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wie Herbarts, Schopenhauers in weiterm, Krauses, des Theosophen Baader (gest. 1841), der von der römischen Kirche als Häretiker erklärten katholischen Denker Bolzano (gest. 1848), Hermes [* 2] (gest. 1837), Günther (gest. 1862) in engerm Umkreis, teils die positiven Wissenschaften eingenommen, von denen namentlich die Naturwissenschaften, anfangs aller Philosophie feindlich, allmählich Ausgangspunkt neuer, teils materialistischer, teils idealistischer Philosopheme geworden sind. Schopenhauers System vertrat Frauenstädt, während Ed. v. Hartmann (geb. 1842, »Philosophie des Unbewußten«) eine Verbindung desselben mit Hegelschen Prinzipien durch Anlehnung an Schellings positive Philosophie, Bahnsen (gest. 1881) eine solche mit Herbartschen Prinzipien durch Auflösung des freien Willens in pluralistische Willensindividuen versuchten. Baaders Philosophie fand in Hoffmann, die Hermes' in Braun, Elvenich u. a., die Günthers in Knoodt, Loewe, Frohschammer u. a. Verteidiger, während Ritter, Rothe u. a. Schleiermachers theologische Philosophie umbildeten.
Den Naturwissenschaften gaben J. ^[Jakob] Moleschott, K. Vogt und der populär gewordene L. Büchner durch die Reduktion aller Lebenserscheinungen auf Kraft [* 3] und Stoff eine materialistische, Lotzes (gest. 1881) an Leibniz und Fechners (geb. 1801) an Spinoza erinnernde Weltanschauung dagegen eine idealistische Grundlage. In dem daraus entsprungenen Streit zwischen Materialismus und Idealismus haben sich als Verteidiger des erstern besonders Wiener und Radenhausen, als Gegner desselben R. und A. Wagner, Schaller, Fortlage, Fabri, Frohschammer, Huber u. a. bekannt, während sich A. Lange (gest. 1875) durch seine »Geschichte des Materialismus« verdient machte.
Endlich sind durch die Ergebnisse der Physiologie der Sinnesorgane auch Naturforscher, wie Helmholtz, Wundt, Rokitansky, Czermak, Zöllner u. a., zu einer derjenigen Kants und Schopenhauers verwandten idealistischen Erkenntnistheorie, letzterer sogar zu einer idealistischen Naturbasis zurück-, andre, wie Fritz Schultze und Hankel, durch den Darwinismus zu einer evolutionistischen Naturphilosophie weitergeführt worden. Unabhängig hiervon haben von dem Boden andrer positiver Wissenschaften aus der Aristoteliker Trendelenburg (gest. 1872), der Sprachphilosoph Steinthal (geb. 1823) und der Völkerpsycholog Lazarus (geb. 1824) den Ausgang zu philosophischen Forschungen gewonnen.
Während der Einfluß der deutschen Philosophie im Ausland (Kants in England, Hegels in Frankreich und Italien, [* 4] Herbarts in Italien und Holland, Krauses in Belgien, [* 5] Spanien [* 6] und Südamerika) [* 7] immer fühlbarer wird, macht sich die Wirkung englischer (Mill, Spencer u. a.) und französischer Denker (Comte) neuerdings in Deutschland [* 8] (des letztern positive Philosophie namentlich durch Dühring) geltend, nachdem schon zur Zeit der Herrschaft Hegels ohne Erfolg durch Beneke (gest. 1854) auf dieselben hingewiesen worden.
In der Gegenwart steht die deutsche Philosophie wieder unter dem Einfluß Kants, wie sie vor hundert Jahren darunter gestanden hat. Dieselbe zeigt sich einerseits in der sogen. »Kant-Philologie«, d. h. in der philologisch geschulten Behandlung und Kommentierung des Kantschen Textes (Cohn, Vaihinger u. v. a.),
teils in der Schule des sogen. »Neokantianismus«, dessen Begründer A. Lange und dessen charakteristisches Merkmal die gänzliche Verwerfung der Metaphysik als Wissenschaft und deren Verwandlung in »spekulative Dichtung« ist. Scheint auch die Zeit herrschender philosophischer Systeme für immer vorüber, so waltet auf den Gebieten der einzelnen philosophischen Wissenschaften, der Logik und Erkenntnislehre, Psychologie, Ethik, Ästhetik, vor allen aber der Geschichte der Philosophie rege Thätigkeit, um welch letztere sich insbesondere von Ältern Brucker, Tiedemann, Tennemann, Buhle, von Neuern Ritter, Zeller, Erdmann, Kuno Fischer, Röth, Schwegler, Chalybäus, Haym, Überweg u. a. und als Geschichtschreiber einzelner philosophischer Disziplinen Carus, Hinrichs, Stäudlin, I. H. ^[Immanuel Hermann] Fichte, [* 9] Prantl, R. Zimmermann, Lotze, Schasler u. a. Verdienste erworben haben.
Theologie.
Die Theologie war im Mittelalter die »Königin der Wissenschaften« gewesen, zu welcher alle übrigen in einem dienenden Verhältnis standen. Der Zweifel, ob eine von Aberglauben der Menge und päpstlicher Autorität beschränkte Kenntnis und scholastische Begründung der Dogmen eine Wissenschaft genannt werden könne, tauchte erst gegen Ende des Mittelalters in einzelnen philosophisch und humanistisch gebildeten Köpfen auf. Aber nochmals sammelte die Reformation das Interesse aller bei dem großen Kampf der Geister beteiligten Gelehrten und Schriftsteller Deutschlands [* 10] um theologische Probleme.
Fast sämtliche Vorkämpfer der Reformation, Luther immer voran, nahmen auch auf dem litterarischen Gebiet ihrer Zeit den ersten Platz ein. Leidenschaftliche und verfolgungssüchtige Polemik, dialektischer Unfug und der gröbste Dogmatismus führten zwar wieder zu manchen Rückschritten und machten, daß die Litteratur dieser Zeit wenig Erfreuliches darbot; doch sind wenigstens die rein gelehrten Bestrebungen seither nie wieder zu absolutem Stillstand gebracht worden.
Bekannt sind die Verdienste, welche sich die Benediktiner und andre Orden [* 11] um geschichtliche und patristische Theologie erwarben, während die Protestanten sich besonders um biblische Philologie und Exegese verdient machten. Mit dem Wiederaufblühen deutscher Kunst und Wissenschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. trat eine Krisis auch in dem theologischen Studium ein; die gleichzeitige Entwickelung der Philosophie übte einen entscheidenden Einfluß aus und regte zur gründlichen Prüfung des bisher nur auf Treu und Glauben Angenommenen an. So bildete sich neben der alten Schule der Rechtgläubigen zunächst unter dem Einfluß der Aufklärung eine freiere Auffassung des Christentums heran. Während aber der alte Kampf zwischen Rationalismus und Supranaturalismus allmählich nur noch unter erlahmender Teilnahme des Publikums fortgeführt wurde, hat Schleiermacher (1768-1834) auf Grund eines eigentümlichen Religionsbegriffs der ganzen Theologie einen neuen Inhalt und eine neue Form gegeben. Neben ihm haben nicht bloß De Wette (gest. 1849) die Friessche, Daub (gest. 1836) die Schelling-Hegelsche, Marheineke (gest. 1846) die Hegelsche Philosophie auf die Glaubenslehre angewandt, sondern es war auch der auf das Kantsche System gegründete Rationalismus hauptsächlich durch Röhr (gest. 1848), Paulus (gest. 1851) und Wegscheider (gest. 1849), minder scharf durch Bretschneider (gest. 1848) und Ammon [* 12] (gest. 1850) vertreten. Die breite Mitte im theologischen Fahrwasser der 30er und der 40er Jahre bildete die von Schleiermacher nach rechts sich abzweigende, eine Zeitlang fast alle Fakultäten beherrschende »gläubige Theologie«, auch »Vermittelungs-« oder »Schwebetheologie« genannt, als deren hervorragende Vertreter von mehr reformierter Färbung Hundeshagen, Hagenbach, Heppe, auf lutherischer Seite Nitzsch, Twesten, ¶
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Ullmann, Umbreit, Dorner, Jul. Müller gelten können. Dagegen vertraten das spezifische Luthertum Klaus Harms, Scheibel, Sartorius, Rudelbach, Guerike, Harleß, Höfling, Philippi, Hofmann, Martensen, Luthardt, Kahnis, Kliefoth, Delitzsch, [* 14] Vilmar. Ihnen schloß sich mit der Zeit auch Hengstenberg (gest. 1869) an, dessen streng rückläufige Richtung besonders in den 50er und 60er Jahren obenauf kam und alles zur Unterdrückung der sogen. Schleiermacherschen Linken that, welche von Krause, Pischon, Jonas, Sydow, Eltester vertreten war.
Auf dem Gebiet der einzelnen theologischen Disziplinen herrschte fortwährend große Betriebsamkeit. In der biblischen Exegese zeichneten sich aus: De Wette, Winer, Fritzsche, Credner, Hitzig, Ewald, Tholuck, Bleek, Lücke, Olshausen, Bunsen, J. Fr. ^[Johann Friedrich] v. Meyer, Lange, Stier etc. Aber eigentliches Leben brachte erst die neutestamentliche Kritik in die moderne Theologie, so zuerst seit 1835 David Friedr. Strauß [* 15] (gest. 1874), dann die »Tübinger Schule« unter F. Chr.
Baur (gest. 1860), als dessen namhafteste Schüler Zeller, Schwegler, Hilgenfeld zu nennen sind. Neuerdings arbeiten mehr oder weniger in derselben Richtung auch Holsten und Volkmar, Lipsius und Pfleiderer, Holtzmann und Hausrath. 30 Jahre nach dem ersten Erscheinen von Strauß' »Leben Jesu« gab das gleichnamige Buch von Renan einen Anstoß zur neuen Untersuchung der geschichtlichen Grundlagen des Christentums und rief mehrere andre Werke hervor, welche gleichfalls die Person Jesu und die von ihm ausgegangenen Wirkungen geschichtlich zu begreifen strebten, und um welche eine ganze Litteratur polemischer Schriften sowie vermittelnder Versuche anschloß. So erschienen 1864 die neue Bearbeitung des »Lebens Jesu« von Deutsche [* 16] F. Strauß, die »Untersuchungen über evangelische Geschichte« von Weizsäcker, das »Charakterbild Jesu« von Schenkel, bald darauf die »Geschichte Jesu« von Keim, nachträglich auch noch Schleiermachers und Bunsens Forschungen über das Leben Jesu. Den großartigsten Gedankenbau aber hat nach Schleiermacher Richard Rothe (gest. 1867) in seiner »Ethik« aufgeführt. Für kirchengeschichtliche Arbeiten erwiesen sich besonders anregend Neander (gest. 1869) und Karl Hase [* 17] (geb. 1800), während die Dogmengeschichte von F. Chr.
Baur, Dorner und Ritschl gepflegt wurde. Die wichtigsten neuern Schriftsteller auf dem Gebiet der katholischen Kirchengeschichte und Dogmatik sind: Hermes, Möhler, Döllinger, Alzog, Ritter. Sonst bietet die neuere theologische Litteratur meist kleinere, dem Angriff, der Verteidigung und der Vermittelung gewidmete Schriften, wie sie das Bedürfnis des Augenblicks, der Kampf auf dem kirchlichen Gebiet hervorriefen. Daneben äußerte sich aber auch, besonders seit 1848, das Bestreben, das Volk wieder lebhafter für religiöse Erbauung zu erwärmen, den kirchlichen Sinn zu heben und die christliche Liebe wachzurufen. Daher ist die theologische Litteratur der letzten Jahre vor allem reich an Streitschriften und asketischen Werken. Von den durch den Druck veröffentlichten gesammelten Kanzelreden haben die von Schleiermacher, Dräseke, Ahlfeld, Hofacker, Nitzsch, Theremin, Krummacher, Harleß, Gerok, Kapff, Beyschlag, Palmer, Beck, Kögel, Müllensieffen, Steinmeyer, Karl Schwarz und Heinrich Lang eine weite Verbreitung erlangt.
Geschichte.
Die Geschichte, die in der deutschen Litteratur gegenwärtig einen so hohen Rang einnimmt und eine fast überwältigende Fülle von Leistungen aufweist, fand schon frühzeitig Bearbeitung und zwar bis ins 14. Jahrh. hinein vorzugsweise von Geistlichen und in lateinischer Sprache. [* 18] Zahlreiche ihrer Arbeiten, meist auf engere Kreise [* 19] beschränkt und im beliebten Chronikenstil oder in Form von Biographien abgefaßt, sind durch Sammlerfleiß und chronologische Genauigkeit, mitunter auch durch Richtigkeit und Feinheit des Urteils ausgezeichnet.
Mehr Volkstümlichkeit und reichern Gehalt an Mitteilungen aus dem öffentlichen Leben haben allerdings die spätern, in deutscher Sprache geschriebenen Geschichtsbücher, wenn sie auch an politischem Urteil den italienischen und an eigentümlicher Selbständigkeit den französischen Memoiren nicht gleichgestellt werden können. Unter den Historikern in lateinischer Sprache, deren Werke auf unsre Zeit gekommen sind, mögen vorzüglich die Biographen Karls d. Gr.: Einhart, Konrads II.: Wipo, und Friedrichs I. Barbarossa: Otto von Freising, sowie die Geschichtschreiber der Ottonen: Widukind, und der Sachsenkriege: Lambert von Hersfeld, erwähnt werden. Zu den ältesten deutsch geschriebenen Geschichtswerken gehören die »Sächsische Weltchronik« (Repgowsche Chronik) aus dem Anfang des 13. Jahrh., die »Braunschweiger Reimchronik« und die Straßburger Chronik des Fritsche Closener (Ende des 14. Jahrh.). In den Anfang des 14. Jahrh. fällt die »Reimchronik« Ottokars von Steiermark. [* 20] Andre wichtigere Werke jener Periode sind: das »Elsässische Zeitbuch« (bis 1386) von Jakob Twinger aus Königshofen;
die »Limburger Chronik« von Johannes Gensbein (gest. nach 1402);
die niederdeutsche »Chronik von Bremen« [* 21] von G. Rynesberch (gest. 1406) und H. Schene (gest. um 1420; das »Schweizerische Zeitbuch« von Petermann Etterlin aus Luzern; [* 22] die »Chronik der Stadt Köln« [* 23] von Gottfried Hagen [* 24] (gestorben vor 1300);
die »Duringische Chronik« (bis 1440) von J. ^[Johannes] Rothe;
die »Geschichte König Sigismunds« von Eberhard Windek;
die »Geschichte des Kostnitzer Konzils« von Ulr. v. Richenthal;
die »Berner Chronik« (1152-1480) von Diebold Schilling aus Solothurn; [* 25] die »Magdeburger Schöppenchronik«, die Nürnberger Chronik des Ulmer Stromer, die Breslauer des Peter Eschenloer, die Breisacher Reimchronik über die Burgunderkriege (1432-80) u. a. Im sinnbildlichen Gewand ist die Geschichte Kaiser Maximilians I. dargestellt im »Weißkuning« von seinem Geheimschreiber Marx Treizsauerwein.
Weniger wurde unmittelbar vor und nach der Reformation geleistet; die beliebte Methode, die Universalgeschichte nach den herkömmlichen vier Monarchien (der chaldäischen, persischen, griechischen und römischen) zu behandeln, fand sogar noch durch R. Agricola (gest. 1485) und Sleidanus (gest. 1556) in Deutschland Anwendung.
Erst Philipp Melanchthon drang auf ein gründlicheres Studium der Geschichte und erwarb sich durch die Herausgabe von Carios deutsch geschriebener Chronik (1532), die er bei seinen Vorträgen über Weltgeschichte zu Grunde legte, und den von ihm dazu verfaßten reichhaltigen Kommentar ein großes Verdienst. Die Sprache der Geschichtswerke des 16. Jahrh. ist kindlich einfach, nach Geist und Ton volkstümlich und dem bürgerlichen Hausverstand entsprechend, später artete sie aus und teilte die allgemein herrschenden Fehler des Ausdrucks. Am bedeutendsten treten hervor: Johann Thurmayr, genannt Aventinus (gest. 1534, Bayrische und Deutsche Chronik);
Th. Kantzow (gest. 1542, Pommersche Chronik);
Sebastian Frank (gest. 1545, Zeitbuch, Deutsche Chronik);
Ägidius Tschudi (gest. 1572, Schweizerische Chronik);