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Im
Lager
[* 2] von
Châlons war nämlich zu dem 1., 5. und 7. französischen
Korps, die von der Ostgrenze dahin zurückgegangen waren
und rasch reorganisiert wurden, ein neugebildetes 12.
Korps gestoßen. Die
Armee zählte wieder 130,000 Mann. Den Oberbefehl
erhielt
Mac Mahon.
Napoleon war zwar schon 15. Aug. nach
Mourmelon gekommen, hatte aber weder den Oberbefehl
über das neugebildete
Heer übernommen, noch seine
Reise nach
Paris
[* 3] fortgesetzt. Die dortige
Regentschaft wünschte seine Rückkehr
nicht, weil sie einen
Aufstand des entrüsteten
Volkes gegen den besiegten
Imperator fürchtete.
Ja, sie hielt für die
Erhaltung der Dynastie auf dem
Thron
[* 4] einen
Sieg für so notwendig, daß sie diese
letzte kaiserliche
Armee aufs
Spiel zu setzen kein Bedenken trug und auch ein neues
Korps, das 13., von
Paris derselben zuwies.
Der Krieg
sminister
Palikao erteilte nämlich
Mac Mahon den Befehl, durch einen
Marsch in der rechten
Flanke der vorrückenden
deutschen
Armeen etwa bei
Diedenhofen
[* 5] eine Vereinigung mit
Bazaine, der gleichzeitig aus
Metz
[* 6] herausbrechen
werde, zu bewerkstelligen. So gewagt, ja verzweifelt das Unternehmen war, welches überdies
im Fall des Mißlingens
Paris bloßstellte,
so gehorchte doch
Mac Mahon, und auch der
Kaiser erhob keinen
Protest dagegen. Am 21. Aug. brach die
Armee aus dem
Lager auf, um
über
Reims,
[* 7]
Rethel und
Montmédy nach
Diedenhofen zu marschieren.
Aber teils Mangel an Vertrauen in die Zweckmäßigkeit und den Erfolg des Unternehmens, teils die Schwierigkeit der Verpflegung bewirkten, daß der kühne Marsch, der nur bei höchster Entschlossenheit und Raschheit gelingen konnte, wiederholt stockte und kostbare Zeit versäumt wurde. Bereits 27. Aug. wurden die Franzosen von der Kavallerie des Kronprinzen bei Buzancy erreicht. König Wilhelm befahl nun, daß die Maasarmee und zwei von Metz herangezogene Korps dem Feinde den Weg nach Metz verlegen, die dritte Armee aber ihn im Westen umfassen und nach der belgischen Grenze drängen sollte.
Diese
Operationen wurden pünktlich und sicher ausgeführt, 30. Aug. das 5.
Korps der
Franzosen bei
Beaumont
eingeholt und zersprengt und
Mac Mahon, ehe er sich nach
Mézières retten oder über die belgische
Grenze gehen konnte, 1. Sept. bei
Sedan
[* 8] zur
Schlacht gezwungen. Nachdem die französische
Armee im
Norden
[* 9] der
Festung
[* 10] völlig umzingelt worden, war
weiterer
Widerstand nutzlos; am 2. Sept. mußte
General
Wimpffen, des verwundeten
Mac Mahon Nachfolger, die
Kapitulation von
Sedan
unterzeichnen, durch welche, außer den 21,000 in der
Schlacht gefangen genommenen, 83,000
Franzosen, darunter 2866
Offiziere,
in deutsche Krieg
sgefangenschaft gerieten. Nur das 13.
Korps entkam den
Deutschen und rettete sich nach
Paris.
Der
Versuch, den
Bazaine 31. Aug. machte, die deutsche
Zernierungslinie vor
Metz auf dem rechten Moselufer zu durchbrechen, wurde
in der zweitägigen
Schlacht von
Noisseville zurückgewiesen. Die eine französische
Armee war also in
Metz eingeschlossen, die
andre krieg
sgefangen, das stolze
Heer des Kaiserreichs vernichtet.
Kaiser
Napoleon hatte sich schon 1. Sept. dem König
Wilhelm als Krieg
sgefangener ergeben. In persönlichen
Unterredungen mit
Bismarck und dem König machte er nur den
Versuch, das
Schicksal der
Armee von
Sedan zu mildern, lehnte aber
Friedensverhandlungen ab. Wenn er auch den
Mut gehabt hätte, die
Konsequenzen der
Niederlage auf sich zu nehmen, so würde
er gar nicht die Macht besessen haben, den
Frieden durchzuführen. Denn sofort, nachdem die
Kunde von der
»Schmach von
Sedan« nach
Paris gelangte,
stürzte das Kaiserreich unter der allgemeinen Entrüstung und Verachtung zusammen,
ohne daß irgend jemand den
Versuch gemacht hätte, es zu halten.
Kaiserin
Eugenie flüchtete nach
England, wohin ihr
der kaiserliche
Prinz folgte, während
Napoleon das
Schloß
Wilhelmshöhe bei
Kassel
[* 11] als Aufenthaltsort angewiesen erhielt. Der
Senat und der
Gesetzgebende
Körper lösten sich auf, und die
Deputierten von
Paris ergriffen als »provisorische
Regierung der
Nationalverteidigung« unter dem Vorsitz des
Gouverneurs von
Paris,
General
Trochu,
Besitz von der obersten
Gewalt.
In Deutschland [* 12] und auch im Ausland glaubte man, daß mit dem Sturz des Kaiserreichs auch der Krieg zu Ende sein und die Franzosen Frieden schließen würden. Diese dagegen meinten, da der Urheber des Kriegs beseitigt sei, würden die Deutschen befriedigt in ihre Heimat zurückkehren, und wären allenfalls geneigt gewesen, ihnen die Kriegskosten zu vergüten. Sie rechneten hierbei auch auf die Unterstützung der Mächte, welche Thiers auf einer Rundreise an den Höfen, freilich vergebens, anrief.
Das naive Ansinnen,
Deutschland möge nun mit dem
Krieg aufhören und
Frankreich räumen, sprach der neue
Minister des
Auswärtigen,
J. ^[Jules]
Favre, auch offen in einem Rundschreiben aus, indem er die prahlerische
Phrase hinzufügte,
Frankreich werde keinen
Zoll seines Gebiets, keinen
Stein seiner
Festungen abtreten.
Bismarck beantwortete diese
Herausforderung 16. Sept. mit
der
Erklärung an die Mächte, daß
Deutschland Elsaß und
Lothringen mit
Metz und
Straßburg
[* 13] als
Bürgschaften gegen die Rachsucht
und die Eroberungslust der
Franzosen verlange, und lehnte auch die Bewilligung eines
Waffenstillstandes,
den
Favre in einer persönlichen Zusammenkunft mit dem
Bundeskanzler in
Ferrières forderte, ohne genügende
Garantien ab. Die
Fortsetzung des
Kriegs war für
Deutschland um so mehr eine
Notwendigkeit, als die neue französische
Regierung die allgemeine
Volksbewaffnung proklamierte und, statt zum
Frieden zu mahnen, die nationalen
Leidenschaften zum
Krieg bis
aufs
Messer
[* 14] anstachelte.
Deutsch
erseits erkannte man, daß die
Einnahme von
Paris und die gleichzeitig möglichst ausgedehnte Besetzung des feindlichen
Landes die
Franzosen allein zum
Frieden zwingen würden, und die deutschen
Korps setzten sich daher von
Sedan sofort gegen die
Hauptstadt in
Bewegung, in welcher allerdings an Liniengruppen,
Mobil- und
Nationalgarden gegen 400,000
Mann versammelt waren, indes noch ein solches
Chaos herrschte, daß 19. Sept. die deutsche
Armee ohne alle Schwierigkeiten die
Einschließung von
Paris vollenden konnte. Da zu einer Beschießung kein schweres
Geschütz zur
Stelle, zu einem gewaltsamen
Angriff die Zernierungsarmee
(ca. 130,000 Mann) viel zu schwach war, so war man deutscherseits genötigt,
sich auf
Einschließung und Aushungerung der Stadt zu beschränken, die aber über Erwarten spät zum
Ziel führte, da es den
Franzosen gelungen war, die Hauptstadt noch rechtzeitig in wirklich großartiger
Weise zu verproviantieren.
Daneben wurde durch energische Belagerung der Festungen im östlichen Frankreich der Rücken gedeckt und die Verbindung mit Deutschland gesichert. Am 23. Sept. fiel Toul, [* 15] wodurch die Armee vor Paris eine Bahnverbindung mit dem Rhein erhielt, am 27. ward Straßburg nach regelrechter Beschießung zur Kapitulation gezwungen, die Einnahme der übrigen elsässischen Plätze vorbereitet und ein neues 14. Korps unter General Werder gebildet, welches sich des Saône- und Seinegebiets bemächtigen sollte. ¶
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Die Erhebung der Provinz.
Auch die französische
Regierung war nicht müßig. Die Befestigung von Paris wurde verstärkt und erweitert, die Organisation der
Streitkräfte energisch betrieben und eine stattliche Feldarmee gebildet. Um den Widerstand in den Provinzen zu organisieren,
waren zwei Mitglieder der provisorischen Regierung, Crémieux und Glais-Bizoin, als Delegierte nach Tours
[* 17] entsandt worden; ihnen folgte 6. Okt. in einem Luftballon Gambetta, der selbst die Leitung des Kriegsministeriums übernahm und
die Seele der Nationalverteidigung wurde.
Aus den ohne Ausnahme unter die Fahnen gerufenen waffenfähigen Mannschaften wurden neue zahlreiche Truppenkörper gebildet. Aus Algerien [* 18] wurden alle verfügbaren Bataillone herangezogen, die Kriegsflotten aus der Ost- und Nordsee, welche gegen die deutschen Küsten gar nichts ausgerichtet hatten, abberufen und die beträchtlichen Hilfsmittel der Marine an Offizieren, Mannschaften und Geschütz für den Landkrieg verwendet. Getäuscht durch die Legende von 1793, glaubte Gambetta durch den kleinen Krieg der Franctireurs die Feinde beunruhigen und ermüden sowie durch die Masse der Volksheere erdrücken zu können.
Während die in Paris eingeschlossenen Truppen bereits 30. Sept. mit Ausfällen begannen, welche die Zernierungsarmee schwächen und die Möglichkeit eines Durchbruches erproben sollten, bildeten sich in Lille, [* 19] Orléans [* 20] und Lyon [* 21] die ersten Provinzialheere. Am ansehnlichsten war die Loirearmee unter General La Motterouge, und als diese sich von Orléans nach Norden in Bewegung setzte, wurde ihr von der deutschen Armee vor Paris General v. d. Tann mit dem 1. bayrischen Korps und der 22. preußischen Division entgegengeschickt, welcher die Franzosen 10. Okt. bei Artenay schlug und darauf Orléans, Châteaudun und Chartres besetzte.
Indes ließen sich Gambetta und sein Gehilfe Freycinet nicht abschrecken; sie betrieben die Rüstungen [* 22] nur mit um so größerm Eifer, und Aurelle de Paladines vereinigte Ende Oktober südlich der Loire eine Armee, welche zwar wenig Kavallerie, auch keine starke Artillerie besaß und wegen Mangels an tüchtigen Offizieren geringen innern Halt hatte, aber wegen ihrer Größe (gegen 200,000 Mann) und der Kampflust der Truppen dem kleinen Tannschen Korps gleichwohl gewachsen war.
In der That wurde dasselbe 8. Nov. gezwungen, Orléans zu räumen, und ging nach dem Gefecht von Coulmiers 9. Nov. bis Toury zurück, wo es von der 17. Division verstärkt wurde. Gleichzeitig drangen von Le Mans [* 23] beträchtliche Scharen gegen Chartres und Dreux vor, und auch im Norden machte sich die von Bourbaki gebildete Armee bemerklich. Die Franctireurs wurden namentlich gegen die deutschen Kavalleriedetachements immer dreister. Die Lage der Zernierungsarmee vor Paris, welche an Zahl kaum halb so stark war wie die in Paris eingeschlossenen Truppen, war unter diesen Umständen keine unbedenkliche, zumal ihr für die Verpflegung bloß eine einzige Eisenbahnlinie zur Verfügung stand.
Indes die Kapitulation von Metz 27. Okt. befreite sie aus jeder Gefahr. Durch sie fielen 173,000 Mann mit 6000 Offizieren in deutsche Gefangenschaft, und die erste und zweite deutsche Armee wurden für den Schutz der Armee vor Paris und für den Krieg in der Provinz verwendbar, der nun mit Thatkraft und Erfolg geführt wurde. General v. Manteuffel rückte mit dem 1. und 8. Korps nach dem Norden, warf die Franzosen 27. Nov. bei Amiens [* 24] zurück, besetzte 18. Nov. diese Stadt, 5. Dez. Rouen [* 25] und 9. Dez. Dieppe. [* 26]
Die französische
Nordarmee mußte von Faidherbe
in den Festungen erst von neuem organisiert werden. General v. Werder ging nach
dem Fall von Schlettstadt
[* 27] und Neu-Breisach zum Schutz der Belagerung von Belfort
[* 28] bis Dijon
[* 29] vor und schlug alle Angriffe Garibaldis
siegreich zurück. Prinz Friedrich Karl aber führte das 3., 9. und 10. Korps in Eilmärschen nach der Loire,
wo Aurelle de Paladines der Heeresabteilung des Großherzogs von Mecklenburg
[* 30] unthätig gegenüberlag.
Der französische
Feldherr hielt es trotz allen ungeduldigen Drängens Gambettas und Freycinets für notwendig, vor weitern
Unternehmungen die Armee wirklich kriegstüchtig zu machen und sich mit Trochu über einen Versuch, Paris
zu entsetzen, zu verständigen. Er blieb also in seinen Stellungen nördlich von Orléans an dem großen Wald stehen. Als Gambetta
jedoch die Nachricht erhielt, daß Trochu die deutschen Linien im Südosten durchbrechen wolle, befahl er eigenmächtig dem
rechten Flügel der Loirearmee (18. und 20. Korps), auf Fontainebleau vorzustoßen, um den Parisern die Hand
[* 31] zu reichen.
Als dieser Versuch durch den tapfern Widerstand des 10. Korps bei Beaune la Rolande (28. Nov.) scheiterte, schickte er Chanzy 1. Dez. mit dem linken Flügel gegen Loigny vor. Indes auch dieser Angriff wurde vom Großherzog abgewiesen, und nun schritt Prinz Friedrich Karl 3. Dez. seinerseits zum Angriff auf die schon desorganisierte Loirearmee, zersprengte sie in zwei Teile und besetzte 4. Dez. Orléans wieder. Der Ausfall der Pariser Armee unter Ducrot mißlang trotz mutiger Stürme auf die deutschen Positionen auf den Höhen von Champigny (30. Nov. und 2. Dez.).
Gambetta war aber keineswegs entmutigt, vielmehr bot er nur noch mehr Streitkräfte auf, um Paris zu entsetzen und den geheiligten Boden Frankreichs von den Barbaren zu befreien. Aus der zersprengten Loirearmee wurden nach Absetzung Aurelles zwei neue gebildet, die eine unter Chanzy in Le Mans, die andre unter Bourbaki in Bourges. Faidherbe beunruhigte die Manteuffelsche Armee durch wiederholte Vorstöße nach dem Süden und bestand 23. Dez. an der Hallue und bei Bapaume zwei zwar nicht siegreiche, aber rühmliche Gefechte. Im Januar 1871 sollte sodann der Hauptangriff auf die Deutschen auf verschiedenen Punkten zugleich erfolgen: die Pariser Armee sollte einen großen Ausfall machen, Faidherbe von Norden und Chanzy von Westen demselben entgegenkommen;
der entscheidende Schlag sollte aber im Osten geführt werden, indem Bourbaki durch einen kühnen Zug auf Belfort dieses zu entsetzen, Werders Korps zu zersprengen und durch rasches Vordringen in das Moselgebiet die Deutschen vor Paris und in Orléans von ihrer Verbindung mit dem Rhein und ihrer Verpflegung abzuschneiden beauftragt wurde.
Obwohl Trochu einen neuen Ausfall für aussichtslos hielt, so ließ er ihn doch zu: am 19. Jan. versuchten 100,000 Mann vom Fuß des Mont Valérien aus nach Westen durchzubrechen, wurden aber vom preußischen Korps unter empfindlichen Verlusten zurückgewiesen. An demselben Tag erlitt Faidherbe durch Goeben bei St.-Quentin eine völlige Niederlage u. mußte sich in die nördlichen Festungen flüchten. Der Chanzyschen Armee kam Friedrich Karl mit dem Angriff zuvor: in den siebentägigen Gefechten von Le Mans (6.-12. Jan.) wurde dieselbe bis Laval zurückgeschlagen und für längere Zeit kampfunfähig gemacht. Der Vormarsch Bourbakis gegen Belfort zwang zwar Werder, Dijon zu räumen und westlich der Festung zum Schutz der Belagerung an der Lisaine eine feste Stellung zu nehmen. Der Versuch der Franzosen, ¶