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Berlichingen, Hans von Schweinichen und des Sebastian Schertlin von Burtenbach, des Führers der Städte im Schmalkaldischen Krieg, sowie Hans Sastrows; ferner Christ. Lehmann (gest. 1638, Speierisches Zeitbuch), Phil. v. Chemnitz [* 2] (»Geschichte des schwedischen in Deutschland [* 3] geführten Kriegs«, 1648) und Sam. v. Pufendorf (gest. 1694), der durch sein Lehrbuch der europäischen Staatengeschichte, worin er von einem praktisch-politischen Gesichtspunkt ausgeht und zuerst die Statistik mit der Staatengeschichte in Verbindung bringt, auf die Methodik und den Gang des [* 4] Geschichtstudiums wesentlichen Einfluß ausgeübt hat. Seine Werke über schwedische und brandenburgische Geschichte zeichnen sich durch strenge Wahrheitsliebe und politisches Verständnis aus. Die Reformation fand an J. ^[Johannes] Sleidanus (gest. 1556) einen scharfsinnigen und glücklichen Verteidiger und in den von N. Flacius Illyricus (gest. 1575) u. a. mit Geist gearbeiteten »Magdeburgischen Centurien« ihre gründliche Apologie.
Die Masse der Geschichtsdarstellungen war aber bis in das 18. Jahrh. hinein geist- und kritiklos, entweder bloß eine trockne Aufzeichnung der Thatsachen oder nur der Theologie und der Jurisprudenz dienende Werke. Die großen Sammelwerke aus dem 17. Jahrh., wie das »Theatrum europaeum« (1618-1738, von Ph. Abelin begonnen) und das »Diarium europaeum« (1657-83) von Mart. Mayer, sind ohne Geschmack und Kritik zusammengestellt. Nachdem darauf Rechtsgelehrte, wie J. P. ^[Johann Peter] v. Ludewig (gest. 1743) und N. H. Gundling (gest. 1731), die deutsche Geschichte von der publizistischen Seite aufgefaßt und dargestellt haben, war es vor allen G. W. Leibniz (1646-1716), welcher eine kritische Behandlung der ältern deutschen Geschichte anbahnte und in seinen erst neuerdings gedruckten »Annales imperii occidentis« in fast mustergültiger Weise dieselbe behandelte.
Ihm schlossen sich Graf H. von Bünau (gest. 1762, »Deutsche [* 5] Kaiser- und Reichshistorie«),
Maskow (gest. 1761, »Geschichte der Deutschen«),
Gatterer (gest. 1799, »Handbuch der Universalhistorie«) und L. v. Schlözer (gest. 1809, »Vorstellung der Universalhistorie«) an. Die beiden letztern sind die Begründer der Weltgeschichte in Deutschland. Auch an Chronisten und Sammlern der deutschen Geschichtsquellen allgemeiner wie besonderer Art fehlte es während dieses Zeitraums nicht. Daneben rief die Teilnahme, welche die Zeitgeschichte der ersten Hälfte des 18. Jahrh. erregte, mehrere geschichtliche Zeitschriften und andre Werke hervor, so die »Staatskanzlei«, Schmauß' »Bücherkabinett«, die »Europäische Fama«, das »Göttingische historische Magazin« u. a. Über die Theorie der Geschichtschreibung schrieben zuerst J. A. ^[Johann August] Ernesti (gest. 1781) und J. J. ^[Johann Jakob] Griesbach (gest. 1812), welche die Grenzen [* 6] der historischen Glaubwürdigkeit bestimmten.
Der Aufschwung der Litteratur und der Philosophie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. übte auch auf die Entwickelung der Geschichtschreibung in Deutschland einen bedeutenden u. fördernden Einfluß. Die Schriften Lessings (»Erziehung des Menschengeschlechts«),
besonders aber Herders (»Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit«) und die geschichtlichen Werke Schillers gaben ihr leitende Ideen, freiern Geist, tiefern Gehalt, großartige Anschauungen und eine geschmackvolle, ästhetische Form. Wenn die poetische und philosophische Auffassung Herders, der die geschichtlichen Vorgänge allerdings von den Wolken herab betrachtete, von dem realistischen Schlözer heftig bekämpft wurde, so diente dies nur dazu, auf eine schärfere Kritik der Forschung als ein wesentliches Erfordernis hinzuweisen und so die echte Geschichtschreibung zu fördern. Schon Spittler (gest. 1810) zeigt in seinen Werken, namentlich in dem »Entwurf der Geschichte der europäischen Staaten«, einen erheblichen Fortschritt in der Forschung, Auffassung und Form. Dohms (gest. 1820) »Denkwürdigkeiten meiner Zeit« sind die ersten den großen englischen und französischen Mustern ebenbürtigen deutschen Memoiren. Heerens (gest. 1842) »Ideen über Politik, Verkehr und Handel der Völker des Altertums« machten bereits den Versuch, über die Schranken der politischen und kirchlichen Geschichte hinauszugehen. Johannes v. Müller (gest. 1809) lieferte in seiner »Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft« und den »Vierundzwanzig Büchern allgemeiner Geschichte« Werke, welche durch die edle Gesinnung und die glänzende, hinreißende und erschütternde Darstellung Epoche machten. Auch die historischen Werke Schillers (»Abfall der Niederlande« [* 7] und »Der Dreißigjährige Krieg«) zeichnen sich sowohl durch meisterhafte Darstellung als durch große, weite Gesichtspunkte aus.
Die Erschütterungen und politischen Wechselfälle der Napoleonischen Kriege unterbrachen einigermaßen die gelehrte schöpferische Arbeit in Geschichtsforschung und Geschichtschreibung, ohne bei der Zersplitterung und Enge des öffentlichen Lebens im damaligen Deutschland zu Darstellungen der zeitgenössischen Geschichte, zur Abfassung von Memoiren u. dgl. anzuregen. Dagegen machte sich nach dem Frieden 1814 der Einfluß der romantischen Schule in der Belebung des Interesse an der Geschichte, besonders des Mittelalters, bemerkbar.
Aus der Begeisterung für die Glanzzeit des deutschen Mittelalters ging das große Werk Fr. v. Raumers (1781-1873): »Geschichte der Hohenstaufen«, hervor, in welchem auf Grund umfassender Quellenstudien nicht bloß die Personen, sondern auch die Zustände treu und lebendig geschildert werden und der wahre Geist des Mittelalters uns entgegentritt. Gegenüber den reaktionären kirchlichen und politischen Tendenzen der Historiker der romantischen Schule, welche für das Mittelalter mit seiner Hierarchie und seinem Feudalwesen schwärmten, vertrat Rotteck (gest. 1840) in seiner »Allgemeinen Weltgeschichte« die liberalen Grundsätze der Aufklärung und des philosophischen Fortschritts.
Schlosser (1776-1861) faßte in seiner »Weltgeschichte in zusammenhängender Erzählung« und in seiner »Universalhistorischen Übersicht der Geschichte der Alten Welt und ihrer Kultur« das geistige Leben der Vergangenheit in seiner Gesamtheit und Wechselwirkung, Politik, Litteratur, Sitte und Denkweise auf und schilderte in seiner »Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts« in demselben Umfang diese Zeiten vom Standpunkt des Rechts und der Moral mit herbem Ernst und zuweilen stoischem Rigorismus.
In der Mitte zwischen Rotteck und Schlosser steht Luden (gest. 1847), einst als Lehrer und Geschichtschreiber von bedeutender Wirkung. In der stillen Friedenszeit nach dem Befreiungskrieg, in welcher die Gelehrten von ihren Studien in keiner Weise durch das öffentliche Leben abgezogen wurden, die Regierungen vielmehr die deutschen Hochschulen argwöhnisch von jeder Beschäftigung mit der Politik zurückhielten, vollzog sich nun ein wichtiger Umschwung in Grundsätzen und Zielen der Geschichtsforschung. Der Urheber desselben war B. S. Niebuhr (1776-1831), der die Geschichte Roms kritisch untersuchte. Nicht zufrieden, das Widersprechende der traditionellen Geschichte nachzuweisen und die Irrtümer in den bisherigen römischen Geschichtsdarstellungen ¶
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aufzudecken, bemühte er sich zugleich, »die unter der Hülle der Sagendichtung verborgene Wahrheit zu erkennen und ans Licht [* 9] zu bringen, die ältesten Zustände in ihrer geschichtlichen Wirklichkeit wiederherzustellen, aus den brauchbaren Werkstücken ein neues historisches Gebäude aufzuführen«. Es gelang ihm dies in glänzender Weise, so daß sein Werk das Muster für alle fernern Versuche, die Geschichte des Altertums zu erforschen und darzustellen, wurde.
Man begnügte sich bald nicht mehr mit der kritischen Untersuchung der Schriftsteller, sondern zog auch andre Quellen, Inschriften, Denkmäler u. a. hervor und verwertete die Ergebnisse der Sprachwissenschaft zur Aufhellung der Urgeschichte sowie die Politik und Nationalökonomie zur Erkenntnis der staatlichen und wirtschaftlichen Zustände. Nicht bloß die römische Geschichte, sondern auch die Griechenlands, namentlich aber die des Orients wurde auf diese Weise ganz umgestaltet, zumal da gleichzeitig großartige Entdeckungen an Bauwerken, Denkmälern und Inschriften gemacht wurden. Die zahlreichen Abhandlungen und Spezialgeschichten über die Geschichte des Altertums wurden in Dunckers »Geschichte des Altertums«, Curtius' »Griechischer Geschichte«, Droysens »Geschichte des Hellenismus« und Mommsens »Römischer Geschichte« gewissermaßen zusammengefaßt.
Niebuhrs neue kritische Methode wurde bald auch auf die mittlere und neuere Geschichte übertragen. Hierzu trug wesentlich bei die Stiftung der »Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde« durch Stein, welche die Herausgabe des großen Quellenwerks »Monumenta Germaniae historica« (s. d.) durch Pertz veranlaßte. Dasselbe lieferte das Quellenmaterial für eine Geschichte des deutschen Mittelalters, nach den Grundsätzen der Niebuhrschen Methode bearbeitet, in unerschöpflicher Fülle und regte zu Neubearbeitungen der mittelalterlichen Geschichte an. Die strenge Kritik bei der Sammlung und Sichtung des Materials führte zu dem Streben nach objektiver Wahrheit in der Auffassung und Darstellung, welches besonders bei dem berühmtesten neuern Geschichtschreiber, Leop. Ranke (geb. 1795), und bei seiner Schule hervortritt.
Ranke selbst hat eine Reihe von Geschichtswerken über die deutsche Reformation, die Päpste, Frankreich und England im 16. und 17. Jahrh. u. a. m. geschaffen, welche durch Beherrschung des kritisch gesichteten Materials, welthistorischen Blick, geistreiche Auffassung und künstlerisch vollendete Darstellung ausgezeichnet und wahre Kunstschöpfungen sind, bei denen aber völlige Objektivität des Standpunktes entweder nicht erreicht wird, oder sich in allzu großer Herzenskälte und Indifferenz äußert. Besser gelang die Bewahrung strenger Objektivität manchen Historikern der Rankeschen Schule in der Darstellung mittelalterlicher Personen und Begebenheiten, wie Stenzel, Waitz, Köpke, Jaffé, Winkelmann u. a. Aber auch in der Behandlung des Mittelalters machten sich in größern Werken Standpunkt und Temperament der Verfasser geltend: so ist Wilh. Giesebrechts (geb. 1814) großes Werk über die deutsche Kaiserzeit von patriotischem Geiste durchweht, während Heinr. Leo (gest. 1878) in seinen Geschichtswerken vom christlich-konservativen Standpunkt aus gegen Aufklärung und Revolution eifert und die Konvertiten Hurter (gest. 1865) und A. Fr. Gfrörer (gest. 1861) sowie Joh. Janssen (geb. 1829) offen die päpstliche Hierarchie verteidigen und ultramontane Grundsätze vertreten.
Noch weniger war die Zurückdrängung der politischen und religiösen Anschauungen der Geschichtschreiber bei der Behandlung der neuern Geschichte möglich, da die Reformation, die Gegenreformation, der Dreißigjährige Krieg, das Emporkommen Preußens, [* 10] endlich die Verfassungsgeschichte der modernen Staaten immer von Protestanten und Katholiken, Kleindeutschen und Großdeutschen, Liberalen und Konservativen verschieden beurteilt werden. Den gemäßigt liberalen Standpunkt vertreten besonders Dahlmann (1785-1860) und Gervinus (1805-71), mehr den nationalen Häusser (gest. 1867), v. Sybel (geb. 1817), Droysen (gest. 1884) und Treitschke (geb. 1835). Hervorragendes leistete die neuere Geschichtschreibung in der Bildung eines guten, teilweise glänzenden Stils und lebendiger, anschaulicher, charaktervoller Darstellung.
Sie beschränkte sich nicht auf Deutschland, sondern bearbeitete auch die Geschichte andrer Staaten und strebte immer danach, das Einzelne im Zusammenhang der Weltgeschichte zu begreifen. Es gibt kaum einen Staat, dessen Geschichte nicht von einem Deutschen dargestellt worden wäre. Ferner waren die deutschen Geschichtschreiber auch bemüht, für die neuere Geschichte das vorhandene Material kritisch zu sichten und neues aus Bibliotheken und Archiven zusammenzutragen.
Gefördert wurde dies Unternehmen namentlich durch die Errichtung der »Historischen Kommission« bei der königlichen Akademie in München [* 11] durch König Max II. (1858) und durch die Publikationen der preußischen Archivverwaltung, welche die Veröffentlichung größerer Aktensammlungen möglich machten. Hierdurch wurden nicht nur die Kenntnisse erweitert, sondern auch vielfach durch Vertiefung der Forschung die Wahrheit genau ermittelt und das Urteil geläutert. So entwickelte sich in Deutschland in Geschichtsforschung und Geschichtschreibung ein reges Leben und Arbeiten, durch die Seminare an den Hochschulen, ferner durch Historische Vereine (s. d.) in allen Landschaften begünstigt und sich über alle Zeiten und Länder erstreckend, in lebendigem Zusammenhang mit den Hilfswissenschaften sowie andern Wissenschaften.
Der deutsche Bienenfleiß speicherte zahllose Schriften und Abhandlungen geschichtlichen Inhalts auf. Ihre Ergebnisse wurden dann von Zeit zu Zeit in Geschichtswerken, welche die Geschichte einer Zeit oder eines Volkes umfaßten, oder in Weltgeschichten (besonders der von Ranke und von Weber) zusammengefaßt. Auch die Biographie wurde mehr und mehr gepflegt, und einige vorzügliche Lebensgeschichten erschienen von Droysen (»Leben des Feldmarschalls Grafen York von Wartenburg«),
Varnhagen v. Ense, Springer (»Chr. Friedr. Dahlmann«),
Arneth (»Prinz Eugen von Savoyen«),
Strauß [* 12] (»Ulrich von Hutten«) u. a. Am langsamsten entwickelte sich die Memoirenlitteratur (s. Memoiren), was allerdings auch mit den politischen Verhältnissen zusammenhing.
Vgl. Wegele, Geschichte der deutschen Historiographie (Münch. 1885). -
Über die übrigen historischen Disziplinen, wie Kulturgeschichte, Kunstgeschichte, Kirchengeschichte, Litteraturgeschichte etc., s. die betreffenden Artikel.
Übrige Wissenschaften.
Die Entwickelung der übrigen Wissenschaften historisch zu verfolgen, ist, wie schon erwähnt, hier nicht der Ort; es kann allenfalls nur eine Anzahl Autoren, besonders der neuesten Zeit, als Repräsentanten namhaft gemacht werden, deren Werke sich nicht nur durch Gediegenheit des Inhalts, sondern auch durch schöne Darstellung auszeichnen und daher teilweise Anspruch haben dürften, zum Bestand der Nationallitteratur hinzugezogen zu werden. In dieser Rücksicht sei zunächst an die staatsrechtlichen und politischen Schriften eines Bluntschli (»Geschichte ¶