Deutsches Reich - Deutsch-französischer Krieg von 1870/71
mehr
die Rechtseinheit hergestellt. Das
Gleiche ist durch eine umfassende Justizgesetzgebung für das Prozeßrecht und für das
Gerichtsverfassungswesen geschehen. Die deutsche
Zivilprozeßordnung vom hat das
Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
in einheitlicher
Weise normiert. Dazu kamen die Strafprozeßordnung vom 1. Febr. und die Konkursordnung vom Schon zuvor
war durch
Bundes-
(Reichs-)
Gesetz vom die
Schuldhaft als Exekutionsmittel beseitigt und durch
Gesetz vom die
Beschlagnahme des
Arbeits- und Dienstlohns als Zwangsvollstreckungsmittel wesentlich beschränkt worden.
Das Gerichtsverfassungsgesetz vom und die Rechtsanwaltsordnung vom nebst den nötigen Gebührengesetzen
schlossen sich an die
Justizgesetze an. Das
Bundes-
(Reichs-)
Gesetz vom über die Erwerbung und den Verlust der Bundes-(Reichs-)
und
Staatsangehörigkeit hat diesen wichtigen Gegenstand geregelt, nachdem bereits unmittelbar nach der
Gründung des Norddeutschen
Bundes durch das
Bundes-
(Reichs-)
Gesetz vom der
Grundsatz der
Freizügigkeit für das Bundesgebiet
näher ausgeführt worden war.
Unter den Lehrbüchern des deutschen
Privatrechts sind diejenigen von
Gerber (14. Aufl.,
Jena
[* 3] 1882),
Beseler (3. Aufl., Berl.
1873),
Hillebrand (2. Aufl., Zürich
[* 4] 1864),
Stobbe (2. Aufl., Berl. 1882),Roth
(Tübing. 1880 ff.) und
Franklin (2.
Aufl., das. 1882) hervorzuheben. Auch die Werke über deutsche
Rechtsgeschichte, namentlich diejenigen von
Eichhorn (5. Aufl.,
Götting. 1843-44, 4 Bde.),
Zöpfl (4. Aufl., Braunschw. 1871-72) und
Walter (2. Aufl.,
Bonn
[* 5] 1857), gehören hierher.
Daß
Frankreich für
Preußens Vergrößerungen außer der luxemburgischen
Neutralität keine
Kompensationen
erhalten, erschien als eine
Niederlage. Die
MinisterNapoleons III. glaubten die
Opposition, welche die nationale
Ehre als durch
die kaiserliche
Politik gefährdet darstellte, nur überwinden zu können, indem sie dieselbe überboten. Nachdem also die
Reorganisation der
Armee durch
Niel angebahnt worden, suchte die französische
Regierung nach einem
Anlaß
zum
Krieg mit
Preußen
[* 14] und fand ihn in Ermangelung eines bessern in der spanischen Thronfolgeangelegenheit.
Erst nach dieser
Drohung, welche einen
Ausgleich eigentlich unmöglich machte, aber von der
Volksvertretung und der
Presse
[* 19] mit
stürmischem Beifall begrüßt wurde, stellte die französische
Regierung9. Juli durch ihren
BotschafterBenedetti an König
Wilhelm
in
Ems
[* 20] das Ansinnen, der König möge dem
Erbprinzen von
Hohenzollern den Befehl erteilen, die
Annahme der
spanischen
Krone zurückzunehmen. Dasselbe wurde abgelehnt, da der König als Familienoberhaupt nur seine Zustimmung zur
Annahme
gegeben habe, dem
Prinzen aber, der frei in seinen Entschlüssen sei, keinen Befehl erteilen könne.
Indes schien, da 12. JuliPrinzLeopold aus freien
Stücken der angebotenen
Krone entsagte, der Streitfall beseitigt und der französischen
Kriegspartei der Vorwand zum
Kriege genommen zu sein. Wenn nun kein Kriegsfall herbeigeführt werden konnte, so wollte die
französische
RegierungPreußen wenigstens eine
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Demütigung bereiten. Daher verlangte Gramont12. Juli von dem preußischen Botschafter in Paris, Freiherrn v. Werther, er solle den
König zur Absendung eines an Napoleon gerichteten Entschuldigungsschreibens bewegen, und Benedetti erhielt den Auftrag, von
dem König die Versicherung zu fordern, daß er in Zukunft niemals seine Einwilligung zu der etwa wieder
aufgenommenen Thronkandidatur des PrinzenLeopold erteilen werde. Diese Zumutung wies der König entschieden ab und verweigerte
dem Botschafter eine weitere Audienz über diesen Gegenstand.
Nicht bloß die Menge, sondern selbst die Minister und die KaiserinEugenie, welche ihren »kleinen Krieg« haben wollte, hielten
eine Niederlage der französischen Armee für eine Unmöglichkeit. In Deutschland war man einige Zeit ruhig
geblieben; erst als man sich über die Absichten Napoleons nicht mehr täuschen konnte, kehrte (15. Juli) der König nach Berlin
[* 23] zurück und erließ noch an demselben Tag die Mobilmachungsorder. Unmittelbar darauf erfolgten die gleichen Ordern in den süddeutschen
Staaten, welche den Casus foederis anerkannten, und auch die zuerst abgeneigten Kammern von Bayern und Württemberg
mußten der allgemeinen Stimme folgen und verwilligten den verlangten Kredit. Am 19. Juli, 1½ Uhr
[* 24] nachmittags, erfolgte die offizielle
KriegserklärungFrankreichs. Am gleichen Tag eröffnete der König den außerordentlichen Reichstag des Norddeutschen Bundes
mit einer Thronrede, worin er der allgemeinen patriotischen Stimmung einen würdigen Ausdruck gab. Man nahm
den Krieg voll Mut und Entschlossenheit an; man hatte ihn nicht gesucht, sich aber darauf vorbereitet. Um die fremden Mächte
günstig für Deutschland zu stimmen, ließ Bismarck25. Juli der »Times« den Entwurf eines Offensiv- und Defensivtraktats
veröffentlichen, welchen Frankreich im Frühjahr 1867 Preußen wiederholt angetragen, dieses aber abgelehnt hatte. Nach diesem
Traktat sollten Frankreich und Preußen sich verbinden, um für Frankreich die Erwerbung Luxemburgs und Belgiens, für Preußen
die Anerkennung seiner Herrschaft über Deutschland zu bewirken. Die Folge war eine große Entrüstung, namentlich in England;
doch verhielt sich dessen Regierung gänzlich neutral in dem bevorstehenden Kampf. In Österreich und Italien
[* 25] waren allerdings maßgebende Persönlichkeiten nicht abgeneigt, Frankreich zu Hilfe zu kommen; doch waren beide Staaten
noch
nicht gerüstet und Österreich genötigt, auf Rußland Rücksicht zu nehmen.
Während man allgemein erwartete, daß eine Invasion in deutsches Gebiet der französischen Kriegserklärung
unmittelbar folgen würde, kamen die ersten Tage des Augusts heran, ohne daß ein französisches Korps jenseit der Grenze sich
blicken ließ. Die Ursachen dieser Zögerung waren aber sehr triftig: die Enttäuschung hinsichtlich der Haltung Süddeutschlands,
die höchst umständliche und zeitraubende Einziehung der Reserven, der bedenkliche Mangel an Material,
Proviant, Munition etc., die, in Paris konzentriert, nicht rasch genug verteilt werden konnten, endlich die unzureichende, den
Angaben auf dem Papier nicht entsprechende Zahl der Mannschaften.