebensunterhalt. Zahlreiche Schneidemühlen beleben die einsamsten Waldgründe.
Ansehnliche Dampfschneidemühlen gibt es besonders am Finowkanal und an der Alten Oder in Brandenburg, woselbst stets von Oderberg bis Liepe für Berlin, Hamburg etc. bestimmte, aus den Ostprovinzen, aus Polen und Galizien kommende Bauhölzer im Wert von 20 Mill. Mk. lagern; andre große Holzplätze, die das Holz zum Export zubereiten, sind Memel und Danzig. Viele Hände finden Beschäftigung in der Verarbeitung des Holzes zu den mannigfachsten Gegenständen, wie zu Weißbüttnerwaren, Kisten und Schachteln, Küchengeräten, zu Holzschuhen, Sieben und Peitschenstielen (Rhön), allerlei Tischlerarbeiten, Spielwaren bis zu den kunstreichsten Schnitzereien, wie sie vornehmlich aus Zirbelholz im bayrischen Ammergau, gegenwärtig aber auch in Sachsen im Erzgebirge und zwar auch aus Bein und Elfenbein verfertigt werden.
Hervorzuheben sind die Möbelfabriken von Mainz;
die Tischlerwaren von Berlin, München, Stuttgart, Hanau, Nürnberg, Koburg etc.;
die Drechslerwaren von Berlin, Hamburg, Danzig (aus Bernstein), Ruhla (Pfeifenköpfe aus Meerschaum), Waltershausen, Frankenhausen (aus Perlmutter), Nürnberg, Fürth, Stuttgart, Geislingen, Freiburg i. Br. etc.;
die Spielwaren von Sonneberg, für welche jedoch das Papiermaché immer mehr in Aufnahme kommt, und die einen besonders großen Absatz nach Amerika finden. Im Schwarzwald ist die Fabrikation der ursprünglich hölzernen Schwarzwälder Uhren fortgeschritten zur Fabrikation von Taschen-, Stand- und Spieluhren.
Wie Sonneberger Spielwaren, so erzeugt das Sächsische Erzgebirge auch Schwarzwälder Uhren.
VII. Industrie.
Bergbau und verwandte Industrien.
Berg- und Hüttenbau blühen gegenwärtig vor allem in Schlesien, am Niederrhein, in Sachsen, am Harz. Die edlen Metalle, Gold und Silber, sowie daneben Blei und Kupfer treten freilich gegen Steinkohlen, Eisen, Zink erheblich zurück. Die ganze jährliche Ausbeute von Gold in Deutschland beträgt 460 kg; wichtiger ist die Silbergewinnung, die sich auf Sachsen, den Harz, das mansfeldische Kupferschiefergebirge und die Regierungsbezirke Oppeln, Aachen, Wiesbaden und Arnsberg vorzugsweise beschränkt; 1884 wurde sie auf 248,000 kg angegeben, davon entfielen auf Preußen 182,095, Sachsen 60,309 und auf die übrigen deutschen Staaten ca. 5711 kg. Ganz besonders tritt
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durch seine Silberproduktion Freiberg i. S. hervor, woselbst der Bergbau schon 1168 begann; die durch ihn ins Leben gerufene und 1765 gestiftete Bergakademie ist gleichsam der Mittelpunkt aller berg- und hüttenmännischen Wissenschaften. An die edlen Metalle schließen sich die besonders in Nürnberg und Fürth betriebenen Gold- und Silberschlägereien an, welche die Welt mit echtem und unechtem Blattgold und Silber versehen, die Fabrikation des echten und unechten (leonischen) Gold- und Silberdrahts und der Tressen (Lyoner Waren), die Silberarbeiten Augsburgs, Berlins, die Gold- und Silberwarenfabriken von Pforzheim, Ellwangen und Hanau, die Bijouteriewarenfabriken von Offenbach.
Der Kupferertrag ist gering, am bedeutendsten im Mansfeldischen und im Regierungsbezirk Arnsberg. Die Produktion der Bergwerke beläuft sich jährlich auf etwa 613,000 Ton. Kupfererze, die der Hütten auf fast 18,000 T. Garkupfer, wovon mehr als zwei Drittel auf Mansfeld entfallen; in das deutsche Zollgebiet wurden 1884: 13,818,800 kg Garkupfer ein- und 6,905,500 kg ausgeführt. Bleierze werden vorzüglich in den Regierungsbezirken Aachen (am Bleiberg), Oppeln, Köln, Wiesbaden, auf dem Oberharz (Regierungsbezirk Hildesheim), im Königreich Sachsen bei Freiberg und in Braunschweig, im Durchschnitt jährlich 170,000 T. gewonnen.
Die Hüttenproduktion ergab 1884: 94,809 T. Blei und 4920 T. Glätte (87,736 T. Blei allein in Preußen und zur Hälfte wieder im Regierungsbezirk Aachen). Die Einfuhr an Blei und Glätte in das deutsche Zollgebiet betrug 1884: 3464, die Ausfuhr 56,191 T. Wismut kommt aus Sachsen, Antimon aus Thüringen und dem Regierungsbezirk Arnsberg, Kobalt, den nur noch wenige Blaufarbenwerke verarbeiten, aus Sachsen und dem Regierungsbezirk Kassel, Nickel aus Sachsen und den Regierungsbezirken Merseburg und Koblenz, Zinn und Wolfram aus dem sächsischen Erzgebirge (Altenberg).
Nürnberg vor allem erzeugt viele Spielwaren aus Zinn und Komposition, Zinnwaren außerdem Lüdenscheid in Westfalen. Der Gewinn von Manganerzen oder Braunstein ist von Bedeutung an der Lahn im Regierungsbezirk Wiesbaden, nächstdem in Thüringen. Quecksilber wird nur in geringer Menge in Westfalen gewonnen, dagegen ist die Ausbeute an Zink von der größten Wichtigkeit (1884: 125,276 T. Rohzink) und zwar an entgegengesetzten Punkten des preußischen Staats, in Oberschlesien um Beuthen und Kattowitz und in den Regierungsbezirken Aachen, Düsseldorf und Arnsberg. Preußen liefert über die Hälfte alles für die Messingbereitung nötigen Zinks, welches in den Handel kommt, und es bildet dies einen wichtigen Exportartikel für England. Im Zinkguß steht Berlin obenan. Ebenso werden hier die Galvanoplastik und Neusilberverarbeitung im großen betrieben; letztere sowie die Messingverarbeitung beschäftigen aber auch im Arnsbergischen und in Nürnberg viele Hände.
Stein- und Braunkohlen etc.
Von höchster Wichtigkeit für die gewerbliche Entwickelung in der Neuzeit sind aber die Steinkohlen geworden. Deutschland besitzt 7 große Ablagerungen von Steinkohlen, von denen 5 auf den preußischen Staat und 2 auf Sachsen kommen. Das größte aller Lager, nicht allein in Deutschland, sondern auf dem europäischen Kontinent überhaupt, ist das in Oberschlesien, das auch nach Rußland und Österreich hinüberreicht, in aber seine mächtigste Entwickelung in den Kreisen Kattowitz, Beuthen und Zabrze hat.
Soweit das Kohlengebirge hier an die Oberfläche tritt, umfaßt es einen Flächenraum von 550-600 qkm (10-11 QM.); mit den in noch erreichbarer Tiefe unter jüngern Gebilden lagernden Kohlenschichten steigt aber der Flächeninhalt auf 1400 qkm (25 QM.). Der Abbau dieses Kohlengebiets hat erst 1784 begonnen, und noch zu Anfang unsers Jahrhunderts betrug die Gesamtförderung an Steinkohlen in Oberschlesien jährlich nur 20,000 Ton., 1822: 200,000, 1884 aber 12,3 Mill. T. Das zweite Steinkohlenlager breitet sich in dem niederschlesischen Steinkohlengebirge, vorzugsweise im Kreis Waldenburg, aus. 1787 betrug die Kohlenausbeute auf diesem Lager 40,000, 1800: 100,000 und 1883 über 3 Mill. T. Das dritte große Steinkohlenlager im preußischen Staat liegt an der Ruhr in Westfalen und der Rheinprovinz, vornehmlich in den Kreisen Dortmund, Bochum, Essen, Duisburg und Hagen;
seine Länge von Bramey bei Unna im O. bis Vluyn, woselbst das Steinkohlengebirge auf der linken Rheinseite unter Diluvialschichten erbohrt worden ist, beträgt 82 km, die Größe des an der Oberfläche liegenden Teils 8, die des überhaupt erschlossenen Gebiets 880 qkm (16 QM.).
Im westfälischen Anteil belief sich die Ausbeute 1740 auf 30,000, 1800 auf 200,000 und 1883 auf 18,8 Mill. T., im rheinländischen 1827 auf 175,000, 1883 auf 9 Mill. T. Das niederrheinisch-westfälische Steinkohlenbecken (einschließlich der beiden Staatswerke zu Ibbenbüren und Borgloh) wies 1884 einen Absatz von 28,4 Mill. T. auf. Das vierte Steinkohlenlager, bei Aachen am nördlichen Fuß des Hohen Venn, hat mehr eine örtliche Bedeutung und liegt in zwei Becken an der Inde und an der Wurm; die Kohlenausbeute daselbst belief sich 1883 auf über 1,2 Mill. T. Das fünfte Steinkohlenlager, an der Saar zwischen Neunkirchen und Saarbrücken, ist für das südwestliche Deutschland und namentlich für die Eisenindustrie von Elsaß-Lothringen von äußerster Wichtigkeit.
Der größte Teil der Kohlenablagerung befindet sich im Regierungsbezirk Trier, kleinere Teile reichen aber auch nach Rheinbayern und in den Bezirk Lothringen hinüber. 1815 betrug die Kohlenausbeute in dem preußischen Anteil 100,000, 1883 aber 6 Mill. T.; dazu kamen 1883 in Lothringen 600,000 und in Rheinbayern 174,000 T. Kleinere Steinkohlenlager finden sich außerdem noch im preußischen Staat in der Provinz Sachsen bei Wettin an der Saale, bei Ibbenbüren in Westfalen und in der Wälderformation der Wesergebirge, besonders in Hannover.
Von den beiden Kohlenbecken im Königreich Sachsen liegt das eine bei Pottschappel, unweit Dresden, das andre, wichtigere bei Zwickau und Chemnitz. Sachsen förderte 1845: 450,000, 1883 über 4 Mill. T. Steinkohlen. Kleinere Kohlenbecken gibt es weiter noch in Thüringen und Bayern am Thüringer Wald, in Baden am Schwarzwald, und endlich rechnet man die Kohlen der Tertiärformation am nördlichen Fuß der Alpen in Bayern gleichfalls den Steinkohlen zu. 1884 förderte Deutschland überhaupt 57,233,875 T. Steinkohlen, davon Preußen 51,867,646, Sachsen 4,131,899, Elsaß-Lothringen 594,597, Bayern 530,859, die übrigen Staaten 108,874 T. Eingeführt wurden in das deutsche Zollgebiet 1884: 2,296,770 T., ausgeführt aus demselben 8,816,934 T. Steinkohlen. Eingeführt werden Steinkohlen besonders aus England in die Küstenländer, namentlich in die im O. von der Elbe, ausgeführt über die Landgrenzen nach Rußland, Österreich, den Niederlanden, Frankreich und Belgien.
Die Ablagerungsstätten der Braunkohle sind viel ausgedehnter als die der Steinkohle und zerfallen in eine westliche und eine östliche Gruppe. In der westlichen Gruppe unterscheiden wir das
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niederrheinische Becken zu beiden Seiten des Rheins am Nordfuß des Gebirges und besonders an dem Landrücken Ville, das Braunkohlenbecken des Westerwaldes innerhalb des Schiefergebirges, vornehmlich bei Westerburg, und das Braunkohlenbecken meist auf oder nahe der Grenze des Schiefergebirges und des rheinischen Gebirgssystems, das sich von Dürkheim in der Pfalz über Gießen und den Habichtswald bis Wallensen am Hils in Hannover in einer Länge von 400 km erstreckt.
Die östliche Gruppe dehnt sich von der Thüringer Terrasse wahrscheinlich bis zur samländischen Küste in Ostpreußen aus und ist vorzugsweise in den Provinzen Sachsen und Brandenburg stark entwickelt. Im J. 1884 betrug die Förderung von Braunkohlen in Deutschland 14,879,945 Ton., davon 12,055,697 T. in Preußen, 842,153 T. in Anhalt, 821,973 T. in Sachsen-Altenburg, 688,551 T. im Königreich Sachsen, 351,963 T. in Braunschweig, 67,724 T. in Hessen, 16,180 T. in Bayern, etc. Eingeführt wurden in das deutsche Zollgebiet (namentlich aus Böhmen) 1884: 3,466,322, ausgeführt aus demselben 59,347 T. Braunkohlen.
Weite Strecken der norddeutschen Ebene u. der süddeutschen Hochebene, beschränktere in Mitteldeutschland, wie auf dem Rücken der Rhön, auf dem Hohen Venn u. a. O., sind von Torfablagerungen bedeckt. An die Kohlen schließen sich das Erdöl und der Asphalt an; ersteres quillt im Braunschweigischen und Hannöverschen in Quellen hervor, während zu Limmer bei Hannover Asphaltlager im Weißen Jura abgebaut werden. Mannigfache bituminöse Schiefer der Alpentrias, der württembergischen und badischen Lias, der Wälderformation im Teutoburger Wald werden zur Gewinnung von Mineralöl und Photogen verwendet; am wichtigsten ist aber die erdige Braunkohle in der Provinz Sachsen, insbesondere in der Umgegend von Weißenfels und Aschersleben, für die Erzeugung trefflicher Beleuchtungsstoffe, des Paraffins, Solaröls und Photogens, geworden.
Eisenindustrie etc.
Ohne den Reichtum an mineralischen Brennstoffen würde die Eisenindustrie Deutschlands der Konkurrenz Englands und Belgiens erlegen sein; so hat sie aber in Oberschlesien und am Niederrhein dadurch einen mächtigen Aufschwung genommen, während sie im übrigen Deutschland teils durch Verwüstung der Wälder, wie in der Eifel, teils durch Steigerung der Holzpreise, wie in Oberbayern und vor allem in dem eisenreichen Thüringen, tief herabgedrückt worden ist. Außer Preußen produziert nur noch Elsaß-Lothringen große Quantitäten. In Sachsen findet man einige ansehnliche Eisenwerke im Bereich der Steinkohlenlager; der Thüringer Wald liefert zwar wenig, aber treffliches Eisen, das an Güte selbst mit dem Siegener wetteifert.
Die großartigsten Eisenerzlager finden sich im rheinisch-westfälischen Schiefergebirge und in der Nähe desselben; es sind ihrer vorzüglich drei. Das eine, im untern Devon, erstreckt sich von Varste auf der Grenze der Kreise Olpe und Siegen bis Waldbreitbach an der Wied in einer Länge von 75 km; es umschließt den berühmten Stahlberg bei Müsen und das durch seine Eisenindustrie berühmte Thal des Flusses Ferndorf bei Siegen; aus ihm werden Erze in großer Menge in das Ruhrkohlengebiet mittels der Eisenbahnen geführt.
Das zweite große Lager im obern Devon (Krammenzel) zieht sich in einer Länge von 70 km vorzüglich durch den Regierungsbezirk Wiesbaden von Katzenelnbogen über Diez, Limburg und Weilburg und durch den Kreis Wetzlar; aus ihm werden die Erze zum größten Teil ebenfalls nach dem Ruhrkohlengebiet geschafft und zwar teilweise zu Wasser. Das dritte endlich liegt im Braunen Jura westlich von der Mosel in Elsaß-Lothringen; dasselbe erstreckt sich nach Luxemburg hinein und gilt als das größte Eisenerzlager in Europa.
Die andern Eisenerzlager, so bedeutend sie auch erscheinen mögen, wie z. B. im innern Becken des Fichtelgebirges, im Erzgebirge, in Oberschlesien etc., sind neben diesen großen Lagern nur gering. Die Produktion an Eisenerzen ist gegenwärtig in Deutschland auf fast 9 Mill. Ton. (einschließlich Luxemburg) jährlich gestiegen. Der preußische Staat gewann 1884 allein 4,186,075 T., Elsaß- Lothringen 1,909,381 T., Luxemburg 2,451,454 T. Die Produktion an Roheisen ergab 1884 in Deutschland (mit Luxemburg) über 3½ Mill. T. und wird gegenwärtig nur noch von England und den Vereinigten Staaten von Amerika übertroffen; 2,618,897 T. kamen davon allein auf Preußen, 410,317 T. auf Elsaß- Lothringen, 65,100 T. auf Bayern, 365,997 T. auf Luxemburg, auf die andern Staaten zusammen noch nicht 150,000 T. Eingeführt wurden in das deutsche Zollgebiet 1884: 264,500 T., ausgeführt aus demselben 230,007 T. Roheisen. In Deutschland (nebst Luxemburg) finden fast 200,000 Arbeiter ihre Nahrung durch den Eisenerzbau, den Eisenhüttenbetrieb und die Gießereien.
Die großartigsten Werke für die Roheisenproduktion befinden sich in Oberschlesien indem ehemaligen Kreis Beuthen, im Regierungsbezirk Arnsberg in den Landkreisen Bochum und Dortmund und im Kreise Siegen, im Regierungsbezirk Düsseldorf im Landkreis Essen und bei Duisburg, im Regierungsbezirk Trier im Kreise Saarbrücken, im Regierungsbezirk Hildesheim auf und am Oberharz und in Elsaß-Lothringen in den Kreisen Diedenhofen und Land-Metz. In diesen Gegenden, außerdem auch noch in Sachsen und Württemberg wird die Bereitung von Stab- und gewalztem Eisen gepflegt.
In der Stahlfabrikation hat Deutschland gegenwärtig alle Länder überflügelt; große Gußstahlfabriken befinden sich in Essen, Bochum und Witten, die Gußstahlgeschütze liefern, und unter denen die in ersterer Stadt (s. Krupp) weltberühmt geworden ist; Eisenbahnschienen werden auch in großen Mengen zur Ausfuhr produziert. Gußwaren der verschiedensten Art bis zu den feinsten Schmuckgegenständen liefern besonders Berlin, der Harz, München und Nürnberg; aber auch in vielen andern Gegenden erfreuen sie sich eines hohen Rufs.
Für die Verfertigung von Eisen- und Stahlwaren sind die Regierungsbezirke Düsseldorf und Arnsberg die Mittelpunkte. Solingen ist für Hieb- und Stichwaffen der erste Platz, der nicht allein für die europäischen, sondern auch für die außereuropäischen Armeen arbeitet. Daselbst und in dem nahen Remscheid ist die Messer- und Schneidewarenfabrikation außerordentlich blühend und behauptet auf der Erde nach Sheffield in England die erste Stelle. Dieselbe Industrie (für Kleineisenwaren) ist von Wichtigkeit in den Städten Ronsdorf, Hagen, Altena und Iserlohn und in der Umgegend dieser Orte, die teils im ehemaligen Herzogtum Berg, teils in der alten Grafschaft Mark liegen.
Hier, vorzüglich in und an der Enneper Straße, verfertigt man Sensen, die weithin verschickt werden, und Sackhäuer zum Fällen des Zuckerrohrs. In Altena ist außerdem der Hauptsitz der Drahtfabrikation. Vortreffliche Eisen- und Stahlwaren liefern ferner der Kreis Schmalkalden in Thüringen und einige Gegenden des Erzgebirges. In Süddeutschland sind von Wichtigkeit die Meterwaren von Heilbronn und Stuttgart, von Nürnberg, Erlangen und Regensburg, von Achern in Baden, Molsheim in Elsaß-Lothringen etc.;
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Sensen werden im Schwarzwald, vorzüglich zu Neuenbürg und Friedrichsthal in Württemberg und zu Achern in Baden, angefertigt; Blechwaren zu Eßlingen, Geislingen, Ludwigsburg und Göppingen in Württemberg. Die Nähnadelfabrikation ist von höchster Bedeutung in den rheinischen Schwesterstädten Aachen und Burtscheid, nächstdem in Düren, ferner zu Iserlohn in Westfalen, Schwabach in Bayern, Berlin etc.; mit derselben ist die Herstellung von Steck- und Häkelhaken, von Nadeln für Nähmaschinen etc. verbunden.
Große Gewehrfabriken gibt es in Spandau, Sömmerda in der Provinz Sachsen, Amberg in Bayern, die vorzugsweise für die Armee arbeiten, ferner in Suhl im Thüringer Wald etc. Für Grobschmiede- und Schlosserwaren sind die Hauptwerkstätten ebenfalls die Rheinprovinz und Westfalen. Deutschland produzierte (mit Einschluß von Luxemburg) 1884: 698,837 Ton. Gießereiprodukte zweiter Schmelzung, ferner aus Schweißeisen und Schweißstahl: 9909 T. Eisenbahnschienen und Schienenbefestigungsteile, 34,389 T. Bahnschwellen, 13,487 T. Achsen, Räder, Radreifen, 881,828 T. Handelseisen (Façoneisen, Baueisen etc.), 262,475 T. Platten und Bleche, 222,904 T. Draht u. a.;
aus Flußeisen und Flußstahl: 400,248 T. Eisenbahnschienen, 81,654 T. Bahnschwellen, 60,174 T. Achsen, Räder, Radreifen, 186,202 T. Draht u. a. Die bei weitem größte Menge dieser Erzeugnisse kommt auf den preußischen Staat.
Eingeführt wurden in das deutsche Zollgebiet 1884: 98 T. Luppeneisen, Rohschienen, Ingots, 16,505 T. schmiedbares und Façoneisen, 682 T. Eisenbahnschienen, 3281 T. rohe Platten und Bleche, 5417 T. Weißblech, 3630 T. Eisendraht etc.;
ausgeführt: 23,450 T. Luppeneisen etc., 153,964 T. schmiedbares und Façoneisen, 144,463 T. Eisenbahnschienen, 212,784 T. Eisendraht etc.
[Maschinenindustrie.]
Die Fabrikation von Maschinen befindet sich in steigender Entwickelung. Die erste Dampfmaschine in Deutschland überhaupt ward zu Friedrichshütte bei Tarnowitz in Oberschlesien, die erste in Elsaß-Lothringen 1812 zu Mülhausen und die ersten im Königreich Sachsen 1820 in einer Spinnfabrik zu Mühlau und in Zaukerode im Plauenschen Grund beim Steinkohlenbergbau aufgestellt. Noch vor etwa 30 Jahren wurden die meisten Lokomotiven und Maschinen aus England, Belgien und auch aus Nordamerika bezogen.
Seitdem aber haben die deutschen Maschinenbauanstalten sich so vervollkommt, daß sie nicht nur den größten Teil des eignen Bedarfs an Maschinen selbst herstellen, sondern auch im Ausland ein erhebliches Absatzgebiet ihrer Fabrikate besitzen. Bis 1867 überwog die Einfuhr von Maschinen in das deutsche Zollgebiet die Ausfuhr; alsdann war die Ausfuhr fast immer erheblich bedeutender als die Einfuhr. Karlsruhe, Eßlingen, München, Augsburg, Oberzell bei Würzburg, Hamburg, Bremen, Düsseldorf, Duisburg, Köln, Buckau, Bredow bei Stettin, Elbing, vor allen aber Berlin, Chemnitz und Mülhausen i. E. sind einige der zahlreichen Orte Deutschlands, wo gegenwärtig Maschinen gebaut werden.
Neuerdings ist eine große Zahl von Lokomotiv- und Waggonfabriken in Deutschland entstanden, welche große Quantitäten Eisen und Stahl verarbeiten. Deutschland besitzt jetzt 22 Lokomotivfabriken, wovon 18 Etablissements größere Lokomotiven und 4 hauptsächlich solche für Schmalspurbahnen bauen. Die erstern besitzen eine Leistungsfähigkeit von ca. 1700 Stück pro Jahr; es entfallen davon auf Preußen 9 Etablissements mit einer jährlichen Leistung von etwa 1060 Stück, ferner kommen auf Bayern 4, Elsaß-Lothringen 2 derartige Etablissements und auf die Staaten Württemberg, Sachsen, Baden je 1 Fabrik.
Die Zahl der von sämtlichen Etablissements bis 1882 gelieferten Lokomotiven beträgt etwa 20,700 Stück. Die Zahl der Waggonfabriken in Deutschland beträgt 25; dieselben besitzen zusammen eine jährliche Leistungsfähigkeit bis zu 3900 Personen- und Pferdebahnwagen und 25,000 Güterwagen. Es befinden sich davon in Preußen 15, in Bayern 4, in Baden 2 und in Elsaß-Lothringen, Hessen, Sachsen, Württemberg je 1 Fabrik. Im Schiffbau leisten Hamburg und Bremen das Bedeutendste, aber auch Kiel, Danzig, Stettin und Elbing nehmen eine hervorragende Stelle ein.
Die Fabrikation von Nähmaschinen hat in Deutschland neuerdings einen großen Aufschwung genommen, während die der landwirtschaftlichen Maschinen sich schon seit längerer Zeit eingebürgert hat. Die gesamte Einfuhr von Maschinen ins deutsche Zollgebiet betrug 1884: 39,399 Ton., die Ausfuhr 84,307 T. In höchster Vollendung befindet sich die Fabrikation von Pianofortes, Konzertflügeln und Pianinos in einer Anzahl von großen und mittlern Städten, so in Berlin, Leipzig, Dresden, Breslau, Hamburg, Braunschweig, Köln, Wesel, Düsseldorf, München, Stuttgart etc. Orgeln werden in Dresden, Weißenfels, Paulinzelle in Thüringen u. a. O. gebaut.
Für Harmoniken ist Gera in Thüringen ein wichtiger Ort. Streichinstrumente der verschiedensten Art liefern Mittenwald in Oberbayern, Kassel und besonders das sächsische Vogtland (Adorf, Neukirchen), das mit Geigen einen ausgedehnten Handel treibt. Mechanische Musikwerke (Spieldosen etc.) werden im Schwarzwald verfertigt und stehen mit der dortigen Uhrenfabrikation in Verbindung. Für wissenschaftliche Instrumente hat sich München einen Weltruf erworben.
Salz.
Die Salzgewinnung in Deutschland hat durch die Erbohrung mehrerer großer Steinsalzlager, 1867 zu Sperenberg in Brandenburg, 1868 zu Segeberg in Schleswig-Holstein, 1871 und 1872 zu Inowrazlaw und Wapno in Posen, nachdem das große Steinsalzlager bei Staßfurt schon seit 1837 bekannt und seit 1852 im Betrieb ist, einen großen Fortschritt gemacht. Die salzreichste Landschaft ist die Provinz Sachsen mit dem von ihr eingeschlossenen Anhalt; daselbst sind die großartigen Steinsalzwerke zu Staßfurt und Leopoldshall, die durch eine außerordentlich große Ablagerung von Kalisalzen berühmt sind; Schönebeck an der Elbe ebendaselbst hat die größte Saline des Reichs. In Thüringen werden sieben Salinen benutzt, deren Solen in der Tiefe durch Steinsalzlager gespeist werden.
Auch Hannover besitzt mehrere Salinen, bei denen das Steinsalzlager nachgewiesen ist, das dagegen bei den Salinen Westfalens fehlt. Die Salinen in den Südweststaaten erhalten die Sole gleichfalls aus Steinsalzlagern, von denen die württembergischen durch Bohren bereits 1816 und 1822 erreicht wurden und gegenwärtig abgebaut werden, was mit den schon seit 800 Jahren bekannten Lagern an der Seille in Elsaß-Lothringen nicht mehr geschieht. Die Salzproduktion Bayerns beschränkt sich jetzt auf den südöstlichen Teil des Hauptlandes.
Die Gesamtproduktion an Salz in Deutschland ergab im Etatsjahr 1884/85: 815,663 Ton., darunter Kristallsalz 60,201, andres Steinsalz 272,305, Siedesalz 471,822 T. etc.;
davon wurden hergestellt in Preußen allein 432,206, Württemberg 111,135, Thüringen 63,952, Bayern 45,053, Elsaß-Lothringen 53,863, Baden 31,325 T. Die Einfuhr von Salz in das deutsche Zollgebiet betrug 1884 seewärts 23,982, auf anderm Weg 1987 T., außerdem zu gewerblichen oder landwirtschaftlichen
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Zwecken amtlich denaturiertes Salz 7285 T.; dagegen sind in demselben Jahr ausgegangen 144,198 T. Der Steuerbetrag des von den deutschen Salzwerken etc. in den freien Verkehr gesetzten Salzes belief sich im Etatsjahr 1884/85 auf 22,1 Mill. Mk.
Neben dem gesuchten Steinsalz besitzt Deutschland in den Staßfurter Kalisalzablagerungen einen Schatz von großer nationaler Bedeutung, welcher nicht nur der Industrie, sondern auch der Landwirtschaft unersetzliche Dienste leistet und gleichzeitig ein wichtiges deutsches Exportprodukt bildet. War früher der Steinsalz- und Kalisalzbergbau bei Staßfurt auf das dortige preußische und das anhaltische Staatswerk Leopoldshall beschränkt, so hat er in neuerer Zeit durch Privatunternehmungen namentlich bei Aschersleben einen bedeutenden Zuwachs erhalten.
Die Förderung der Kalisalze ist daselbst von 116,840 Ton. im J. 1864 auf 969,196 T. im J. 1884 gestiegen. Das wichtigste derselben bildet der Carnallit, ein Doppelsalz, aus Chlorkalium und Chlormagnesium bestehend, dessen Förderung sich 1883 auf 733,694 T. belief; nächstdem hat der Kainit, ein dreifaches Salz, aus schwefelsaurem Kali, schwefelsaurer Magnesia und Chlormagnesium bestehend, zu Düngezwecken eine große Bedeutung erlangt; von ihm wurden 1877 erst 31,742 T., 1884 dagegen 203,120 T. gefördert.
Industrie in Stein, Erde, Glas.
An Thonen, von der reinsten Porzellanerde bis zum Lehm für Ziegel- und Backsteine, ist Deutschland reich, und dieser Reichtum hat eine ausgedehnte Gewerbthätigkeit hervorgerufen. Wenngleich der Backstein ein für die meisten Gegenden wichtiges, für die bausteinarmen Ebenen unentbehrliches Baumaterial ist, aus dem selbst große Dome erbaut sind, so steht die Fabrikation doch in der Provinz Brandenburg obenan, wo die sich mächtig erweiternde Hauptstadt fast nur auf dieses Baumaterial angewiesen ist, wo die neuen Ringöfen, seit 1860 aufgekommen, eine allgemeine Verbreitung haben, und wo die Ziegeleien vorzugsweise an der Havel von Werder bis Rathenow (Rathenower Mauersteine) und am Finowkanal zahlreich sind. Im ganzen Reiche gibt es ca. 20,000 Ziegeleien, von denen die meisten allerdings klein sind und nur örtliche Bedeutung haben.
Die Thone der Braunkohlenformation bilden die Grundlage der Fabrikation von Steingut und andern irdenen Waren, vorzüglich in Berlin, in den Regierungsbezirken Trier, Magdeburg, Potsdam, Kassel, Wiesbaden und Liegnitz, weiter in Hannover, im Königreich Sachsen, in Württemberg, Baden etc. Berühmt sind die Thonpfeifen von Uslar in Hannover, die Thonpfeifen und Krüge von Ransbach etc. im Westerwald aus dem sogen. Kannenbäckerland, die als »Koblenzer Waren« in den Handel kommen, die Fliesen von Mettlach an der Saar, die weißen Ofenkacheln von Velten in Brandenburg, das Töpfergeschirr von Großalmerode im Regierungsbezirk Kassel und von Bunzlau i. Schl., die aus dem Graphit des Böhmerwaldes verfertigten Passauer Schmelztiegel, die Thonwaren von Zell am Harmersbach, Hornberg, Schramberg etc. im Schwarzwald u. a. Aus noch ältern Thonen, besonders in den Steinkohlengebirgen, werden feuerfeste oder Schamottesteine bereitet.
Porzellanfabriken gibt es in Deutschland etwa 110. Die älteste in Europa ist die zu Meißen (1710 gegründet), welche jetzt in das Triebischthal verlegt worden ist. Am zahlreichsten sind sie im Thüringer Wald, woselbst diese Industrie, die 1759 Eingang fand, auf der Ablagerung des Kaolinsandsteins am Rennsteig (bei Limbach) beruht und vorzüglich Nippsachen zur Ausfuhr liefert. Große und berühmte Anstalten finden sich weiter in Berlin, Waldenburg i. Schl., Nymphenburg und Bamberg in Bayern; die Porzellanknöpfe und Porzellanperlen von Freiburg i. Br. finden Absatz nach allen Teilen der Erde. In einigen Orten (z. B. in Bamberg) erfreut sich auch die Porzellanmalerei eines hohen Rufs. Im J. 1884 wurden in das deutsche Zollgebiet eingeführt: gewöhnliche Mauersteine und feuerfeste Steine 1,125,039, Dachziegel und Thonröhren (nicht glasiert) 262,360, Schmelztiegel, Ofenkacheln 7212, glasiertes Töpfergeschirr 11,000, Porzellan und porzellanartige Waren, weiß 1527, farbig, bedruckt etc. 2723 Doppelzentner;
ausgeführt: gewöhnliche Mauersteine und feuerfeste Steine 5,526,920, Dachziegel und Thonröhren (nicht glasiert) 555,783, nicht glasiertes Töpfergeschirr 16,749, glasiertes 33,383, Porzellan und porzellanartige Waren 104,168 Doppelzentner.
Von hoher Wichtigkeit ist die Glasindustrie, für welche in Deutschland ungefähr 300 Anstalten bestehen. Ihre Hauptsitze hat sie in Schlesien, Rheinpreußen, in der bayrischen Oberpfalz, in Mittelfranken, Niederbayern, Thüringen und Elsaß-Lothringen. Aus den Waldungen der Norddeutschen Tiefebene verschwinden die Glashütten wegen der bessern Verwertung des Holzes immer mehr; jedoch behauptet sich Baruth in Brandenburg noch mit seinen Lampenglocken. Großartig sind die Anstalten in den Steinkohlengebieten; im Thüringer Wald, wo sich die feine Glasbläserei besonders von Böhmen her verbreitet hat, findet man sie in dem Distrikt der Porzellanfabrikation, hier Thermometer, Barometer, Glasperlen, Spielsachen etc. liefernd; im Oberpfälzer Wald ist der Hauptsitz der Glasschleiferei im Reich, von Nürnberg und Fürth aus geleitet.
Nürnberg und Fürth, dann aber auch Stolberg in der Rheinprovinz und Mannheim liefern Spiegelgläser und Spiegel; Nürnberg, München, Berlin und Rathenow in Brandenburg die verschiedensten optischen Gläser; Berlin, München und Nürnberg sind endlich Hauptorte für die Glasmalerei, für welche in München eine besondere Kunstanstalt besteht. Einfuhr in das deutsche Zollgebiet 1884: Hohlglas 5414, Fenster- und Tafelglas 7263, Spiegelglas 31,243, Glasmasse etc. 1149 Doppelzentner etc.;
Ausfuhr: Hohlglas 656,436, Fensterglas 38,756, Spiegelglas. 67,877, Glasmasse etc. 7259 Doppelzentner etc.
Kalkbrennereien gibt es 5200, kleinere in der Norddeutschen Tiefebene, auf den Verbrauch der Kalksteine unter den erratischen Blöcken berechnet, größere im Bereich der umfangreichen Kalksteinlager, zu Rüdersdorf bei Berlin, Lüneburg, Gogolin in Oberschlesien etc. Hieran schließen sich die Gipsmühlen und Zementfabriken. Gips, als Dungmittel von großer Wichtigkeit, findet sich mehrfach in Schlesien und der Norddeutschen Tiefebene, wo sein Vorkommen in der Regel auf Steinsalzlager deutet, ferner in der Provinz Sachsen; Zementkalk in der Mindenschen Bergkette, im rheinischen Kreise St. Wendel etc. Portlandzement, eine Zusammensetzung aus reinem Kalkstein und Thon, wird bei Stettin, Oppeln, Bonn etc. bereitet. Auch der Traß der Eifel, in zahlreichen Traßmühlen gemahlen, gibt in Verbindung mit Kalk einen Zement. Phosphorit, gleichfalls ein wichtiges Dungmittel, wird jährlich in großen Mengen namentlich im Regierungsbezirk Wiesbaden gefördert; Mergel hat sich vielfach auf den Wiesen des Flachlandes abgelagert.
Magnesit, zur Darstellung des Bittersalzes und einer reinen Kohlensäure verwendet, wird in Schlesien gewonnen; Flußspat, als Zuschlag in
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Schmelzöfen gebraucht, am Harz, im Erzgebirge, Thüringer Wald etc.; Schwerspat in den Regierungsbezirken Wiesbaden und Kassel. Bau- und Werksteine gibt es fast überall, in der nördlichen Ebene werden die erratischen Blöcke dazu verwendet. Die Sandsteine der Sächsischen Schweiz, des Sollinger Waldes, des Wesergebirges etc. werden als vortreffliches Baumaterial weithin befördert, ebenso der Tuffstein der Eifel und der Trachyt des Siebengebirges. Die Granite des Riesen- und Fichtelgebirges liefern Platten und Pflastersteine, treffliche Pflastersteine auch der Basalt in Mitteldeutschland.
Münchens Prachtbauten haben zur Aufschließung vieler schöner Marmorlager am Alpenrand geführt, selbst zur Bearbeitung des deutschen Statuenmarmors, der auch in den mitteldeutschen Gebirgen nicht fehlt. Zu größern Kunstsachen verwendet man auch den Serpentin aus Sachsen und Schlesien, den Alabaster, den feinsten und reinsten Gips, in Thüringen; ebenda werden auch Milliarden von Steinmärbeln verfertigt und mit den Sonneberger Spielwaren ausgeführt.
Die lithographischen Steine von Solnhofen an der Altmühl im Fränkischen Jura sind weltberühmt. Wetzsteine werden im Thüringer Wald, in den Alpen etc. gebrochen. Die ausgezeichnetsten Lager von Dachschiefer in Europa trifft man im Thüringer Wald bei Lehesten und Gräfenthal an, woselbst jährlich Dachschiefer im Wert von mehr als 2 Mill. Mk. gebrochen werden; daselbst gibt es auch Lager von Tafel- und Griffelschiefer, die das Material zur Anfertigung der weitverbreiteten, von Sonneberg ausgeführten Schiefertafeln und Griffel liefern. Sonst findet sich Dachschiefer noch im Erzgebirge, Oberharz und in mehreren vorzüglichen Lagern im Schiefergebirge in Westfalen und der Rheinprovinz. Mühlsteine werden mehrfach gebrochen, ganz besonders aus der Lava zu Niedermendig auf der Eifel.
Von Edelsteinen finden sich in Deutschland nur untergeordnete Arten, der Topas im Königreich Sachsen, der Chrysopras in Schlesien, der Achat an der Nahe bei Oberstein und Idar, der nebst fremdem eingeführten im oldenburgischen Fürstentum Birkenfeld eine eigne Industrie geschaffen hat; der Bergkristall in Schlesien, Sachsen, im Harz etc. erscheint in vielen Formen, als Amethyst, Rauchtopas, Chalcedon, Onyx, Karneol, Jaspis etc. Noch ist der Bernstein zu erwähnen, der in einzelnen Stücken in der Norddeutschen Tiefebene in Lehmlagern, Kies etc. an den verschiedensten Orten, ganz besonders aber an der Küste der Ostsee und in ihrer nächsten Nähe, vorkommt und in Ostpreußen in großer Menge durch Baggerung im Kurischen Haff bei Memel, durch Graben im Samland und durch Tauchen und Schöpfen in der See an der sogen. Bernsteinküste von Brüsterort bis Pillau gewonnen wird. Kunstsachen daraus werden in Danzig, Memel und Stolp gefertigt.
Chemische Industrie.
Chemische Fabriken von Wichtigkeit gibt es außer zu Staßfurt und Leopoldshall in Berlin, Pommerenzdorf bei Stettin, Schönebeck an der Elbe, Neusalzwerk in Westfalen, Duisburg, Aachen, Hamburg, Nürnberg, Ludwigshafen, Heilbronn, Stuttgart etc. Schreibkreide kommt aus Rügen; Farberde wird in Thüringen und Franken gefunden. Farbenfabriken gibt es in Thüringen, Bayern (Nürnberg, Schweinfurt, Amberg); wichtig sind die Ultramarinfabriken zu Nürnberg und in der Rheinprovinz und die in neuester Zeit ganz besonders hervortretenden Anilin- und Alizarinfabriken (zu Höchst a. M., Elberfeld, Offenbach, Krefeld, Mannheim etc.). Parfümerien erzeugen vorzüglich Berlin und Frankfurt a. M., wohlriechendes Wasser Köln, vortreffliche Mineralöle und Paraffin, wie schon bemerkt, die Kreise Weißenfels und Aschersleben in der Provinz Sachsen.
Zündwaren werden in Hessen, Württemberg, Rheinbayern, den Provinzen Sachsen, Schlesien und Hannover teilweise für den Export hervorgebracht; die Seifen- und Kerzenerzeugung führt uns nach Berlin, Barmen, Köln. Nürnberg hat durch seine Bleistifte, zu deren Anfertigung Graphit aus Sibirien herbeigeschafft wird, einen Weltruf erhalten; Gasbereitungsanstalten findet man jetzt bereits in den meisten mittelgroßen Städten, selbst schon in kleinern Städten, Dörfern und Fabriken; Leimfabriken in den Rheinlanden.
Eingeführt wurden 1884 in das deutsche Zollgebiet: Pottasche 22,992, Soda, kalciniert 37,647, roh 66,767, Chilisalpeter 2,006,474, andrer Salpeter 28,872, Salpetersäure 2970, Salzsäure 22,037, Schwefelsäure 71,295, Superphosphate 302,727, Zündwaren und Feuerwerk 8280 Doppelzentner;
ausgeführt: Pottasche 84,489, Soda, kalciniert 110,821, roh 46,390, Chilisalpeter 9599, andrer Salpeter 68,395, Salpetersäure 7441, Salzsäure 98,202, Schwefelsäure 161,352, Superphosphate 114,350, Zündwaren und Feuerwerk 39,254 Doppelzentner.
Industrie in Papier, Leder, Stroh etc.
Für die Papierfabrikation bestehen im Reich etwa 1140 Anstalten und 100 kleinere Handpapierfabriken, davon allein 130 Anstalten mit 190 Maschinen in Westfalen und der Rheinprovinz, 92 Anstalten mit 133 Maschinen im Königreich Sachsen, 73 Anstalten mit 84 Maschinen in Bayern etc. Sie ist am bedeutendsten in den Regierungsbezirken Aachen (in den Roerkreisen Düren und Jülich), Arnsberg (zu beiden Seiten der untern Lenne), Liegnitz und im Königreich Sachsen; viele der Fabriken in diesen Gegenden aber liefern nur Stroh- und Packpapiere.
In den übrigen Teilen des Reichs sind sie mehr vereinzelt, nicht selten aber groß und durch Leistung ausgezeichnet. Papiertapeten werden vorzugsweise in Rheinpreußen, Unterfranken, Hessen, Berlin und Hamburg erzeugt, Buntpapiere in Aschaffenburg und Mainz, Dachpappen und Preßspäne in den Regierungsbezirken Potsdam und Liegnitz, Papiermachéwaren in Berlin, Sonneberg in Thüringen, Koblenz etc., geschmackvolle Buchbinderwaren in Berlin, Leipzig, Frankfurt a. M., Offenbach, Nürnberg, Koblenz etc. In das deutsche Zollgebiet wurden 1884: 102,234 Doppelzentner Papier aller Art, Papiertapeten und Waren aller Art aus Papier ein-, aus demselben 1,058,980 Doppelzentner ausgeführt.
Strohwaren werden vorzüglich im Schwarz- und Wasgenwald, bei Dippoldiswalde (Sachsen), in den Regierungsbezirken Erfurt, Trier und Breslau, in Berlin etc. verfertigt. Die Korbflechterei arbeitet für den Export vornehmlich im bayrischen Regierungsbezirk Oberfranken bei Lichtenfels. Die Hutfabrikation befindet sich seit der Emanzipation von Frankreich in steigender Entwickelung. Für Gummi- und Guttaperchawaren gibt es große Fabriken in Harburg, Berlin etc.
Die Gerberei ist in Deutschland ein altes Gewerbe; bedeutender ist sie im S. und W. als im N. und O. Ausgezeichnete Ledersorten liefern Mainz und Worms in Rheinhessen. Im preußischen Staat ist die Lederbereitung am bedeutendsten in der Rheinprovinz zu Malmedy, in Westfalen im Siegenschen, in Hessen-Nassau zu Eschwege. Auch in Thüringen ist dieser Industriezweig von Wichtigkeit. Feine Lederwaren werden in allen größern Städten angefertigt, jedoch
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vorzugsweise in den süddeutschen Staaten und in der Rheinprovinz. Die Schuhmacherei in Pirmasens und Mainz liefert die feinsten Waren für das Ausland; wichtig ist dieselbe ferner in der Provinz Sachsen, in Thüringen, Berlin, Offenbach, im württembergischen Amt Balingen etc. Handschuhe produziert namentlich Württemberg zur Ausfuhr. Ledergalanteriewaren von ausgezeichneter Güte liefern Berlin, Nürnberg, Offenbach, Hanau etc. Für die Anfertigung von Sattler-, Riemer- und Täschnerwaren sind Berlin, Breslau, Aachen, Düsseldorf, München, Nürnberg, Stuttgart, Karlsruhe und andre Städte Hauptplätze. Einfuhr in das deutsche Zollgebiet 1884: 699,578 Doppelzentner Häute und Felle und 76,933 Doppelzentner Leder und Lederwaren;
Ausfuhr: 184,695 Doppelzentner Häute und Felle; 140,560 Doppelzentner Leder und Lederwaren.
Textilindustrie etc.
Deutschland ist ein Wolle, Flachs und Hanf erzeugendes Land; zu ihrer Verarbeitung haben sich die aus dem Ausland eingeführten großen Mengen dieser Rohmaterialien gesellt. Deutschland bringt aber nicht bloß Wollen- und Leinenstoffe, sondern vor allem auch Baumwollen- und Seiden- sowie gemischte Stoffe in den Welthandel. Viele Tausend Hände am preußischen Niederrhein, in Westfalen, in Sachsen und Schlesien sind mit Spinnen und Weben beschäftigt. In den Streich- und Kammwollspinnereien sowie in den Tuch- und Wollwarenfabriken arbeiten wenigstens 150,000 Menschen.
Die Streichwolle, zur Fabrikation von tuchartigen Geweben gebraucht, wird in großen Anstalten gesponnen, die in der Regel mit der Tuchfabrikation verbunden sind. Sie verfügt im Reich über wenigstens 2,600,000 Feinspindeln. Hauptsitze der Tuchfabrikation sind vor allen die Rheinprovinz, der südliche Teil von Brandenburg nebst angrenzenden Kreisen von Schlesien (Lausitz) und das westliche Sachsen nebst Teilen von Thüringen. In der Rheinprovinz steht der Regierungsbezirk Aachen obenan, woselbst in den Städten Aachen, Burtscheid, Düren, Eupen und Montjoie diese Industrie schon seit langer Zeit in Flor ist und eine Vollkommenheit erreicht hat, die ihren Erzeugnissen den überseeischen Markt sichert; nach Nordamerika allein gehen von hier jährlich Tuche und Buckskins im Wert von mindestens 5 Mill. Mk. Im Regierungsbezirk Düsseldorf treten die Städte Lennep, Werden und Kettwig hervor.
In dem zweiten Mittelpunkt, der Lausitz, erfreut sich die Tuchfabrikation durch die in jüngster Zeit erfolgte Erbauung zahlreicher Eisenbahnen einer steigenden Entwickelung und arbeitet ebenfalls für den Export nach Nordamerika und dem Orient. Im Regierungsbezirk Frankfurt liefern Buckskins hauptsächlich Kottbus, Peitz, Forst und Spremberg, glatte Tuche Guben, Sorau, Sommerfeld und Finsterwalde. Andre brandenburgische Städte, ausgezeichnet durch dieselbe Industrie, sind Schwiebus mit glatten Tuchen und Luckenwalde mit Buckskins. In Schlesien treten besonders die Städte Görlitz mit Export nach Ostasien, Grünberg und Sagan und im Königreich Sachsen Großenhain, in der Provinz Sachsen Burg und in Anhalt Zerbst und Dessau hervor. Im dritten Hauptsitz der Tuchfabrikation sind von ganz besonderer Wichtigkeit die Städte Meerane, Krimmitschau, Reichenbach, Werdau, Kirchberg, Lengenfeld, Döbeln und Roßwein im Königreich Sachsen, Pößneck in Thüringen etc. In andern Städten blühen die Kammwollspinnerei und die Fabrikation von Wollwaren (Glauchau), während Gera, Greiz und Zeulenroda im Reußischen der Sitz der deutschen Tibetfabrikation sind und jährlich Tibetwaren im Wert von mehr als 30 Mill. Mk. liefern, die mit den englischen Waren auf überseeischen Märkten erfolgreich konkurrieren.
Gleichfalls von großer Wichtigkeit sind die Kammwollspinnereien und Wollwarenfabriken zu Mülhausen und Gebweiler sowie die Tuchfabriken zu Bischweiler im Elsaß. Auch Württemberg besitzt in einigen Städten noch eine ziemlich erhebliche Tuch- und Wollwarenmanufaktur, während in Oberhessen die zahlreichen Anstalten für diese Industrie nur klein sind. Vereinzelt tritt mit Tuchfabriken in andern Gegenden noch manche Stadt hervor, z. B. Neumünster in Schleswig-Holstein.
Die Tuchmacherei war zu Anfang dieses Jahrhunderts noch ein allgemein verbreitetes Gewerbe, das in den östlichen Provinzen Preußens selbst für Polen arbeitete; heute hat es in den nordöstlichen Provinzen indes fast gänzlich aufgehört, nur grobe Wollwaren werden durch Nebenbeschäftigung noch auf dem platten Land erzeugt. Die Strumpfwarenfabrikation ist von Bedeutung in Sachsen (Zwickau, Chemnitz), in Thüringen (Apolda) und im Reußischen (Zeulenroda).
Die Teppichweberei wird vorzüglich in Berlin, Hanau, Schmiedeberg i. Schl. und Barmen betrieben; in Schmiedeberg i. Schl. und Wurzen im Königreich Sachsen werden sogen. Smyrnateppiche verfertigt. Die Shawlweberei ist in Berlin zu Hause, das Deutschland auch mit Stickwolle und die Welt mit Stickmustern versieht. Einfuhr in das deutsche Zollgebiet 1884: 1,056,662 Doppelzentner Schafwolle, 189,978 Doppelzentner Wollengarne und 19,042 Doppelzentner Wollwaren aller Art;
Ausfuhr: 119,140 Doppelzentner Schafwolle, 51,889 Doppelzentner Wollengarne, 24,897 Doppelzentner wollene Strumpfwaren und 246,806 Doppelzentner andre wollene Waren etc.
Die Leinweberei hatte einst für Deutschland fast noch größere Bedeutung als die Tuchfabrikation; sie war für die Landbevölkerung eine allgemein gebräuchliche Nebenbeschäftigung. Noch hat sich dieselbe in dieser Weise vorzüglich in den Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern und Posen erhalten. Schlesien, die sächsische Lausitz, Westfalen, Hannover und die Schwäbische Alb, wo früher schon der Hauptsitz dieser Thätigkeit war, sind auch gegenwärtig durch Einführung englischen Maschinengarns sowie der mechanischen Flachsspinnerei wieder einigermaßen Herr über die englische Konkurrenz geworden.
Die Flachsspinnereien (mit etwa 300,000 Feinspindeln), die noch keineswegs den innern Bedarf decken, sind besonders im schlesischen Gebirge (Liebau etc.), woselbst sie ein kleines Seitenstück zu der großartigen Flachsspinnerei Böhmens (von Trautenau bis Reichenberg) bilden, sowie in Westfalen (Bielefeld) und in der Rheinprovinz (Dülken, Viersen, Düren) zu Hause; die außerhalb Preußens sind meist nur klein. Die Einfuhr an Rohmaterial und Garnen übertrifft bei weitem die Ausfuhr.
Garne kommen namentlich aus dem britischen Reich (Belfast), Belgien und Österreich. Die ausgezeichnetsten Leinengarne in Deutschland liefert Bielefeld, das nebst seiner Umgegend, der Grafschaft Mark, auch ein Mittelpunkt der deutschen Leinwandfabrikation ist, von dem dieselbe sich über andre Gegenden Westfalens (Warendorf), über große Teile von Hannover (Osnabrück, Hildesheim), über Lippe etc. ausbreitete. Ein zweiter Mittelpunkt dieser Industrie liegt in der sächsischen Lausitz, wo in Zittau und dessen Umgegend, namentlich in Großschönau, die schönsten Leinwandsorten und die feinsten Damaste verfertigt werden. Von hier nach O. erstreckt sich das Gebiet der Leinweberei weit nach