Maßstab 1:6,600,000.
Höhenschichten in Pariser Fuß.
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2) Das mitteldeutsche Gebiet.
Sehr verwickelt sind die Verhältnisse im mitteldeutschen Gebiet, in welchem sich nach Lage und Bau vier Systeme unterscheiden lassen.
1) Das Niederrheinisch-Westfälische Schiefergebirge, soweit es hierher gehört, ganz innerhalb des preußischen Staats, bildet ein Plateau, das der Hauptsache nach aus den Gliedern der Devonformation zusammengesetzt ist. Es ist ausgezeichnet durch seine Thalgliederung, die es in mehrere Teile zerlegen läßt. Westlich vom Rhein, der das Schiefergebirge von Bingen bis Bonn (von Bingen bis Koblenz fast ohne Thalsohle) durchbricht und sonach das ganze Plateau in zwei Flügel teilt, sind: der Hunsrücken (s. d.) zwischen Nahe, Saar und Mosel, mit dem 815 m hohen Walderbeskopf im Hochwald;
die an vulkanischen Gesteinen reiche Eifel (s. d.) im N. von der Mosel, mit der Hohen Acht (760 m);
das Hohe Venn (s. d.), eigentlich nur das nordwestlichste Glied der Eifel, kahl und öde und in seinem höchsten Teil große Torfmoore umschließend. Im O. vom Rhein sind: der Taunus (s. d.) mit dem Großen Feldberg (880 m), zwischen Main und Lahn;
der Westerwald (s. d.) zwischen Lahn und Sieg, mit dem Siebengebirge (s. d.);
das Sauerländische Gebirge (s. d.) mit dem Kahlen Astenberg (830 m), im Regierungsbezirk Arnsberg nordwärts bis zur Ruhr und Möhne.
Auf der Westseite des Rheins tritt das produktive Steinkohlengebirge in der nördlichen Abdachung zum Tiefland bei Aachen und auf der Südseite an der Saar, nebst einem von Porphyr und Melaphyr vielfach durchbrochenen Gebiet von Rotliegendem an der Nahe, auf der Grenze gegen das Muschelkalkgebiet des Oberrheinischen Gebirgssystems und die Braunkohlenlager des Mainzer Beckens hervor. Auf der Ostseite des Rheins liegt das durch seinen Kohlenreichtum ausgezeichnete Ruhrkohlengebiet gleichfalls auf der Grenze gegen das Tiefland und ist nordwärts bereits unter den jüngern Schichten desselben begraben. Ältere Schichten des Kohlengebirges (Kulm, flözleerer Sandstein) bilden an der Möhne im Arnsberger Wald und auf der Ostseite in dem in das Buntsandsteingebiet halbinselartig vorspringenden Hainaschen Gebirge die äußersten Glieder des Schiefergebirges, von der Diemel bis fast zur Schwalm von der Zechsteinformation eingefaßt.
2) Das Oberrheinische Gebirgssystem umfaßt die Gebirge im südwestlichen Deutschland und erstreckt sich längs der Ostseite des Schiefergebirges bis über die Weser hinaus, hier vielfach in das folgende System eingreifend. Seine Hauptglieder sind die Vogesen- und der Schwarzwald (s. d.), die beide, obwohl durch die Oberrheinische Tiefebene (s. d.) getrennt, die innigste Verwandtschaft zeigen: starke Abfälle zur Tiefebene, sanftere nach der entgegengesetzten Seite, gleichen Bau (Granit mehr in den Vogesen, Gneis mehr im Schwarzwald), fast gleiche Höhe (dort der Sulzer Belchen 1432 m, hier der Feldberg 1495 m). Während aber der Schwarzwald mit dem Aufhören des Buntsandsteins bereits in der Breite von Karlsruhe, mit dem Thal der Pfinz, vollständig sein Ende erreicht, setzen sich die Vogesen im N. des Breuschthals als niedriges Buntsandsteingebirge (Haardt [s. d.] in der bayrischen Pfalz) bis zum Landstuhler Bruch fort, wo sich im N. das umfangreiche Gebiet des Rotliegenden und das Steinkohlengebirge von Saarbrücken anschließen.
Auf der Ostseite des Rheins erscheint in der Fortsetzung des Systems der Odenwald (s. d.), am großartigsten am Neckardurchbruch bei Heidelberg und längs der Bergstraße, woselbst Granit und Syenit vorherrschen, mehr einförmig im O., wo der Buntsandstein verbreitet ist, der sich auch über den Main im Spessart (s. d.) und zwischen den vulkanischen Gebilden der Rhön (s. d.) und des Vogelsbergs (s. d.) in das nördliche Hessen hinein fortsetzt und auf der östlichen Seite der Weser mit dem Sollinger Wald (s. d.) endet.
Das nordhessische Buntsandsteingebirge, das auf der Grenze gegen das Hercynische System (an der Werra etc.) durch die Zechsteinformation markiert wird, ist ausgezeichnet durch das zahlreiche Vorkommen von Basalten (Meißner 749 m), die sich aber wiederum vorzugsweise auf ein von mittlern Schichten der Tertiärformation (Oligocän) angefülltes Becken, das sich von Kassel südwärts bis zur Schwalm erstreckt und reich an Braunkohlenlagern ist, konzentrieren. Dieses Becken, in dem sich westlich von Kassel der basaltische Habichtswald (s. d.) erhebt, setzt sich nach S. fort, scheidet bei Gießen den Vogelsberg vom Schiefergebirge und endet, aber ohne Basalte, mit dem schon genannten Mainzer Becken. Erwähnung verdient noch die in der Oberrheinischen Tiefebene isoliert liegende vulkanische Gruppe des Kaiserstuhls (s. d.), westlich von Freiburg.
3) Das Hercynische oder Sudetensystem nimmt einen größern Raum ein als die beiden vorigen Systeme. Seine Bergzüge erstrecken sich vorzugsweise von SO. nach NW. und bilden zwei Reihen: die südliche beginnt mit dem Böhmisch-Bayrischen Waldgebirge und endet mit dem Teutoburger Walde, die nördliche umfaßt die Gebirge Schlesiens, sodann den Harz und das Wesergebirge;
innerhalb beider Reihen tritt vorzüglich das Erzgebirge hervor.
In den höhern Gebirgen dieses Systems sind die kristallinischen Gesteine (Granit, Gneis, Glimmerschiefer) sehr verbreitet. a) In der südlichen Reihe: das Böhmisch-Bayrische Waldgebirge (s. Böhmerwald), fast durchaus aus kristallinischem Gestein bestehend, zerfällt mit seinem höhern, südöstlichen Teil in den eigentlichen Böhmer- oder Bayrischen Wald, ein ausgedehntes Waldgebirge auf der böhmisch-bayrischen Grenze (der Große Arber in Bayern 1453 m), in eine waldreiche Nebenkette in Böhmen mit dem Kubany und in das bereits sehr entwaldete Donaugebirge (Dreitannenriegel 1216 m) in Bayern, das auf der Nordseite der Donau sich von Passau bis Regensburg erstreckt.
Der niedrigere, nordwestliche Teil, von jenem durch die Becken von Bodenwöhr, Cham, Furth und Klattau (in Böhmen) geschieden, führt auf bayrischer Seite den Namen Oberpfälzer Wald, auf böhmischer Czerkowgebirge und reicht bis an das Fichtelgebirge (s. d.). Die Nab-Wondreb-Ebene liegt auf der Grenze gegen das letztere, das bis 1055 m (Schneeberg) ansteigt, gleichfalls in seinen verschiedenen Zügen aus kristallinischen Gesteinen besteht und eine wichtige Wasserscheide zwischen Donau, Elbe und Rhein abgibt.
Die nördlich liegende Platte, der Frankenwald (Döbraberg 799 m), zeigt im Bau noch eine Verwandtschaft mit dem Fichtelgebirge, die aber mit dem Beginn des Thüringer Waldes (s. d.) aufhört. Der breitere, südöstliche Teil desselben ist vorzugsweise aus Silur, Devon und älterm Kohlengebirge (Kulm) zusammengesetzt; der schmälere, nordwestliche (Großer Beerberg 984 m) aber zeigt neben Porphyr, Melaphyr und Rotliegendem wiederum kristallinisches Gestein (Granit) und wird auf beiden Seiten von der Zechsteinformation eingefaßt, die auch den äußersten Nordsaum des südöstlichen Teils bezeichnet und gegen NW., wie schon gesagt, auf der Grenze gegen das Buntsandsteingebirge des
Maßstab 1:3750000.
Quartär (Alluvium und Diluvium)
Tertiär
Kreide (inkl. Wealden)
Jura
Trias
Perm (Zechst. u. Rotliegendes)
Produktive Steinkohlengeb.
Karbon
Devon
Silur (inkl. Cambrium)
Graue und grüne Schiefer der Alpen
Krystallinische Schiefer (Gneis, Glimmer etc.)
Eruptivgesteine:
Ält. Orthoklasgesteine (Granit, Syenit, Quarzporphyr)
Ält. Plagioklasgesteine (Diabas, Diorit, Gabbro, Melaphyr)
Jungvulkanische Gest. (Trachyt, Basalt etc.)
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nördlichen Hessenlandes im Ringgau und Werragebirge die Fortsetzung dieses Systems darstellt. Damit verschwindet aber auch diese Reihe, die alsdann nur noch einmal im W. von der Weser im Teutoburger Wald (s. d.), der aus Trias, Jura und Kreide zusammengesetzt ist, hervortritt, hinter Ibbenbüren zwar aufhört, aber noch bei Rheine und zuletzt bei Bentheim angedeutet ist. b) Zur nördlichen Reihe gehören die Gebirge in Schlesien (mit Ausnahme des schon zu den Karpathen überleitenden Oberschlesischen Steinkohlengebirges auf der rechten Oderseite), die in der Ausdehnung von der obern Oder in Mähren bis zur Lausitzer Neiße auch als Sudeten zusammengefaßt werden.
Die einzelnen Teile derselben sind: das Schlesisch-Mährische Gebirge oder die Sudeten im engern Sinn (Altvater 1490 m) in Mähren und Österreichisch-Schlesien;
das Glatzer Gebirgssystem (s. Glatz), aus einer Anzahl von kleinen, nach den verschiedensten Richtungen sich erstreckenden Gebirgen bestehend, die das Glatzer Kesselthal einschließen, und von denen das Glatzer Schneegebirge in der Wasserscheide der Donau, Oder und Elbe am höchsten ist (Großer Schneeberg 1424 m), während das Reichensteiner und Eulengebirge, beide geschieden durch den Neißedurchbruch bei Wartha, zur nördlich vorliegenden Ebene, in welcher der Zobten (728 m) noch eine vorzüglich hervortretende Marke bildet, mit einem Steilrand abfallen und das Sandsteingebirge der Heuscheuer als ein fremdartiges Glied innerhalb der meist aus Gneis und Glimmerschiefer bestehenden Gebirgszüge erscheint; das Niederschlesische Steinkohlen- oder Waldenburger Gebirge, das in einer Mulde bei Waldenburg zwischen Rotliegendem (südlich), in dem Porphyre und Melaphyre ansehnlich entwickelt hervortreten, älterm Kohlengebirge (Kulm) im N. und dem Gneis des Eulengebirges sich befindet, zahlreiche Kohlenflöze zeigt und sich nordwestwärts in das Katzbachgebirge fortsetzt, das aus den verschiedenartigsten Gesteinen, vom Urthonschiefer an bis zur Kreide, gebildet ist und in der Gegend von Bunzlau in der Ebene ganz verschwindet; das Riesengebirge (s. d.) auf der Grenze von Schlesien und Böhmen, das höchste Gebirge des mitteldeutschen Berglandes (Schneekoppe 1601 m), das auf seiner Nordseite, sowie auch das zwischen ihm und dem Katzbachgebirge eingebettete Hirschberger Thal in seiner Grundlage, aus Granit, auf seiner Südseite aus Glimmerschiefer besteht; das Isergebirge (s. d.) mit der Tafelfichte (1155 m), aus Granit und Gneis vorzugsweise zusammengesetzt.
Als weitere Fortsetzung der nördlichen Reihe des Hercynischen Systems sind das umfangreiche Granitgebiet zwischen Görlitz und Meißen, aus kleinern Bergzügen oder einzelnen Bergen, auch Basaltkegeln bestehend, auf der Nordseite teilweise schon unter dem Diluvium der Ebene begraben, ferner die Porphyrgebiete von Rochlitz und Halle zu betrachten. Letzteres leitet mit seinen Steinkohlenlagern, mit Rotliegendem und Zechstein bereits zum Harz (s. d.) über, welcher auf seiner Südseite fast ganz, auf seiner Nordseite teilweise von Zechstein, der in der Gegend von Eisleben durch seine Kupfererze die Grundlage des Mansfelder Bergbaues bildet, eingefaßt ist, im Unterharz vorzugsweise aus Silur, im Oberharz aus älterm Kohlengebirge (Kulm) zusammengesetzt ist, während der hervorragendste Teil, das Brockengebirge (Brocken 1142 m), sowie der Ramberg auf dem Unterharz (Viktorshöhe) nebst der Roßtrappe aus Granit und der Auerberg (Josephshöhe) aus Porphyr bestehen.
Aus viel jüngerm Gestein bestehen die letzten Glieder dieser Reihe: der Hils, Deister, Süntel, die Bückeberge zwischen Leine und Weser meist aus Jura mit einer starken Entwickelung der denselben überlagernden steinkohlenreichen Wälderformation (Wealden) und das Wiehengebirge im W. von der Weser, das ebenfalls im Jura, nördlich von Osnabrück an der Haase, im Tiefland verschwindet. Auf der Nordseite des Harzes breitet sich ein Hügelland im Übergang zum Norddeutschen Tiefland bis zur obern Aller und bis in die Gegend von Magdeburg aus. Da ziehen, ganz nahe dem Harz, die Quadersandsteinzüge der Teufelsmauer und des Regensteins hin, entfernter der Huy mit den beiden Fallsteinen, die Asse und der Elm in Braunschweig, ein reichhaltiges Braunkohlenbecken von Helmstedt bis Aschersleben, das über Buntsandstein und der an Salz reichen Zechsteinformation lagert, endlich zum Schluß das Magdeburger Gebirge, das unter der Trias aus Zechstein, Rotliegendem und Kulm besteht, von bedeutenden Porphyrmassen durchbrochen ist, sich von Gommern auf der rechten Elbseite über Magdeburg bis fast an den Drömling erstreckt, aber keine nennenswerten Terrainerhebungen veranlaßt.
Das Innere zwischen den beiden Reihen, das sich nordwestwärts mehr und mehr verengert, wird zwischen dem Riesen- und Isergebirge auf der einen und dem Fichtelgebirge auf der andern Seite durch einen Gebirgszug ausgefüllt, von dem das Lausitzer und das Elbsandsteingebirge (die Sächsische Schweiz) der Kreideformation angehören, das Erzgebirge (s. d.) aber, das mit der Gottleuba sich entwickelt, mit dem Keilberg in Böhmen und dem Fichtelberg in Sachsen 1238 und 1204 m erreicht, ganz vorzugsweise aus kristallinischen Gesteinen gebildet worden ist: aus Gneis mit reichen Erzgängen an der Freiberger Mulde und Flöha, aus Glimmerschiefer von der Zschopau bis Schneeberg, sodann aus Granit (Johanngeorgenstadt) und endlich wiederum aus Glimmerschiefer bis zur Berührung mit dem Fichtelgebirge.
Auf der Südseite fällt das Erzgebirge in Böhmen mit einem Steilrand ab, auf der Nordseite dacht es sich allmählich längs der beiden Mulden, der Zschopau, Flöha etc. ab. Hier tritt das produktive Steinkohlengebirge neben und unter dem Rotliegenden in zwei Becken hervor, einmal nicht weit von Dresden bei Pottschappel, dann in einer langgestreckten Senke von Hainichen über Chemnitz bis über Zwickau hinaus. Auf der Nordseite dieser Einlagerungen erscheint das kristallinische Gebirge (Granulit) bis Döbeln nochmals an der Oberfläche, um dann dem Porphyrgebirge von Rochlitz bis Wurzen Platz zu machen. Im W., etwa von Plauen ab, schließt sich das Erzgebirge an die Gesteinsmassen des Thüringer Waldes; neben einigen Gebieten von kristallinischen Schiefern nimmt hier besonders die Silurformation, vielfach durchbrochen von Melaphyr, einen weiten Raum ein; dann folgt Mitteldevon, älteres Kohlengebirge (Kulm), bis mit dem Zechstein an der mittlern Orla das Gebirgsland aufhört.
In der weitern Fortsetzung des Systems gegen NW. zeigt sich zwischen den beiden Gebirgsreihen, Thüringer Wald und Harz, an der Unstrut und Gera, von Mühlhausen, Gotha und Erfurt bis zur Thüringer Pforte, dem Durchbruch der Unstrut durch das Buntsandsteingebirge, eine ausgedehnte Keupermulde, die durch Muschelkalk mehrfach gegliedert oder begrenzt wird, während dieser meist wieder, namentlich im SO. zwischen der Saale und der schon erwähnten Zechsteinpartie und im NW. zwischen Nordhausen und Göttingen, von Buntsandstein eingeschlossen ist. Im Muschelkalk liegen in diesem Gebiet der Ettersberg nördlich von Weimar, die Hörselberge bei Eisenach,
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der Hainich, das obere Eichsfeld, das Ohmgebirge auf dem untern Eichsfeld (zwischen Buntsandstein), das Düngebirge, die Hainleite etc.; im Buntsandstein die Finne südlich von der untern Unstrut, das untere Eichsfeld, der Göttinger Wald. Eine eigentümliche Stellung nimmt hier das Kyffhäusergebirge ein, das vom Harz durch das Thal der Goldenen Aue (Helme) getrennt ist und mit seinem Zechstein in der südlichen Begrenzung, seinem Rotliegenden in dem Hauptteil, ruhend auf einer Grundlage von kristallinischem Gestein (Granit), eine Verwandtschaft mit dem Harz oder wenigstens mit dem Bergbaurevier von Eisleben offenbart. Zwischen den nordwestlichen Gebirgsreihen in Westfalen und Hannover entwickeln sich noch kleine Bergmassen, von denen mehrere Steinkohlenlager umschließen; am wichtigsten ist das Steinkohlengebirge von Ibbenbüren (s. d.), mit dem auch dieser Teil zum Tiefland übergeht.
4) Der Jura. Oberhalb des Winkels des Rheins bei Basel, zwischen Waldshut und Schaffhausen, überschreitet der Gebirgszug des Jura, welchem die in ihm hauptsächlich vertretenen Juraformationen ihren Namen verdanken, den Rhein und die Grenze des Reichs und zieht sich in großer Breite als Schwäbischer Jura bis 1014 m (Lemberg bei Gosheim) ansteigend, in seinen einzelnen Gliedern aber vielfach den Namen wechselnd (Heuberg, Rauhe Alb, Albuch, Härdtfeld etc.), durch Baden, Hohenzollern und Württemberg mit nordöstlicher Richtung bis zu dem Becken des Nördlinger Rieses in Bayern, alsdann als Fränkischer Jura zuerst noch in gleicher Richtung bis in die Gegend von Regensburg, darauf in nördlicher Richtung bis zur Nürnberg-Further Eisenbahn und endlich in fast nordwestlicher über den Main hinaus bis in die Gegend von Koburg.
Die breite Hochfläche ist ganz vorherrschend aus dem obern oder Weißen Jura zusammengesetzt, der von Schaffhausen bis Regensburg (von Sigmaringen bis Regensburg an oder nahe der Donau) mit verhältnismäßig nur geringem Höhenrand zu den Tertiär- und Quartärschichten der Schwäbisch-Bayrischen Ebene, auf der entgegengesetzten Seite, im N. auch auf beiden Seiten, aber mit einem hohen, außerordentlich zerrissenen Steilrand abfällt, welchem in Form von Vorbergen der Braune Jura angelagert ist, während die Lias ein großes fruchtbares Plateau bildet, aus welchem sich die obern Juraabteilungen bergartig erheben.
Der Steilrand ist namentlich in Württemberg großartig und vielfach von Bergrutschen gekrönt, welche mauerartige Abstürze erzeugen. Auf der Höhe ist der Jura in der Regel außerordentlich wasserarm, nicht aber in seinen Abfällen, zwischen denen die Bäche mit reicher Wasserfülle hervortreten. Sehr reich ist der Kalkstein des Jura an Höhlen, die besonders in großer Zahl auf der Nordseite des Gebirges in Württemberg und im nördlichen Teil des Frankenjura, in der Fränkischen Schweiz (in der Nähe der Wiesent: Muggendorfer Höhle, Gailenreuther Höhle u. a.), vorkommen.
Auf der Grenze gegen die kristallinischen Gesteine des Bayrischen Waldes und des Fichtelgebirges liegen die Becken von Bodenwöhr (Keuper bis Tertiärschichten) und die Keupermulde von Baireuth. Auf der entgegengesetzten Seite breitet sich ein großes Gebiet von Keuper und Muschelkalk aus, das in schmalem Strich zwischen Jura und Schwarzwald bis an den Rhein bei Waldshut, zwischen Durlach und Wiesloch an die Oberrheinische Tiefebene tritt und von Heidelberg bis Meiningen den Buntsandstein des Oberrheinischen Gebirgssystems (Odenwald, Spessart, Rhön) begrenzt.
3) Das Norddeutsche Tiefland
ist durch das mitteldeutsche Bergland im S., durch das Meer im N. natürlich, nach O. und W. nur künstlich abgegrenzt. Sein Hauptbestandteil ist das Diluvium, in seinen untern Schichten frei von nordischen Geschieben (präglaziales Diluvium), während die ungeheure Menge dieser nordischen Geschiebe im mittlern Diluvium im Zusammenhang mit den an vielen Stellen der Norddeutschen Tiefebene beobachteten Schliffen jetzt durchweg als Anzeichen einer allgemeinen Vergletscherung während der Eiszeit (s. d.) gedeutet wird.
Über dem Diluvium, teils einfach in besondern Becken übergelagert, teils in den später eingefressenen Thälern und Wasserrissen, finden sich die jetzigen Bildungen der süßen Gewässer: die Kalktuffe oder Süßwasserkalke, die Brücher, Sumpfmoore, oft von großer Ausdehnung, der Raseneisenstein und sogen. Ortstein, ein die Vegetation sehr behinderndes Konglomerat von Brauneisenerz und Sand, in den nordwestlichen Heiden; die fruchtbaren Marschen Nordwestdeutschlands, die in Gegensatz gegen die höher gelegene sandige (meist aus Diluvialsand gebildete) Geest treten.
Gleichzeitig fanden und finden Einwirkungen des Meers statt, zu denen zuvörderst die mit Hilfe des Windes gebildeten Sanddünen gehören, welche infolge des Zurücktretens der See seit der Diluvialzeit oft noch ziemlich tief im Land gefunden werden. Ferner die Abschwemmungen an den Küsten, die an der Ostsee mehr ausnahmsweise, an der Nordsee als regelmäßige Erscheinung vorkommen und hier in historischer Zeit, z. B. durch Bildung der Zuidersee, durch Einreißen des Dollart an der Emsmündung im 13. Jahrh., durch das erhebliche Verkleinern der Insel Borkum, durch Zerstörung vieler friesischer Inseln, schon sehr große Veränderungen bewirkt haben.
Dann die Erscheinungen an den Mündungen der Flüsse, von denen viele nachweislich einen andern Lauf hatten als jetzt; so die Weichsel, die durch das Netze-Warthethal zur Oder, die Oder, welche über Berlin in die Elbe strömten. An den Mündungen bilden sich allmählich aus den Ästuarien Haffe und Deltas, indem an seichten Stellen des Meers nahe den Mündungen die Anhäufungen von Schlick und Detritus zunehmen und allmählich Verlandung herbei führen. Die Gebilde, welche älter sind als das Quartär, sind im Norddeutschen Tiefland selten, aber weithin zerstreut.
Zunächst ist verhältnismäßig am häufigsten die Tertiärformation. Miocäne, dunkle Glimmersande kommen vom nordwestlichen Westfalen über die Gegend der Vechte, Ems und Haase, dann beiderseits der untern Elbe und auf Sylt vor. Oberoligocäne Mergel und konglomeratartige Sande finden sich bei Celle, Sternberg in Mecklenburg, Dömitz, mitteloligocäne Thone und Sande um Berlin, Stettin, Frankfurt a. O.; letztere reichen dann über Magdeburg hinaus in das Hügelland.
Braunkohlen führendes Unteroligocän kommt, ursprünglich mit dem von Magdeburg etc. im Zusammenhang, durch die ganze Mark, in Anhalt, der Niederlausitz und in Schlesien vor. Besondere Berücksichtigung verdient das Samland, wo ein unteres glaukonitisches, sandiges und thoniges Gestein, die »blaue Erde«, das Muttergestein des Bernsteins, umfassend, und ein oberes Kohlen führendes Gestein zu unterscheiden ist. Letzteres wird dem mittlern, ersteres dem untern Oligocän gleichgesetzt. Die Kreide ist sehr verbreitet in dem Becken von Münster; auch finden sich viele Inselsättel derselben in großer Nähe des Berglandes und zwar zwischen der obern Aller und dem Dümmersee (an der Hunte). In größerer Entfernung vom
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Rande der Hügelländer ist die Kreide von Lüneburg, alsdann die obere weiße Kreide (Schreibkreide mit Feuersteinen) von Rügen, der ebenfalls weiße, kreidige Mergel der obern Kreide von Usedom und Wollin, von den angrenzenden Teilen des pommerschen Festlandes und vom östlichen Mecklenburg hervorzuheben. Jura kommt in ziemlich zahlreichen kleinen Partien (oberer Jurakalk) in Pommern, Trias bei Lüneburg (insbesondere Gips und Salz des Buntsandsteins), bei Rüdersdorf unweit Berlin (bedeutende Muschelkalkbrüche) vor.
Der Zechsteinbildung ist das Steinsalz von Sperenberg, südlich von Berlin, von Inowrazlaw und Wapno in der Provinz Posen beizurechnen. Das Niveau des Tieflandes steigt vom Meeresstrand bis an die Weserberge zu ca. 60 m, an den Hauptflußläufen halb so hoch an; östlich vom Harz erhebt es sich auf 100 m und bis zu den von der See entferntern Punkten in Sachsen etc. noch etwas höher. Namentlich ragen über diese Höhen aber die Landrücken empor, deren bedeutendster, der Norddeutsche Landrücken, durch Weichsel und Oder durchbrochen, von Rußland her Ost- und Westpreußen, Pommern, Brandenburg, Mecklenburg und Schleswig-Holstein durchzieht und in Jütland endet.
Ausgezeichnet ist er durch die große Menge von Seen, welche, bei einer mittlern Höhe des Landrückens von 100 m und einer maximalen von 300 m (Turmberg südwestlich von Danzig 331 m), ebenfalls ein verhältnismäßig hohes Niveau einnehmen. Der zweite Rücken schließt sich an das oberschlesische Flözgebirge an, verläuft zunächst am rechten Oderufer und enthält hier einige namhaftere, vom Braunkohlengebirge gebildete Anhöhen. Dann geht er noch oberhalb Glogau über die Oder zur Lausitz (Rückenberg bei Sorau 229 m) hinüber, überschreitet die Spree südlich am Spreewald, bildet den Fläming, der, 201 m hoch, sich zur mittlern Elbe hinzieht, überschreitet diese in der Altmark und läuft in die Lüneburger Heide (bis 171 m hoch) aus.
Zwischen beiden Rücken gibt es eine mannigfache Abwechselung von Hügel- und Tiefland: da liegt das Obrabruch in Posen, zwischen Hügeln eingebettet, ferner in Brandenburg das Warthe- und Netzebruch auf der Grenze gegen den Norddeutschen Landrücken, die Platte von Barnim neben dem Oderbruch, das Havelländische Luch innerhalb der großen Havelkrümmung und der Spreewald an der mittlern Spree. In dem Bereich der eigentlichen Küstenebene an der Ostsee sind nennenswerte Hügellandschaften: die Stubbenkammer auf Rügen (159 m), der Gollenberg bei Köslin (144 m), die Trunzer Berge bei Elbing (198 m) und das Hügelland des Samlandes (Galtgarben 110 m) in Ostpreußen. Die hervorragendsten Landspitzen an der Ostsee aber sind: Arkona auf Rügen (54 m), Rixhöft in Westpreußen (53 m) und Brüsterort in Ostpreußen (32 m).
III. Gewässer.
(Vgl. die »Fluß- und Gebirgskarte«, S. 800.)
Deutschland grenzt an zwei Meere, die Nord- und Ostsee. An der Nordsee, welche Deutschland in einer Länge von 300 km (davon kommen 160 auf Schleswig-Holstein, 4 auf Hamburg, 44 auf Oldenburg und 90 auf Hannover) bespült, ist zwischen der Festlandsküste und einem äußern Küstensaum zu unterscheiden; der letztere besteht aus einer Reihe von Inseln, die das 8-16 km breite Wattenmeer seewärts abgrenzen. Von diesen Inseln gehören Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeroog und Spiekeroog zur Provinz Hannover, Wangeroog zu Oldenburg, Neuwerk zu Hamburg, Amrum, Sylt und Röm sowie zahlreiche Inseln im Wattenmeer (Föhr, Pellworm, Nordstrand und die Halligen) zu Schleswig-Holstein.
Unter den Busen der Nordsee sind der Dollart, der Jadebusen und die busenartig erweiterten Mündungen der Weser, Elbe und Eider zu merken. Die wichtigsten Leuchttürme an der Nordsee sind auf Sylt, auf Amrum, an der Mündung der Eider, auf Neuwerk, vor Bremerhaven (2), Wangeroog, Norderney und Borkum. Die Tiefe am äußern Eingang zur Elbe und Weser beträgt etwa 20, zur Jade 10-15, zur Osterems 23 und zur Westerems 34 m. Die deutsche Küste an der Ostsee ist 1365 km lang; davon kommen 442 auf die Provinzen Ost- und Westpreußen, 427 auf Pommern, 105 auf Mecklenburg, 15 auf Lübeck und Oldenburg und 375 km auf Schleswig-Holstein.
Von ganz besonderm Reiz ist die schleswig-holsteinische Ostseeküste. Steilküsten und tiefe, schmal und weit in das Land eindringende Busen (Föhrden) verleihen der oft bewaldeten Uferlandschaft eine hohe Anmut, und die Dünen fehlen hier fast gänzlich. Die wichtigsten Busen an diesem Teil der Küste sind die von Hadersleben, Apenrade, Flensburg, die Schlei, die Busen von Eckernförde und Kiel, unter denen besonders die von Flensburg, Eckernförde und Kiel die ausgezeichnetsten Häfen abgeben.
Zwei größere Inseln liegen an dieser Küste: Alsen, durch den an seiner schmälsten Stelle nur 250 m breiten Alsensund, und Fehmarn, durch den nur 3 m tiefen Fehmarnschen Sund vom Festland getrennt. Zwischen den Inseln Fehmarn und Rügen dringt die Lübecker Bucht tief in das Land hinein und teilt sich im Hintergrund durch die Halbinsel Klützerort in das Lübsche Fahrwasser und in den Busen von Wismar, in dem die Insel Pöl liegt; an der holsteinischen Seite ist hier noch die Neustädter Bucht zu erwähnen.
An der pommerschen Küste bildet die Pommersche Bucht an der Mündung der Swine einen nicht unbedeutenden Einschnitt in das Land. Im W. derselben liegt die Insel Rügen, die, sowie die nahe Festlandsküste, von den Meeresfluten außerordentlich zerrissen ist. Da sind die Tromper Wiek an der Nordseite, die Prorer Wiek an der Ostseite von Rügen; sodann zwischen Rügen und dem Festland eine Reihe von Gewässern (der Greifswalder Bodden mit dem Rügenschen Bodden und der Dänischen Wiek, dem Strelasund, auch schlechthin Bodden genannt, und die Prohner Wiek mit dem Kubitzer Bodden), in die von O. das Landtief, von NW. zwischen Hiddensöe und dem Festland das Tief von Barhöft hineinführen.
Andre Gewässer befinden sich im Innern von Rügen, darunter der Große Jasmunder Bodden; noch andre trennen die Insel Zingst und die Halbinsel Dars vom Festland (der Grabow, der Barther, Bodstedter und Saaler Bodden). Von der Mündung der Swine bis zur Landspitze Rixhöft ist die Ostseeküste sehr einförmig; daraus schneidet die Ostsee zwischen dieser Landspitze und der von Brüsterort mit der Danziger Bucht, von der die durch die Halbinsel Hela gebildete Putziger Wiek ein Teil ist, tief in das Land ein.
Aber auch hier ist die Küste, wie weiter nördlich bis zur russischen Grenze, meist einförmig. Die Dünenbildung ist von der Swine an vorherrschend; sie entwickelt sich aber am großartigsten auf den Nehrungen, besonders auf der Kurischen. Die Tiefe am Eingang zum Busen von Apenrade beträgt 22-33, zu dem von Flensburg 23-28, zur Schlei 2,2, zum Busen von Kiel 12, zur Neustädter Bucht 4,5, zur Trave 5, zum Hafen von Wismar 3, im Tief von Barhöft 2,5, im Landtief 3,2, am Eingang zur Swine 8, zur Persante 4,6, Wipper 3, Stolpe 4, zur Weichsel bei Neufahrwasser 5,4 und bei Neufähr
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2,5, zum Pillauer Tief 4,4 und zum Memeler Tief 6 m. Eigentümlich ist der deutschen Ostseeküste die Haffbildung. Die Haffe sind große Süßwasserseen von nicht erheblicher Tiefe und Mündungsseen von Strömen und werden von der See nur durch schmale Landstriche getrennt: das Kurische Haff durch die Kurische Nehrung, das Frische Haff durch die Frische Nehrung und das Pommersche Haff durch die Inseln Usedom und Wollin. Kleinere Strandseen von ähnlicher Beschaffenheit an der hinterpommerschen Küste sind der Jamundsche, Bukowsche, Vitter, Vieziger, Gardensche und Lebasee. Unter den mit Leuchttürmen versehenen Landspitzen an der Ostsee treten besonders hervor: Kekenishöi auf Alsen, Bülkerhuk am Kieler Busen, Puttgarden auf Fehmarn, Arkona auf Rügen, Rixhöft und Hela in Westpreußen und Brüsterort in Ostpreußen.
[Flüsse.]
Unter den 150 Flüssen des Reichs sind 7 Ströme, von denen die Memel, Weichsel und Oder zur Ostsee, die Elbe, Weser und der Rhein zur Nordsee, die Donau zum Schwarzen Meer fließen. Die Weser allein gehört ganz zu D.;
Memel, Weichsel, Oder und Elbe haben ihren Ursprung außerhalb;
der Rhein entspringt im Ausland und mündet im Ausland;
die Donau nimmt in Deutschland ihren Ursprung und mündet außerhalb.
Wichtige Küstenflüsse sind: der Pregel, die Warnow und Trave, die zur Ostsee, die Eider und Ems, die zur Nordsee gehen. Die Memel (poln. Niemen, 790 km lang, davon nur 112 in Deutschland) entspringt in Rußland, tritt als ein schiffbarer Fluß bei Schmalleningken ins preußische Gebiet, nimmt rechts die Jura und links die Scheschuppe auf und teilt sich in der Tilsiter Niederung in zwei Hauptarme, Ruß und Gilge, die, wiederum mehrfach verzweigt, in das Kurische Haff münden. In letzteres fließen ferner noch die Minge und Dange nördlich und der Nemonien südlich von den Memelarmen.
Der schiffbare Pregel (118 km lang) entsteht durch die Vereinigung der Inster, Pissa und Angerapp, verstärkt sich links durch die schiffbare Alle, entsendet rechts die Deime zum Kurischen Haff und ergießt sich in das Frische Haff, in das ferner bis zur Nogatmündung noch die Passarge und der Elbing fließen. Die Weichsel (1050 km lang, 45 auf der Grenze von Oberschlesien, 239 in Preußen und Posen) wird bereits an der Grenze von Oberschlesien, wo sie die Przemsa aufnimmt, schiffbar und tritt als bedeutender Strom bei Ottlotschin in das Reich ein, wo sie links die Brahe (in Posen), das Schwarzwasser, die Ferse und Mottlau nebst der Radaune, rechts die Drewenz, Ossa und Liebe aufnimmt, an der Montauer Spitze sich in die Weichsel und Nogat und am Danziger Haupt in die Danziger und Elbinger Weichsel teilt, von denen die Nogat und die im Sommer wasserleere Elbinger Weichsel zum Frischen Haff gehen, die Danziger Weichsel aber in zwei Armen bei Neufähr und Neufahrwasser in die Ostsee mündet.
Der Narew, der ansehnlichste Nebenfluß der Weichsel überhaupt, mündet rechts in Polen, empfängt aber eine Anzahl Flüsse aus dem südlichen Ostpreußen. Zwischen Weichsel und Oder sind zahlreiche Küstenflüsse (Rheda, Leba, Lupow, Stolpe, Wipper, Persante, Rega) vorhanden, die alle auf dem Norddeutschen Landrücken entspringen. Die Oder (905 km lang, 769 km schiffbar, davon 741 in Deutschland) ist recht eigentlich ein deutscher Fluß, da nur ein geringer Teil des Oberlaufs sich außerhalb (in Österreich) befindet; sie durchfließt die Provinzen Schlesien, Brandenburg und Pommern, wird bei Ratibor schiffbar, bildet in Pommern das Pommersche Haff und fließt aus diesem in drei Armen (Peene, Swine und Dievenow) zur Ostsee.
Ihre wichtigsten Zuflüsse sind rechts: die Klodnitz, Malapane, Weida, Bartsch, Warthe (712 km lang, 358 km in Deutschland schiffbar) nebst Netze (440 km lang, 230 km schiffbar) und die Ihna;
links: die Oppa, Glatzer Neiße, Weistritz, Katzbach, der Bober nebst Queis, die Lausitzer Neiße, der Müllroser Kanal (Schlaube), Finowkanal (Finow), die Uker und Peene.
Unter den Küstenflüssen zwischen Oder und Elbe sind die Recknitz, Warnow (128 km lang, 60 km schiffbar), Trave, Schwentine und Eider (188 km lang, 140 km schiffbar), von denen die letztere bereits zur Nordsee geht, die bedeutendsten. Die Elbe (1165 km lang, 842 km schiffbar, davon 742 in Deutschland) tritt im Elbsandsteingebirge oberhalb Schandau aus Böhmen nach Deutschland über, durchfließt das Königreich Sachsen, die Provinz Sachsen nebst Anhalt, berührt Brandenburg, Hannover, Mecklenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein und mündet in der Breite von 15 km bei Kuxhaven in die Nordsee. In Deutschland empfängt sie rechts: die Schwarze Elster, die Havel (356 km lang, 330 km schiffbar) mit Rhin, Dosse und Spree, die Elde und Stör, links: die Mulde, Saale (mit Weißer Elster, Ilm, Unstrut und Bode), Ohre, Jeetze, Ilmenau, Este, Schwinge, Oste und Medem.
Die Weser (451 km lang und schiffbar) entsteht bei Münden aus der Werra (mit Hörsel) und Fulda (mit Eder); sie gehört allein unter den deutschen Strömen mit ihrem ganzen Gebiet zu D., fließt meist durch preußische Landesteile, berührt aber auch braunschweigisches, bremisches und oldenburgisches Gebiet, nimmt rechts die Aller (mit Oker und Leine), Lesum und Geeste, links die Diemel, Werre und Hunte auf und mündet unterhalb Bremerhaven, 12 km breit, in die Nordsee.
Die Ems (330 km lang, 224 km schiffbar), in Westfalen und Hannover, empfängt rechts die Haase und die Leda, bildet den Dollart und mündet in zwei Armen (Oster- und Westerems) zu beiden Seiten der Insel Borkum in die Nordsee. Der Rhein (1225 km lang, 886 km schiffbar, davon 721 in Deutschland) wird erst unterhalb des Bodensees ein deutscher und zwar nur ein halbdeutscher Fluß, insofern er hier die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz bildet. Erst nachdem er bei Basel seine Hauptkrümmung vollbracht hat, wird er ein ganz deutscher Strom.
Von Basel bis Mainz durchströmt er die Oberrheinische Tiefebene. Bei Bingen tritt er in das Gebiet des Schiefergebirges ein, das er am Fuß des Siebengebirges oberhalb Bonn verläßt, um von nun an seinen Unterlauf zu beginnen. Unterhalb Emmerich verläßt er Deutschland. Unter den Nebenflüssen des Rheins auf der rechten Seite sind die bemerkenswertesten: die Kinzig, Murg, der Neckar (397 km lang, 218 km schiffbar) mit Enz, Jagst und Kocher, der Main (495 km lang, 330 km schiffbar) mit Regnitz, Tauber, Fränkischer Saale, Kinzig und Nidda, die Lahn, Sieg, Wupper, Ruhr, Emscher und Lippe;
auf der linken: die Ill, Nahe, Mosel (505 km lang, 344 km schiffbar) mit Orne, Sauer und Saar, Ahr und Erft.
Zur Maas in den Niederlanden fließen die Ruhr (Roer) und Niers, ebendaselbst zur Neuen Yssel die Berkel und zum Zuidersee die Vechte. Die Donau durchströmt in östlicher Hauptrichtung die süddeutsche Hochebene und liegt bei Passau noch 287 m ü. M. Sie ist 2780 km lang, 2574 km schiffbar, davon 356 in Deutschland. Die wichtigsten Nebenflüsse der Donau während ihres Laufs durch Deutschland sind auf der rechten Stromseite: die Iller, der Lech, die Isar, der Inn (510 km lang, 226 km in Deutschland), die sämtlich auf der Schwäbisch-Bayrischen Hochebene in die Donau fließen. Alle diese Nebenflüsse sowie auch die zum Inn
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gehende Salza stammen aus den Alpen; es sind reißende Gebirgsströme, welche dem größten Strom Zentraleuropas eine unermeßliche Menge Wassers zuführen. Die wichtigsten Nebenflüsse der Donau auf der linken Seite in Deutschland sind: die Wörnitz, Altmühl, Nab und der Regen.
[Landseen.]
Nach den nordischen Reichen Schweden und Norwegen und Rußland ist kein Land Europas reicher an Landseen als Deutschland. Es hat zwei Zonen, die durch eine Reihe von Seen ausgezeichnet sind, im S. und im N. In der Mitte Deutschlands finden sich nur wenige Seen und nur von geringem Umfang. Die südliche Seezone zieht sich längs des Nordfußes der Alpen hin, indem ihre Seen teils noch innerhalb des Gebirges, teils an seinen Ausgängen, teils schon in der Hochebene gelegen sind.
Wie jene in der Schweiz, sind es Thalkessel, welche das Wasser ausfüllte; daher ihre beträchtliche Tiefe. Man zählt ihrer im südlichen Bayern gegen 70. Der größte aller deutschen Seen ist der Bodensee, der schönste der Königssee bei Berchtesgaden. Zu den größern der Bayrischen Hochebene und der dahinterliegenden Bayrischen Alpen gehören noch der Walchen-, Kochel-, Ammer-, Staffel-, Würm- (Starnberger), Tegern-, Schlier- und Chiemsee. Die nördliche Seezone umgibt die Ostsee auf ihrer ganzen Erstreckung von Schleswig bis zur äußersten Ostgrenze gegen Polen.
Sie bildet nur einen Teil und zwar den westlichen des langgezogenen Gürtels von Seen, der sich durch Norddeutschland und Rußlands Ostseeprovinzen bis über Petersburg hinaus nach Finnland erstreckt. Die Seen, deren Zahl außerordentlich groß ist (die beiden Mecklenburg allein zählen 223), liegen auf einem verhältnismäßig höhern Boden als die benachbarten Stromthäler; ihr Niveau bezeichnet die Scheitelfläche des Norddeutschen Landrückens. Die wichtigsten Seen westlich von der Oder sind: der Plöner und Selenter See in Schleswig-Holstein, die Müritz und der Schweriner See in Mecklenburg, die Ukerseen in Brandenburg;
zwischen Oder und Weichsel: der Drazigsee auf dem Landrücken, die Madüe am Fuß desselben und unter den Strandseen der Lebasee, alle drei in Pommern, der Wdzydzesee in Westpreußen und der Goplosee an der obern Netze in Posen;
endlich im O. von der Weichsel: der Geserichsee auf der Grenze von West- und Ostpreußen, der Mauer-, Löwentin- und Spirdingsee im ostpreußischen Masurenland.
Außerdem sind noch zu bemerken: der Salzige und der Süße See bei Eisleben in der Provinz Sachsen, das Steinhuder Meer östlich und der Dümmersee westlich von der Weser im Flachland der Provinz Hannover und der Laacher See in der Rheinprovinz.
[Kanäle.]
Unter den Kanälen haben eine allgemeine Wichtigkeit: die Verbindung zwischen Memel und Pregel (Gilge, Seckenburger Kanal, Großer Friedrichsgraben und Deime);
der Elbing-Oberländische Kanal zwischen den Seen auf der Grenze von Ost- und Westpreußen wegen seiner geneigten Ebenen;
der Bromberger Kanal (26,5 km) zwischen Brahe und Netze, Verbindungsglied zwischen Weichsel- und Odergebiet;
der Müllroser oder Friedrich-Wilhelmskanal (24 km) zwischen Oder und Spree und der Finowkanal (69,5 km) zwischen Oder und Havel, beide eine Verbindung zwischen dem Oder- und Elbgebiet vermittelnd;
der Plauesche Kanal (57,5 km) zwischen Havel und Elbe;
der Eiderkanal (32 km) zwischen Ostsee und Eider (Nordsee), für kleine Seeschiffe fahrbar;
der Ludwigskanal (176 km) zwischen Regnitz und Altmühl (Main und Donau) verbindet Rhein- und Donaugebiet;
der Rhein-Rhône- (350 km, davon 132 in Deutschland) und der Rhein-Marnekanal (311 km, davon 104 in Deutschland) in Elsaß-Lothringen mit Fortsetzungen weit nach Frankreich hinein.
Die übrigen Kanäle, besonders zahlreich in Brandenburg und Hannover, haben nur ein örtliches Interesse. Eine Anzahl von größern Kanälen (Nord-Ostsee-, Berlin-Dresdener, Rhein-Elbekanal) ist projektiert.
Sümpfe, Moore und Brücher gibt es besonders auf der Schwäbisch-Bayrischen Hochebene: Erdinger und Dachauer Moos östlich und westlich von der Isar, Donauried und Donaumoos an der Donau zwischen Ulm und Donauwörth und bei Ingolstadt;
sodann in den nördlichen Küstenländern, hier vorzüglich als Hochmoore auf der Grenze der Marsch und Geest in Hannover, Oldenburg und Schleswig-Holstein, aber auch weit landeinwärts zu beiden Seiten der Ems, Hunte und Weser (das Bourtanger Moor auf der Grenze gegen die Niederlande);
ferner in der Nähe der Ostsee die Moore in Hinterpommern, namentlich am Haff und am Lebasee, und in Ostpreußen am Kurischen Haff zwischen Deime und Ruß.
Weiter im Innern gibt es große Moorstrecken noch in Posen (Netze- und Obrabruch, Brandenburg (Havelländisches und Rhinluch, Warthebruch, Spreewald), in der Provinz Sachsen (Drömling an der Aller und Ohre), Westfalen etc. Einige von diesen Mooren erscheinen als unkultivierbar, wie das Große Moorbruch in Ostpreußen, andre aber gehen durch Anlage von Kanälen einer Kultur entgegen, besonders in Hannover, wo bereits seit längerer Zeit blühende Moor- (bei Bremen) und Fehnkolonien (in Ostfriesland) bestehen.
[Mineralquellen.]
Nur in Kürze gedenken wir der so reichlich über Deutschland verbreiteten Mineralquellen, von denen viele zu den heilkräftigsten Europas gehören. Die an Mineralquellen reichsten Gegenden Deutschlands sind: der Schwarzwald, das Niederrheinische Schiefergebirge, das Wesergebirge, die Sudeten, das Riesengebirge. Ungemein groß ist die Zahl der kohlensäurereichen Quellen des Niederrheinischen Gebirges, von denen die berühmtesten Selters und Geilnau diesseits, Tönnisstein in der Nähe des Laacher Sees jenseits sind; aber es erstreckt sich dieser Kohlensäurereichtum noch weit nordostwärts bis ins Gebiet der untern Weser; dort sind die Stahlquellen von Driburg, Pyrmont, Rehburg und die mit 697 m Tiefe erbohrte warme Solquelle von Rehme (Öynhausen) zu bemerken, zu denen am Südostfuß des Rheinischen Gebirges der warme Strudel von Nauheim hinzukommt.
Wie die Kohlensäureexhalation, so steht wohl auch der Reichtum an Thermen im Gebiet des Niederrheinischen Gebirges in Verbindung mit der frühern vulkanischen Thätigkeit in den Rheingegenden. Wiesbaden, Schlangenbad, Ems, Bertrich, die Quellen im Ahrthal, die Schwefelquellen von Aachen und Burtscheid gehören zu den besuchtesten des Reichs. Auch der Schwarzwald besitzt in Baden-Baden und dem lange verschollenen Römerbad Badenweiler berühmte Thermen; ebenso haben Sudeten und Riesengebirge (Warmbrunn) ihre Thermen. Über ganz Deutschland sind Solquellen (Kreuznach u. v. a.), Eisensäuerlinge (Langenschwalbach, Pyrmont), Schwefelquellen u. a. zerstreut, aber keine davon so besucht und verschickt wie die Wässer von Kissingen. - Unter den Seebädern sind die wichtigsten an der Nordsee: Borkum, Norderney, Wangeroog, Wyck auf Föhr und Westerland auf Sylt;
an der Ostsee: Borby bei Eckernförde, Kiel, Travemünde, Warnemünde, Saßnitz, Putbus, Heringsdorf, Swinemünde, Misdroy, Kolberg, Zoppot, Kahlberg, Pillau, Kranz und Schwarzort.
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IV. Klima. Vegetation. Tierwelt.
Deutschland liegt in der gemäßigten Zone. Nur die Alpen erheben sich in ihren höchsten Gipfeln in die Region des ewigen Schnees; die höchsten Gebirge Mitteldeutschlands bleiben dagegen weit darunter zurück und gestatten sogar auf ihren höchsten Höhen dem Menschen noch sommerlichen Aufenthalt, und nur an einzelnen Punkten, gegen Sonne und Wind geschützten Einsenkungen, wie in den Schneegruben des Riesengebirges, halten sich Schneeflecke wohl bis in den Sommer und zuweilen einige Jahre hindurch.
Ist auch das höhere Bergland rauh, so sind dagegen die Einsenkungen im Innern Thüringens, selbst die Elbniederungen, vor allen aber die Einsenkung am Oberrhein, um so milder; hier am Rhein blüht schon die Mandel, blühen selbst die Obstbäume, während die Rücken der Rhön, des Westerwaldes und andrer Gebirge noch mit Schnee bedeckt sind; aber selbst auf diesen Höhen gedeihen noch die Kartoffel und passende Arten von Getreide. Ganz Deutschland liegt im Gebiet, wo der zurücklaufende warme und feuchte Passatwind siegreich den Kampf mit der kalten Polarströmung besteht, in der Zone der wechselnden Niederschläge, wo der Sommer Regen, der Winter Regen oder Schnee bringt und wässerige Niederschläge in allen Jahreszeiten erfolgen. 40-50 cm jährliche Regenhöhe gibt es auf dem Norddeutschen Landrücken, im Posenschen, in dem ebenen Landstrich von Mühlhausen in Thüringen bis Bernburg etc.; 50-60 cm in der pommerschen und mecklenburgischen Küstenebene von Lauenburg (Pommern) bis Lübeck, im größten Teil von Schlesien, in Brandenburg, in der Ebene des Königreichs Sachsen, in Thüringen bis an das Waldgebirge, in Hannover im weiten Umfang der Lüneburger Heide, am Rhein im Übergang aus der Oberrheinischen Tiefebene zum Schiefergebirge etc.; 60-70 cm im nördlichen Ostpreußen, an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste, in der Ebene des nordwestlichen Deutschland bis an das Schiefergebirge, in den niedern Gegenden des Erzgebirges, in der Bayrischen Hochebene, im größten Teil von Württemberg und in der Oberrheinischen Tiefebene etc. Noch bedeutender ist die Regenhöhe an der Nordseeküste (70-90) und in den Gebirgen: auf dem Riesengebirge bis 110, dem Erzgebirge bis 90, dem Oberharz (Brocken) bis 170, dem Rheinisch-Westfälischen Schiefergebirge bis 105, den Alpen und dem Schwarzwald bis 140, den Vogesen bis 110 cm etc. In der Regel finden in den Monaten Juni, Juli und besonders im August die reichsten Niederschläge statt, während Januar, Februar, März, November und Dezember am geringsten mit ihnen bedacht sind.
Die Temperaturverhältnisse eines Landes finden ihren anschaulichsten Ausdruck in der Vegetation. Da finden wir denn durch ganz Deutschland, wo der Boden sich dazu eignet, Weizenbau; aber nur im Neckar- und Rheinthal reift der Mais auf den Feldern, während er im N. nur zur Grünfütterung benutzt wird. Der Weinstock reicht bis an die untere Werra bei Witzenhausen, im O. bis zu den Sandhöhen der Lausitz und Niederschlesiens (Grünberg), selbst in der Mark noch bis zur Havel. Im Mittelalter war die Weinrebe fast über das ganze Gebiet des Deutschen Reichs verbreitet.
Strenge Winter, der Dreißigjährige Krieg und noch mehr die Einsicht, daß der Gewinn aus der Kultivierung der Rebe in nicht günstig gelegenen Gegenden doch nur ein sehr fraglicher sei, haben alsdann ein bedeutendes Rückschreiten veranlaßt. An der Haardt und an der Bergstraße reifen die echte Kastanie und die Mandel, die Walnuß noch in Norddeutschland. Treffliches Obst liefern alle den Spätfrösten nicht ausgesetzten Lagen Schwabens, Frankens, Thüringens; die Küstenländer der Ostsee führen es in Menge aus.
Geographische Breite, Höhe über dem Meer, Umgebung bestimmen die mittlere Temperatur eines Ortes; mit der Entfernung von der See wächst der Unterschied zwischen den kältern und wärmern Monaten. Längs der Ostseeküste oder in der Nähe derselben steigt die jährliche Durchschnittswärme von 6,2° C. im nordöstlichen Ostpreußen bis auf 8,4° zu Kiel, während der dahinterliegende Norddeutsche Landrücken in Westpreußen noch nicht 6° (Schönberg, 250 m hoch, 5,7°) und in den höhern Lagen weiter westlich, selbst bis Hinrichshagen in Mecklenburg, noch nicht 8°, an seinen Gehängen aber und in den niedrigern Teilen über 8° zeigt (Stettin und Schwerin 8,2°). Vom Norddeutschen Landrücken bis zu den Bergländern im O. von der Elbe bewegt sich der jährliche Durchschnitt zwischen 7,5 und 8,6 (Berlin 9°), fällt im schlesischen Bergland auf 6-7, zu Wang im Riesengebirge in einer Höhe von 574 m auf 4,46°. Ähnlich ist es im Königreich Sachsen: in der Ebene 7-8,5° (Dresden ausnahmsweise 9,2), in den niedrigern Berglandschaften 6-7, in den höhern Teilen des Erzgebirges 4-5° (Reizenhain 777, Oberwiesenthal 917 m ü. M.). In der Tiefebene im W. von der Elbe ergibt der jährliche Durchschnitt wenig unter 8,5° längs der Elbe, ein Geringes mehr an der Nordseeküste (auch in Schleswig), weiter westlich von der Weser bis zum Rhein 9-10, zu Köln selbst 10,1°. Im Bergland vom Harz bis zum Main zeigen die mäßig hohen Landschaften 7-8,5, der Brocken (1142 m hoch) nur 2,4°. Auf der Höhe des Schiefergebirges, das bis dahin wenig beobachtet worden ist, dürfte auf den rauhen Flächen der jährliche Durchschnitt 6° nicht übersteigen; die Rand- und Thalstationen haben aber 7,5-10 (Koblenz 10,5°). Im nordöstlichen Bayern findet man in den Regionen von 400-550 m Höhe 6-7, in den tiefer gelegenen 7,5-10°. Auf der Bayrischen Hochebene haben die hoch gelegenen Punkte (Bogenhausen, Kempten) 7°, Hohenpeißenberg (971 m hoch) nur 6, die Stationen in den Bayrischen Alpen (Mittenwald, 910 m ü. M.) ebenfalls 6-7, dagegen die tiefer und günstiger gelegenen Teile (Lindau, München, Freising, Passau) 7,5-9, Reichenhall sogar über 10°. Im südwestlichen Deutschland zeigen unter 7,5° nur die hoch gelegenen Orte (Freudenstadt, 729 m hoch, 7), die in der Höhe von 350-400 m 7,5-8,5, von 200-350 m 9-10 und endlich die Orte in der Oberrheinischen Tiefebene bis Straßburg sowie auch das Neckarthal bis Stuttgart hinauf 9,5 bis 11° (Stuttgart 9,6, Heilbronn 10,2, Heidelberg 10,8, Darmstadt 10,3, Mannheim 10,5, Karlsruhe 10,4, Straßburg 9,8°). Nach dem Stande der Sonne ist Deutschland, wie Europa überhaupt, mit einem viel größern Wärmequantum bedacht, als ihm eigentlich zukommt; Berlin z. B. hätte nur das Klima von Petersburg zu beanspruchen.
Diese im allgemeinen günstige Lage, veranlaßt hauptsächlich durch den Einfluß des Golfstroms, ist aber auch die Ursache der gewaltigen Schwankungen nicht allein in den Monats- (am wenigsten im September), sondern auch in den Jahresmitteln: Schwankungen, deren Unterschiede im jährlichen Mittel 3-4°, in dem Mittel der Monate Mai und Juni 6-7 und im Mittel der Wintermonate 12-13° zeigen. So betragen nach vieljähriger Beobachtung die Unterschiede im Januar in Berlin 17°, Breslau 16, Danzig 12, im April in Berlin 9, Breslau 12, Danzig 6, im September in Berlin 5, Breslau 7, Danzig 5 und im Dezember in Berlin 16,
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Breslau 17 und Danzig 12°. Der Unterschied zwischen den äußersten Wärme- und Kältegraden beträgt etwa 72°, da eine größte Wärme von +36° und eine größte Kälte von -36° C. beobachtet worden ist. Der Januar ist überall der kälteste Monat, der Juli in der Regel der wärmste; jedoch ist der August wärmer an einigen Punkten der Küste und in Süddeutschland. Die mittlere Temperatur des Januars sinkt in fast allen Teilen des Reichs unter Null, in seltenen Fällen aber (mit Ausnahme der höchsten Bergspitzen) unter -4° (Tilsit -4,7, Klaußen bei Arys -5,6, Schönberg bei Danzig -4,1, Wang -4,6, Reizenhain im Erzgebirge -4,6, Brocken -5,4° etc.); über Null bleibt sie dagegen an der Nordseeküste und in der Ebene des nordwestlichen Deutschland überhaupt sowie am Rhein von Koblenz bis Mannheim hinauf.
Der wärmste Monat hat im allgemeinen eine Durchschnittstemperatur von 16-19°, weniger auf den Gebirgen (Wang 13,57, Reizenhain 13,65, Brocken 10,7, Hoher Peißenberg 14,6°), mehr, selbst über 20°, in den begünstigtern Gegenden im S. Der Unterschied zwischen den wärmsten und kältesten Monaten ist bedeutender im O. als im W.: 23° in Arys, 22 in Tilsit, 21 in Königsberg, 19,6 in Stettin und Berlin, 21,7 in Ratibor, 20,7 in Breslau, 19,4 in Halle, 16° C. auf dem Brocken, in Münster, Koblenz und Trier. Rhein-, Mosel-, Main- und Neckarthal besitzen das glücklichste Klima im Reich.
Der Winter bringt die Vegetation in Deutschland vollständig zum Stillstand, und die Entfaltung derselben beginnt erst wieder, wenn das Tagesmittel 6° erreicht. Durch jeden wärmern Tag wird sie gefördert, durch jeden kältern zurückgedrängt, durch Frost gefährdet. Tage über 6° Tagesmittel sind in Ostpreußen im Januar und Februar gar nicht vorhanden, im März selten, im April durchschnittlich 10-11, im Mai 25-26. In der Rheinprovinz dagegen sind Tage über 6° Tagesmittel im Januar und Februar schon gar nicht selten, durchschnittlich 3-6; der März zählt deren 8-11, der April 19-23, der Mai 29-30. Im Mai haben daher die östlichen Gegenden nahezu ebenso viele Tage mit einem Tagesmittel von mehr als 6° wie die westlichen. Höchst nachteilig für die Vegetation der westlichen Gegenden sind auch die häufigen Frostwechsel (der Wechsel von Tauen und Frieren) im Februar und März, in welchen Monaten sie, obwohl ebenso häufig, in den östlichen Landesteilen noch gar keinen Schaden anrichten. Der Beginn der frostfreien Zeit zeigt zwischen Ostpreußen und der Rheinprovinz nur einen Unterschied von wenig über 14 Tagen.
Die Vegetation des deutschen Flach- und Berglandes und der Waldregion der Alpen ist die mitteleuropäische mit ihren saftigen Wiesen, den im Winter blattlosen Laubwaldungen von Buchen, Eichen, Birken, den lichten Kiefern- und dunkeln Tannen- und Fichtenwäldern, mit ihren Heiden und ihren Ackergründen. Nur dem aufmerksamen Auge des Botanikers entgehen die leisen Unterschiede nicht, welche die Flora von S. nach N. und von O. nach W. zeigt; er sieht manche nordische Form, die in Mitteldeutschland fehlt, auf der Hochebene Süddeutschlands wiederkehren, beobachtet am Rhein das Eindringen westlicher Formen, selbst Bäume, bis in die Gegend von Halle das Eindringen östlicher Kräuter unter den gewöhnlichen.
Nur die Alpen erheben sich über die Grenze des Pflanzenwuchses, dagegen erreicht das mitteldeutsche Gebirge kaum die von der absoluten Höhe gebotene obere Grenze der Buche, wenn auch in den höhern Teilen vieler Gebirge, des Böhmerwaldes, des Schwarzwaldes, des größern Teils des Thüringer Waldes, des Oberharzes, die Tanne und Fichte die herrschenden Waldbäume sind. Nur von den höchsten Höhen der Sudeten, des Riesengebirges, des Schwarzwaldes und des Brockens weicht der hochstämmige Wald zurück; hier deckt die Krummholzkiefer den Boden, zusammengesellt auf dem Brocken und Schwarzwald mit einzelnen subalpinen Pflanzen. Die granitischen Gebirge des Brockens, Fichtelgebirges und der Sudeten in weiterm Sinn beherbergen zahlreiche Moose und Flechten auch auf den Urgesteinen.
Das über die Flora Mitgeteilte gilt auch von der Tierwelt des Deutschen Reichs, nur daß im Lauf der Zeit zahlreiche größere Tiere, insbesondere Raub- und jagdbare Tiere, ganz oder zum größten Teil ausgerottet worden sind. Das Elentier war ehedem sehr häufig; gegenwärtig lebt es nur noch in einigen Waldungen in Ostpreußen, dem Ibenhorster Forst am Kurischen Haff, in den Oberförstereien Fritzen im Samland, Tapiau und Gauleden (Waldung Frischung südlich vom Pregel), wo es sorgfältig gepflegt wird.
Gänzlich verdrängt sind der Auerochs und der Bär; jener hielt sich noch bis 1755 im Baumwald in den Kreisen Wehlau und Labiau in Ostpreußen auf. Einen Bären erlegte man 1801 noch an der Rossoga im südlichen Ostpreußen, 1833 im Bayrischen Wald und 1835 in den Bayrischen Alpen bei Ruhpolding, während dieses Tier im Odenwald bereits seit 1678 und im Thüringer Wald seit 1782 ausgerottet ist. Der Wolf ist noch häufig in den Waldungen von Lothringen und auf dem Hunsrücken auf der linken Rheinseite sowie in den größten Waldungen der Provinzen Ost- und Westpreußen (Johannisburger und Tuchelsche Heide); zwischen Oder und Rhein fehlt er gänzlich.
Sehr selten läßt sich noch der Luchs sehen, z. B. in den Waldungen an der Rominte in Ostpreußen und selbst in neuester Zeit auf der Insel Wollin. Häufiger ist noch die wilde Katze in den dichten, zusammenhängenden Waldungen Mitteldeutschlands, vom Spessart und Fichtelgebirge bis zum Harz; sie verläuft sich von da wohl auch einmal in die Ebene. Nur in wenigen Waldungen hat sich das Wildschwein erhalten. Der einst an allen größern Flüssen Deutschlands wohnende Biber findet sich nur noch einzeln an der Donau und ihren südlichen Zuflüssen und an der Elbe im Dessauischen.
Die Flußschildkröte kommt nur noch an der Havel in der Mark vor. Mit Ausnahme der süddeutschen Hochalpen gehört ganz Deutschland zur mitteleuropäischen Fauna; nur die Schneespornammer auf den Höhen des Riesengebirges erinnert noch an die alpin-boreale. Dagegen verbreiten sich manche Tiere der Nachbarfaunen über die Grenzen, so der Ziesel aus O. bis in die getreidereichen Ebenen Schlesiens, der Nörz selbst bis in die Gewässer Holsteins. Isoliert ist das Auftreten der südlichen Äskulapsnatter im Taunus sowie das von Käfern der Meeresküste am Strande des Salzigen Sees in Mansfeld. Erwähnung verdient das Vorkommen der echten Flußperlmuschel in den Gebirgsbächen des Fichtelgebirges und Bayrischen Waldes.
V. Bevölkerung.
Die Einwohnerzahl des Deutschen Reichs belief sich nach der Zählung vom (die Ergebnisse derjenigen von 1885 sind noch nicht veröffentlicht) auf 45,234,061 (ihre Verteilung auf die einzelnen Staaten ist aus der Tabelle, S. 800, ersichtlich), während sie 1875: 42,727,360, 1871: 41,058,792, 1867: 40,093,154 u. nach einer Berechnung 1852:35,929,691, 1834: 30,608,698 und 1816: 24,831,396 betrug.
Das Wachstum der Bevölkerung, im wesentlichen durch den Geburtenüberschuß bewirkt, war bis gegen 1840 in allen Teilen des Reichs ziemlich
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gleichmäßig; dasselbe gilt für Stadt und Land. Dann aber trat durch die Eisenbahnen und die sich ausdehnende Industrie eine Änderung ein, zunächst eine allmähliche. Die Stürme des Jahrs 1848 mit ihren Folgen sowie ungünstige Wirtschaftsverhältnisse im Inland gegenüber dem Auftauchen neuer verlockender Erwerbsquellen im Ausland bewirkten eine steigende Auswanderung, die im Anfang der 50er Jahre in den südwestlichen Staaten und auch in einigen Teilen der preußischen Monarchie eine Bevölkerungsabnahme herbeiführte.
Diese hörte zwar sogleich wieder auf, aber die Erweiterung des Eisenbahnnetzes und die Konzentration der Industrien hatten bei einer im ganzen ziemlich gleichbleibenden Zunahme für bestimmte Gegenden und Städte eine auffallende Vermehrung, dagegen für ausgedehnte Landstriche eine gleichmäßige, andauernd schwache Zunahme, zum Teil sogar eine Abnahme im Gefolge. Wenn schon die Zählungen von 1867 diese Entwickelung andeuteten, so trat dieselbe bei den nachfolgenden Zählungen von 1871, 1875 und 1880 in gesteigertem Grad hervor.
In größern Zeiträumen betrachtet, kommen Gebiete (Regierungsbezirke und ähnliche Flächengrößen) mit Volksabnahme in der Periode 1816-34 nicht vor; eine nur schwache Zunahme zeigen das Königreich Hannover und der württembergische Jagstkreis, eine starke dagegen die Gebiete nördlich der Warthe und rechts der Oder, wo die Bezirke Gumbinnen, Bromberg, Köslin sogar um mehr als 2 Proz. jährlich wuchsen; auch der Regierungsbezirk Oppeln, das Königreich Sachsen, das obere Moselgebiet der Rheinprovinz und die hessische Provinz Starkenburg nahmen stark zu.
In der nächsten Periode, 1834-52, trifft man im allgemeinen ein geringeres Wachstum der Bevölkerung an. So liegt eine breite Fläche schwacher Zunahme von der Wesermündung bis zum Bodensee: Herzogtum Oldenburg, Regierungsbezirke Hannover und Hildesheim, Herzogtum Braunschweig, Kurhessen, Waldeck und das ganze rechtsrheinische Bayern (ausschließlich Oberbayern) sowie auch wiederum der Jagstkreis, ferner der Donaukreis und Hohenzollern, Lothringen und Unterelsaß. Im NW. schließt sich mit gleich schwacher Vermehrung der Regierungsbezirk Münster an. Die Landdrostei Osnabrück zeigt sogar eine Abnahme (um 0,05 Proz. jährlich). Die starke Zunahme im NO. beschränkt sich in dieser Periode auf die Bezirke Stettin, Köslin, Marienwerder; ferner bleibt Oppeln stark zunehmend, und als neues Gebiet starken Wachstums tritt der gleichfalls montanindustrielle Bezirk Düsseldorf hinzu.
In dem Zeitraum 1852 bis 1867 bleiben die Gebiete schwachen Zuwachses mit Ausnahme der Landdrostei Hannover und des Regierungsbezirks Mittelfranken zunächst dieselben; zu ihnen tritt aber nicht nur eine Anzahl benachbarter Gebiete (Aurich, Minden, Lippe, ganz Württemberg, mehrere badische Kreise), sondern es finden sich unter jenen Gebieten und neben ihnen noch eine Anzahl Landstriche mit geradezu abnehmender Bevölkerung (Waldeck, Kurhessen, Oberhessen, Lothringen, Hohenzollern, badischer Kreis Waldshut sowie Mecklenburg-Strelitz). Mecklenburg-Schwerin zeigt nur noch einen schwachen Zuwachs. Ferner befindet sich kein Teil des Nordostens mehr in starker Zunahme, selbst der Bezirk Oppeln ist auf 1½ Proz. zurückgegangen, während dem westlichen Bezirk Düsseldorf sich Arnsberg mit rascher Volksvermehrung anschließt. Von Sachsen kommt die Amtshauptmannschaft Leipzig hinzu, außerdem Hamburg und Bremen.
Von 1867 bis 1875 bewegt sich die Bevölkerungszunahme in der eingeschlagenen Richtung weiter. Unter den abnehmenden Teilen treten nun beide Mecklenburg und ganz Elsaß-Lothringen auf, und zu dem bereits in voriger Periode abnehmenden badischen Kreis Waldshut tritt Mosbach hinzu. Der ganze Nordosten des Reichs nimmt schwächer zu, aber im Königreich Sachsen treten die Kreishauptmannschaften Dresden und Zwickau zu den Gebieten starken Wachstums.
Sonach hat die Bevölkerungszunahme des Nordostens von ihrer anfänglichen Stärke von Periode zu Periode nachgelassen. Im SW. des Reichs befindet sich ein ausgedehntes geographisches Gebiet, das in Bezug auf Bevölkerungszuwachs fast gar keine Fortschritte aufzuweisen hat. Der Bezirk Oppeln erhält sich in starker Vermehrung. Die andauernd stärkste Vermehrung findet von vornherein im Königreich Sachsen statt, wo nur die Kreishauptmannschaft Bautzen zurückbleibt; sodann folgt der Regierungsbezirk Düsseldorf, dem sich dann Arnsberg anschließt.
Durch mäßige, aber konstante Zunahme zeichnen sich besonders Oberbayern und die Provinzen Sachsen und Schleswig-Holstein aus, auch Thüringen, welches jedoch einen allmählich abnehmenden Prozentsatz aufweist. Besondere Hervorhebung verdient die kürzere Periode 1875-80, in der noch mehr als 1871-75 eine allgemein steigende Zunahme auftritt. Sogar Elsaß-Lothringen, welches 1871-75 noch im jährlichen Durchschnitt um 0,29 Proz. (der mittlern Bevölkerung) abnahm, vermehrte sich um 34,866 Seelen oder 0,45 Proz. durchschnittlich jährlich. Doch liegen in den weiter unten mitgeteilten Angaben über die Bevölkerungsbewegung und Auswanderung der letzten Jahre die sichern Anzeichen, daß die eben abgelaufene Periode 1880-85 (nach Ausweis der Volkszählung vom Jahr 1885, deren Ergebnisse zur Zeit noch nicht veröffentlicht sind) einen Rückschlag ergeben wird.
In den altpreußischen Provinzen stieg die Bevölkerung von 1816 bis 1880 um mehr als das Doppelte (von 100 auf 215), in den neuen nur von 100 auf 147; am größten war die Zunahme in den Regierungsbezirken Oppeln (100:275), Arnsberg und Düsseldorf (100:275) sowie in Danzig, Marienwerder, Köslin, Bromberg (100:247), am geringsten in Minden und Münster (100:141). Berlin hatte 1819: 200,867, 1880: 1,122,330;
Breslau 1819: 78,135, 1880: 272,912;
Görlitz 1819: 9901, 1880: 50,307;
Dortmund 1819: 4453, 1880: 66,544;
Essen 1819: 4721, 1880: 56,944;
der ehemalige Kreis Beuthen im oberschlesischen Steinkohlengebiet 1819: 28,171, 1880: 305,378;
Stadt- und Landkreis Dortmund (im Ruhrkohlengebiet) 1819: 31,243, 1880: 183,729;
Stadt- und Landkreis Bochum 1819: 28,801, 1880: 236,828;
die Kreise Essen, Duisburg und Mülheim a. d. Ruhr 1819: 66,916, 1880: 348,789 Einw. Im Königreich Sachsen vermehrten sich (im Zeitraum 1816-80) 100 Einw. auf 249, in Bayern 100 auf 147, in Württemberg 100 auf 140, in Baden 100 auf 156, in Hessen 100 auf 167, in Thüringen 100 auf 166, in Mecklenburg 100 auf 178.
Auswanderung.
Wenngleich Deutschland in der Volkszahl den zweiten Platz unter den europäischen Staaten einnimmt, bildet es doch nur einen Teil des alten Deutschen Reichs. Gegenüber den nichtdeutschen Stämmen im O. Deutschlands wohnt jenseit seiner Grenzen eine bedeutende Volksmenge deutschen Stammes auf einstmals deutschem Gebiet, namentlich in Österreich-Ungarn, wo 1880 noch 10 Mill. die deutsche als Muttersprache angaben; dann schließen sich die Schweiz mit 2 Mill., Belgien zu mehr als der Hälfte, die Niederlande fast
mehr
ausschließlich, Frankreich und Dänemark in geringer Zahl, endlich Rußland, insbesondere die Ostseeprovinzen und Polen, an. Die Gesamtzahl der Deutschen auf der Erde (in diesem Sinn) wird auf ca. 70 Mill. zu schätzen sein. Obwohl über die Aus- und Einwanderung Deutschlands keine vollständigen Nachweise vorhanden sind, reicht doch das Material für eine Schätzung aus. Danach dürfte die Zahl der Deutschen im Ausland mit noch deutscher Reichsangehörigkeit ungefähr 1½ Mill. betragen, während wenigstens 3 Mill. in Deutschland oder von deutschen Eltern geborne Personen sich außerhalb des Reichs befinden mögen. Der Zahl nach nehmen die Vereinigten Staaten von Amerika den ersten Platz ein, es folgen der Reihe nach: Rußland, Kanada, Österreich-Ungarn, die Schweiz, Frankreich, Brasilien, Australien, die Niederlande, England, Belgien, Dänemark etc. Auch ist der besondere Teil der Auswanderer, welcher mit der offenbaren Absicht, zurückzukehren, also nur vorübergehend, das Land verläßt, nicht geringfügig.
In diesem Jahrhundert sind drei Zeiträume für die Auswanderung von hervorragender Wichtigkeit. Der erste umfaßt die Jahre 1852-54, wo die Anziehungskraft der fremden Goldfelder etc. wirkte; der zweite begann mit dem Jahr 1866 und dauerte bis 1873, d. h. die Jahre nach den Kriegen von 1866 und 1870/71; der dritte Zeitraum endlich wurde im Jahr 1880 eröffnet und erreichte 1881 (mit 220,798 nachgewiesenen deutschen Auswanderern über deutsche Häfen, Antwerpen und Havre) seinen Höhepunkt. Für die erste und zweite Periode wurden durchschnittlich jährlich etwa 100,000 deutsche Auswanderer nach überseeischen Ländern über die oben genannten Häfen nachgewiesen, in der dritten Periode (1880-84) jedoch sogar über 160,000 durchschnittlich jährlich.
Von den in dem 14jährigen Zeitraum 1871-84 amtlich nachgewiesenen 1,309,272 deutschen Auswanderern (über deutsche Häfen und Antwerpen) gingen 955,5 pro Mille nach den Vereinigten Staaten von Amerika, 20,7 nach Brasilien, 11,2 nach Australien, 6,5 nach hier nicht genannten Teilen von Amerika, 2,5 nach Britisch-Nordamerika, 2,2 nach Afrika, 0,7 nach Westindien, 0,4 nach Mexiko und Zentralamerika, 0,3 pro Mille nach Asien. Über Bremen wurden befördert 648,930, über Hamburg 531,670, über Antwerpen 121,043, über preußische Häfen (meist Stettin) 7629.
Seitdem die Personenbeförderung auf weite Entfernungen billiger, bequemer und ungleich schneller geworden ist, bleibt die Auswanderung nicht wie vordem vorzugsweise auf männliche Personen im produktiven Alter und mit thatsächlicher Erwerbsfähigkeit gerichtet. Im J. 1884 z. B. waren von 143,586 überseeischen Auswanderern 62,497 weiblichen Geschlechts, von den 57,773 Einzelpersonen waren 17,387 Frauen. Diesen Einzelpersonen standen 23,093 Familien gegenüber mit 40,703 männlichen, aber 45,110 weiblichen Mitgliedern. Die Auswanderer verteilten sich prozentual nach Altersklassen im Vergleich zu der in Klammern beigefügten Verteilung der Gesamtbevölkerung: es waren 0-14 Jahre alt 28 (33) Proz., 14-21 Jahre 19 (14) Proz., 21-50 Jahre 47 (37) Proz., 50 Jahre und darüber 6 (16) Proz.
Somit bilden die produktiven Altersklassen immer noch in hervorragendem Maß die Kontingente für die Auswanderung; doch herrscht in den verschiedenen Teilen des Reichs in dieser Beziehung ein großer Unterschied, indem die südlichen Staaten verhältnismäßig mehr Personen aus den produktiven Altersklassen stellen als die preußischen Gebiete und namentlich als die Großherzogtümer Mecklenburg, wo Frauen und Kinder an der Auswanderung weit mehr beteiligt sind.
Nach den Angaben über den Beruf der deutschen Auswanderer über Hamburg ist der Anteil der einzelnen Hauptabteilungen ein mit den Perioden und Jahren vielfach wechselnder. Als der Landwirtschaft zugehörig waren 1871-72: 37 Proz. der Auswanderer bezeichnet, 1876-79: 26 Proz., 1881-82: 20 Proz., während die Klasse der Arbeiter ohne nähere Bezeichnung bez. 18, 17 und 32 Proz. stellte. Im nördlichen Deutschland überwiegt entschieden der landwirtschaftliche Beruf bei den Auswanderern, gleichzeitig ist der Anteil der Arbeiter ein bedeutender, wogegen im mittlern und südlichen Deutschland die Gruppen der Industrie und des Handels mehr hervortreten.
Unter Hinweis auf die produktiven Altersklassen ist zu bemerken, daß beim Handel der Prozentsatz der Selbstthätigen 80-90 Proz. ausmacht, bei der Industrie nahezu 70 Proz., bei der Landwirtschaft jedoch sowie bei der Gruppe »Arbeiter« 45-50 Proz. der betreffenden Auswanderer, bei allen Berufen zusammen etwa 60 Proz. (in der Reichsbevölkerung 42 Proz.). Eine gleiche Verschiedenheit wie unter den verschiedenen Berufsgruppen in Bezug auf das Verhältnis der Selbstthätigen zeigt sich in den verschiedenen Gebietsteilen des Deutschen Reichs, indem Württemberg mit 80 Proz. selbstthätiger Auswanderer den beiden Mecklenburg mit nur 40-45 Proz. gegenübersteht.
Über die Berufsarten der in die Vereinigten Staaten von Amerika Eingewanderten gibt ein amerikanischer Bericht folgenden Aufschluß: Danach waren eingewandert im Etatsjahr 1882/83: 194,786 Deutsche, von denen 857 Künstler, Schriftsteller, Ärzte, Chemiker u. a. waren, 25,190 gelernte Handwerker, 16,961 Farmer, 25,586 Tagelöhner, 3357 Dienstboten, 117,161 ohne Berufsangabe, meist Frauen und Kinder. Gelernte Handwerker (Bäcker, Tischler, Schneider, Schuhmacher, Schlächter etc.), ferner Landwirte und Tagelöhner, zumeist landwirtschaftliche, sind am meisten an der Auswanderung beteiligt, während in andern Ländern die Anteile der einzelnen Berufsarten erheblich abweichende sind.
Von den 1880 in den Vereinigten Staaten gezählten 1,966,742 Personen, die Deutschland als Geburtsland angegeben hatten, waren 1,033,190 oder 52 Proz. erwerbsthätig gegen 60 Proz. der dorthin ausgewanderten Deutschen, woraus hervorgeht, daß zahlreiche nicht verheiratete Auswanderer drüben bald eine Familie gründen und zur Vermehrung des deutschen Stammes beitragen. Ferner findet sich, daß viele in Amerika Eingewanderte statt ihres hier ausgeübten Berufs einen andern ergreifen, was einmal erfahrungsmäßig feststeht, dann aber auch besonders aus den Zahlen einzelner Berufsarten hervorgeht, welche eine längere Lehrzeit nicht erfordern. Am deutlichsten zeigt sich dieses bei dem Gewerbe der Gast- und Schenkwirtschaft, indem 1870-82 von den Auswanderern über Hamburg nur 0,3 Proz. diesem Gewerbe angehörten, von den erwerbstätigen Deutschen in Nordamerika jedoch 3,3 Proz. und während 15 Proz. der erwerbstätigen Auswanderer Landwirte waren, zählt der amerikanische Zensus von 1880 bei den erwerbsthätigen (gebornen) Deutschen 22,6 Proz. selbständige Landwirte. Von den Erwerbstätigen im Deutschen Reich sind 12 Proz. als selbständige Landwirte ermittelt. Ein wesentlich andres Gepräge haben die Deutschen (meistens deutsche Staatsangehörige) im europäischen Ausland, denn nicht weniger als 70 Proz. derselben sind erwerbstätig, und einem bedeutenden Prozentsatz der in der Industrie und im Handel Thätigen steht nur eine geringe Quote (6-7
mehr
Proz.) Landwirte gegenüber (vgl. außerdem den Artikel »Auswanderung«).
Dichtigkeit der Bevölkerung.
(Hierzu die Karte »Bevölkerungsdichtigkeit von [* ] Deutschland«.)
In Bezug auf die Dichtigkeit der Bevölkerung nimmt Deutschland den fünften Platz unter den Staaten Europas ein, indem es darin nur hinter Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und Italien zurücksteht. Sehr ungleich ist die Dichtigkeit der Bevölkerung in den verschiedenen Teilen Deutschlands. Auf 1 qkm lebten 1880 in Deutschland 83,7 Menschen, fast dreimal soviel wie durchschnittlich in ganz Europa (33 auf 1 qkm). Im preußischen Staat kamen 1880 auf 1 qkm 78,3 Einw., in der Rheinprovinz 151, in Westfalen 101,2, Schlesien 99,5, Hessen-Nassau 99,1, Sachsen 91,6, Brandenburg (mit Berlin) 84,9, Schleswig-Holstein 59,8, Posen 58,8, Hannover 55,2, Westpreußen 55,1, Ostpreußen 52,3, Pommern 51,2 Einw. Unter den Regierungsbezirken sind Düsseldorf und Köln am meisten (291,1 und 176,8) und Lüneburg und Köslin am spärlichsten (34,9 und 41,8 auf 1 qkm) bevölkert. In Bayern wohnen 69,7 Einw. auf 1 qkm, in der Oberpfalz 54,7, dagegen in der Pfalz 114,1. Das Königreich Sachsen hat die dichteste Bevölkerung in Deutschland, nämlich 198,3 Einw. auf 1 qkm, übertrifft also schon Belgien mit (1880) 187,4 (Kreishauptmannschaft Zwickau 239,3 Einw., Leipzig 198,4, Dresden 186,4 und Bautzen 142,3 Einw.). Die Staaten im südwestlichen Deutschland stehen in der relativen Bevölkerung einander nahe: Hessen 121,9 Einw., Elsaß-Lothringen 108, Baden 104,1 und Württemberg 101,1 Einw. auf 1 qkm. Doch sind auch hier die Unterschiede beträchtlich: in Württemberg haben der Neckar- und der Donaukreis 187,2 und 74,7 Einw., in Baden die Kreise Mannheim und Waldshut 266,7 und 64,9, in Elsaß-Lothringen die Bezirke Oberelsaß und Lothringen 131,5 und 79,2, in Hessen die Provinzen Rheinhessen und Oberhessen 201,7 und 80,5 Einw. auf 1 qkm. In Thüringen (95,1) verteilt sich die Bevölkerung ziemlich gleichmäßig, nur daß Reuß ä. L. (160,5) und der Ostkreis von Altenburg besonders hervortreten.
Von den übrigen Staaten zählen: Schaumburg-Lippe 104,1 Einw., Anhalt 99,1, Lippe 98,4, Braunschweig 94,7, Oldenburg 52,6, Waldeck 50,4, Mecklenburg-Schwerin 43,4, Mecklenburg-Strelitz 34,2 Einw. auf 1 qkm. Die geringste Bevölkerung trifft man in der Alpengegend des Südens (in den oberbayrischen Bezirksämtern Garmisch und Tölz), in den ausgedehnten Heide- und Moorlandschaften des Nordens und in den Landesteilen, in welchen der Großgrundbesitz, bez. »extensiver« Landwirtschaftsbetrieb vorherrscht; beträchtlicher ist die Bevölkerung schon in den Gebieten des kleinen Grundbesitzes, am bedeutendsten aber in der Regel da, wo neben diesem die Industrie zur Entwickelung gelangt ist.
[Geschlecht.]
Auf 22,185,433 männliche Personen kamen 1880: 23,048,628 weibliche, d. h. ein Verhältnis von 100:103,9. Im ganzen genommen, überwiegt demnach das weibliche Geschlecht. Auf 100 männliche Personen kommen mehr als 107 weibliche in Ostpreußen, Posen, Schlesien, Hohenzollern, Württemberg, Waldeck und Bremen; ein Überwiegen des männlichen Geschlechts dagegen fand statt in: Westfalen, Rheinland, Schleswig-Holstein, Hannover und im Fürstentum Schaumburg-Lippe sowie in vielen Fabrik- und Garnisonstädten.
Indessen ist als interessante Thatsache hervorzuheben, daß in den größten deutschen Städten das weibliche Geschlecht überwog. Es entfielen im J. 1880 auf 100 männliche Bewohner weibliche in Berlin 106,8, in Hamburg 103,7, Breslau 116,7, München 109, Dresden 108,5. Für Berlin weisen allerdings alle frühern Zählungen (mit Ausnahme von 1810) ein Überwiegen des männlichen Geschlechts nach. Ähnlich wie in den deutschen Großstädten sind diese Verhältnisse in Wien (1881: 105,7), London (1881: 112,3), New York (1880: 104,3), wogegen wieder für andre Großstädte ein beträchtliches Vorwiegen der männlichen Bewohner sich ergeben hat.
[Familienstand.]
Die Volkszählung vom ergab ferner, daß 60 Proz. der Bevölkerung ledig, 34 Proz. verheiratet und 6 Proz. verwitwet oder geschieden waren. Bei jedem Geschlecht sind diese Verhältnisse natürlich wesentlich verschieden: von den männlichen Einwohnern waren z. B. 62 Proz. ledig, von den weiblichen nur 58,1, verheiratet waren 34,6 der Männer, 33,4 Proz. der Frauen, verwitwet und geschieden 3,4 der Männer, 8,5 Proz. der Frauen.
[Alter.]
Was die Altersverteilung anbetrifft, so gab es 8,017,997 männliche, 7,998,048 weibliche Kinder (unter 15 Jahren), 13,625,198 Männer, 14,416,214 Frauen im »produktiven« Alter (15-70 Jahre), 542,238, bez. 634,366 Greise (70 Jahre und darüber). Im Alter der Wehrpflicht (vom 17. bis 42. Jahr) waren 8,144,371 Männer (18 Proz. der Bevölkerung), wovon 1,189,018 (2,63 Proz. der Bevölkerung) im Alter der aktiven Dienstpflicht, 1,367,561 (3,02 Proz.) der Reservepflicht, 1,623,489 (3,59 Proz.) der Landwehrpflicht, der Rest im Alter des Landsturms sich befanden; Wahlberechtigte für den Reichstag (25 Jahre und ältere Männer) 10,165,213 (22,5 Proz. der Bevölkerung).
Bewegung der Bevölkerung.
[Eheschließungen.]
In Deutschland wurden im Jahresdurchschnitt der Periode 1874-83: 355,659 Ehen geschlossen, auf 1000 der mittlern Bevölkerung 8,05, das Mittel einer fast ununterbrochen fallenden Reihe;
denn 1872 war die Ziffer 10,29 und 1881 nur 7,47, erst mit dem nächsten Jahr erhebt sich die Eheschließungsziffer wieder und betrug 1883: 7,70, also immer noch weniger als den Durchschnitt der letzten Periode.
Wie ungleichmäßig die Eheschließungen im Lauf des Jahrs stattfinden, geht schon daraus hervor, daß 53 Proz. auf die fünf Monate Februar, April, Mai, Oktober und November fallen (die Monate gleich lang angenommen). Da nun hierfür die Beschäftigungs- und Erwerbsverhältnisse sowie die kirchlichen Vorschriften in erster Linie maßgebend sind, so müssen die verschiedenen Teile des Deutschen Reichs ganz erhebliche Unterschiede zeigen. In einem vorwiegend katholischen und Landwirtschaft treibenden Teil, Posen und Oppeln, wurden 1883 im Monat November (nach Beendigung der Ernten) fast zehnmal soviel Ehen geschlossen als im Monat März (der Fastenzeit), und auf die vier Monate Januar, September, Oktober und November entfielen allein 55 Proz. der Eheschließungen des ganzen Jahrs.
Dagegen erreicht die Anzahl der Eheschließungen im nördlichen, ebenfalls vorwiegend Landwirtschaft treibenden, aber protestantischen Deutschland: Pommern, Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hamburg, Lübeck, im Monat November zwar auch den höchsten Stand, betrug jedoch nur das Dreifache des Monats März, während die fünf Monate April, Mai, Oktober, November und Dezember allein 58 Proz. der Jahressumme ausmachten;
außerdem war das Minimum im August statt, wie oben, im März.
Als vorwiegend protestantisch und industriereich charakterisieren sich Thüringen und das Königreich Sachsen, wo nicht einmal das Maximum der Eheschließungen im Herbst, sondern im April und Mai liegt und das Minimum im August. Die Verteilung ist
Maßstab 1:4400000.
Einwohner auf 1 Quadratkilometer:
unter 30
30-50
50-75
75-100
100-125
125-150
150-175
175 u. darüber
Sämmtliche Orte von über 20000 Einwohner sind bei der Berechnung ausgeschloßen und in 3 Klassen geteilt:
Orte von über 100000 Einw.
Orte von 50000-100000 Einw.
Orte von 20000-50000 Einw.
Zum Artikel »Deutschland«.
mehr
gleichmäßiger, wenn auch fünf Monate: April, Mai, Juli, Oktober und November, immer noch über 48 Proz. auf sich vereinigen.
[Geborne, einschließlich Totgeborne.]
Geboren wurden im Jahresdurchschnitt der Periode 1874-83: 1,782,531 Kinder, d. h. 40,34 auf 1000 der mittlern Bevölkerung;
für das Jahr 1883 waren die Zahlen 1,749,874, bez. 38,16, während das Jahr 1876 die hohe Zahl von 1,831,218 oder 42,53 auf 1000 der mittlern Bevölkerung aufwies.
Auch hier zeigt sich im letzten Jahrzehnt im allgemeinen eine Verminderung, ohne daß Gründe vorlägen, welche auf einen weiter andauernden Rückgang der Geburtenziffer schließen ließen. Unehelich geboren waren im Durchschnitt des Jahrzehnts 1874-83 jährlich 158,068 oder 8,87 Proz. der Gebornen überhaupt, in Bayern r. deutschland Rh. 14,18 Proz. (vor zwei Dezennien noch 20 Proz.), fast ebenso hoch in Mecklenburg, in Berlin 13,48, in den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz 12,48, in Thüringen und Sachsen 12,15 Proz., dagegen in der Rheinprovinz und Westfalen 3,10 Proz., Provinz Hannover, Herzogtum Oldenburg und Bremen 5,28, Provinz Hessen-Nassau, Großherzogtum Hessen und den angrenzenden Kleinstaaten 5,80 Proz. Totgeboren waren in demselben Zeitraum durchschnittlich 69,769 oder 3,91 Proz. der Gebornen. Bei den unehelich Gebornen kommen verhältnismäßig mehr Totgeborne vor als bei den ehelich Gebornen. Die Verteilung der Geburten auf die Monate des Jahrs hat auch in Deutschland ein bestimmtes Gepräge, das in verschiedenen Jahren nur wenig abweicht. Charakteristisch ist, daß zwei Zeiten: Februar (nebst Nachbarmonaten) und September, geburtenreich sind, der Sommer (Juni, Juli, August) aber geburtenarm.
[Gestorbene.]
Die Zahl der Gestorbenen (einschließlich der Totgebornen) betrug im Jahresdurchschnitt der Periode 1874-83: 1,227,683, 1883: 1,256,177, d. h. 27,78, bez. 27,39 auf 1000 der mittlern Bevölkerung. Im NW. Deutschlands ist die Sterblichkeitsziffer beträchtlich niedriger als im O. und S. des Reichs. Besonders hoch ist die Sterblichkeit in den jüngsten Altersklassen, so daß selbst die allgemeine Ziffer da erhöht wird, wo jene stark vertreten sind, d. h. wo die Ziffer der Gebornen hoch ist.
Als natürliche Bevölkerungsbewegung (Überschuß der Zahl der Gebornen über die der Gestorbenen) ergibt sich im letzten Jahrzehnt eine jährliche Zunahme von 555,000 oder 12,56 auf 1000 der mittlern Bevölkerung, während die wirkliche Zunahme, wie sie aus den Volkszählungen hervorgeht, eine wesentlich geringere Vermehrung aufweist und selten in einem Bezirk höher ist als der natürliche Zuwachs. Hierfür liegt der Grund vorzugsweise in der starken überseeischen Auswanderung, teilweise allerdings auch in der Wanderung innerhalb der Reichsgrenzen, z. B. drängen arbeitsuchende oder zur Arbeit gesuchte Personen aus den Provinzen Ost- und Westpreußen und namentlich Posen nach dem Westen des Reichs zu und begnügen sich hier mit geringerm Arbeitslohn, wodurch die eingesessenen Arbeiter vielfach zur Auswanderung veranlaßt werden.
Wohnplätze, Städte.
Im ganzen ist Deutschland die Konzentration der Bevölkerung, wie wir sie in England finden, fremd; unter den etwa 80,000 Ortschaften oder Gemeinden überhaupt oder den (1880) 2707 Städten (Orte mit 2000 und mehr Einwohnern) des Reichs ist nur eine, welche über 1 Mill. Einw. zählt. Über 100,000 Einw. hatten 1880: 14 (1885: 21) Städte, 27 gab es mit 50,000 bis 100,000 (1885: 23);
vgl. folgende Übersicht:
1885 | 1880 | 1885 | 1880 | ||
---|---|---|---|---|---|
Berlin | 1315412 | 1122330 | Aachen | 95321 | 85551 |
Hamburg | 302040 | 289859 | Krefeld | 90255 | 73872 |
Breslau | 298593 | 272912 | Braunschweig | 85169 | 75038 |
München | 260000 | 230023 | Halle a. S. | 81949 | 71484 |
Dresden | 245515 | 220818 | Dortmund | 78435 | 66544 |
Leipzig | 170076 | 149081 | Mülhaus. i. E. | 69676 | 63629 |
Köln | 161260 | 144772 | Posen | 68318 | 65713 |
Frankf. a. M. | 154504 | 136819 | Mainz | 65701 | 60905 |
Königsberg | 151157 | 140909 | Augsburg | 65905 | 61408 |
Hannover | 139330 | 122843 | Essen | 65074 | 56944 |
Stuttgart | 125906 | 117303 | Kassel | 64088 | 58290 |
Bremen | 118615 | 112453 | Mannheim | 61210 | 53465 |
Nürnberg | 115981 | 99519 | Karlsruhe | 61074 | 53518 |
Düsseldorf | 115183 | 95458 | Erfurt | 58385 | 53254 |
Danzig | 114822 | 108551 | Görlitz | 55705 | 50307 |
Magdeburg | 114052 | 97539 | Wiesbaden | 55457 | 50238 |
Straßburg | 112019 | 104471 | Lübeck | 55399 | 51055 |
Chemnitz | 110808 | 95123 | Würzburg | 55020 | 51014 |
Elberfeld | 106492 | 93538 | Frankf. a. O. | 54017 | 51147 |
Altona | 104719 | 91047 | Metz | 53928 | 53131 |
Barmen | 103065 | 95941 | Kiel | 51707 | 43594 |
Stettin | 99550 | 91756 | Potsdam | 50874 | 48447 |
Ferner gab es 1880: 75 mit 20-50,000 (darunter 2 Dörfer: Altendorf und Borbeck), 641 mit 5-20,000, 1950 mit 2-5000 Einw. Unter diesen Städten befinden sich eine Reihe ländlicher Orte, die sich bei der freien Verfassung der Neuzeit in verhältnismäßig kurzer Zeit zu einer bedeutenden Einwohnerzahl gehoben haben, während historische (politische) Städte mit dem Verschwinden ihrer Sonderstellung und Privilegien häufig sogar an Einwohnerzahl zurückgegangen sind und zum Teil auch ihren städtischen Charakter mehr und mehr verloren haben. Aus diesen Gründen und der Gleichmäßigkeit wegen pflegt sich die Statistik bei der Gruppierung der Ortschaften (Gemeinden) jetzt nur an die Volkszahl zu halten.
Die örtliche Konzentration vollzieht sich, wie oben erwähnt, besonders in neuester Zeit, seit 1867 in gesteigertem Maß, wie folgende Übersicht ergibt:
Volkszählung | Großstädte | Mittelstädte | Kleinstädte | Landstädte | Städte überhaupt | Landorte | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
(100,000 u. mehr Einw.) | (20-100,000 Einw.) | (5-20,000 Einw.) | (2-5000 Einw.) | (2000 u. mehr Einw.) | (unter 2000 Einw.) | ||||||
Anzahl | Einwohner | Anzahl | Einwohner | Anzahl | Einwohner | Anzahl | Einwohner | Anzahl | Einwohner | Einwohner | |
1867 | 7 | 1657517 | 64 | 2740832 | 497 | 4336125 | 1712 | 5017092 | 2280 | 13751566 | 26341588 |
1871 | 8 | 1968537 | 75 | 3147272 | 529 | 4588364 | 1757 | 5190801 | 2369 | 14894974 | 26163818 |
1875 | 12 | 2665914 | 88 | 3487857 | 591 | 5124044 | 1837 | 5379357 | 2528 | 16657172 | 26070188 |
1880 | 14 | 3273144 | 102 | 4027086 | 641 | 5671325 | 1950 | 5748976 | 2707 | 18720531 | 26513530 |
In dem Zeitraum 1867-75 verringerte sich also die Bevölkerungszahl der Gemeinden unter 2000 Einw. sogar absolut, wogegen 1875-80 trotz des Ausscheidens von 179 Gemeinden zu der Kategorie der Städte noch eine Zunahme stattfand. 1867 wohnten 34,3 Proz. der Bevölkerung in Orten mit 2000 und mehr Einwohnern, 1871: 36,3 Proz. und 1880 bereits 41,4 Proz.
Berufszweige.
Welchen Berufszweigen und Beschäftigungsarten sich die einzelnen Personen der Bevölkerung Deutschlands widmen, wurde in umfassender Weise zum erstenmal durch die Berufszählung vom festgestellt. Von der auf 45,222,113 Seelen ermittelten »Berufsbevölkerung« gehörten zu A.