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Diemel- und dem Fuldagebiet bis nach Sachsenhausen, wo sie ins Edergebiet tritt und diesen Fluß noch oberhalb der Mündung des Itterbaches berührt; selbst auf dem rechten Ufer der Eder sind noch Harpshausen und Kirchlotheim niederdeutsch. Dann zieht sich die Grenze von der Mündung der Orke über Sachsenberg und Hallenberg nach der Höhe des Rothaargebirges, welches in seiner Fortsetzung bis nach Drolshagen zwischen der Ruhr und der Sieg die Gewässer und die Mundarten scheidet.
Von Drolshagen windet sich die Grenze des Niederdeutschen nordwestlich, so daß Wipperfürth, Burg, Dorp, Solingen, [* 2] Gräfrath, Gerresheim die äußersten niederdeutschen Städte sind. Wenig nördlich überschreitet sie den Rhein und wendet sich südwestlich, nunmehr nicht das Niedersächsische, sondern das Niederfränkische (Niederländische) [* 3] vom Niederdeutschen scheidend. Sie zieht sich über Odenkirchen, [* 4] östlich bei Erkelenz vorbei, über Linnich nach Aachen, [* 5] doch so, daß Aachen noch ganz ins mitteldeutsche Gebiet fällt; von dort geht sie südlich bei Eupen [* 6] vorbei (dasselbe ist schon niederfränkisch) und trifft dann (bei Montjoie) auf die französische Sprachgrenze. So läuft ungefähr heutigestags die Grenze zwischen dem Mittel- und Niederdeutschen. Ob sie freilich zur mittelhochdeutschen Periode schon in allen Punkten dieselbe und wie beschaffen sie damals gewesen sei, ist eine noch nicht hinlänglich beantwortete Frage. So wahrscheinlich es ist, daß an vielen Punkten die niederdeutsche Grenze schon damals mit der heutigen übereinstimmte (z. B. in den Rheingegenden), so sicher ist es auch, daß wieder an andern Orten, besonders in der (großenteils früher slawischen) Provinz Sachsen, [* 7] das Mitteldeutsche auf Kosten des Niederdeutschen an Gebiet gewonnen hat. Merseburg, [* 8] Halle, [* 9] Mansfeld und alles, was nördlicher liegt, war im 13. Jahrh. ganz gewiß noch niederdeutsch, wie zahlreiche Urkunden beweisen. Auch in der Provinz Brandenburg [* 10] hat das Mitteldeutsche in den letzten Jahrhunderten an Gebiet gewonnen. Das gesamte Gebiet der
Oberdeutschen Mundarten
teilt man am passendsten wieder in drei Hauptabteilungen, die man als alemannische, schwäbische und bayrische Mundarten oder nach Schmeller als oberrheinische, westlechische und ostlechische zu bezeichnen pflegt. Die Eigentümlichkeiten der alemannischen oder oberrheinischen Mundart, die das Elsaß, den südlichen Teil von Baden [* 11] und die Schweiz [* 12] umfaßt, sind nach Schmeller hauptsächlich folgende: Am Anfang der Wörter lautet k vor l, n, r am Westlech wie ein reines k, während am Oberrhein dasselbe auch in dieser Verbindung wie ch ausgesprochen wird;
ebenso wird ch dergestalt tief in der Kehle gesprochen, daß gleichsam ein verschlucktes a vorklingt, was besonders in den Schweizerdialekten der Fall ist.
Au der Schriftsprache lautet in den Wörtern, wo es altdeutschem u entspricht, am Oberrhein noch wie u, während es am Westlech in au übergegangen ist, z. B. Haus, Westlech: Hàus, oberrheinisch: Hûs; dagegen lautet das ursprüngliche au am Oberrhein âu, am Westlech áu (auch â), z. B. Auge, [* 13] oberrheinisch: âug, Westlech: áug (âg); ei lautet in den Wörtern, wo es dem altdeutschen î entspricht, am Oberrhein noch immer î, während es am Westlech wie êi ausgesprochen wird, z. B. Weib, Oberrhein: Wîb, Westlech: Wêib.
Nasentöne hat dieser Dialekt nicht. Zur Vermeidung des Hiatus schiebt er meist ein j ein, z. B. säje, weje, statt säen, wehen. Wird auch der Schweizerdialekt durch das Vorherrschen rauher Spiranten und Zischlaute etwas rauh, so gewinnt er dagegen wieder viel Angenehmes durch die unendliche Modulation, die in der Aussprache herrscht. Übrigens zerfällt das Schweizerische wieder in viele Mundarten. Alemannisch (im engern Sinn des Wortes, wo das Elsaß nicht mit inbegriffen ist) schrieben und dichteten: Hebel, [* 14] dessen Sprache [* 15] die des badischen Wiesenthals ist;
Häffliger (Lieder) im Luzerner Dialekt;
Usteri, Th. Meyer-Merian (»Wintermaieli«),
R. Wyß (Kuhreihen und Volkslieder),
I. ^[oder J.] Felner, Tobler (Volkslieder),
A. Schreiber, Hoffmann von Fallersleben, Corrodi (epische Dichtungen),
Stutz im Züricher Dialekt; Mähly (Gedichte) in Baseler, Jos. Schied (»Juraklänge«) in Solothurner, J. ^[Johannes] Merz in Appenzeller, Lenggenhager in Thurgauer Mundart u. a. Zahlreiche Gedichte im Schweizer Dialekt enthält auch die Zeitschrift »Alpenrosen« (1812 bis 1830).
Vgl. Sutermeister, Schwyzer-Dütsch, Sammlung schweizerischer Mundart-Litteratur (Zür. 1882 ff.).
Ein noch jetzt wertvolles Wörterbuch der schweizerischen Sprache lieferte Stalder (»Versuch eines schweizerischen Idiotikons«, Aarau [* 16] 1806-12, 2 Bde.), ein neueres bearbeiten Staub und Tobler (Zür. 1881 ff.).
Vgl. Birlinger, Die alemannische Sprache rechts des Rheins (Berl. 1868, Bd. 1), und die vorzügliche Spezialgrammatik: Winteler, Die Kerenzer Mundart in ihren Grundzügen dargestellt (Leipz. 1876);
ferner: Seiler, Die Baseler Mundart (Basel [* 17] 1879);
Mörikofer, Die schweizerische Mundart (2. Aufl., Bern [* 18] 1864). -
Unter sich verschieden sind wieder die Mundarten der Elsässer; so sprechen die von der Schweizergrenze bis Schlettstadt [* 19] hin anders als die Mittelelsässer, von denen sich wieder die jenseit des großen Hagenauer Forstes wohnenden Niederelsässer, die, dem alemannischen Dialekt fremd, sich der pfälzischen Mundart nähern, unterscheiden. In elsässischer Mundart dichteten G. Deutsche [* 20] Arnold (»Der Pfingstmontag«),
E. Stöber (»Daniel oder der Straßburger«, Lustspiel),
K. Fr. Hartmann u. a. Eine Sammlung von Gedichten etc. in Straßburger Mundart enthält A. Stöbers »Elsässer Schatzkästel« (Straßb. 1877).
Vgl. auch Stöbers »Elsässer Volksbüchlein« (Straßb. 1842) und Bergmanns »Straßburger Volksgespräche« (das. 1873).
Der schwäbische oder westlechische Dialekt herrscht im größten Teil des Königreichs Württemberg [* 21] und östlich bis Augsburg, [* 22] von wo er bis an den Ursprung des Lech hinaufgeht. Statt der rauhen Gurgeltöne des alemannischen Dialekts treten hier Nasentöne ein, die sich durch die Schrift gar nicht wiedergeben lassen; die Schwaben dehnen alle Silben zu außerordentlicher Länge, brauchen viele Diphthonge und häufen Konsonanten. Doch ist die Modulation des Schwäbischen sehr verschieden, und während im allgemeinen das Oberschwäbische härter, ist das Unterschwäbische breiter.
Die Mundart unterscheidet sich von der des Ostlech vorzugsweise durch zwei Eigentümlichkeiten: während nämlich westlich in der Endsilbe en das e ausgesprochen wird, wird östlich nur das n, welches nach b, p, w in m übergeht, ausgesprochen (z. B. gewesen, westlich gwesse, östlich gwên; leben, westlich lebe, östlich lebm);
ferner durch die Aussprache des sp und st, worin das s im Schwäbischen stets, auch im Inlaut, wie sch lautet, z. B. hascht, bischt, Geischt. Am breitesten und gröbsten tönt das Schwäbische in und um Tübingen. [* 23]
Schwäbische Volkslieder finden sich in Nikolais »Almanach«, einige Gedichte in R. Weckherlins Liedersammlung (1648; neue Ausg., Leipz. 1873). Andre poetische Bearbeiter des schwäbischen Dialekts sind Seb. Sailer (»Schriften im schwäbischen Dialekt«, neue Ausg., Ulm [* 24] 1850),
K. Weitzmann (»Gedichte«, 3. Aufl., ¶
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Stuttg.
1878) und G. F. Wagner (Gedichte und Lustspiele); ferner A. Hoser, J. Eppele, J. G. ^[Johann Georg] Scheifele, Fr. Richter, A. Grimminger u. a. Eine Sprichwörtersammlung lieferte A. Birlinger (»So sprechen die Schwaben«, Berl. 1868),
welcher auch ein »Schwäbisch-Augsburgisches Wörterbuch« (Münch. 1864) herausgab. Die ganze schwäbisch-alemannische Mundart hat Weinhold behandelt in seiner »Alemannischen Grammatik« (Berl. 1863), worin die Entwickelung derselben von der ältesten Zeit bis auf die Gegenwart verfolgt wird.
Den bei weitem größten Raum unter den drei Hauptmundarten des oberdeutschen Sprachgebiets nimmt die bayrische oder ostlechische Mundart ein, außer Altbayern nämlich noch Tirol, [* 26] Salzburg, [* 27] Österreich, [* 28] Steiermark [* 29] bis Krain [* 30] und die 13 und 7 deutschen Gemeinden in Oberitalien [* 31] (s. Comuni). Bis ins 13. Jahrh. hinein von dem Alemannisch-Schwäbischen noch wenig verschieden, trennte sich die bayrische Mundart hauptsächlich durch die in ihr zuerst auftretende Verwandlung des alten langen i und u in die Diphthonge ei und au. Seitdem aber sind die beiden oberdeutschen Mundarten immer mehr auseinander gegangen.
Die bayrische Mundart ist breit und näselnd und verschluckt eine Menge Laute; auch spricht der Altbayer viel langsamer als der Schwabe, desto schneller dagegen der Gebirgsbewohner. Eigenheiten der bayrischen Mundart im engern Sinn sind noch folgende: Das reine hochdeutsche a gebraucht sie fast nie, sondern verwandelt dasselbe in den Mittellaut zwischen o und a (das schwedische å);
statt des hochdeutschen ä läßt sie entweder ein dunkles, dem ö sich näherndes e hören oder, wie in den Verkleinerungs- und Schmeichelwörtern, besonders aber in der Bedingungsform der Verba, ein à (Mittellaut zwischen a und ä);
das hochdeutsche ö erscheint meist wie ein helles e;
das ä, wie das i der Stammsilben, lautet wie ein tiefes î, hell und spitzig aber in den Endsilben ig und lich, die gewöhnlich in i verkürzt werden;
das ai lautet immer wie oa, das ei aber wie ai;
das endende l und ll wandeln sich in ein kurzes und stumpfes j;
die Endsilbe er verändert sich überall in à, doch wird das r wieder hörbar, wenn das folgende Wort mit einem Selbstlauter anfängt, zu dem es hinübergeschleift wird.
Das ch am Ende lautet in den Gebirgsgegenden sehr hart, auch nimmt das r zu Anfang noch zuweilen ein h zu sich (z. B. da Rhieme = der Riemen). Dichterisch wurde diese Mundart besonders von dem ehemaligen Augustiner Marcelin Sturm (Lieder), M. Heigel, Franz v. Kobell und K. Stieler ausgebildet; außerdem findet man Lieder in Hazzis »Statistischen Aufschlüssen von Bayern« [* 32] (1. Teil) und in Firmenichs »Germaniens Völkerstimmen«. Beachtenswert ist auch eine »Sammlung bayrischer Sprichwörter«.
Vgl. A. Zaupser, »Versuch eines bayrischen und oberpfälzischen Idiotikons« (Münch. 1789),
besonders aber Schmellers vorzügliches »Bayrisches Wörterbuch« (2. Aufl. von Fromman, das. 1868-78, 2 Bde.) und in grammatischer Hinsicht das ebenso ausgezeichnete Werk Schmellers: »Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt« (das. 1821), worin auch reichhaltige Mundartenproben zu finden sind.
Die Mundarten des südlichen Tirol weichen von denen des mittlern und nördlichen nicht wenig ab, weil sich in der Aussprache mehrere Laute dem Italienischen nähern. Im ganzen ist die Aussprache der Tiroler hochlaut, kräftig, bestimmt und deutlich. Vorzüglich stark wird das k gesprochen und das a in manchen Gegenden fast so hell wie in Schwaben; das ü lautet wie in Bayern nur als Mittellaut zwischen ü und i. Der Salzburger Dialekt weicht im ganzen wenig von der Tiroler Mundart ab. Lieder und Schnaderhüpfel finden sich in Hübners »Beschreibung von Salzburg« (Salzb. 1796); ein Bruchstück aus einem Singspiel in diesem Dialekt ist in der Vorrede zu Gottscheds Buch von gleichbedeutenden Wörtern enthalten. Sammlungen von Schnaderhüpfeln veröffentlichten Franz v. Kobell, v. Hörmann u. a. Der österreichische Dialekt unterscheidet sich im allgemeinen von dem bayrischen durch Weichheit, Feinheit und Geschwindigkeit der Aussprache; doch ist er im Land ob der Enns auch gedehnt und singend. In den Gebirgsgegenden zwischen Ungarn [* 33] und Österreich, durch Kärnten und Krain, ähneln Aussprache, Wortformen und Gesänge der salzburgischen und tirolischen, in Mähren [* 34] aber der schlesischen und im mittlern Lande der bayrischen Mundart. Die letztere, im eigentlichen Österreich herrschende verwandelt z. B. wie jene die meisten a in o, die echt alten ei in ai, die au in à, behält das alte ie noch als Doppellaut bei, stumpft die Endsilbe er in à, nur daß sie das r, sobald ein Selbstlauter folgt, wieder etwas hörbar macht, und verändert fast jedes ü in ein dickes î. Doch unterscheidet sie sich von der bayrischen teils durch die eigentümliche Umwandlung einzelner Laute, teils durch die besondere Formierung derselben. So verwandelt sie die alten ai oder ay, die in Bayern oa lauten, in à. Die Aussprache hat etwas Stumpfes und Klangloses. Die Mundart des niedern Volkes und selbst noch der Bürger ist sehr unverständlich, jene der Halbgebildeten aber ein Gemisch von bürgerlicher Mundart und Hochdeutsch. Der dreifache Unterschied jeder Mundart, je nach den verschiedenen Volksklassen, dem Bauer, dem Bürger und dem mehr oder minder gebildeten Stand, ward zuerst von M. Höfer (»Die Volkssprache in Österreich«, Wien [* 35] 1800) dargestellt. Besondere Sammlungen österreichischer Volkslieder sind: Meinert, Alte deutsche Volkslieder in der Mundart des Kuhländchens (Hamb. 1817, Bd. 1);
Fr. Ziska und Schottky, Österreichische Volkslieder mit ihren Singweisen (Pest 1819; 2. Ausg., das. 1844);
Pogatschnigg und Herrmann, Deutsche Volkslieder aus Kärnten (Graz [* 36] 1879).
In österreichischer Mundart dichteten Castelli und Seidl (niederösterreichisch), M. Lindemayr, Kohlheim, Kaltenbrunner, Klesheim (wienerisch), Stelzhamer (obderennsisch), Fellöcker, Rosegger (steirisch). Ein »Etymologisches Wörterbuch« gab Höfer (Linz [* 37] 1815, 3 Tle.); neuere lexikalische Sammlungen für den österreichischen Dialekt sind die von Loritza (Wien 1847), Castelli (das. 1847), des Wiener Dialekts von Hügel (das. 1873). Ein Wörterbuch der tirolischen Volkssprache gaben Schöpf und Hofer (Innsbr. 1862-66) heraus. Über die Mundart der deutschen Bewohner des Böhmerwaldes schrieb J. Ranke ^[richtig: J. Rank] (»Aus dem Böhmerwald«, Linz 1853),
der auch eine Auswahl ihrer Schnaderhüpfeln mitteilte. Ein sehr reichhaltiges »Kärntisches Wörterbuch« veröffentlichte M. Lexer (Leipz. 1862). Die Grammatik der ganzen bayrisch-österreich. Mundart hat Weinhold in historischer Weise behandelt in »Bayrische Grammatik« (Berl. 1867).
Die mitteldeutschen Mundarten
sind so unendlich mannigfaltig und bisher so unbeachtet geblieben, daß es unmöglich ist, genaue Nachweise über sie alle zu geben. Doch lassen sich diese so verschiedenen Dialekte mit einiger Sicherheit in gewisse Hauptgruppen teilen. Zunächst die fränkischen Mundarten am Ober- und Mittelmain, an der Oberwerra und der Rhön. Man hört sie vom Odenwald und Spessart bis an das Fichtelgebirge und ¶