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dadurch zu erreichen gesucht, daß sie eine drohende bewaffnete Stellung in der Flanke der kriegführenden Mächte einnahmen. Napoleon hatte indes alle Zugeständnisse schroff abgelehnt. Jetzt machte Metternich neue Versuche, und die Verbündeten im Vertrauen auf Napoleons Übermut gingen im Vertrag von Reichenbach [* 2] (27. Juni) auf Österreichs Vorschlag ein, sich mit der Abtretung des Großherzogtums Warschau, [* 3] Illyriens und Hannovers begnügen zu wollen, wogegen Österreich [* 4] im Fall der Ablehnung sich ihnen anzuschließen versprach. Napoleon lehnte wirklich auch diese geringfügigen Zugeständnisse ab; der in Prag [* 5] versammelte Friedenskongreß löste sich 11. Aug. auf, und am 12. erfolgte die österreichische Kriegserklärung.
Österreichs Beitritt lähmte allerdings vollständig die in Kalisch [* 6] verkündete deutsche Politik Rußlands und Preußens. [* 7] Metternich war sich der günstigen Machtstellung Österreichs zu wohl bewußt und riß die Leitung der Politik bald ganz an sich. Sein Bemühen war, die bedrohten Rheinbundstaaten in ihrer vollen Souveränität und Macht zu erhalten und Preußen [* 8] nur zu dem größten unter diesen Mittelstaaten werden zu lassen; auch Napoleon sollte bloß gedemütigt, Frankreichs Rheingrenze nicht angefochten werden. Er durchkreuzte daher die kriegerische Aktion immer wieder durch Friedensverhandlungen und verhinderte wiederholt die volle Ausbeutung eines errungenen Siegs.
Trotz alledem gewährte Österreichs Anschluß eine bedeutende Machtverstärkung, und als auch Schweden [* 9] und England der Koalition beitraten, konnte man, von englischen Subsidien unterstützt, 480,000 Mann ins Feld stellen, denen Napoleon nur 440,000 entgegenzusetzen hatte. Der am 12. Juli Trachenberg verabredete Kriegsplan der Verbündeten teilte die Heeresmasse in drei Armeen: die böhmische oder Hauptarmee, 230,000 Mann (120,000 Österreicher, 60,000 Russen, 50,000 Preußen), unter Schwarzenberg;
die schlesische, 100,000 Mann (60,000 Russen, 40,000 Preußen), unter Blücher;
die Nordarmee, 128,000 Mann (80,000 Preußen, 30,000 Russen, 18,000 Schweden), unter dem Kronprinzen von Schweden, Bernadotte.
Die oberste Leitung erhielt Schwarzenberg, in dessen Hauptquartier sich auch die drei verbündeten Monarchen Alexander, Friedrich Wilhelm und Franz begaben.
Die drei Armeen sollten so gegen Napoleon, der in Dresden [* 10] stand, operieren, daß beim gleichzeitigen Vorgehen gegen Sachsen [* 11] von Böhmen, [* 12] Schlesien [* 13] und der Mark aus diejenige, gegen welche Napoleon mit seiner Hauptmacht sich wenden würde, zurückweichen, diesen nach sich ziehen und so den andern Zeit und Raum verschaffen sollte, in Sachsen einzubrechen und womöglich im Rücken Napoleons sich zu vereinigen. Diesem Plan gemäß ging Blücher 15. Aug. bis an den Bober vor.
Napoleon zog ihm entgegen, während er Marschall Oudinot mit 70,000 Mann nach Norden [* 14] schickte, um die Landwehr zu zerstreuen und Berlin, [* 15] diesen Herd des Aufstandes, wenn es sich nicht ergebe, zu zerstören. Aber die Landwehr unter Bülow, 50,000 Mann stark, griff Oudinot südlich von Berlin bei Großbeeren an und schlug ihn gegen Bernadottes Willen, der Berlin hatte preisgeben wollen, mit geringem eignen Verlust zurück (23. Aug.); ein Korps von 12,000 Mann unter Girard, welches Oudinots Unternehmen von Magdeburg [* 16] aus unterstützen sollte, wurde 27. Aug. bei Hagelsberg vernichtet. Die böhmische Armee brach nun über das Erzgebirge in Sachsen ein; 25. Aug. war sie vor Dresden, zögerte aber mit dessen Besetzung, so daß Napoleon, der auf die Kunde vom Marsch der Hauptarmee aus der Lausitz herbeieilte, vorher die Stadt erreichte. Ein am Nachmittag des 26. unternommener Angriff der Alliierten mißlang, und 27. Aug. schlug Napoleon durch einen energischen Angriff den linken, österreichischen Flügel des Feindes und zwang ihn zum Rückzug nach Böhmen. Hier sollte Vandamme, durch Eilmärsche zuvorkommend, den Verbündeten den Weg verlegen und ihren Rückzug in eine vernichtende Niederlage verwandeln. Indes die übrigen Korps verfolgten nicht energisch genug, und Vandamme wurde selbst 30. Aug. bei Kulm nach tapferm Kampf gefangen genommen. Ein noch härterer Schlag für die Franzosen war, daß Macdonald, der mit 100,000 Mann Blücher in Schlesien weiter hatte verfolgen sollen, von diesem 26. Aug. an der Katzbach bei Liegnitz [* 17] angegriffen und mit einem Verlust von 30,000 Mann und 100 Kanonen in die Flucht geschlagen wurde. Napoleon zog nun selbst wieder nach der Lausitz, während Marschall Ney mit dem verstärkten Oudinotschen Korps einen neuen Angriff auf Berlin versuchen sollte. Die preußischen Truppen der Nordarmee standen südlich von Jüterbog; [* 18] Bernadotte hatte den Sieg bei Großbeeren nicht ausgebeutet, kaum das Vordringen nach Süden gestattet, und wiederum wider Willen des Kronprinzen griffen Bülow und Tauenzien 6. Sept. bei Dennewitz mit 50,000 Mann das 70,000 Mann starke Heer Neys an. Die Niederlage desselben war eine vollständige, 15,000 Gefangene und 80 Kanonen ließ er in den Händen der Sieger, und es war kaum möglich, das Heer wieder zu reorganisieren; zahlreiche Rekruten desertierten, und auch die Rheinbundstruppen zeigten sich mißmutig.
Die Lage Napoleons wurde von Tag zu Tag schwieriger. Blücher wich in der Lausitz einer Schlacht aus, der Kaiser konnte ihm nicht weit folgen, sondern mußte der böhmischen Armee wegen sich nach Dresden zurückziehen, und als Blücher mit der schlesischen Armee rechts ab nach der Mittelelbe marschierte, York 3. Okt. bei Wartenburg den Elbübergang erzwang und auch die Nordarmee nun die Elbe überschreiten mußte, stellte sich Napoleon bei Leipzig [* 19] (s. d.) auf. Der größte Teil seines Heers stand im Südosten der Stadt bei Wachau und Liebertwolkwitz, im Norden stand bloß Marmont mit 20,000 Mann. Im ganzen hatte er 180,000 Mann gegen 200,000 Verbündete, die Nordarmee war noch nicht herangezogen.
Die böhmische Armee griff 16. Okt. von Süden her an; aber infolge ungeschickter Anordnungen Schwarzenbergs waren ihre Kräfte verzettelt, und von dem vielen, was man unternahm, gelang nichts: weder glückte es den Österreichern, Lindenau im Rücken der Franzosen zu nehmen, noch den Preußen und Russen, Wachau, den Schlüssel von Napoleons Stellung, zu erstürmen. Nach ungeheuern Verlusten mußten die Verbündeten zurückweichen. Hier konnte Napoleon sich den Sieg zuschreiben.
Eine völlige Niederlage der böhmischen Armee wurde nur verhindert durch das Yorksche Korps, welches, allerdings mit dem Verlust eines Drittels seiner Mannschaft, Möckern erstürmte, Marmonts Korps zertrümmerte und diesen sowie Ney hinderte, dem Kaiser nach Wachau zu Hilfe zu kommen. Napoleon konnte sich nicht entschließen, den Rückzug anzutreten, solange derselbe noch ungestört geschehen konnte; er wollte die 170,000 Mann Besatzungen in den Weichsel-, Oder- und Elbfestungen nicht preisgeben, auch sich nicht für besiegt erklären. Er bot 17. Okt. den Verbündeten, freilich unter ganz ungenügenden Bedingungen, Frieden an. Die Alliierten ließen das Anerbieten unberücksichtigt und griffen, durch die Nordarmee und das ¶
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Korps von Bennigsen verstärkt, 18. Okt. die Franzosen zum zweitenmal an. Diese hatten sich, jetzt um 100,000 Mann schwächer als der Feind, rings um Leipzig aufgestellt; das Zentrum bildete das Dorf Probstheida. Hier befehligte Napoleon selbst, und wiederum gelang es, die Angriffe der böhmischen Armee zurückzuschlagen. Dagegen errangen im Norden von Leipzig die schlesische und die Nordarmee einen entschiedenen Sieg und drangen bis zu den Thoren von Leipzig vor. In der Nacht vom 18. auf den 19. Okt. trat Napoleon den Rückzug an. Als Bülow am Mittag des 19. Okt. die Stadt erstürmte, waren nur noch 20,000 Franzosen in derselben außer den Verwundeten und Kranken.
Die Preußen drängten nun zu einer energischen Verfolgung, indes die Österreicher wußten dies zu verhindern: Napoleon gelangte noch mit 80,000 Mann an den Main, zersprengte 30. und 31. Okt. bei Hanau [* 21] das österreichisch-bayrische Heer unter Wrede, welches ihm den Weg verlegen wollte, und überschritt 1. Nov. den Rhein. Der Typhus raffte zwar den größten Teil dieser Armee dahin, und Napoleon schien wehrlos. Wiederum aber ließen ihm die Alliierten Zeit zu neuen Rüstungen, [* 22] indem auf Metternichs Betrieb im November zu Frankfurt [* 23] ein Friedenskongreß eröffnet wurde.
Man wollte Frankreich die Rheingrenze lassen, aber damit war Napoleon nicht zufrieden. Auch diesmal rettete allein seine Halsstarrigkeit Deutschland [* 24] und Europa [* 25] vor einem faulen Frieden. Der Einmarsch in Frankreich wurde beschlossen, in drei Heersäulen fand er Anfang Januar 1814 statt. Die Hauptarmee, durch die Truppen der Rheinbundstaaten verstärkt, überschritt den Rhein bei Basel [* 26] und nahm als Basis ihrer Operationen das Plateau von Langres. Die schlesische Armee ging in der Silvesternacht über den Mittelrhein bei Kaub und drang in die Champagne ein. Die Nordarmee unter Bülow (Bernadotte führte den Krieg gegen Dänemark) [* 27] sollte nach Befreiung der Niederlande [* 28] durch Belgien [* 29] in den Norden Frankreichs eindringen.
Blücher war schon Ende Januar an der Aube. Hier griff ihn Napoleon 29. Jan. bei Brienne an, wurde aber nachdem sich Blücher durch einen Teil der Hauptarmee verstärkt hatte, bei La Rothière entscheidend geschlagen. Schwarzenberg weigerte sich, diesen Sieg durch den Vormarsch auf Paris [* 30] auszunutzen. Blücher wollte nun diesen allein unternehmen, weil er den Gegner vernichtet glaubte, wurde aber beim Marsch von Napoleon, der jetzt sein Feldherrngenie aufs glänzendste bewährte, überfallen, und seine Korps erlitten in den Einzeltreffen von Chamypeaubert ^[richtig: Champaubert], Montmirail und Château-Thierr-Mitte ^[richtig: Château-Thierr Mitte] Februar empfindliche Verluste und mußten sich auf das rechte Marneufer zurückziehen.
Die Vorhut der Hauptarmee trieb Napoleon bei Montereau zurück. Aber Blücher vereinigte sich mit Bülow, auch die Hauptarmee rückte vor, und ein Angriff Napoleons auf jene bei Laon wurde 9. März zurückgeschlagen, der auf die Hauptarmee bei Arcis sur Aube 20. März. Der Kaiser beschloß jetzt, nach Osten zu marschieren und den Krieg wieder nach dem Rhein zu spielen, wo er noch viele Festungen innehatte; aber die Verbündeten folgten ihm nicht, sondern marschierten direkt nach Paris. Marmont und Mortier versuchten die Stadt zu verteidigen; indes die Preußen und Russen erstürmten die Höhen im Norden und Osten 30. März, und am Abend kapitulierten die Franzosen. Am 31. März fand der feierliche Einzug des Kaisers Alexander und des Königs Friedrich Wilhelm in Paris statt.
Auf die Kunde von dem Marsch der Alliierten war Napoleon umgekehrt, in Fontainebleau erfuhr er die Einnahme von Paris. Er wollte noch den Kampf an der Loire fortsetzen, indes die Marschälle verweigerten den Gehorsam. Der Senat setzte die Bonapartesche Dynastie ab, und der gestürzte Eroberer mußte sich nach der Insel Elba zurückziehen. In Frankreich ward Ludwig XVIII. als König eingesetzt, mit dem die Mächte den ersten Pariser Frieden schlossen; dieser ließ Frankreich die Grenzen [* 31] von 1792, es brauchte keine Kriegskosten zu zahlen und behielt sogar die geraubten Kunstschätze.
Doch nur die französischen Verhältnisse berührte dieser Vertrag. Die Verhältnisse Europas sollten auf einem Kongreß geordnet werden, der sich in Wien [* 32] versammelte. Die meisten Schwierigkeiten machten hier die Neugestaltung Deutschlands [* 33] und die Entschädigung Preußens. Letzterm war im Vertrag zu Teplitz auch von Österreich die Wiederaufrichtung im Umfang von 1805 zugesichert worden. Es verlangte nun vor allem Sachsen, dessen König kriegsgefangen war.
Indes Metternich gönnte Preußen diese Machterweiterung nicht und wußte England und Frankreich für sich zu gewinnen. Rußland stand auf Preußens Seite, und im Januar 1815 waren die Verhältnisse so gespannt, daß ein neuer Krieg drohte. Indes im Februar einigte man sich: Preußen erhielt die Hälfte von Sachsen, und seine westlichen Lande wurden zu den Provinzen Westfalen [* 34] und Rheinland abgerundet;
von Polen erhielt es bloß Posen, [* 35] das übrige erhielt Rußland.
Die Regelung der deutschen Verhältnisse hatte Metternich erschwert durch die Verträge mit den Rheinbundstaaten, welche denselben ihren Besitzstand und ihre volle Souveränität garantierten. Von der Erfüllung der Kalischer Proklamation war keine Rede mehr. Nur der Rheinbund sollte aufgelöst werden und ebenso das Königreich Westfalen. Von der Errichtung eines einigen Deutschen Reichs wollte Metternich nichts wissen. Natürlich widersetzten sich auch Bayern, [* 36] Württemberg [* 37] u. a. jeder Beschränkung ihrer Souveränität, Preußen widerstrebte der Wiederherstellung der Kaiserwürde im Haus Österreich, und man war noch über nichts übereingekommen, als Deutschland zu einem neuen Krieg aufgeboten wurde.
Die rücksichtslose Reaktion, welche die Bourbonen und die Emigranten nach ihrer Rückkehr in Frankreich versuchten, und welche dem Volk auch seine teuersten Errungenschaften zu entreißen und die Vermögensverhältnisse zu zerrütten drohte, machte das wiederhergestellte Königtum bald so unpopulär, daß Napoleon es wagen konnte, Elba zu verlassen und 1. März bei Cannes in Südfrankreich zu landen. Die gegen ihn geschickten Truppen unter Ney gingen zu ihm über, und 20. März hielt er seinen Einzug in Paris, von wo Ludwig XVIII. mit seinem Hof [* 38] eiligst geflohen war. Er gab nun Frankreich eine freisinnige Verfassung und erklärte vor Europa seine Friedensliebe.
Aber der Haß und die Furcht waren bei den Völkern und Fürsten Europas noch zu stark. Der Wiener Kongreß erklärte Napoleon als Feind und Störer der Ruhe der Welt in die Acht. Die Mächte erneuerten ihr Bündnis und beschlossen sofort den Angriffskrieg gegen Frankreich. Preußen und England waren die ersten, die mit ihren Kriegsrüstungen bereit waren. 115,000 Preußen unter Blücher und 100,000 Engländer, Niederländer und Deutsche [* 39] unter Wellington rückten in Belgien ein. Gegen sie zog Mitte Juni Napoleon mit 130,000 Mann. Er fiel zuerst über Blücher her und griff ihn 16. Juni bei Ligny an, ¶