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Bube, E. v. Feuchtersleben, die Elsässer Adolf und August Stöber, Ludw. Pfau, Alex. Kaufmann, Feodor Löwe, Fr. Kugler, Gottfr. Kinkel, der auch die lyrisch-epische Gattung (»Otto der Schütz« und »Der Grobschmied von Antwerpen«) [* 2] mit Erfolg kultivierte; Titus Ulrich (»Hohes Lied«),
die geistlichen Liederdichter A. Knapp, Ph. Spitta u. a. Als Epiker versuchten sich außerdem O. Gruppe (gest. 1876, »Königin Bertha«, »Theudelinde«),
Friedr. v. Heyden (gest. 1851, »Das Wort der Frau«, »Der Schuster von Ispahan«),
Max Waldau (Spiller von Hauenschild, gest. 1855, »Cordula«). Der spezifischen Tendenzdichtung traten im Drama Friedr. Halm (Freih. v. Münch-Bellinghausen, 1806-71, »Griseldis«, »Sohn der Wildnis«),
K. v. Holtei (1797-1880), in gewissem Sinn die Lustspieldichter Roderich Benedix (1811-73) und Eduard v. Bauernfeld (geb. 1802),
die bühnenkundige Charlotte Birch-Pfeiffer (gest. 1868) entgegen, während R. Griepenkerl (gest. 1868, »Robespierre«),
J. L. ^[Julius Leopold] Klein (gest. 1877), A. Dulk (gest. 1884) u. a. das rhetorische Tendenz- und originelle Kraftdrama zu pflegen strebten. Der Roman und die Novelle zeigten einzelne große Begabungen ausschließlich in ihrem Dienst, so Wilibald Alexis (Wilh. Häring, 1797-1871), dessen Romane mit dem Hintergrund der preußisch-märkischen Geschichte, der norddeutschen Landschaft sich teilweise, namentlich in »Cabanis«, »Der falsche Waldemar«, »Die Hosen [* 3] des Herrn von Bredow«, »Ruhe ist die erste Bürgerpflicht« und »Isegrimm«, zur vollen Höhe poetischer Meisterschaft erhoben;
so Charles Sealsfield (Postel, 1793-1864),
der in den Romanen: »Der Virey« und »Der Legitime und der Republikaner« Kraft [* 4] der Gestaltung und glänzende Schilderungsgabe entfaltete;
J. P. ^[Philipp Joseph] v. Rehfues (gest. 1843, »Scipio Cicala«),
Jerem. Gotthelf (Bitzius, 1797-1854),
der drastische und getreue Darsteller schweizerischen Volkslebens;
Berthold Auerbach [* 5] (1812-82),
der durch seine »Schwarzwälder Dorfgeschichten« der Erzählung neue Gebiete eröffnete, die er selbst in einer langen Folge von Novellen und größern Romanen (»Auf der Höhe«, »Das Landhaus am Rhein«, »Waldfried« etc.) bald frisch darstellend, bald allzu reflektiert bearbeitete.
Auerbach fand zahlreiche Nachahmer, wie Jos. Rank (»Aus dem Böhmerwald«),
Melch. Meyr (gest. 1871, »Erzählungen aus dem Ries«),
W. O. v. Horn (W. Örtel, gest. 1867).
Im modernen und historischen Roman repräsentierten Heinrich König (1790-1869), Ida Gräfin Hahn-Hahn (gest. 1880) in ihren blasierten wie in ihren spätern ultramontan gefärbten Erfindungen, A. v. Sternberg (gest. 1868), L. Starklof u. a. die Nachwirkung der jungdeutschen Tendenzrichtung, während die Romane von Henriette Paalzow (gest. 1847, »Godwie Castle«, »Thomas Thyrnau«),
die feinen Naturbilder und Novellen Adalbert Stifters (1800-1868) in den »Studien« und »Bunten Steinen«, die Dichtungen von Ernst Koch (gest. 1858, »Prinz Rosa Stramin«),
die vortrefflich erzählten, aber fast ausschließlich der leichtern Unterhaltung dienenden Schriften des fruchtbaren Karl Spindler (gest. 1855), die Romane von K. Herloßsohn, Aug. Lewald, K. v. Wachsmann, Robert Heller und zahlreichen andern erwiesen, daß das Publikum fortfuhr, ein Bedürfnis nach einer nicht oder minder tendenziösen Litteratur zu empfinden. Die jungdeutsche Litteraturauffassung war dem Erfolg glänzender und pikanter Reiseschilderer, weltgewandter oder weltgewandt scheinender Essayisten und humoristischer Schriftsteller mit scharfem Wortwitz und zeitgemäßen Einfällen besonders günstig. Unter vielen seien hier Fürst Pückler-Muskau (Semilasso, 1785-1871), Theodor v. Kobbe (gest. 1845), M. G. Saphir (gest. 1858), Adolf Glaßbrenner (gest. 1876, »Berlin [* 6] wie es ißt und trinkt«, »Neuer Reineke Fuchs«), [* 7]
E. Detmold [* 8] (gest. 1856, »Herr Piepmeier«) erwähnt. - In der wissenschaftlichen Prosa nahm die Zahl der vorzüglich geschriebenen Bücher während dieses Zeitraums zu, ohne daß man alle vortrefflich geschriebenen Werke von ihrem Fachgebiet hinweg zur allgemeinen Nationallitteratur rechnen dürfte.
XI. Zeitraum.
Die Zeit nach 1848.
Die litterarische Entwickelung seit 1848 ward im allgemeinen dadurch charakterisiert, daß das Übergewicht und die Alleinherrschaft der Tendenzlitteratur aufhörten, obschon weder die bezüglichen Erscheinungen noch die Anstrengungen, ausschließlich diesen Erscheinungen zur Geltung zu verhelfen, völlig verschwinden konnten. Dafür machten sich nach 1848 und namentlich vom siebenten Jahrzehnt unsers Jahrhunderts an eine unleugbare Herabstimmung der idealen Gesinnung und der künstlerischen Begeisterung (an der auch die große nationale Erhebung des Jahrs 1870 zunächst nur wenig zu ändern vermochte), weiterhin ein bedenklicher Einfluß des Industrialismus der Massenproduktion selbst auf wirkliche Talente, die Übertragung der für die Wissenschaft fruchtbaren Spezialitätsrichtung und Arbeitsteilung auf das künstlerische Gebiet geltend, wo sie verderblich wirken mußte, weil das poetische und litterarische Talent auf Durchbildung und Darlegung seiner ganzen Natur, nicht auf technische Vervollkommnung einer besondern Fertigkeit angewiesen ist.
Der Drang zu mühelosem Erwerb und rücksichtslosem Genuß mußte auf geistigem Gebiet manche Verwüstung hervorbringen, und eine immer stärkere Zersetzung der Begabungen, eine bedenkliche Überhebung und leichtfertige Urteilslosigkeit griffen in weiten Kreisen Platz, verwirrten und verwilderten das Publikum. Die Richtungen und Bestrebungen der neuesten Litteratur zeigen daher eine Reihe von harten Gegensätzen und Widersprüchen, eine so bunte Mannigfaltigkeit, daß nur wenige eigenartige Gruppen und besondere Naturen schon jetzt im Zusammenhang zu charakterisieren sind und die Aufzählung des mehr oder minder Vortrefflichen in den einzelnen Kunstformen genügen muß.
Die veränderte Stimmung des Publikums unmittelbar nach 1848 trat zuerst aus der Thatsache hervor, daß eine Art Nachromantik, hauptsächlich vertreten durch Oskar v. Redwitz mit seiner Dichtung »Amaranth«, vorübergehend geradezu glänzende Erfolge errang. Auf den Gang [* 9] der Entwickelung im großen und ganzen hatten diese und noch flüchtigere äußerliche Neigungen des Publikums keinen entscheidenden Einfluß. Die nächsten Jahre brachten die Reife und die besten Leistungen namentlich solcher Talente, welche schon in den 40er Jahren hervorgetreten waren, und ließen eine Menge neuer Namen zur Geltung kommen.
Daß die Zeit eine Zeit gewaltiger äußerer und innerer Kämpfe, schwerer Zweifel und eines die reinsten Wirkungen der Kunst mannigfach gefährdenden trüben Ernstes blieb, lehrte die gesamte Produktion eines so hervorragenden Dichters wie Friedr. Hebbel (1813-63), in dessen Dramen (»Judith«, »Maria Magdalena«, »Herodes und Mariamne«, »Agnes Bernauer«, »Gyges und sein Ring«, »Die Nibelungen« u. a.) und übrigen Dichtungen (»Gedichte«, »Mutter und Kind«) sich eine gewaltige ursprüngliche Genialität und Naturkraft ¶
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mit einer Neigung zur zersetzenden Reflexion, [* 11] ein tiefes Kunstgefühl mit phantastischen Übertreibungen und Verirrungen paaren. Den Neigungen des deutschen Publikums besser entgegenkommend zeigte sich die Entwickelung einer minder genialen, aber klaren, vielseitigen Dichterbegabung wie diejenige Gustav Freytags (geb. 1816). Mit Dramen beginnend, welche moderne Lebenskreise in einer eigenartigen Mischung von Ernst und Ironie darstellten (»Die Valentine«, »Graf Waldemar«, »Die Journalisten«),
in den sozialen Romanen: »Soll und Haben« u. »Die verlorne Handschrift« mit Glück das Leben und die Ideale des gebildeten Bürgertums von heute gestaltend, in der großen Romanfolge »Die Ahnen« eine Reihe mehr oder minder wirksamer historischer Erzählungen gebend, welche die Entwickelung eines deutschen Geschlechts von den Tagen der Völkerwanderung bis zur jüngsten Vergangenheit verkörpern, als Essayist durch seine vorzüglichen »Bilder aus der deutschen Vergangenheit« ausgezeichnet, nimmt Freytag einen hohen Rang auch für diejenigen ein, welche der spezifisch »realistischen Schule«, die er mit begründet, keineswegs die gesamte Zukunft der deutschen Poesie zusprechen.
Dem Realismus gehörte auch die starke und tiefe, in Tragödien (»Der Erbförster«, »Die Makkabäer«) und Erzählungen (»Die Heithereithei« ^[richtig: Heitherethei], »Zwischen Himmel [* 12] und Erde«) bethätigte Dichterkraft von Otto Ludwig (1813-65) an. Andre realistische Poeten, die vielversprechend begannen, waren Edm. Höfer (gest. 1882, »Erzählungen aus dem Volk«, »Schwanwieck«, »Gedichte«, eine lange Reihe von größern Romanen, darunter: »Altermann Ryke«, »Unter der Fremdherrschaft«),
M. A. Niendorf (gest. 1878, »Die Hegler Mühle«),
Theod. Fontane (Balladen, »Vor dem Sturm«, Roman; »Wanderungen durch die Mark Brandenburg«; [* 13] stimmungsvolle Novellen),
F. Chr. Scherenberg (gest. 1881) mit den Schlachtgemälden: »Waterloo«,
[* 14] »Leuthen«
[* 15] und »Abukir«. In den zahlreichen Romanen und Erzählungen F. W. Hackländers (gest. 1877, »Bilder
aus dem Soldatenleben«, »Namenlose Geschichten«, »Eugen Stillfried« etc.) verflüchtigte sich der Realismus schon wieder zu
äußerlicher Genredarstellung und Unterhaltungslitteratur. Über den spezifischen Realismus hinaus strebte das kräftige
und originelle lyrische und erzählende Talent des Schweizers Gottfried Keller (geb. 1819), dessen »Gedichte«, der
Roman »Der grüne Heinrich«, die Novelle
nsammlungen: »Die Leute von Seldwyla« und
»Züricher Novellen«, die »Sieben Legenden« sich den besten und selbständigsten poetischen Schöpfungen der jüngsten Periode
hinzugesellen.
Die Berufung einer größern Zahl von poetischen und litterarischen Talenten durch den kunstsinnigen König Maximilian II. von Bayern [* 16] gab Anlaß, von einer »Münchener Dichterschule« zu sprechen, ohne daß sich indes bei den höchst verschiedenartigen Talenten, die um die poetische Tafelrunde des Bayernkönigs momentan vereinigt wurden, ein andrer gemeinsamer Grundzug nachweisen ließe als eine stärkere Betonung [* 17] der poetischen Form und größere künstlerische Freude an derselben, als sonst der Litteratur der Gegenwart eigentümlich ist, eine Bevorzugung des formellen Elements, welche sich bei einzelnen schwächern, unselbständigen Talenten zu einer Art Alexandrinismus steigerte. Nächst Eman. Geibel, dessen bereits gedacht ist, erwies sich Paul Heyse (geb. 1830) in lyrisch-epischen Dichtungen (»Novellen in Versen«, »Skizzenbuch aus Italien«, [* 18] »Thekla«, »Syritha«),
in Dramen (»Elisabeth Charlotte«, »Ludwig der Bayer«, »Hadrian«, »Hans Lange«, »Kolberg«, [* 19] »Alkibiades«, »Don Juans Ende« u. a.),
im Roman (»Kinder der Welt«, »Im Paradies«),
namentlich aber in einer langen Reihe von fein gestimmten, farbenreichen, zum Teil vollendeten Novellen als das glücklichste und vielseitigste Talent dieses Kreises. Demselben gehörten ferner an: Fr. Bodenstedt (geb. 1819), ausgezeichnet als Übersetzer, in den eignen lyrischen Dichtungen (»Lieder des Mirza Schaffy«, »Einkehr«, »Aus Mirza Schaffys Nachlaß« u. a.) formgewandt und voll naiv-heiterer, an Hafis anklingender Lebensweisheit; der farbenreiche Herm. Lingg (geb. 1820, »Die Völkerwanderung«, »Gedichte«),
der kulturhistorische Schriftsteller und kräftige Erzähler W. H. Riehl (geb. 1824),
der Poet und Essayist Fr. v. Löher (»General Sporck«, »Reiseschilderungen«),
Julius Grosse (»Das Mädchen von Capri« [* 20] und andre epische wie lyrische Dichtungen),
Will. Hertz (»Gedichte«, »Lancelot und Ginevra«, »Bruder Rausch«),
F. A. v. Schack (»Durch alle Wetter«, [* 21] erzählende Dichtungen; Meisterübertragung des Firdusi). - Eine andre charakteristische Gruppe in der modernen Poesie bilden diejenigen Dichter, welche aus der Fülle der gelehrten Detailforschung neue Elemente und Farben für die Litteratur zu gewinnen strebten. Dies führte teils zu originell lebensvollen, teils zu gewaltsam erzwungenen archäologisch-philologischen Produktionen, bei denen die Poesie zu kurz kam. Der bedeutendste, kräftigste, poetisch vollberechtigte Vertreter dieser Richtung ist Joseph Viktor Scheffel (geb. 1826) mit lyrischen und lyrisch-epischen Gedichten (»Gaudeamus«, »Frau Aventiure«, »Der Trompeter von Säckingen«) und historischen Romanen aus der deutschen Vergangenheit (»Ekkehard«, »Juniperus«).
Ferner gehören hierher: R. Hamerling (»Ahasver in Rom«, [* 22] »Der König von Zion«, Epen; »Aspasia«, Roman),
Georg Ebers (mit den ägyptischen Romanen: »Eine Königstochter«, »Uarda«, »Homo sum«, »Die Schwestern«, »Der Kaiser«),
Franz Trautmann (»Herzog Christoph«),
Felix Dahn (»Gedichte«, »Ein Kampf um Rom«, »Sind Götter?«, »Odhins Trost«, »Felicitas«) und zahlreiche andre. Hängt die Besonderheit dieser poetischen Richtung noch mit der Entwickelung der Wissenschaft und der wachsenden Teilnahme eines breitern Publikums an dieser Entwickelung zusammen und darf insofern autochthon genannt werden, so erscheint die Wandlung des Realismus in einen sogen. Naturalismus oder »Verismus«, der hauptsächlich im Häßlichen schwelgt und die Brutalität allein für »Wahrheit« erachtet, durchaus als Nachahmung.
Die Erfolge Zolas in Frankreich, diejenigen der naturalistischen Romandichter in Rußland haben eine Anzahl von deutschen Nachahmern erweckt, und die »Wahrheit« wird der poetischen Gestaltung und der absichtslosen Lebensfülle echter Poesie ebenso entgegengestellt wie früher die politische Tendenz. Auch die Schule der Naturalisten wird eine vorübergehende sein und der wirklichen Poesie, die über aller Mode steht und jede Mode überdauert, wiederum Raum geben.
Bei vielen noch in der Entwickelung begriffenen oder auf ein kleines Gebiet beschränkten Bestrebungen der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart erweist sich eine Gesamtcharakteristik und Gruppierung zunächst als unmöglich. Als talentvolle Lyriker erwarben sich Anerkennung: Wolfgang Müller von Königswinter;
Julias Hammer [* 23] (trefflich in gnomischen und lehrhaften Poesien);
Julius Sturm, dessen Lieder keusche und wahre Frömmigkeit atmen;
Otto Roquette, der volksmäßige Töne in jugendfrischen Liedern anschlug;
Klaus Groth, dessen plattdeutsche Dichtungen von ¶