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Proz.) Landwirte gegenüber (vgl. außerdem den Artikel »Auswanderung«).
Dichtigkeit der Bevölkerung.
(Hierzu die Karte »Bevölkerungsdichtigkeit von [* ] Deutschland«.)
In Bezug auf die Dichtigkeit der Bevölkerung nimmt Deutschland den fünften Platz unter den Staaten Europas ein, indem es darin nur hinter Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und Italien zurücksteht. Sehr ungleich ist die Dichtigkeit der Bevölkerung in den verschiedenen Teilen Deutschlands. Auf 1 qkm lebten 1880 in Deutschland 83,7 Menschen, fast dreimal soviel wie durchschnittlich in ganz Europa (33 auf 1 qkm). Im preußischen Staat kamen 1880 auf 1 qkm 78,3 Einw., in der Rheinprovinz 151, in Westfalen 101,2, Schlesien 99,5, Hessen-Nassau 99,1, Sachsen 91,6, Brandenburg (mit Berlin) 84,9, Schleswig-Holstein 59,8, Posen 58,8, Hannover 55,2, Westpreußen 55,1, Ostpreußen 52,3, Pommern 51,2 Einw. Unter den Regierungsbezirken sind Düsseldorf und Köln am meisten (291,1 und 176,8) und Lüneburg und Köslin am spärlichsten (34,9 und 41,8 auf 1 qkm) bevölkert. In Bayern wohnen 69,7 Einw. auf 1 qkm, in der Oberpfalz 54,7, dagegen in der Pfalz 114,1. Das Königreich Sachsen hat die dichteste Bevölkerung in Deutschland, nämlich 198,3 Einw. auf 1 qkm, übertrifft also schon Belgien mit (1880) 187,4 (Kreishauptmannschaft Zwickau 239,3 Einw., Leipzig 198,4, Dresden 186,4 und Bautzen 142,3 Einw.). Die Staaten im südwestlichen Deutschland stehen in der relativen Bevölkerung einander nahe: Hessen 121,9 Einw., Elsaß-Lothringen 108, Baden 104,1 und Württemberg 101,1 Einw. auf 1 qkm. Doch sind auch hier die Unterschiede beträchtlich: in Württemberg haben der Neckar- und der Donaukreis 187,2 und 74,7 Einw., in Baden die Kreise Mannheim und Waldshut 266,7 und 64,9, in Elsaß-Lothringen die Bezirke Oberelsaß und Lothringen 131,5 und 79,2, in Hessen die Provinzen Rheinhessen und Oberhessen 201,7 und 80,5 Einw. auf 1 qkm. In Thüringen (95,1) verteilt sich die Bevölkerung ziemlich gleichmäßig, nur daß Reuß ä. L. (160,5) und der Ostkreis von Altenburg besonders hervortreten.
Von den übrigen Staaten zählen: Schaumburg-Lippe 104,1 Einw., Anhalt 99,1, Lippe 98,4, Braunschweig 94,7, Oldenburg 52,6, Waldeck 50,4, Mecklenburg-Schwerin 43,4, Mecklenburg-Strelitz 34,2 Einw. auf 1 qkm. Die geringste Bevölkerung trifft man in der Alpengegend des Südens (in den oberbayrischen Bezirksämtern Garmisch und Tölz), in den ausgedehnten Heide- und Moorlandschaften des Nordens und in den Landesteilen, in welchen der Großgrundbesitz, bez. »extensiver« Landwirtschaftsbetrieb vorherrscht; beträchtlicher ist die Bevölkerung schon in den Gebieten des kleinen Grundbesitzes, am bedeutendsten aber in der Regel da, wo neben diesem die Industrie zur Entwickelung gelangt ist.
[Geschlecht.]
Auf 22,185,433 männliche Personen kamen 1880: 23,048,628 weibliche, d. h. ein Verhältnis von 100:103,9. Im ganzen genommen, überwiegt demnach das weibliche Geschlecht. Auf 100 männliche Personen kommen mehr als 107 weibliche in Ostpreußen, Posen, Schlesien, Hohenzollern, Württemberg, Waldeck und Bremen; ein Überwiegen des männlichen Geschlechts dagegen fand statt in: Westfalen, Rheinland, Schleswig-Holstein, Hannover und im Fürstentum Schaumburg-Lippe sowie in vielen Fabrik- und Garnisonstädten.
Indessen ist als interessante Thatsache hervorzuheben, daß in den größten deutschen Städten das weibliche Geschlecht überwog. Es entfielen im J. 1880 auf 100 männliche Bewohner weibliche in Berlin 106,8, in Hamburg 103,7, Breslau 116,7, München 109, Dresden 108,5. Für Berlin weisen allerdings alle frühern Zählungen (mit Ausnahme von 1810) ein Überwiegen des männlichen Geschlechts nach. Ähnlich wie in den deutschen Großstädten sind diese Verhältnisse in Wien (1881: 105,7), London (1881: 112,3), New York (1880: 104,3), wogegen wieder für andre Großstädte ein beträchtliches Vorwiegen der männlichen Bewohner sich ergeben hat.
[Familienstand.]
Die Volkszählung vom ergab ferner, daß 60 Proz. der Bevölkerung ledig, 34 Proz. verheiratet und 6 Proz. verwitwet oder geschieden waren. Bei jedem Geschlecht sind diese Verhältnisse natürlich wesentlich verschieden: von den männlichen Einwohnern waren z. B. 62 Proz. ledig, von den weiblichen nur 58,1, verheiratet waren 34,6 der Männer, 33,4 Proz. der Frauen, verwitwet und geschieden 3,4 der Männer, 8,5 Proz. der Frauen.
[Alter.]
Was die Altersverteilung anbetrifft, so gab es 8,017,997 männliche, 7,998,048 weibliche Kinder (unter 15 Jahren), 13,625,198 Männer, 14,416,214 Frauen im »produktiven« Alter (15-70 Jahre), 542,238, bez. 634,366 Greise (70 Jahre und darüber). Im Alter der Wehrpflicht (vom 17. bis 42. Jahr) waren 8,144,371 Männer (18 Proz. der Bevölkerung), wovon 1,189,018 (2,63 Proz. der Bevölkerung) im Alter der aktiven Dienstpflicht, 1,367,561 (3,02 Proz.) der Reservepflicht, 1,623,489 (3,59 Proz.) der Landwehrpflicht, der Rest im Alter des Landsturms sich befanden; Wahlberechtigte für den Reichstag (25 Jahre und ältere Männer) 10,165,213 (22,5 Proz. der Bevölkerung).
Bewegung der Bevölkerung.
[Eheschließungen.]
In Deutschland wurden im Jahresdurchschnitt der Periode 1874-83: 355,659 Ehen geschlossen, auf 1000 der mittlern Bevölkerung 8,05, das Mittel einer fast ununterbrochen fallenden Reihe;
denn 1872 war die Ziffer 10,29 und 1881 nur 7,47, erst mit dem nächsten Jahr erhebt sich die Eheschließungsziffer wieder und betrug 1883: 7,70, also immer noch weniger als den Durchschnitt der letzten Periode.
Wie ungleichmäßig die Eheschließungen im Lauf des Jahrs stattfinden, geht schon daraus hervor, daß 53 Proz. auf die fünf Monate Februar, April, Mai, Oktober und November fallen (die Monate gleich lang angenommen). Da nun hierfür die Beschäftigungs- und Erwerbsverhältnisse sowie die kirchlichen Vorschriften in erster Linie maßgebend sind, so müssen die verschiedenen Teile des Deutschen Reichs ganz erhebliche Unterschiede zeigen. In einem vorwiegend katholischen und Landwirtschaft treibenden Teil, Posen und Oppeln, wurden 1883 im Monat November (nach Beendigung der Ernten) fast zehnmal soviel Ehen geschlossen als im Monat März (der Fastenzeit), und auf die vier Monate Januar, September, Oktober und November entfielen allein 55 Proz. der Eheschließungen des ganzen Jahrs.
Dagegen erreicht die Anzahl der Eheschließungen im nördlichen, ebenfalls vorwiegend Landwirtschaft treibenden, aber protestantischen Deutschland: Pommern, Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hamburg, Lübeck, im Monat November zwar auch den höchsten Stand, betrug jedoch nur das Dreifache des Monats März, während die fünf Monate April, Mai, Oktober, November und Dezember allein 58 Proz. der Jahressumme ausmachten;
außerdem war das Minimum im August statt, wie oben, im März.
Als vorwiegend protestantisch und industriereich charakterisieren sich Thüringen und das Königreich Sachsen, wo nicht einmal das Maximum der Eheschließungen im Herbst, sondern im April und Mai liegt und das Minimum im August. Die Verteilung ist
Maßstab 1:4400000.
Einwohner auf 1 Quadratkilometer:
unter 30
30-50
50-75
75-100
100-125
125-150
150-175
175 u. darüber
Sämmtliche Orte von über 20000 Einwohner sind bei der Berechnung ausgeschloßen und in 3 Klassen geteilt:
Orte von über 100000 Einw.
Orte von 50000-100000 Einw.
Orte von 20000-50000 Einw.
Zum Artikel »Deutschland«.
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gleichmäßiger, wenn auch fünf Monate: April, Mai, Juli, Oktober und November, immer noch über 48 Proz. auf sich vereinigen.
[Geborne, einschließlich Totgeborne.]
Geboren wurden im Jahresdurchschnitt der Periode 1874-83: 1,782,531 Kinder, d. h. 40,34 auf 1000 der mittlern Bevölkerung;
für das Jahr 1883 waren die Zahlen 1,749,874, bez. 38,16, während das Jahr 1876 die hohe Zahl von 1,831,218 oder 42,53 auf 1000 der mittlern Bevölkerung aufwies.
Auch hier zeigt sich im letzten Jahrzehnt im allgemeinen eine Verminderung, ohne daß Gründe vorlägen, welche auf einen weiter andauernden Rückgang der Geburtenziffer schließen ließen. Unehelich geboren waren im Durchschnitt des Jahrzehnts 1874-83 jährlich 158,068 oder 8,87 Proz. der Gebornen überhaupt, in Bayern r. deutschland Rh. 14,18 Proz. (vor zwei Dezennien noch 20 Proz.), fast ebenso hoch in Mecklenburg, in Berlin 13,48, in den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz 12,48, in Thüringen und Sachsen 12,15 Proz., dagegen in der Rheinprovinz und Westfalen 3,10 Proz., Provinz Hannover, Herzogtum Oldenburg und Bremen 5,28, Provinz Hessen-Nassau, Großherzogtum Hessen und den angrenzenden Kleinstaaten 5,80 Proz. Totgeboren waren in demselben Zeitraum durchschnittlich 69,769 oder 3,91 Proz. der Gebornen. Bei den unehelich Gebornen kommen verhältnismäßig mehr Totgeborne vor als bei den ehelich Gebornen. Die Verteilung der Geburten auf die Monate des Jahrs hat auch in Deutschland ein bestimmtes Gepräge, das in verschiedenen Jahren nur wenig abweicht. Charakteristisch ist, daß zwei Zeiten: Februar (nebst Nachbarmonaten) und September, geburtenreich sind, der Sommer (Juni, Juli, August) aber geburtenarm.
[Gestorbene.]
Die Zahl der Gestorbenen (einschließlich der Totgebornen) betrug im Jahresdurchschnitt der Periode 1874-83: 1,227,683, 1883: 1,256,177, d. h. 27,78, bez. 27,39 auf 1000 der mittlern Bevölkerung. Im NW. Deutschlands ist die Sterblichkeitsziffer beträchtlich niedriger als im O. und S. des Reichs. Besonders hoch ist die Sterblichkeit in den jüngsten Altersklassen, so daß selbst die allgemeine Ziffer da erhöht wird, wo jene stark vertreten sind, d. h. wo die Ziffer der Gebornen hoch ist.
Als natürliche Bevölkerungsbewegung (Überschuß der Zahl der Gebornen über die der Gestorbenen) ergibt sich im letzten Jahrzehnt eine jährliche Zunahme von 555,000 oder 12,56 auf 1000 der mittlern Bevölkerung, während die wirkliche Zunahme, wie sie aus den Volkszählungen hervorgeht, eine wesentlich geringere Vermehrung aufweist und selten in einem Bezirk höher ist als der natürliche Zuwachs. Hierfür liegt der Grund vorzugsweise in der starken überseeischen Auswanderung, teilweise allerdings auch in der Wanderung innerhalb der Reichsgrenzen, z. B. drängen arbeitsuchende oder zur Arbeit gesuchte Personen aus den Provinzen Ost- und Westpreußen und namentlich Posen nach dem Westen des Reichs zu und begnügen sich hier mit geringerm Arbeitslohn, wodurch die eingesessenen Arbeiter vielfach zur Auswanderung veranlaßt werden.
Wohnplätze, Städte.
Im ganzen ist Deutschland die Konzentration der Bevölkerung, wie wir sie in England finden, fremd; unter den etwa 80,000 Ortschaften oder Gemeinden überhaupt oder den (1880) 2707 Städten (Orte mit 2000 und mehr Einwohnern) des Reichs ist nur eine, welche über 1 Mill. Einw. zählt. Über 100,000 Einw. hatten 1880: 14 (1885: 21) Städte, 27 gab es mit 50,000 bis 100,000 (1885: 23);
vgl. folgende Übersicht:
1885 | 1880 | 1885 | 1880 | ||
---|---|---|---|---|---|
Berlin | 1315412 | 1122330 | Aachen | 95321 | 85551 |
Hamburg | 302040 | 289859 | Krefeld | 90255 | 73872 |
Breslau | 298593 | 272912 | Braunschweig | 85169 | 75038 |
München | 260000 | 230023 | Halle a. S. | 81949 | 71484 |
Dresden | 245515 | 220818 | Dortmund | 78435 | 66544 |
Leipzig | 170076 | 149081 | Mülhaus. i. E. | 69676 | 63629 |
Köln | 161260 | 144772 | Posen | 68318 | 65713 |
Frankf. a. M. | 154504 | 136819 | Mainz | 65701 | 60905 |
Königsberg | 151157 | 140909 | Augsburg | 65905 | 61408 |
Hannover | 139330 | 122843 | Essen | 65074 | 56944 |
Stuttgart | 125906 | 117303 | Kassel | 64088 | 58290 |
Bremen | 118615 | 112453 | Mannheim | 61210 | 53465 |
Nürnberg | 115981 | 99519 | Karlsruhe | 61074 | 53518 |
Düsseldorf | 115183 | 95458 | Erfurt | 58385 | 53254 |
Danzig | 114822 | 108551 | Görlitz | 55705 | 50307 |
Magdeburg | 114052 | 97539 | Wiesbaden | 55457 | 50238 |
Straßburg | 112019 | 104471 | Lübeck | 55399 | 51055 |
Chemnitz | 110808 | 95123 | Würzburg | 55020 | 51014 |
Elberfeld | 106492 | 93538 | Frankf. a. O. | 54017 | 51147 |
Altona | 104719 | 91047 | Metz | 53928 | 53131 |
Barmen | 103065 | 95941 | Kiel | 51707 | 43594 |
Stettin | 99550 | 91756 | Potsdam | 50874 | 48447 |
Ferner gab es 1880: 75 mit 20-50,000 (darunter 2 Dörfer: Altendorf und Borbeck), 641 mit 5-20,000, 1950 mit 2-5000 Einw. Unter diesen Städten befinden sich eine Reihe ländlicher Orte, die sich bei der freien Verfassung der Neuzeit in verhältnismäßig kurzer Zeit zu einer bedeutenden Einwohnerzahl gehoben haben, während historische (politische) Städte mit dem Verschwinden ihrer Sonderstellung und Privilegien häufig sogar an Einwohnerzahl zurückgegangen sind und zum Teil auch ihren städtischen Charakter mehr und mehr verloren haben. Aus diesen Gründen und der Gleichmäßigkeit wegen pflegt sich die Statistik bei der Gruppierung der Ortschaften (Gemeinden) jetzt nur an die Volkszahl zu halten.
Die örtliche Konzentration vollzieht sich, wie oben erwähnt, besonders in neuester Zeit, seit 1867 in gesteigertem Maß, wie folgende Übersicht ergibt:
Volkszählung | Großstädte | Mittelstädte | Kleinstädte | Landstädte | Städte überhaupt | Landorte | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
(100,000 u. mehr Einw.) | (20-100,000 Einw.) | (5-20,000 Einw.) | (2-5000 Einw.) | (2000 u. mehr Einw.) | (unter 2000 Einw.) | ||||||
Anzahl | Einwohner | Anzahl | Einwohner | Anzahl | Einwohner | Anzahl | Einwohner | Anzahl | Einwohner | Einwohner | |
1867 | 7 | 1657517 | 64 | 2740832 | 497 | 4336125 | 1712 | 5017092 | 2280 | 13751566 | 26341588 |
1871 | 8 | 1968537 | 75 | 3147272 | 529 | 4588364 | 1757 | 5190801 | 2369 | 14894974 | 26163818 |
1875 | 12 | 2665914 | 88 | 3487857 | 591 | 5124044 | 1837 | 5379357 | 2528 | 16657172 | 26070188 |
1880 | 14 | 3273144 | 102 | 4027086 | 641 | 5671325 | 1950 | 5748976 | 2707 | 18720531 | 26513530 |
In dem Zeitraum 1867-75 verringerte sich also die Bevölkerungszahl der Gemeinden unter 2000 Einw. sogar absolut, wogegen 1875-80 trotz des Ausscheidens von 179 Gemeinden zu der Kategorie der Städte noch eine Zunahme stattfand. 1867 wohnten 34,3 Proz. der Bevölkerung in Orten mit 2000 und mehr Einwohnern, 1871: 36,3 Proz. und 1880 bereits 41,4 Proz.
Berufszweige.
Welchen Berufszweigen und Beschäftigungsarten sich die einzelnen Personen der Bevölkerung Deutschlands widmen, wurde in umfassender Weise zum erstenmal durch die Berufszählung vom festgestellt. Von der auf 45,222,113 Seelen ermittelten »Berufsbevölkerung« gehörten zu A.
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Landund Forstwirtschaft, Tierzucht und Fischerei ausschließlich oder hauptsächlich: 19,225,455 Personen oder 42,5 Proz. der Bevölkerung, darunter waren Angehörige, die nicht oder doch nur nebensächlich erwerbstätig waren, 10,564,046 oder 23,4 Proz. der Bevölkerung, bez. 57,6 Proz. jener Berufsabteilung;
zu B. Bergbau, Bauwesen und Industrie: 16,058,080 Individuen oder 35,5 Proz. der Bevölkerung, darunter 9,359,054 Angehörige, 20,7 Proz. der Bevölkerung und 58,3 Proz. dieser Berufsabteilung;
zu C. Handel und Verkehr, einschließlich Gast- und Schenkwirtschaft: 4,531,080 oder 10 Proz. der Bevölkerung, 2,665,311 oder 59 Proz. davon waren Angehörige;
zu D. häusliche Dienstleistungen und Lohnarbeit wechselnder Art: 938,294 oder 2,1 Proz. der Bevölkerung, davon 538,523 = 57,4 Proz. Angehörige (die bei ihrer Herrschaft wohnenden Dienstboten sind mit 1,324,924 in den einzelnen Berufsabteilungen enthalten);
zu E. Militär-, Zivil-, Staats-, Gemeinde-, Kirchen etc. Dienst und sogen. freie Berufsarten: 2,222,982 Personen oder 4,9 Proz. der Bevölkerung, davon 46,2 Proz. Angehörige;
zu F. Selbständige ohne Beruf und ohne Berufsangabe, in Vorbereitung und Weiterbildung Begriffene und Anstaltsinsassen: 2,246,222 oder 5 Proz. der Bevölkerung.
Der Anteil der hauptsächlichsten Berufsabteilungen der Landwirtschaft und der Industrie an der Gesamtbevölkerung ist über das Reichsgebiet höchst ungleich verteilt, doch lassen sich die extremen Gebiete in wenigen großen Zügen darstellen. Einen starken Prozentsatz industrieller Bevölkerung (über 30 Proz. der Gesamtbevölkerung ausmachend) finden wir zunächst in zwei großen zusammenhängenden Gebieten, diese sind 1) der ganze Westen des Reichs: Württemberg, Baden, Elsaß-Lothringen, Hessen, Hessen-Nassau, Rheinland und die angrenzenden Teile Westfalens, mit Ausschluß einzelner Kreise in Baden und Württemberg sowie des an Luxemburg grenzenden Teils der Rheinprovinz;
2) Königreich Sachsen, Thüringen und das mittlere Deutschland bis zur Norddeutschen Ebene, sodann ein schmaler, stellenweise etwas unter obigem Prozentsatz stehender Streifen am Südrand der Provinz Schlesien. Außerdem gehören dahin die vereinzelten kleinen Gebiete von Stettin, Hamburg, Bremen, Kiel.
Vorwiegend Landwirtschaft treibend (über 50 Proz. der Gesamtbevölkerung) ist die Bevölkerung in den übrigen Teilen des Reichs. Voran steht das große Gebiet der östlichen Provinzen (beide Preußen und Posen), nach S. anschließend der größte Teil Schlesiens, nach W. Pommern, Teile Brandenburgs und beide Mecklenburg. Durch den Norden der Provinz Sachsen gelangen wir dann in das zweite Gebiet: Provinz Hannover (ohne Hildesheim) und Bezirk Münster, dann durch einen Streifen des Bezirks Minden, durch Waldeck und Regierungsbezirk Kassel nach dem gesamten rechtsrheinischen Bayern mit Ausnahme weniger Kreise;
aber auch die Mehrzahl der württembergischen und badischen Kreise sowie Teile von Elsaß-Lothringen gehören hierher.
Sodann treten noch besonders hervor die kleinern Gebiete: Regierungsbezirk Trier und der Norden Schleswig-Holsteins.
Welche Stellung Deutschland in der prozentualen Verteilung der im Hauptberuf Erwerbstätigen auf drei der obigen großen Berufsabteilungen:
1) Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei, 2) Industrie, 3) Handel und Verkehr, gegenüber einer Reihe fremder Staaten und einzelner Reichsteile einnimmt, erhellt aus nachfolgender Übersicht:
Von 100 Erwerbsthätigen gehören an: | |||
---|---|---|---|
der Landwirtschaft etc. | der Industrie | dem Handel u. Verkehr | |
Berlin | 0.8 | 60.7 | 23.3 |
Königreich Sachsen | 23.6 | 58.4 | 10.6 |
Schottland | 18.8 | 54.8 | 15.8 |
England und Wales | 14.0 | 54.5 | 17.2 |
Schweiz | 45.9 | 41.9 | 7.6 |
Deutsches Reich | 46.7 | 36.3 | 8.9 |
Prov. Schlesien | 49.3 | 36.3 | 7.1 |
Prov. Schleswig-Holstein | 46.2 | 32.2 | 11.5 |
Frankreich | 46.3 | 31.9 | 13.7 |
Vereinigte Staaten | 47.3 | 24.4 | 12.4 |
Irland | 48.8 | 23.0 | 8.2 |
Italien | 62.6 | 22.8 | 6.0 |
Österreich | 59.8 | 22.2 | 4.2 |
Provinz Posen | 67.9 | 17.9 | 5.8 |
Ungarn | 67.2 | 12.1 | 2.8 |
Sprache und Volksstämme.
Unter der Gesamtbevölkerung des Reichs gibt es fast 42 Mill. Deutsche und 3¼ Mill. Nichtdeutsche, unter den letztern 2½ Mill. Polen und Tschechen, 140,000 Wenden, 200 Kassuben, 150,000 Litauer, 140,000 Dänen und 280,000 Franzosen und Wallonen. Durchaus deutsch sind die kleinern Bundesstaaten, mit Ausnahme des Königreichs Sachsen, wo es eine Anzahl Wenden gibt, und des Reichslandes Elsaß-Lothringen, wo Franzosen in nicht unbedeutender Zahl leben. Unter den preußischen Provinzen haben Westfalen, Hannover, Sachsen und Hessen-Nassau eine rein deutsche Bevölkerung. Gering ist auch die Zahl der Nichtdeutschen in Pommern, in der Rheinprovinz und in Brandenburg, ansehnlicher in Schleswig-Holstein (Dänen), Ost- und Westpreußen, Schlesien und Posen; in der letztern überwiegen sogar die Nichtdeutschen.
Die Deutschen scheiden sich durch Dialekt und Sitte, die sich selbst im Bau von Dorf, Gehöft und Haus ausspricht, in mehrere Stämme, welche man in die niederdeutschen mit plattdeutscher Sprache, die Bewohner des nördlichen Tieflandes und selbst eines Teils des nordwestlichen Berglandes, und in die das übrige Deutschland bewohnenden hochdeutschen Stämme einteilen kann. Zu den Niederdeutschen gehören die Friesen, Niederrheinländer, Westfalen und Niedersachsen, Nachkommen der alten Sachsenstämme, die ihre plattdeutsche Mundart auch über die ganze ursprünglich wendische Bevölkerung östlich der Elbe verbreitet haben.
In der Mark Brandenburg, in Mecklenburg, Pommern und dem größern Teil von Ost- und Westpreußen ist gegenwärtig das Plattdeutsche herrschende Volkssprache. Die Friesen bewohnen von Ostfriesland bis Schleswig das Küstenland der Nordsee und sind auch gegenwärtig noch der seetüchtigste deutsche Stamm, Meister im Bau der Deiche, zu Hause auf ihrem Gehöft freie Bauern. Mit welch zäher Tapferkeit diese Freiheit von ihnen bewahrt wurde, dafür spricht laut der Kampf der friesischen Dithmarschen.
Der Niederrheinländer, der vom Südende der Kölner Bucht und von den Erftquellen nördlich bis Wesel das westliche Grenzland bewohnt, hat schon ganz Mundart und Sitte des angrenzenden Niederländers; auch wie dieser mehr auf Viehzucht als Ackerbau bedacht, ist er durch die Tausende gewerbfleißiger Familien, welche spanische und französische Verfolgung einst in seine Grenzen hinübertrieben, zum emsigen Fabrikarbeiter geworden. Der Westfale lebt in den Sauerländischen Gebirgen und in dem ebenen Münsterland, in Osnabrück und bis in die untern Weserberge hinein.
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Auf der dürftigen Heide und den ausgedehnten Mooren im N. zwingt ihn die Armut des Landes zum Teil dazu, nach Bestellung seines Ackers mit Spaten und Sense nach Holland auszuwandern und dort durch Hilfe bei der Heuernte, durch Torfstechen, in Ziegeleien u. dgl. sein Brot zu erwerben und mit dem Ersparten heimzukehren. In den fruchtbaren Gauen lebt der freie Bauer zum Teil noch nach alter Sachsenart als Patriarch auf seinem Einzelgehöft, das, von einem mit Eichen bestandenen Erdwall umschlossen, diesen Gegenden ihr charakteristisches Gepräge verleiht und Sitte, Gewohnheit und Lebensweise bedingt.
Wenngleich hier eine ziemlich bedeutende Schweinezucht betrieben wird, so überwiegt doch der reine Ackerbau. Im Osten (Bielefeld) finden wir den fleißigen Leinweber;
im gebirgigen Süden ist wohl Zersplitterung des Bodens zu Hause, aber auch die regste Fabrikthätigkeit;
hier pochen und hämmern die Eisenwerke, namentlich im Lennegebiet und bei Solingen, hier sitzt der Weber emsig hinter seinem Webstuhl;
hier artet aber auch bei der stillen Thätigkeit des Webers der Ernst des Westfalen zu religiöser Grübelei aus und macht das Wupperthal und südlich das Siegener Land zu einem Hauptsitz des Separatismus in der evangelischen Kirche.
Auch die strenge, ausschließende Richtung des Katholizismus kann in wenig Teilen Deutschlands größer sein als im Münsterland und in Paderborn. Der Niedersachse, der Hannover, Schleswig-Holstein, Braunschweig bewohnt, hat vieles mit dem verwandten Westfalen gemein. Hier, wo vorzugsweise Ackerbau und Viehzucht zu Hause sind, fehlen jene religiösen Verirrungen der Fabrikgegenden. Wohl lebt auch hier in den westlichen Gegenden der Bauer noch vielfach im Wohlstand auf seinem Gehöft, wandert der arme Moorbewohner zur Heuzeit nach Holland; aber im übrigen Hannover überwiegen die Bauerndörfer, die großen adligen Güter und die Domänen, und die erste Hälfte dieses Jahrhunderts hat durch die Aufteilung ausgedehnter Weideflächen und durch die Abrundung der einzelnen Besitzungen (Verdoppelung), die bis dahin als Gemeindegrund nur einen geringen wirtschaftlichen Nutzen abwarfen, den Landwirt in eine wesentlich günstigere Lage versetzt und den Sporn zu frischer Thätigkeit in die Masse des Landvolkes gebracht.
Von Niedersachsen aus wurden einst die Mark, Mecklenburg und Pommern der slawischen Herrschaft entrissen und das ursprünglich wendische Land germanisiert. So groß wie hier war in Deutschland nirgends der Gegensatz des Gutsbesitzers und des Hörigen; erst Friedrich Wilhelm III. hob 1809 die Erbunterthänigkeit in seinen Landen auf, in andern blieb sie bis tief in dieses Jahrhundert hinein. Mecklenburg, Ukermark, Pommern sind die Länder der großen Rittergüter und Domänen und der seltenen Bauerndörfer.
Hier herrscht auch noch ein schroffer Gegensatz zwischen Stadt und Land. Die Masse der Bevölkerung in Mecklenburg ist nicht dem Buchstaben des Gesetzes nach, aber faktisch im Zustand der Hörigkeit, auch unter der Hand wohlgesinnter Gutsherrschaften ohne Aussicht, sich Selbständigkeit zu erringen. Mecklenburg zeigt daher, wie neuerdings Pommern, wo der große Grundbesitz ähnliche Verhältnisse hervorgerufen, bei fruchtbarem Ackerboden, fetten Weidegründen, dünner Bevölkerung und Mangel an Arbeitskräften fortdauernde Auswanderung.
Das flache Niedersachsen sowie der ganze Norden sind mit Ausnahme ihrer Städte arm an industrieller Thätigkeit; nur der Harz ist reicher, und Berlin ist der industrielle Mittelpunkt Norddeutschlands geworden. Auch die Provinzen Ost- und Westpreußen sind größtenteils durch die Niedersachsen dem Deutschtum zurückgewonnen, nur daß daselbst durch zahlreiche Einwanderungen aus Süddeutschland noch oberdeutsche Dialekte in eigentümlicher Mischung mit dem Niederdeutschen zu finden sind, z. B. im Ermeland.
Im größern Teil Deutschlands herrscht hochdeutsche Sprache. Unter den hochdeutschen Stämmen sind der obersächsische, fränkische, alemannisch-schwäbische und bayrisch-österreichische die wichtigsten. Zum obersächsischen Stamm gehören die Thüringer und Harzbewohner, die bis zur Werra und Leine reichen, die Meißener im Königreich Sachsen (mit den deutschen Bewohnern des nordwestlichen Böhmen) und die Schlesier mit den Bewohnern des Riesengebirges, der Sudeten und Teilen der Provinz Posen.
Durch Eroberung anfänglich, später auch friedlich im Lauf der Zeiten ist die obersächsische Sprache Herr geworden über das bis zur Elbe und darüber bis zur Thüringischen Saale einst seßhafte wendisch-sorbische Volk. Hier und da hat sich aber auch in Tracht und Sitte, wie in Altenburg, allenthalben aber noch in Fluß-, Orts- und Flurbenennungen Wendisches erhalten. In der Ebene wohnen fleißige Ackerbauer, im Berg- und Gebirgsland hat der Erzreichtum zum Bergbau, dann Übervölkerung bei dürftigem Boden zur reichsten Entwickelung gewerblichen Lebens geführt.
Das bergige Osterland (Vogtland), vor allem das Sächsische Erzgebirge, die Oberlausitz, das Land am Riesengebirge in Schlesien (wie in Böhmen) sind Hauptstätten gewerblicher Thätigkeit, wo Bergbau und Hüttenwesen, Spinnerei, Weberei, Spitzenklöppeln, Sticken und zahlreiche andre Industriezweige im blühenden Betrieb sind. Westlich von Thüringen wohnten, mit den Sachsen verwandt, die Hessen, durch strengen Fleiß dem Boden seinen Ertrag abringend, kräftig und zäh, unter allem Druck an dem festhaltend, was sie für Recht erkannten.
Ausgedehnt ist das Gebiet des fränkischen Stammes, aber zerstückelt unter vielerlei Herrschaft. Sein Gebiet reicht vom Fichtelgebirge und Böhmerland bis über den Rhein, von der Grenze Hessens und vom Rennsteig des Thüringer Waldes bis hinab gegen die Donau, bis zum Ries, ins Hohenlohische an der Jagst und am Kocher, am Rhein von Bonn bis hinauf zur nördlichen Grenze des Schwarzwaldes. Auch der Franke hat sich im O. slawisches Blut assimiliert, und weit westwärts reichen noch slawische Namen.
Zum fränkischen Stamm gehören die Oberpfälzer, deren Gebiet über den Böhmerwald bis nach Böhmen hineinreicht, die Ostfranken oder Franken schlechthin im Maingebiet und im obersten Gebiet der Werra, die Rheinfranken, zu denen auch die Rheinpfälzer bei Heidelberg und in der jenseitigen Rheinpfalz gehören. Sie leben in Dörfern und Städten, die auch in den fruchtbaren Ebenen, wo ergiebiger Ackerbau und lohnende Viehzucht betrieben werden, Sitze der Gewerbthätigkeit sind, wie Hanau, Offenbach, Schweinfurt, vor allen aber Nürnberg und seine Umgegend. Am mittlern Main und in den Seitenthälern der Saale und Tauber, vornehmlich aber am Rhein und in seinen Nebenthälern ist der Franke ein fleißiger Weinbauer. Der Hauptsitz der Gewerbthätigkeit ist auch hier das Gebirge: der Böhmerwald, das Fichtelgebirge und vor allen der Thüringer Wald;
geringer sind die Hilfsquellen der Rhön, das ärmste Land aber ist der Spessart. Im äußersten Westen schließt sich dem Rheinfranken der Niederlothringer an der Mosel bei Trier und in der Eifel an.
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Einen dritten hochdeutschen Hauptstamm bilden die Alemannen und Schwaben. Die erstern wohnen im obern Schwarzwald, an seinem Südgehänge in Einzelgehöften im Schweizer Baustil ländliches Gewerbe mit emsigem Gewerbfleiß (Uhren) verbindend. Durch die Schweiz reicht der Stamm in das gewerbreiche Vorarlberg hinüber, und über dem Rhein nach W. umfaßt er die Bewohner des Elsaß bis auf die Höhe der Vogesen. Östlich und nordöstlich folgt der schwäbische Stamm, welchem Deutschland mehrere seiner größten Männer verdankt; er reicht, wie der alte schwäbische Reichskreis, vom Kamm des Schwarzwaldes und vom Bodensee ostwärts bis zum Lech und Ries, vom Quellgebiet der Iller im S. bis zum Eintritt des Neckar in die malerischen Engen des Odenwaldes, bis an die Grenzen des Hohenlohischen. Landbau, Weinbau, Viehzucht vereinigen sich hier mit reger gewerblicher Thätigkeit, insbesondere diesseit der Alb; auch hier geht die Industrie vorzugsweise von den alten Reichsstädten aus, auf die sie sich im S. der Donau beschränkt.
Der vierte der großen hochdeutschen Stämme ist der bayrische, dem der ganze übrige deutsche Süden und Südosten (auch die Deutschen, die in dem Innern Böhmens und Mährens zwischen den Slawen leben) angehören. Wie der Schwabe, hängt auch der Bayer an seinem Dialekt, der, wenn auch abgeschliffen, im Mund aller Gesellschaftsschichten des Volkes ist. Ackerbau und Viehzucht, im Gebirge Alpenwirtschaft bilden den vorherrschenden Erwerb. Auch in Altbayern lebt vielfach der Bauer, wie in Westfalen, auf seinem Einzelgehöft, inmitten seines unteilbaren Besitzes. Es ist ein derber, kräftiger Volksschlag, der Hochebene und Gebirge bewohnt, und zwar da am rohesten, wo am reichsten; was die Bildung nicht gethan hat, das gleicht der gesunde Mutterwitz aus; überall regen sich jedoch auch in diesem Gebiet die Knospen neuer, lange unterdrückter geistiger Entwickelung. Vgl. auch Deutsche Sprache.
Nichtdeutsche Bevölkerung.
Unter den Nichtdeutschen sind die Polen am zahlreichsten. Sie wohnen in den Provinzen Ost- und Westpreußen (790,000), Posen (880,000) und Schlesien (840,000), in ganz geringer Zahl auch in Pommern (3500) und unterscheiden sich in Großpolen, Masuren, Kassuben und Lechen oder Wasserpolen. Die Großpolen findet man in der Provinz Posen, in Westpreußen östlich von der Weichsel und in einigen Kreisen des Regierungsbezirks Breslau;
die Masuren im südlichen Ostpreußen;
die Kassuben in Westpreußen westlich von der Weichsel und in unbedeutenden Resten in den pommerschen Kreisen Bütow, Lauenburg und Stolp;
die Lechen oder Wasserpolen in Oberschlesien.
In der Provinz Westpreußen beschäftigen uns zuerst die den Wenden verwandten Kassuben, deren Sprache, ein Dialekt des Polnischen, dem Großpolen nicht recht verständlich ist. Sie bilden die Ureinwohner des Gebiets im W. von der Weichsel (Pommerellen). Gegen O. wohnen sie bis an den Rand der Weichselniederungen; gegen W. dringen sie beinahe noch bis an die Linie vor, welche die deutschen Städte Neustadt, Bütow, Konitz und Flatow verbindet, zwischen Bütow und Konitz auch noch ein wenig über diese Linie hinaus.
Als geschlossene Masse treten sie vorzüglich in der Mitte zwischen Brahe, Schwarzwasser und Ferse, ferner auf dem Plateau von Karthaus und nördlich bis an das Rhedathal sowie auf den Plateauinseln an der Putziger Wiek und auf der Halbinsel Hela (ohne den gleichnamigen Flecken) auf. Die meisten Deutschen gibt es in diesen Gegenden an den Landstraßen (Eisenbahnen), wie an der von Dirschau nach Konitz und von Danzig nach Lauenburg, an letzterer sogar fast ausschließlich. Im O. von der Weichsel dehnt sich das polnische Sprachgebiet in West- und Ostpreußen längs der Südgrenze aus und reicht im N. bis an die Linie, welche von Kulm über Lessen, Deutsch-Eylau, Osterode, Bischofsburg, Lötzen und Kowahlen zur Ostgrenze führt.
Nördlich von dieser Linie sind mit Ausnahme der polnischen Sprachinsel des Kreises Stuhm die Polen nur vereinzelt. Die Polen nehmen demnach hier von Westpreußen das ehemalige Kulmer Land, in Ostpreußen dagegen den Kern des Landrückens mit seiner südlichen Abdachung ein; dort sind sie Großpolen und vorwiegend katholisch, hier Masuren und meist evangelisch, katholisch aber auch in den zum Ermeland gehörigen Kreisen Allenstein und Rössel. Der Masure hat blonde Haare und blaue Augen und hat seine alten Sitten und Gebräuche vollständig bewahrt.
Seine Sprache unterscheidet sich vom Hochpolnischen wesentlich, wenn auch nicht so erheblich wie der Dialekt des Kassuben. Der Masure besitzt eine große Liebe zu seinem seenreichen Vaterland und steht mit dem Deutschen, mit dem ihn die evangelische Kirche verbindet, auf gutem Fuß. Die Landbevölkerung ist in dem Umfang des ganzen eben bezeichneten Gebiets zu 80-90 Proz. eine polnische, die Stadtbevölkerung überwiegend eine deutsche. Die alten Preußen, die Ureinwohner der Provinz im O. von der Weichsel, sind ausgestorben, und ihre Sprache ist erloschen; jedoch erinnert noch die verwandte Sprache weniger Hundert Kuren auf der Kurischen Nehrung und bei Memel an dieselbe.
Dagegen haben sich die Litauer in ziemlich großer Menge (150,000) erhalten; sie bilden die Mehrzahl der Landbewohner auf der nördlichen Seite der Memel, sind zahlreich auf der südlichen Seite des Stroms bis zur Linie Labiau-Pillkallen und finden sich in einigen Resten noch bis Goldap. Sie sind, wie die Masuren, evangelisch. In der Provinz Posen sind die Polen in der Mehrzahl. Sie bewohnen den östlichen Teil vorherrschend, während sie nach W. zu nach und nach abnehmen und in den Grenzkreisen entschieden gegen die Deutschen zurücktreten. Im N. haben die Deutschen sich längs der Netze und von dieser bis zur Brahe und Warthe verbreitet und dieser Gegend einen völlig deutschen Anstrich gegeben; demnach bilden die Deutschen in allen südwestlichen, westlichen und nördlichen Grenzkreisen oder in den Grenzdistrikten von Fraustadt über Schwerin a. W. bis Bromberg die Mehrzahl.
Eine Grenzlinie zwischen beiden Nationalitäten ist schwer zu ziehen, da in allen Teilen der Provinz deutsche Dörfer und Haulande, wie man die von Deutschen in bruchigen und waldigen Gegenden im Posenschen angelegten Kolonien nennt, vorkommen. Gegen W. dringen die Polen aber dreimal zwischen den Deutschen in schmalen Streifen vor: im S. über das Obrabruch bis Bomst, in der Mitte auf der Südseite der Warthe bis Birnbaum und auf der Südseite der Netze an Filehne vorbei bis zur brandenburgischen Grenze.
Von den Städten der Provinz ist fast die Hälfte vorzugsweise polnisch; von den etwa 5600 Ortschaften des platten Landes haben 800 (meist die größern) eine rein deutsche, 1000 eine polnische, 1300 eine überwiegend deutsche, 2500 eine überwiegend polnische Bevölkerung; von den größern Gütern sind etwa 45 Proz. in polnischen Händen. Die Deutschen (wie auch in Westpreußen) sind meist evangelisch (weshalb deutsch und evangelisch, polnisch und katholisch in der Regel
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gleiche Begriffe sind). Über 80 Proz. beträgt die polnische Bevölkerung in den Kreisen Wreschen, Pleschen, Adelnau und Schildberg, dagegen unter 20 Proz. in den Kreisen Meseritz und Czarnikau. In Schlesien gibt es gleichfalls Slawen in nicht unbedeutender Menge: Polen meist in Oberschlesien, Tschechen in Ober- und Mittelschlesien und Wenden im Regierungsbezirk Liegnitz. Die Polen überwiegen im Regierungsbezirk Oppeln, woselbst sie im O. von der Oder etwa 75 Proz. der Bevölkerung ausmachen; im W. von der Oder nehmen sie nach und nach ab und hören mit der Linie Ober-Glogau-Leobschütz fast ganz auf, so daß die Glatzer Neiße von ihnen nicht mehr erreicht wird.
Auf der rechten Seite der Oder zieht sich das Gebiet der Polen in den Regierungsbezirk Breslau hinein, woselbst sie noch in den Kreisen Namslau und Wartenberg die Mehrzahl bilden und im Kreis Brieg zum letztenmal die Oder berühren. Die Tschechen wohnen im S. von der Zinna in den Kreisen Ratibor und Leobschütz im Regierungsbezirk Oppeln; es sind ihrer in diesem Distrikt im ganzen 40,000, die dem mährischen Zweig des tschechischen Stammes angehörig und katholisch sind. Katholisch sind auch die Tschechen in der Grafschaft Glatz (westlich von Reinerz), evangelisch aber die 6000, deren Vorfahren zur Zeit Friedrichs d. Gr. der Religion wegen die Heimat verließen und in den Kreisen Wartenberg, Strehlen, Oppeln und Tost-Gleiwitz Kolonien gründeten.
Die Wenden bilden an der Spree mitten unter den Deutschen eine Sprachinsel, die aus dem Königreich Sachsen sich nach Schlesien und Brandenburg erstreckt. Innerhalb dieses Wendenlandes liegen wiederum als deutsche Sprachinseln im S. die Städte Bautzen und Weißenberg, im N. Kottbus und Peitz, mehr in der Mitte Spremberg und ziemlich nahe längs der Westseite Drebkau, Hoyerswerda und Wittichenau. Seit 1550 hat das wendische Sprachgebiet außerordentlich an Umfang verloren, jedoch mehr im N. als im S.; denn es reichte damals bis Finsterwalde, Luckau, Buchholz, Storkow, Beeskow, Fürstenberg und Guben und näherte sich Frankfurt a. O. auf 23 und Berlin auf 45 km. Die Wenden sind im Preußischen, mit Ausnahme derer in Wittichenau, fast ausschließlich evangelisch, in Sachsen aber auch in einer kleinen Anzahl katholisch.
Ihre Gesamtzahl beläuft sich auf 140,000, von denen 53,000 auf Brandenburg, 33,000 auf Schlesien und 54,000 auf das Königreich Sachsen kommen. Dänen gibt es auch etwa 140,000, die in dem ehemaligen Herzogtum Schleswig ihren Wohnsitz haben. Dasselbe ist hinsichtlich der Sprachen in drei Teile zu zerlegen, von denen der südliche oder rein deutsche von der Eider bis zur Linie Schleswig-Husum, der mittlere oder sprachlich gemischte alsdann bis zur Linie Flensburg-Tondern reicht, während der dänische Teil den Norden des Landes einnimmt.
In dem sprachlich gemischten Teil ist aber die dänische Sprache nur noch zwischen Flensburg und Tondern stark vertreten. Vor Erwerbung von Elsaß-Lothringen ward die französische Sprache, abgesehen von den Nachkommen der französischen Emigranten, die fast überall die deutsche Sprache angenommen haben, nur von etwa 10,000 Menschen gesprochen, von denen 9600 in der Stadt Malmedy und deren Umgegend in der Rheinprovinz leben, und die zu den Wallonen gerechnet werden. 1871 kamen aber auch 220,000 Franzosen in dem Reichsland zum Deutschen Reich.
Die Sprachgrenze fällt hier mit geringen Ausnahmen nur im S., bis zum Tanet, westlich von Kolmar auf der Höhe des Wasgenwaldes, ferner am Donon und ganz im NW. mit der Reichsgrenze zusammen; sonst greift das französische Sprachgebiet nach Deutschland hinüber, so bereits im Wasgenwald in vielen Thälern (Urbeis, Markirch). In Lothringen läuft die Sprachgrenze von Rixingen nordwestlich über Dieuze bis zur Grenze des Kreises Diedenhofen. Ganz innerhalb des französischen Sprachgebiets liegen Stadt- und Landkreis Metz und der größere Teil des Kreises Château-Salins.
[Ausländer im Deutschen Reich.]
Ein hiervon verschiedenes Element bilden die im Deutschen Reich sich aufhaltenden Ausländer. Ihre Zahl wird in verschiedenen Jahreszeiten beträchtlich differieren, da Deutschland ein beliebtes Reiseziel ist. Die Volkszählung vom ergab aber trotz der Winterzeit noch 276,057 Ausländer im Deutschen Reich. Darunter befanden sich 117,997 Österreicher und Ungarn, 28,241 Schweizer, 25,047 Dänen, 17,598 Niederländer, 17,273 Franzosen, 15,097 Russen, 10,465 Briten, 9046 Nordamerikaner (aus den Vereinigten Staaten), 8483 Schweden, 7115 Italiener etc. Von der Gesamtzahl waren 157,846 männlichen, 118,211 weiblichen Geschlechts, unter den Briten dagegen 4843, bez. 5622.
Konfessionen.
(Hierzu die Karte »Verteilung der Konfessionen im Deutschen Reich«.)
Nach dem Religionsbekenntnis gab es 1880 im Deutschen Reich:
Staaten | Protestanten | Katholiken | Sonst. Christ. | Juden | Andersgläubige |
---|---|---|---|---|---|
Preußen | 17633279 | 9206283 | 52225 | 363790 | 23534 |
Bayern | 1477952 | 3748253 | 5017 | 53526 | 30 |
Sachsen | 2886806 | 74333 | 4809 | 6518 | 339 |
Württemberg | 1364580 | 590290 | 2817 | 13331 | 100 |
Baden | 547461 | 993109 | 2280 | 27278 | 126 |
Elsaß-Lothring. | 305315 | 1218513 | 3053 | 39278 | 511 |
Hessen | 635523 | 269397 | 4130 | 26746 | 544 |
Thüringen | 1148226 | 17046 | 798 | 3784 | 65 |
Mecklenburg | 670895 | 2832 | 177 | 3038 | 382 |
Oldenburg | 824801 | 88421 | 1417 | 4794 | 4 |
Braunschweig | " | " | " | " | " |
Anhalt | " | " | " | " | " |
Beide Lippe | 204059 | 5725 | 123 | 2179 | 56 |
Waldeck | " | " | " | " | " |
Hansestädte | 632255 | 18449 | 1185 | 17350 | 4924 |
Deutsches Reich: | 28331152 | 16232651 | 78031 | 561612 | 30615 |
" 1871 | 25579709 | 14867463 | 82155 | 512158 | 17256 |
Unter 1000 Einwohnern waren (1880) in
Staaten | Evang. | Kath. | Juden | Staaten | Evang. | Kath. | Juden |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Preußen | 647 | 337 | 13 | Hessen-Nassau | 700 | 270 | 27 |
Ostpreußen | 856 | 129 | 9 | Rheinprovinz | 265 | 723 | 11 |
Westpreußen | 484 | 493 | 19 | Bayern | 280 | 709 | 10 |
Berlin | 875 | 72 | 48 | Sachsen, Königr. | 971 | 25 | 2 |
Brandenburg | 971 | 22 | 6 | Württemberg | 691 | 299 | 7 |
Pommern | 973 | 16 | 9 | Baden | 348 | 632 | 17 |
Posen | 313 | 651 | 33 | Elsaß-Lothring. | 195 | 778 | 25 |
Schlesien | 467 | 517 | 13 | Hessen | 679 | 287 | 29 |
Sachsen, Prov. | 932 | 63 | 3 | Thüringen | 980 | 14 | 3 |
Schlesw.-Holst. | 986 | 8 | 3 | ||||
Hannover | 869 | 123 | 7 | Deutsches Reich: | 626 | 359 | 12 |
Westfalen | 465 | 524 | 9 | " 1871 | 623 | 362 | 13 |
Der Westfälische Friede setzte den Besitzstand der in Deutschland herrschenden Konfessionen fest, und im allgemeinen hat sich derselbe wenig verändert, wenn auch infolge der größern Toleranz, welche allmählich Eingang gefunden hat, zahlreiche zum Teil große katholische Gemeinden in ursprünglich protestantischen Landen und umgekehrt evangelische in katholischen entstanden sind. Unsre die Verbreitung der herrschenden Konfessionen darstellende Karte erinnert in
Verteilung der Juden.
Zum Artikel »Deutschland«.
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ihrer verschiedenen Abstufung ganz an die bunte Karte des »Römischen Reichs deutscher Nation« und ist auch nur durch die Kenntnis von dessen Territorialverhältnissen verständlich; denn der Grundsatz »Cujus regio, ejus religio« hat bestimmt, was katholisch, was protestantisch blieb: daher finden wir in den Gebieten der zerfallenen alten Herzogtümer Schwaben, Franken und Sachsen den raschesten Wechsel beider Kirchengebiete nebeneinander. Im S. herrscht die katholische, im N. die evangelische Kirche. In wenigen Bezirken standen beide Konfessionen gleichberechtigt nebeneinander.
Katholisch blieben die drei großen Erzbistümer am Niederrhein: Mainz, Trier, Köln, die westfälischen Bistümer Münster und Paderborn, die fränkischen Bistümer am Main: Würzburg und Bamberg, und das Stift Fulda, an der Altmühl das Bistum Eichstätt, am Rheine noch die Bistümer Worms und Speier, dazu alles österreichische Land am Oberrhein und in Südschwaben das sogen. Vorderösterreich, die schwäbischen und bayrischen Bistümer und Prälaturen und das Herzogtum Bayern mit der Oberpfalz; nur in Schlesien wollte trotz Gewalt und List die Gegenreformation nicht völlig gelingen und wurde unmöglich, seit Karl XII. von Schweden den Protestanten wieder einige Luft geschafft hatte.
Dagegen waren der ganze Norden von Ostfriesland bis Pommern, der größere Teil des Wesergebiets, das Elbgebiet abwärts von der Grenze Böhmens, das Odergebiet von Schlesien abwärts protestantisch und bildeten ein großes, zusammenhängendes evangelisches Gebiet, an dessen nordwestlicher Grenze im Bistum Osnabrück und Minden, am östlichen Harzfuß in Halberstadt und in der Lausitz die katholische Kirche gleichberechtigt sich mit ihren geistlichen Stiftungen erhielt.
Innerhalb dieses Gebiets lagen nur einzelne katholische Inseln, so die mainzischen Besitzungen in Niederhessen und Thüringen mit Eichsfeld und Erfurt und das Bistum Hildesheim, wo nur in den Städten Hildesheim und Erfurt auch die evangelische Kirche gleichberechtigt blieb. In mehreren Halbinseln griff das protestantische Gebiet zwischen die katholischen Lande ein; eine langgestreckte zog von der Werra durch Hessen und die Wetterau bis zum Odenwald. Kurpfalz mit seiner gemischten katholisch-protestantischen Bevölkerung verband sie mit dem lutherischen Zweibrücken jenseit des Rheins.
Insular lagern sich, vom katholischen Westfalen und Unterrheinland umgeben, das reformierte preußische Kleve und die Grafschaft Mark; das Herzogtum Berg mit Düsseldorf hatte katholisch-protestantische Bevölkerung. Andre protestantische Inseln im katholischen Gebiet bildeten die Grafschaften Bentheim, Sayn, Löwenstein, Kastell u. a., die zahlreichen Reichsstädte, von denen wenige katholisch blieben, zahlreich zerstreute Dörfer von Reichsrittern mitten im katholischen Fulda, Würzburg, Bamberg und Eichstätt und die eingeschlossenen sächsischen Ämter.
Eine zweite protestantische Halbinsel in das katholische Land hinein, die vom Fichtelgebirge bis zum Rhein reicht, bildeten durch Franken und Schwaben die Brandenburg-Baireuther und Ansbacher, die Öttingen-Öttingschen, die meisten Hohenloheschen, die württembergischen und Baden-Durlachschen Lande, umgeben von zahlreichen kleinen Parzellen, von der Grafschaft Pappenheim und von den zahlreichen Reichsstädten, von denen manche, wie Augsburg, paritätisch waren.
Merkwürdig ist der auch hierin sich aussprechende Gegensatz, denn während mitten im katholischen Schwaben, von Augsburg bis Lindau, die Reichsstädte protestantisch sind, blieben die von Württemberg umschlossenen, wie Stadt Weil und Schwäbisch-Gmünd, katholisch. Im bayrischen Kreis bildeten die paritätische Reichsstadt Regensburg und die lutherische Grafschaft Ortenburg bei Passau die äußersten und einzigen Vorposten des Protestantismus gegen SO. In der Oberpfalz erhielt sich nur in den sulzbachschen Landen der Protestantismus neben der katholischen Kirche. Im Reichsland Elsaß-Lothringen hatte sich das Verhältnis der Konfessionen zu einander während der französischen Herrschaft wesentlich zu gunsten der Katholiken geändert; so wurden aus den ehemals evangelischen Städten Straßburg und Mülhausen vorwiegend katholische.
In den ehemaligen Besitzungen der Grafen von Hanau-Lichtenberg, der Grafschaft Saarwerden, den Gebieten der alten Reichsstadt Straßburg und einigen kleinern Landesteilen und reichsritterschaftlichen Orten im Unterelsaß sowie im Gebiet der ehemaligen Reichsstadt Münster und in der württembergischen Grafschaft Horburg hat sich die evangelische Kirche vorherrschend erhalten; in allen andern Teilen des Landes sind aber die Katholiken überwiegend, meist sogar fast allein herrschend.
In der Provinz Ostpreußen, im äußersten Nordosten des Reichs, ist das Gebiet des ehemaligen Herzogtums Preußen fast ganz evangelisch; fast ganz katholisch ist nur die Landbevölkerung des Bistums Ermeland, das also eine Insel zwischen den evangelischen Landesteilen Ostpreußens bildet; Westpreußen, soweit es ehedem zu Polen gehörte, ist sehr gemischt. In der Provinz Posen bekennen sich die zahlreich in den letzten Jahrhunderten eingewanderten Deutschen überwiegend zur evangelischen, die Polen fast ausschließlich zur katholischen Kirche.
Kirchenwesen.
Die Verfassung der evangelischen Kirche ist in den Staaten des Reichs verschieden. Sie unterscheidet in ihrem System die Presbyterial- und Episkopalverfassung. Bei ersterer ruht die Kirchengewalt in der Hand der aus der Wahl der Gemeinden hervorgehenden Organe, bei letzterer in der Hand des Landesherrn als obersten Bischofs. Wird aber die Ausübung auf kollegiale Behörden übertragen, so wird die Episkopalverfassung als Konsistorialverfassung bezeichnet. Wo sich die Gemeinden bei der Reformation auf sich selbst angewiesen sahen, insbesondere in den apostolischen Gemeinden, gelangte die Presbyterialverfassung zur Geltung.
Dies war namentlich bei den Anhängern des reformierten Bekenntnisses und (von Frankreich und Schottland abgesehen) in der Pfalz sowie am Niederrhein der Fall. In Preußen, wo mit der Verfassung eine doppelte Änderung in dem alten Verhältnis der Kirche zum Staat eintrat, fungiert für die neun alten Provinzen als oberste Kirchenbehörde der Oberkirchenrat. Er ist kollegialisch organisiert und unmittelbar dem König untergeordnet. Unter dem Oberkirchenrat stehen für die einzelnen Provinzen Konsistorien.
In den neuen Provinzen befinden sich die dem Kultusminister unterstellten Konsistorien. Anderseits bestehen neben den Kirchenbehörden in den alten Provinzen Synoden (Kreis-, Provinzial- und eine Generalsynode) für die der Kirche zugefallene Selbstverwaltung (nicht für die Glaubenslehren). Die neuen Provinzen haben hierin eine mehr oder minder abweichende Verfassung. In vollkommenem Maß ist das Synodalsystem bereits in den meisten deutschen Staaten ausgebildet. An der Spitze der römisch-katholischen Kirche steht der Papst in Rom, den Mittelpunkt der geistlichen Thätigkeit dagegen bilden die Bischöfe. Für die Katholiken bestehen im Deutschen Reich 5 Erzbistümer: Köln und Gnesen-Posen in Preußen, München-Freising und Bamberg
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in Bayern, Freiburg in Baden für die oberrheinische Kirchenprovinz, d. h. für die Katholiken in Baden, Württemberg, Hohenzollern, Hessen und Hessen-Nassau; 20 Bistümer: Ermeland, Kulm, Breslau, Hildesheim, Osnabrück, Münster, Paderborn, Fulda, Limburg und Trier in Preußen, Augsburg, Passau, Regensburg, Eichstätt, Würzburg und Speier in Bayern, Rottenburg in Württemberg, Mainz in Hessen, Straßburg und Metz in Elsaß-Lothringen;
3 apostolische Vikariate (das Dresdener für Sachsen, das für Anhalt und das der nordischen Missionen).
Diesen unterstehen die Erzpriester und Dekane. Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Kongregationen wurden durch das Reichsgesetz vom vom Gebiet des Reichs ausgeschlossen, nur die ausschließlich der Krankenpflege gewidmeten Orden können fortbestehen und neu errichtet werden. Die Altkatholiken haben einen staatlich anerkannten Bischof in Bonn.
Vgl. Böttcher, Germania sacra; topographischer Führer für kirchengeschichtliche Ortskunde (Leipz. 1874 ff.).
Geistige Kultur. Bildungsanstalten.
Deutschland steht in der Volksbildung auf der ersten Stufe unter den größern Völkern der Erde, wiewohl in den letzten Dezennien der Ausgleich vielfach große Fortschritte gemacht hat. Deutschland und namentlich Preußen verdanken die Blüte der Volksbildung den Bestrebungen der Anhänger Pestalozzis, die, unterstützt durch die politischen Verhältnisse in Preußen während der beiden ersten Dezennien des gegenwärtigen Jahrhunderts, das Schulwesen reformierten und in ganz neue Bahnen lenkten.
Einen Stoß aber bekam es durch die nach 1840 mit Eichhorn beginnende Reaktion, die, erst kaum fühlbar, nach einigen Seiten sogar noch wohlthuend wirkte, mit Herausgabe der Stiehlschen Schulregulative (1854) aber nach und nach immer mächtiger hervortrat und zu einer Zersetzung des Volksschulwesens führte, die 1872 noch rechtzeitig eine Änderung des Systems bewirkte. Am weitesten in der allgemeinen Bildung stehen die östlichen Provinzen zurück, in denen noch immer ein nicht geringer Prozentsatz von Rekruten, ohne lesen und schreiben zu können, jährlich eingestellt wird; in den Provinzen Westpreußen und Posen waren es 1883/84: 7,38, bez. 8,89 Proz., im ganzen Königreich 1,97 gegen 3,98 Proz. im Jahr 1874 (vgl. Analphabeten).
In den übrigen deutschen Staaten ist das Volksschulwesen mehr oder weniger ähnlichen Schwankungen unterworfen gewesen wie in Preußen; jedoch ging die Reaktionsperiode in einigen schnell vorüber oder traf andre kaum, so daß das Schulwesen in mehreren Ländern das in Preußen immer noch übertrifft, bez. überholt hat. Das gilt namentlich von allen sächsischen Ländern, von Baden, Braunschweig, Württemberg etc. In Bayern fand man 1879 bei der Einstellung der Rekruten 0,47 Proz., 1883/84 nur noch 0,08 Proz. derselben ohne Schulbildung. Das Volksschulwesen ist meist konfessionell geschieden. In fast allen Teilen des Reichs besteht für die Volksschule noch eine Lokalschulaufsicht, die meist in den Händen der Geistlichen liegt.
Die Grundlage der Volksbildung bildet der Schulzwang, wonach alle Einwohner ihre nicht anderweit gehörig unterrichteten Kinder vom zurückgelegten 5., bez. 6. bis im allgemeinen zum vollendeten 14. Lebensjahr zur öffentlichen Schule schicken müssen. Anfangs- und Endpunkt der Schulpflicht sind in den verschiedenen Staaten, sogar in den Provinzen verschieden; die allgemeine Schulpflicht selbst aber besteht in ganz Deutschland Gegenwärtig schätzt man die Zahl der Volksschulen in Deutschland auf 57,000, welche von ca. 7,100,000 Kindern besucht werden.
Für die Ausbildung von Schullehrern bestehen Präparandenanstalten (73) und Schullehrerseminare (183). Einen Übergang von den Volksschulen zu den höhern Schulanstalten bildet die Mittelschule unter den verschiedensten Bezeichnungen und Einrichtungen (im preußischen Staat ist für dieselbe 1872 eine einheitliche Grundlage aufgestellt worden), und als Ergänzung der Volksschule erscheint die Fortbildungsschule, welche die Volksschulbildung befestigen und in ihrer Anwendung auf das praktische Leben erweitern soll. Bei letzterer findet sich eine Schulpflicht nur unter gewissen Voraussetzungen anerkannt. In den höhern Lehranstalten soll die wissenschaftliche Vorbildung erworben werden, die als Unterlage für die spätere Berufs- oder Fachbildung dient. Die Gymnasien haben als Mittelpunkt das Studium des klassischen Altertums. Zur Vorbereitung dienen auch Progymnasien mit gleichen Zielen, aber ohne oberste Klasse.
Im Verlauf des Kampfes der seit dem 17. Jahrh. in den Vordergrund tretenden naturwissenschaftlichen Forschung mit der Alleinherrschaft des klassischen Altertums entstanden (1817) Realschulen, in denen das mathematisch-naturwissenschaftliche Element gegen das philologisch-historische der Gymnasien überwog. Die Realschulen erster Ordnung, die bei gleicher Klassenzahl und Unterrichtsdauer wie die Gymnasien ihren Lehrplan erfüllen, stehen hinter letztern nicht mehr zurück; nur die Richtung der Ausbildung bleibt eine verschiedene.
Man unterscheidet noch Realgymnasien, d. h. Realschulen erster Ordnung, deren Lehrplan für die drei untern Klassen mit den Gymnasien völlig übereinstimmt; ferner Oberrealschulen, die an Stelle des Lateins höhere Ziele in den neuern Sprachen und Naturwissenschaften verfolgen. Zu den Realgymnasien stehen die Realprogymnasien, zu den Oberrealschulen die Realschulen (zweiter Ordnung) in demselben Verhältnis wie die Progymnasien zu den Gymnasien. Während diese Anstalten in Ermangelung der obersten Klasse nur der Vorbereitung dienen, sollen die höhern Bürgerschulen eine selbständig in sich abgeschlossene Bildung vermitteln.
Im J. 1884 gab es in Deutschland 878 Lehranstalten, die zur Ausstellung der Qualifikationszeugnisse zum einjährig-freiwilligen Militärdienst berechtigt waren (vgl. die Übersicht derselben, S. 820).
Die Universitäten oder Hochschulen bestehen in der Regel aus 4 Fakultäten: der theologischen, juristischen, medizinischen und philosophischen. Die theologische Fakultät ist ganz vorherrschend eine evangelische, katholisch nur bei den Universitäten zu München, Würzburg, Freiburg, Münster und dem Lyceum zu Braunsberg; eine evangelisch- und eine katholisch-theologische Fakultät (daher 5 Fakultäten) haben die Universitäten zu Bonn, Breslau und Tübingen; die letztere besitzt eigentlich 7 Fakultäten, indem zu den 5 noch eine staatswissenschaftliche und eine naturwissenschaftliche hinzutreten.
Die Universitäten zu München und Würzburg besitzen gleichfalls 5 Fakultäten: dort ist eine staatswirtschaftliche, hier eine staatswissenschaftliche hinzugefügt worden. Die Akademie zu Münster steht im Rang einer Universität gleich, obschon sie nur 2 Fakultäten (eine katholisch-theologische und eine philosophische) hat. Die älteste Universität im Deutschen Reich ist die zu Heidelberg (1386), die jüngste die zu Straßburg (1872). Im ganzen gibt es mit Einschluß der Akademie zu Münster und der katholisch-theologischen Fakultät zu Braunsberg 22 Hochschulen, davon 11 im preußischen Staat: Berlin (1810 gestiftet),
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Übersicht der höhern Lehranstalten (mit Berechtigung) in Deutschland.
Provinzen, bez. Staaten | Gymnasien | Progymnasien | Realgymnasien | Oberrealschulen | Realschulen | Realprogymnasien | Höhere Bürgerschulen | Privatlehranstalten | Zusammen | Auf 1 höhere Lehranstalt kommen Einw. |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Ostpreußen | 15 | 2 | 6 | - | - | 1 | 2 | - | 26 | 74382 |
Westpreußen | 13 | 4 | 4 | - | - | 3 | 2 | 1 | 27 | 52070 |
Brandenburg | 36 | 1 | 16 | 3 | - | 9 | 1 | 2 | 68 | 49841 |
Pommern | 18 | 3 | 5 | - | - | 4 | - | - | 30 | 51334 |
Posen | 14 | 2 | 4 | - | - | - | - | 1 | 21 | 81114 |
Schlesien | 36 | 1 | 9 | 3 | - | 3 | 4 | 2 | 58 | 69102 |
Sachsen | 26 | 1 | 6 | 2 | 1 | 6 | 2 | - | 44 | 52543 |
Schleswig-Holstein | 12 | - | 3 | 1 | 2 | 10 | - | 1 | 29 | 38867 |
Hannover | 21 | 3 | 12 | - | - | 12 | 2 | - | 50 | 42403 |
Westfalen | 21 | 2 | 10 | - | - | 6 | 3 | - | 42 | 48653 |
Hessen-Nassau | 12 | - | 4 | - | 9 | 11 | 3 | - | 39 | 39858 |
Rheinprovinz | 28 | 15 | 13 | 3 | 5 | 15 | 4 | 1 | 84 | 48500 |
Hohenzollern | 1 | - | - | - | - | - | 1 | - | 2 | 33812 |
Königreich Preußen | 253 | 34 | 92 | 12 | 17 | 80 | 24 | 8 | 520 | 52460 |
" Bayern | 33 | - | 4 | - | - | - | 33 | 1 | 71 | 74430 |
" Sachsen | 16 | - | 11 | - | 20 | - | - | 4 | 51 | 58290 |
" Württemberg | 14 | 5 | 2 | 3 | 10 | 4 | - | 2 | 40 | 49280 |
Großherzogtum Baden | 12 | 4 | 2 | - | 1 | - | 10 | 1 | 30 | 52340 |
" Hessen | 7 | 1 | 4 | - | 12 | - | 1 | 1 | 26 | 36010 |
Beide Mecklenburg | 10 | - | 6 | - | 2 | 2 | 3 | - | 23 | 29450 |
Thüringen | 15 | - | 6 | - | 2 | 6 | 3 | 1 | 33 | 35450 |
Oldenburg | 5 | - | - | - | 3 | 1 | - | - | 9 | 37490 |
Braunschweig | 5 | - | 1 | - | 1 | 1 | - | 2 | 10 | 34930 |
Anhalt | 4 | - | 2 | - | - | 2 | - | 1 | 9 | 25840 |
Waldeck, beide Lippe | 4 | - | - | - | - | 3 | - | - | 7 | 30300 |
Drei Hansestädte | 4 | - | 5 | - | 2 | - | 2 | 10 | 23 | 29300 |
Elsaß-Lothringen | 12 | 2 | 4 | 1 | 3 | 4 | - | - | 26 | 60260 |
Deutsches Reich: | 394 | 46 | 139 | 16 | 73 | 103 | 76 | 31 | 878 | 51520 |
Bonn (1818), Braunsberg (Lyceum), Breslau (1702, 1811 vereinigt aus der zu Frankfurt a. O. und der Leopoldina zu Breslau), Göttingen (1737), Greifswald (1456), Halle (1817 vereinigt aus denen zu Halle und Wittenberg), Kiel (1665), Königsberg i. Pr. (1544), Marburg (1527) und Münster (Akademie, 1786);
3 in Bayern: Erlangen (1743), München (1472 in Ingolstadt gestiftet, 1802 nach Landshut, 1826 nach München verlegt) und Würzburg (1402);
1 im Königreich Sachsen: Leipzig (1409);
1 in Württemberg: Tübingen (1477);
2 in Baden: Freiburg (1457) und Heidelberg (1386);
1 in Elsaß-Lothringen: Straßburg (1872);
1 in Hessen: Gießen (1607);
1 in Thüringen: Jena (1557);
1 in Mecklenburg: Rostock (1419).
Die Zahl der Lehrenden und Studierenden auf allen Universitäten belief sich im Wintersemester 1884/85 auf 2073 Lehrer (davon 976 ordentliche Professoren) und 27,637 Zuhörer. Weiteres s. Universitäten. Der Ausbildung in den Bauwissenschaften dienen 9 technische Hochschulen: die technische Hochschule in Berlin, die polytechnischen Schulen zu Aachen, Darmstadt, Dresden, Hannover Karlsruhe, München, Stuttgart und Braunschweig (Collegium Carolinum). Groß ist die Zahl der Fachschulen. So gibt es für die Baukunst mehrere Baugewerk-, Kunst- und Bauhandwerk-, Kunst- und Baugewerk-, Bauschulen etc.;
für das Bergwesen Bergakademien in Berlin, Freiberg und Klausthal und 14 Bergschulen (davon 10 in Preußen);
für das Forstwesen die Forstakademien in Eberswalde, Münden, München, Tharandt, Hohenheim bei Stuttgart, ferner einige Forstlehranstalten und eine Zentralforstschule zu Aschaffenburg;
für die Handelswissenschaften mehrere höhere Handelsschulen, Handelsakademien, Handelslehranstalten, Handelsschulen, eine Buchhändlerlehranstalt in Leipzig etc.;
für die Kriegswissenschaften Kriegsakademien in Berlin und München, ferner Kadettenhäuser, Kriegs- und Unteroffizierschulen, eine Marineschule in Kiel;
für die Landwirtschaft verschiedene landwirtschaftliche Akademien und Lehranstalten zu Jena, Hohenheim, Poppelsdorf, Berlin, Halle, Weihenstephan in Bayern, Göttingen u. a., teils für sich allein bestehend, teils in Verbindung mit den Universitäten, sodann eine Gärtnerlehranstalt zu Sanssouci, Ackerbauschulen und sehr zahlreiche landwirtschaftliche Fortbildungsschulen;
für die Musik zahlreiche Konservatorien (Leipzig, Stuttgart, Dresden, Köln, Berlin, München u. a.), Musikschulen etc.;
für das Seewesen eine Marineakademie in Kiel, zahlreiche Navigations- und Schiffahrtsschulen etc. Endlich sind noch vorhanden mehrere Tierarzneischulen (Berlin, Hannover, München, Dresden, Stuttgart), pharmazeutische Lehranstalten, Hebammenschulen, Turnlehrerbildungsanstalten, Industrie- und Gewerbeschulen, einige Web- und höhere Webschulen (Elberfeld, Mülheim a. Rh., Krefeld), Taubstummen-, Blindenanstalten etc. Als Bildungsanstalten sind auch anzusehen die zahlreichen gelehrten Gesellschaften und Vereine, die Bibliotheken, Museen, die botanischen und zoologischen Gärten, die Presse etc.
VI. Landwirtschaft. Waldkultur.
Ackerbau.
Deutschland ist vorwaltend ein Land des Ackerbaues und der Viehzucht. Über die Hälfte von Deutschlands Boden nehmen trotz seiner ausgedehnten Gebirgs- und Bergländer bebautes Land und Wiesen ein, nämlich 26,177,350,6, bez. 5,903,501,1 Hektar, d. h. 48,5, bez. 10,9 Proz. der Gesamtfläche. Nur das Hochgebirgsland Süddeutschlands und die Bergländer erzeugen nicht ihren eignen Bedarf. Selbst in den Bergländern des mittlern Deutschland sind es nur die höchsten Rücken des Schwarzwaldes, des Böhmerwaldes und der Sudeten sowie die höchsten Gipfelhöhen der übrigen Gebirge, wo weder die Kartoffel noch Sommergetreide, Hafer und Sommerroggen, gedeihen. Die größten Ackerländereien findet man in den preußischen Provinzen Posen (61,3 Proz. der Gesamtfläche)
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und Sachsen (60,2 Proz.), ferner in Anhalt (60,8 Proz.), in Schwarzburg-Sondershausen (57,6 Proz.), Provinz Schleswig-Holstein (57,6 Proz.), Lübeck (56,9 Proz.), Sachsen-Altenburg (56,4 Proz.), Mecklenburg-Schwerin (56,2 Proz.). Ausgedehnt ist der Anbau des Weizens, im S. und am Rhein auch der des Dinkels. Sie bilden mit Gerste und im NO. auch mit dem mehr hier und im bergigen Innern als im S. gebauten Roggen Hauptgegenstände der Ausfuhr; untergeordneter ist die Ausfuhr, nicht die Erzeugung, des insbesondere in den Berggegenden gebauten Hafers und der Hülsenfrüchte, von letztern am bedeutendsten in den Provinzen Posen und Brandenburg und den Marschländern des Nordwestens. Im J. 1884 belief sich in Deutschland die gesamte Erntemenge von Weizen auf 2,478,883 Ton. (zu 1000 kg), Roggen auf 5,450,992 T., Gerste auf 2,229,598 T., Hafer auf 4,236,665 T., Spelz und Emer auf 480,577 T., Buchweizen auf 138,370 T. Danzig versendet ins Ausland jährlich fast 200 Mill. T. Weizen und über 40 Mill. T. Roggen, Stettin 3 Mill. T. Weizen und 30 Mill. T. Gerste; Weizen und Gerste gehen vornehmlich nach England, Roggen zumeist nach Norwegen. Dessen ungeachtet gehört Deutschland zu den Ländern, die durchschnittlich noch eines erheblichen Zuschusses an Getreide bedürfen, namentlich an Roggen und Gerste. So stellten sich für das deutsche Zollgebiet 1884 Ein- und Ausfuhr von Getreide (im freien Verkehr) wie folgt:
Einfuhr | Ausfuhr | |
---|---|---|
Weizen | 752901 Ton. | 36193 Ton. |
Roggen | 961399 " | 6286 " |
Gerste | 439879 " | 37265 " |
Mehl | 46275 " | 131689 " |
Hafer | 366413 " | 18527 " |
Mais | 191991 " | 415 " |
Zahlreiche große Kunstmühlen setzen ihr Produkt zum Teil auch ins Ausland (England und Holland) ab. Die süddeutschen Gebirge besitzen nicht allein die größten Strecken vollkommen unproduktiven Landes (Oberbayern nur 31,6 Proz. Ackerland), sondern die Üppigkeit des Graswuchses schließt auch im Gebirge teils den Ackerbau aus, teils nötigt sie zu jener merkwürdigen Wechselwirtschaft von Wiese und Feld, die man Eggartenwirtschaft nennt. Sonst ist gegenwärtig die Lehre von der Fruchtfolge die Grundlage des Ackerbaues, auf welcher die Fruchtwechselwirtschaft basiert, der die sogen., schon durch Karl d. Gr. eingeführte und noch oft angewendete Dreifelderwirtschaft nahekommt, während in nicht dicht bevölkerten Gegenden, z. B. in Schleswig-Holstein und Mecklenburg, noch die Koppel- oder Graswirtschaft weit verbreitet ist. Im übrigen ist neuerdings die Landwirtschaft in Deutschland eine intensivere geworden.
Dem industriereichen Siegener Land sind die Hauberge eigen, Eichenschälwaldungen, die nach dem Abtreiben des Niederwaldes als Feld benutzt werden, bis der Stockausschlag wieder Herr wird. Der arme Moorbauer des nordwestlichen Deutschland verschafft durch Brennen des Moorbodens seiner Frucht die nötige Düngung, verpestet aber freilich zur Zeit dieses Moorbrennens die Atmosphäre Deutschlands durch den Moordampf oder Herauch. Hier im N. auf dem gebrannten Moor wie auf der sandigen Geest gedeiht vornehmlich noch der Buchweizen.
In dem Rhein- und Neckarland reift auch der Mais. An den Bau der Kartoffel, deren jährlicher Ertrag in Deutschland sich durchschnittlich auf fast 21 Mill. Ton. (1884: 24,0 Mill. T.) beläuft, schließt sich die für Preußen insbesondere so wichtige Brennerei und Spiritusgewinnung, vorzugsweise als Nebenbeschäftigung der Landwirtschaft, an. Die Zahl sämtlicher Brennereien in Deutschland (ohne Bayern, Württemberg und Baden) beläuft sich auf 40,200, ihre Produktion (1883-84) auf 3,6 Mill. hl und die Steuereinnahme für Spiritus jährlich auf fast 50 Mill. Mk.
Ausgedehnt ist in vielen fruchtbaren Gegenden Deutschlands der Anbau von Handelsgewächsen. Obenan steht der Flachs, den nicht allein die Gebirgsgegenden des Südens und das Bergland Mitteldeutschlands, sondern auch die norddeutsche Niederung liefert, wie die Gegend von Ülzen in Hannover und das Ermeland in Preußen, überall die Basis einer einst über ganz Deutschland, vornehmlich seine ärmern Bergländer, ausgedehnten urwüchsigen Industrie, der Leinwandweberei (s. unten).
Von einiger Ausdehnung ist der Bau des Hanfes nur in Baden und Rheinbayern. Der Anbau des Flachses sowohl als des Hanfes in Deutschland hat neuerdings erheblich nachgelassen, indem die Anbaufläche des erstern von 133,890 Hektar im J. 1878 auf 108,297 Hektar im J. 1883, also um 19,1 Proz., und die Anbaufläche des Hanfes in derselben Zeit von 21,181 Hektar auf 15,255 Hektar, also um 28 Proz., zurückgegangen ist. Um des Öls willen werden vor allem Raps und Rübsen, untergeordnet Leindotter, nur an sehr wenigen Orten, wie um Erfurt, Mohn gebaut.
Jedoch ist der Anbau der Ölpflanzen durch den allgemein eingeführten Gebrauch von Petroleum und der mineralischen Schmieröle erheblich eingeschränkt worden. Mit Raps und Rübsen (Winter und Sommer) waren in Deutschland im J. 1878: 179,054,6 Hektar, im J. 1883 dagegen nur 133,470,8 Hektar angebaut. Die Anbaufläche des Leindotters ist in derselben Zeit von 2088,4 Hektar auf 2487,9 Hektar gestiegen, diejenige des Mohns von 6333,9 Hektar auf 5756,7 Hektar gesunken. Nächst den Küstenländern liefern im Innern Sachsen, Thüringen und andre Gegenden bedeutende Quantitäten Ölfrüchte.
Nicht unbeträchtlich ist auch die Erzeugung von Kleesamen, und namentlich versendet Breslau große Mengen desselben nach England. Die Einfuhr in das deutsche Zollgebiet ergab 1884: 936,570 Doppelzentner Raps und Rübsaat und 609,925 Doppelzentner Leinsaat;
die Ausfuhr 127,338 Doppelzentner Raps etc. und 207,068 Doppelzentner Leinsaat. Von Petroleum wurden in das Zollgebiet 1884: 4,625,447 Doppelzentner eingeführt und 3131 Doppelzentner aus demselben ausgeführt. Der Bau der Farbepflanzen beschränkt sich auf verhältnismäßig wenig Distrikte, der des Krapps auf die Rheinebene, Schlesien und Württemberg; noch beschränkter ist der des einheimischen Waids (in Thüringen, bei Ingolstadt) und des Saflors (Thüringen und Franken).
Gering ist auch der Anbau der Kardendstieln ^[richtig: Kardendisteln] in Schlesien, Sachsen, Mittelfranken, am Unterrhein. Von großer Wichtigkeit für viele Gegenden Deutschlands mit fruchtbarem Sandboden ist der Tabak. Den besten und meisten baut man in der Rheinpfalz, im Elsaß, im Neckarthal, bessere Sorten auch noch in Mittelfranken, insbesondere um Nürnberg und Erlangen. Geringere Sorten liefern der Werragrund und der Norden, wo in Pommern und der Ukermark noch ausgedehnter Tabaksbau stattfindet. Jedoch nimmt derselbe im allgemeinen ab. Im Erntejahr 1884 bis 1885 waren dem Tabaksbau in Deutschland 21,091 Hektar gewidmet; davon kamen 4428 (1843 noch 10,000) auf Preußen, 7633 auf Baden, 2432 auf Elsaß-Lothringen, 4889 auf Bayern (meist auf die Pfalz, nächstdem auf Mittelfranken), 1073 auf Hessen etc. Pfälzertabake werden als Deckblätter selbst nach Amerika ausgeführt, alle übrigen Tabake aber im Land selbst in Tabaks- und
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Zigarrenfabriken verarbeitet, die jedoch auch viele amerikanische Tabake verwenden. Die Industrie in Tabak und Zigarren beschäftigt in 10,500 Anstalten mindestens 100,000 Arbeiter. Der Hauptsitz derselben ist Bremen nebst den angrenzenden hannöverschen Ortschaften; aber auch über das übrige Deutschland sind zahlreiche Fabriken verbreitet, so in Brandenburg (Berlin, Schwedt), Westfalen (Vlotho, Minden), Hessen-Nassau, im Großherzogtum Hessen, in der Rheinpfalz, in Baden, Elsaß-Lothringen etc. Höher noch als der Tabaksbau hat der Zuckerrübenbau für die Runkelrübenzuckerfabriken den Ertrag des Bodens gesteigert.
Derselbe hat seinen Mittelpunkt in der fruchtbaren Landschaft zwischen Magdeburg, Braunschweig und Merseburg, also in der Provinz Sachsen (woselbst Magdeburg der Hauptzuckermarkt für Deutschland ist), in Anhalt und Braunschweig, nächstdem in Schlesien zwischen Breslau und Schweidnitz und in Brandenburg im Oderbruch. Die Zahl der Zuckerfabriken in Deutschland belief sich 1836 auf 122, 1874 auf 336, 1884 auf 408 und 1885-86 auf 398, nämlich 312 im preußischen Staate (davon 129 in der Provinz Sachsen, 57 in der Provinz Schlesien, 44 in der Provinz Hannover, 19 in Westpreußen, 16 in Posen, 15 in der Provinz Brandenburg etc.), 32 in Braunschweig, 27 in Anhalt, 5 in Württemberg, 5 in Mecklenburg etc. Der jährliche Gewinn an Rohzucker stieg von 1836 bis 1884 von 14,081 auf 9,401,093 Doppelzentner. 1836 gebrauchte man 9 Doppelzentner Rüben zur Produktion eines Zentners (50 kg) Rohzucker, jetzt nur noch 5. Selbstgebaute Rüben wurden in der Kampagne 1883/84 seitens der Zuckerfabriken auf 140,843 Hektar geerntet; der Steuerbetrag aus der Zuckerfabrikation belief sich in demselben Kampagnejahr auf 142,7 Mill. Mk. Runkelrübensame wird in großartiger Weise bei Aschersleben gebaut. Auch ein Kaffeesurrogat erzeugt hier und da Deutschland in der Zichorie, so Preußisch-Sachsen, Braunschweig, das Neckarthal, der Breisgau. Bei Halle wird auch der Kümmel auf dem Feld gebaut.
Garten-, Wein-, Hopfenbau.
Ulm, Nürnberg, Bamberg, Schweinfurt, Erfurt, Quedlinburg, Darmstadt, Straßburg im Elsaß, Guben in der Lausitz, Bardewiek bei Hamburg sind durch Gemüsebau, mehrere derselben besonders durch Spargelzucht und Zucht von Sämereien berühmte Orte. In Nürnberg und Bamberg werden dabei viele Arzneipflanzen, in den Krautländereien des letztern auch Süßholz gebaut. Keine Gegend übertrifft aber das innere Thüringen, mit Erfurt im Mittelpunkt, in dem Handel mit Gemüse, Blumensämereien und lebendigen, blühenden Gewächsen.
Berlin zeichnet sich gegenwärtig in der Blumenzucht aus und macht mit seinen Hyazinthen selbst Holland Konkurrenz. Obstbau ist durch einen großen Teil Deutschlands verbreitet: die Bergränder der Oberrheinischen Tiefebene, die Bergstraße, der Südfuß des Taunus, die Wetterau, Württemberg, insbesondere der Fuß der Alb, Franken, Thüringen, das Werrathal bei Witzenhausen, das Elbthal von Meißen bis Böhmen hinein, die warmen Sandhügel der Lausitz, die Küstenländer, selbst Pommern (Stettin), liefern treffliches Obst, frisch und getrocknet, zur Ausfuhr; in Württemberg und um Frankfurt a. M. ist der Obstwein (Cider) ein weitverbreitetes Getränk und Gegenstand der Ausfuhr. In der Umgegend von Stuttgart kommen fast 2000 Obstbäume auf 1 qkm. Aus den Vierlanden bei Hamburg werden Erdbeeren in großer Menge nach London geschickt. Heidelbeeren aus den Gebirgen, aber auch aus den Waldungen des Norddeutschen Tieflandes (Mecklenburg, Lüneburger Heide), Preißelbeeren aus dem Harz, Schwarzwald etc. sind ebenfalls vielfach geschätzte Früchte.
[Weinbau.]
Für viele Gegenden Deutschlands ist der Weinbau, dessen Kultur nur noch in Ländern mit mindestens 9° C. jährlicher Durchschnittswärme eine lohnende ist, ein wichtiger Erwerbszweig. Das Hauptgebiet des Weinbaues liegt in den südwestlichen Ländern und steht mit den Weingegenden der Schweiz und Frankreichs in Verbindung. Hier ist die Oberrheinische Tiefebene in ihrer ganzen Ausdehnung von Basel bis Mainz in günstigen Lagen, d. h. in der Hügelregion längs des Fußes der Gebirge, ein Rebenland, und aus ihr zieht der Weinstock in die Seitenthäler hinein bis zur Höhe von 400 m, von Basel rheinaufwärts bis zum Bodensee.
Aus dem nördlichen Teil der Tiefebene geht der Weinstock die Thäler des Neckar und Main hinauf. Am Neckar trifft man die obere Grenze des Weinbaues oberhalb Rottenburg; am Main wird derselbe in großer Ausdehnung bis oberhalb Schweinfurt, in geringer noch bis Lichtenfels betrieben. Alle Thäler an den Zuflüssen dieser beiden Nebenflüsse des Rheins haben bis zur Höhe von 400 m ebenfalls Weinlagen; in einigen derselben, wie an der Enz, Tauber etc., sind dieselben ausgedehnt und vorzüglich.
Ganz am untern Ende der Tiefebene, im sogen. Rheingau, findet man die besten Weinlagen Deutschlands am Südabhang des Taunus- und Rheingaugebirges (Rüdesheim, Johannisberg, Geisenheim, Rauenthal etc.); von dort zieht sich eine reiche Weingegend längs der Nahe über Kreuznach bis ins Birkenfeldische, eine andre längs des Rheins im Schiefergebirge bis Roisdorf und Siegburg hinunter; die letztere bildet wieder den Ausgang für den Weinbau in den Seitenthälern des Rheinthals: im Ahrthal bis Hönningen, im Moselthal bis über die Reichsgrenze hinaus etc. Ein andres Gebiet des Weinbaues in Deutschland, wohl so groß wie jenes, aber wegen der geringern Jahreswärme mit dem erstern gar nicht vergleichbar, liegt in Mitteldeutschland vom Thüringer Wald bis über die Oder hinweg; es wird von der Saale, Elbe und Oder durchströmt.
An der Saale wird Weinbau von Jena bis in die Gegend von Halle (am meisten an der Mündung der Unstrut bei Naumburg) betrieben; an der Elbe dehnt das Weingebiet sich von Dresden bis Wittenberg aus; in der Odergegend zeichnet sich Grünberg aus. Noch weiter nördlich gibt es Weinberge an der Havel (Werder), die aber nur Tafeltrauben liefern. Vereinzelt findet man noch Weinbau im Werrathal (Witzenhausen) und an der Donau (Regensburg), hier die äußersten Ausläufer der österreichisch-ungarischen Weinregion bildend.
Die Fläche, auf welcher Weinbau betrieben wird, belief sich im ganzen Reich 1884 auf 119,973,6 Hektar und die Produktion an Wein im Durchschnitt 1878-83 auf 16,3 (1884: 24,8) hl vom Hektar, im ganzen 1884 auf 2,973,916 hl. Davon entfielen auf den preußischen Staat 17,040 Hektar und 399,546 hl, auf Bayern 22,331 Hektar und 384,101 hl, Württemberg 18,546 Hektar und 524,024 hl, Baden 19,885 Hektar und 309,141 hl, Elsaß-Lothringen 30,625 Hektar und 886,700 hl, Hessen 10,346 Hektar und 459,604 hl und auf die übrigen Staaten 1200 Hektar und 11,000 hl. In verschiedenen Gegenden hat sich die Fabrikation moussierender Weine eingebürgert, namentlich bei Koblenz und Mainz. In das deutsche Zollgebiet wurden 1884: 537,368 Doppelzentner Wein und Most in Fässern, 38,439 Doppelzentner Schaumwein in Flaschen und 8462 Doppelzentner sonstiger Weine in Flaschen eingeführt, dagegen 106,784 Doppelzentner Wein und Most in Fässern, 13,812
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Doppelzentner Schaumwein in Flaschen und 50,287 Doppelzentner sonstiger Weine in Flaschen ausgeführt.
[Hopfenbau und Bierbrauerei.]
Hopfen wird in vielen Gegenden Deutschlands gebaut, nirgends aber besser und mehr als in Bayern; 1884 nahm er 46,689 Hektar (davon 26,815 in Bayern) ein. Das Produkt der Gegend von Spalt und Hersbruck in Mittelfranken wird nicht allein über Deutschland, sondern auch ins ferne Ausland versandt. In der Provinz Posen hat die Hopfenkultur ihren Mittelpunkt bei Neutomischel, in Elsaß-Lothringen bei Hagenau und Bischweiler; hier und ebenso in Baden und Württemberg nimmt dieselbe zu. Das Hauptland der Bierproduktion, sowohl in Rücksicht auf die Menge als auf die Qualität des Erzeugnisses, ist Bayern; daselbst produzierten (nur im Gebiet diesseit des Rheins) 1882: 5482 Bierbrauereien (die größten in München, Regensburg, Nürnberg, Augsburg, Kulmbach) nahe an 12,5 Mill. hl Bier. Es spielt daher der Malzaufschlag in diesem Land in den Staatseinnahmen eine ähnliche Rolle wie die Branntweinsteuer in Preußen.
Obgleich die bayrische Bierbrauerei gegenwärtig über ganz Deutschland verbreitet ist, führt dieses Land selbst doch noch das meiste Bier aus. Im ganzen Reichssteuergebiet waren im J. 1884/85: 11,537 Brauereien vorhanden, welche über 24,6 Mill. hl Bier erzeugten und eine Steuer von über 19,5 Mill. Mk. entrichteten (s. Bier);
die gesamte Einfuhr von Bier ins deutsche Zollgebiet betrug 1884: 136,451 Doppelzentner, die Ausfuhr dagegen 1,433,267 Doppelzentner, letztere war seit 1880 um nicht weniger als 367,659 Doppelzentner gestiegen.
Viehzucht.
Im innigsten Verband mit dem Landbau steht die Viehzucht. Der Wiesenreichtum der deutschen Berg- und Thallandschaften, der Wiesen- und Weidereichtum seiner Hochgebirge, die fetten Wiesgründe seiner Marschen im N., fleißiger Anbau von Klee, Luzerne und andern Futterkräutern machen Deutschland zu einem Land ausgedehntester Zucht des Rindviehs. Für Ostfriesland, die Marschländer an der Nordsee, Mecklenburg, Pommern, das Frankenland, insbesondere Unter- und Mittelfranken, für das jenseit des Rheins gelegene Glanthal, für die Alpenreviere, vor allen den Algäu, aber auch für Württemberg, die Berglandschaften Thüringens und Hessens ist Rindviehzucht ein Haupterwerb.
Von hier aus wird nicht allein das Binnenland, sondern werden auch Großbritannien und Frankreich mit Schlachtvieh versehen, ersteres vor allem über Hamburg und Tönning. Aus den Nordseeländern und Mecklenburg geht Butter nicht allein nach England, sondern auch nach überseeischen Ländern, namentlich Südamerika, aus dem Algäu Schweizerkäse ins Binnen- und Ausland. Am preußischen Niederrhein deckt die Viehzucht des Landes nicht den Bedarf der dichten Fabrikbevölkerung.
Von den 15,785,322 Stück Rindvieh Deutschlands mit einem Verkaufswert von 3074 Mill. Mk. kommen auf Preußen nach der Viehzählung von 1883: 8,737,199, Bayern 3,037,098, Königreich Sachsen 651,329, Württemberg 904,139, Baden 593,526, Elsaß-Lothringen 428,650, Hessen 289,105, Oldenburg 211,147 etc. Die Ziege ist überall, vor allem in Berggegenden, das Milchvieh des Armen. Auch die Schweinezucht ist überall zu Hause, aber in Westfalen und Pommern berühmt.
Ziegen gab es 1883 in Deutschland 2,639,994, Schweine 9,205,791. Pommern und Mecklenburg liefern die besten Gänse. Die Pferdezucht Deutschlands ist ebenfalls ein wichtiger Gegenstand der deutschen Landwirtschaft: Ostpreußen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Oldenburg, Hannover, Braunschweig, Lippe im N., Elsaß-Lothringen, Württemberg und Bayern im S. züchten nicht bloß ihren Bedarf, die östlichen und nördlichen Gestüte liefern sogar den Heeren Frankreichs und Italiens Remontepferde; auch die Ausfuhr von Wagen- und Luxuspferden ist nicht gering.
Von den (1883) 3,522,316 Pferden in Deutschland besitzt Preußen 2,417,138, Bayern 356,316, Königreich Sachsen 126,886, Württemberg 96,885, Mecklenburg-Schwerin 88,146, Baden 66,607, Hessen 47,546, Oldenburg 35,977, Elsaß-Lothringen 138,725. Unter den Gestüten erfreut sich besonders das zu Trakehnen in Ostpreußen eines europäischen Rufs. In Deutschland kommen auf 1 qkm 6,5 Pferde, 29,2 Stück Rindvieh, 17 Schweine und 4,9 Ziegen; auf 100 Einw. entfallen 7,7 Pferde, 34,5 Stück Rindvieh, 20,1 Schweine und 5,8 Ziegen.
Die Schafzucht ist vorzüglich in den Gebieten des großen Grundbesitzes bedeutend; sie leidet aber gegenwärtig durch die starke Einfuhr von Wolle aus überseeischen Ländern und nimmt infolgedessen immer mehr ab. Von Sachsen aus hat sich zuerst außerhalb Spaniens die Zucht der edlen Merino- (Eskorial-) Rassen in Deutschland Eingang verschafft; später verbreiteten sich die ebenfalls spanischen Negretti vornehmlich von Böhmen aus. Aber erst durch die Kreuzung dieser Rassen, die nach 1820 in Schlesien zu Kuchelna bei Ratibor zu stande kam und die Eskorial-Negrettirasse hervorbrachte, ward die Einführung der edlen Schafe allgemein.
Von den 19,185,362 Schafen, welche man 1883 in ganz Deutschland zählte, kommen auf Preußen 14,747,975, Bayern 1,178,270, Königreich Sachsen 149,037, Württemberg 550,104, Baden 131,461, Hessen 101,663, Mecklenburg-Schwerin und -Strelitz 939,097, bez. 188,078, Sachsen-Weimar 145,442, Oldenburg 160,937, Braunschweig 243,935, Anhalt 130,610, Elsaß-Lothringen 129,433. Im Anfang der 60er Jahre waren in Deutschland noch ca. 28 Mill. Schafe vorhanden, 1873 war ihre Zahl auf nicht mehr ganz 25 Mill. und 1883 auf nur wenig über 19 Mill. gesunken. Zu Anfang der 60er Jahre kamen in Deutschland auf 1 qkm noch 52 und auf 100 Einw. 73 Schafe, 1883 dagegen auf 1 qkm nur noch 35,5 und auf 100 Einw. nur 42 Schafe.
Die Einfuhr von Schafwolle ist von 687,555 Doppelzentner (1880) auf 1,056,661 Doppelzentner (1884) gestiegen. Die wichtigsten Verkaufsplätze der ausländischen Wolle sind: Hamburg, Bremen und Berlin;
im übrigen konzentriert sich der Verkauf der deutschen Wollen auf den alljährlichen Wollmärkten, von denen diejenigen zu Breslau und Berlin die wichtigsten sind;
auf beiden werden alljährlich noch gegen 50,000 Doppelzentner Wolle umgesetzt.
Die Zahl der Maultiere, Maulesel und Esel in Deutschland ist unbedeutend, sie belief sich 1883 auf 9795, davon 7038 in Preußen, 1511 in Elsaß-Lothringen, 287 in Hessen, 235 in Bayern etc. Die Ein- und Ausfuhr von Vieh im freien Verkehr des deutschen Zollgebiets betrug 1872 und 1884:
Einfuhr (Stück): | Ausfuhr (Stück): | |||
---|---|---|---|---|
1872 | 1884 | 1872 | 1884 | |
Pferde, Esel | 59403 | 74666 | 26713 | 19077 |
Rindvieh | 224722 | 110602 | 248784 | 235889 |
Schafe, Ziegen | 264751 | 77801 | 1243595 | [???] |
Schweine | 988701 | 894152 | 227496 | [???] |
Von nur geringer Bedeutung ist die Seidenweberei in Deutschland, die wichtigen Seidenwebereien der preußischen Rheinlande müssen daher ihren Bedarf an Rohseide aus dem Ausland einführen. Der Import von Rohseide in das deutsche Zollgebiet betrug 1880: 29,038 Doppelzentner und ist 1884 auf 37,763 Doppelzentner gestiegen, während davon im erstern Jahr 8832
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Doppelzentner, 1884: 10,423 Doppelzentner wieder ausgeführt wurden. Die Bienenzucht ist für viele Gegenden von nicht geringer Wichtigkeit, Hannover mit seinen Heiden besitzt allein 172,000 Bienenstöcke. Im ganzen hatten die Bienenstöcke in Deutschland 1883 einen Bestand von 1,911,748, darunter 368,174 mit beweglichen Waben; gegen 1873 hat die Gesamtzahl um 421,736 abgenommen, diejenige der beweglichen Waben aber um 74,351 zugenommen, so daß die Bienenzucht in Deutschland im ganzen einen Rückschritt, die Technik derselben aber einen Fortschritt gemacht hat. Die Bienenzucht wird am stärksten in Norddeutschland gepflegt; in Lüneburg kommen mehr als 15 Stöcke auf 100 Einw., während in einigen sächsischen und rheinischen Bezirken nur 1-2, im Kreis Mannheim nur 0,9 Bienenstöcke auf 100 Einw. entfallen. Aus Schlesien gingen bekanntlich Dzierzons Verbesserungen in der Bienenzucht hervor.
[Fischerei.]
Auch die Fischerei, einst für die nördlichen Küsten und Flüsse wichtiger noch als gegenwärtig, hat neuerdings dank den Bemühungen des Deutschen Fischereivereins wieder an Ausdehnung zugenommen. Trotzdem bleibt die Beteiligung Deutschlands an der Hochseefischerei in der Nordsee sehr gering und ist auf Emden (Heringe), Norderney (Schellfische) und einzelne Orte an der Unterelbe (Blankenese) beschränkt. Umfangreicher ist der Fischfang (besonders auf Dorsche) an der Ostseeküste, wo Eckernförde und Travemünde die bedeutendsten Fischereiplätze sind.
Austernfang wird bei den Inseln Sylt, Föhr und Amrum betrieben und bringt eine jährliche Ausbeute von 3-5000 Ton. München, dessen Fischmarkt im ganzen Binnenland der reichste und interessanteste ist, hat auch eine bedeutende Anstalt für die jetzt überall im deutschen Bergland Eingang findende künstliche Fischzucht; eine andre von gleichem Ruf befindet sich bei Hüningen im Oberelsaß. Vor allem erscheint die Zucht der Forellen überall sehr lohnend. Die Einfuhr von frischen Fischen und Flußkrebsen betrug 1884: 139,139, die Ausfuhr 53,928 Doppelzentner.
Waldkultur.
Deutschland besitzt prachtvolle Laub- und Nadelwälder, die nicht bloß den regen Natursinn des deutschen Volkes gefördert haben, sondern auch eine wesentliche Quelle seines Nationalwohlstandes geworden sind. Der eigentliche Waldboden findet sich in den Binnenländern, wo Gebirge und Berglandschaften für den Ackerbau oft nur wenig oder gar nicht geeignet sind, in viel größerm Umfang als in den Küstengegenden. Die Waldungen beanspruchen in Schleswig-Holstein nur 6,3, in Hannover 16, Pommern 19,8, Posen 20,2, dagegen in Brandenburg 32,5, Hessen-Nassau 40, im preußischen Staat überhaupt 23,4 Proz., ferner in Bayern 33, Sachsen 27,4, Württemberg 30,8, Baden 37, Hessen 31,3, Oldenburg 9,2, in ganz Deutschland 25,8 Proz. von der Gesamtfläche, d. h. für das ganze Reich 13,900,000 Hektar; 4,800,000 Hektar sind mit Laubwald bestanden.
Die Kiefer hat ihre Hauptheimat in dem Tiefland östlich von der Elbe, wo aber auch die Buche auf fruchtbarem Boden sich erhalten hat; auf dem Sandboden des bayrischen Franken, in der Rheinebene, in der süddeutschen Hochebene, soweit Kiesboden, herrscht gleichfalls die Kiefer. Die Buche dagegen ist der herrschende Waldbaum der Höhen des deutschen Berglandes, aber auch des Unterharzes und der Küstenländer der Ostsee, während die Eiche, zwar überall auch einzeln zwischen der Buche verbreitet, ihre Hauptheimat auf dem kieseligen Boden der niederrheinischen Gebirge, in Westfalen, am Solling, Spessart, Odenwald und in Oberschlesien hat; mächtige Eichen beherbergen auch die gemischten Waldungen der süddeutschen Hochebene und das Norddeutsche Tiefland.
Während der Spessart die herrlichsten »Holländer« für den Schiffbau liefert, ist der Wald auf dem Orber Reisig (Hessen-Nassau) und auf vielen rheinländischen Gebirgen Niederwald und als solcher wichtig für die Lohgerbereien durch die Eichenlohe, die er als Schälwald liefert. Von größter Wichtigkeit für Deutschland sind aber seine herrlichen Bestände von Fichten und Tannen in den Alpen, im Böhmerwald, auf dem Schwarzwald, Wasgenwald, Thüringer Wald und Frankenwald, auf dem Oberharz und Riesengebirge.
In den Alpen gesellt sich dazu die Lärche; die den höchsten Alpen angehörige Zirbelkiefer findet sich nur noch in einzelnen Beständen. Der Nadelwald vor allem gibt Tausenden der Waldbewohner durch Holzschlag und den Transport des Holzes Nahrung. 1883 zählte man in der deutschen Forstwirtschaft 91,630 Erwerbsthätige, und insgesamt fanden 427,000 Personen in diesem Beruf ganz oder teilweise ihren Lebensunterhalt. Zahlreiche Schneidemühlen beleben die einsamsten Waldgründe.
Ansehnliche Dampfschneidemühlen gibt es besonders am Finowkanal und an der Alten Oder in Brandenburg, woselbst stets von Oderberg bis Liepe für Berlin, Hamburg etc. bestimmte, aus den Ostprovinzen, aus Polen und Galizien kommende Bauhölzer im Wert von 20 Mill. Mk. lagern; andre große Holzplätze, die das Holz zum Export zubereiten, sind Memel und Danzig. Viele Hände finden Beschäftigung in der Verarbeitung des Holzes zu den mannigfachsten Gegenständen, wie zu Weißbüttnerwaren, Kisten und Schachteln, Küchengeräten, zu Holzschuhen, Sieben und Peitschenstielen (Rhön), allerlei Tischlerarbeiten, Spielwaren bis zu den kunstreichsten Schnitzereien, wie sie vornehmlich aus Zirbelholz im bayrischen Ammergau, gegenwärtig aber auch in Sachsen im Erzgebirge und zwar auch aus Bein und Elfenbein verfertigt werden.
Hervorzuheben sind die Möbelfabriken von Mainz;
die Tischlerwaren von Berlin, München, Stuttgart, Hanau, Nürnberg, Koburg etc.;
die Drechslerwaren von Berlin, Hamburg, Danzig (aus Bernstein), Ruhla (Pfeifenköpfe aus Meerschaum), Waltershausen, Frankenhausen (aus Perlmutter), Nürnberg, Fürth, Stuttgart, Geislingen, Freiburg i. Br. etc.;
die Spielwaren von Sonneberg, für welche jedoch das Papiermaché immer mehr in Aufnahme kommt, und die einen besonders großen Absatz nach Amerika finden. Im Schwarzwald ist die Fabrikation der ursprünglich hölzernen Schwarzwälder Uhren fortgeschritten zur Fabrikation von Taschen-, Stand- und Spieluhren.
Wie Sonneberger Spielwaren, so erzeugt das Sächsische Erzgebirge auch Schwarzwälder Uhren.
VII. Industrie.
Bergbau und verwandte Industrien.
Berg- und Hüttenbau blühen gegenwärtig vor allem in Schlesien, am Niederrhein, in Sachsen, am Harz. Die edlen Metalle, Gold und Silber, sowie daneben Blei und Kupfer treten freilich gegen Steinkohlen, Eisen, Zink erheblich zurück. Die ganze jährliche Ausbeute von Gold in Deutschland beträgt 460 kg; wichtiger ist die Silbergewinnung, die sich auf Sachsen, den Harz, das mansfeldische Kupferschiefergebirge und die Regierungsbezirke Oppeln, Aachen, Wiesbaden und Arnsberg vorzugsweise beschränkt; 1884 wurde sie auf 248,000 kg angegeben, davon entfielen auf Preußen 182,095, Sachsen 60,309 und auf die übrigen deutschen Staaten ca. 5711 kg. Ganz besonders tritt