(spr. derriä),Charles, franz. Stempelschneider und Schriftgießer, geb. zu
Moissey
(Jura), erlernte die
Buchdruckerkunst in
Besançon
[* 8] und bildete sich selbst zum
Graveur, Stempelschneider und Schriftgießer
aus, ersann und erbaute auch selbst in eigner Werkstatt die für seinen Guß erforderlichen eigenartigen
Maschinen. Derriey hat die Buchdruckerei mit einer außerordentlichen Anzahl künstlerisch vollendeter
Einfassungen und
Verzierungen
sowie mit zahlreichen
Sortimenten von Zierschriften bereichert; das von ihm herausgegebene
»Album«, in welchem er seine
Schöpfungen
in ihren
Elementen und in prachtvollen Anwendungen zur
Anschauung brachte, ist ein Meisterwerk der
Typographie
aller
Zeiten. Er starb in
Paris.
[* 9]
Gawriil Romanowitsch, der bedeutendste russ. Dichter des 18. Jahrh.,
geb. 3. Juli
(a. St.) 1743 zu
Kasan,
[* 10] Sohn eines armen
Edelmanns, besuchte das
Gymnasium seiner Vaterstadt, trat dann 1762 als
Soldat in das Preobrashenskische
Regiment in
Petersburg
[* 11] ein und erhielt 1772 den ersten Offiziersrang. Im folgenden Jahr wurde
er in der
Suite des
Generals Ribikow gegen
Pugatschew nach Südrußland geschickt, wo er sich mehrfach auszeichnete, den
Rang
eines Kapitänleutnants und ein
Gut erhielt, worauf er 1777 in den Zivildienst überging.
Bis 1779 hatte Dersháwin, unter dem Einfluß
Lomonossows stehend, nichts Selbständiges geschaffen; erst in diesem Jahr erschien
seine zum Krönungsfest der
KaiserinKatharina II. gedichtete, ohne sein
Wissen von der Fürstin
Daschkow veröffentlichte
Ode
»Felitza«, welche der
Kaiserin ausnehmend gefiel und dem Dichter ein ansehnliches
Geschenk einbrachte.
Nun stieg
Dersháwin ziemlich rasch die Stufenleiter zu den höchsten
Ehren hinan. 1775 wurde er zum
Gouverneur von
Olonez, 1778 zum
Gouverneur
von
Tambow ernannt, aber von diesem
Posten durch die
Ränke seiner Feinde, die seine rücksichtslose Offenheit sowie auch seinen
Eigensinn nicht vertrugen, bald wieder enthoben und sogar vor
Gericht gestellt. Dersháwin gelang es indessen,
die
Kaiserin von seinem
Recht zu überzeugen,
und sie ernannte ihn 1791 zu ihrem
Staatssekretär. 1792 wurde er Geheimrat und
Senator, 1794
Präsident des
Kammergerichts, 1799 unter dem
KaiserPaul Reichsschatzmeister.
Unter der
RegierungAlexanders I. endlich zum Justizminister ernannt, blieb er in
dieser
Stellung bis 1803,
wo er um seinen
Abschied einkam. Er starb 9. Juli
(a. St.) 1816 auf seinem
Landgut Swanka im Nowgorodschen. In seiner Vaterstadt
Kasan wurde ihm 1843 ein Denkmal errichtet. Dershawins
Poesien zeichnen sich durch
Kraft
[* 12] des
Ausdrucks, Pracht der
Bilder, Originalität
der
Gedanken und feine, schöpferische Behandlung der
Sprache
[* 13] aus. Es kann sich bis
Puschkin kein einziger
russischer Dichter mit Dersháwin messen. Er war ein glühender Verehrer der
KaiserinKatharina II., und diese Verehrung begeisterte
ihn zu manchem schönen, von hohem dichterischen
Pathos getragenen Gedicht (obwohl man anderseits auch manche von hohlen
Phrasen
strotzende Gedichte bei ihm findet, welche der »Hofdichter«
geschrieben); er war aber auch ein
Freund der
Wahrheit, eine ehrliche, kernige, leicht aufbrausende
Natur, eine in der Zeit
und in der Umgebung, in welcher er lebte, seltene
Erscheinung.
die in alle europäischen
Sprachen und selbst ins
Japanische (ins Deutsche
[* 14] von
Altmann,
Notter,
Bodenstedt u. a.) übersetzt wurde. Gesamtausgaben der Werke Dershawins sind seit 1798 mehrfach
erschienen; die letzte ist die vom
AkademikerGrot herausgegebene und mit zahlreichen interessanten Anmerkungen versehene in 7
Bänden
(Petersb. 1864-72). Die von ihm hinterlassenen
Memoiren wurden erst lange nach seinem
Tod veröffentlicht (»Zapiski Dersháwin«, Mosk.
1860). Die beste
Biographie des Dichters lieferte
Grot (Petersb. 1880).
Name der mohammedan.
Mönche. Obwohl
Mohammed sagte: »Es ist kein Mönchtum im
Islam«,
gewann doch die
Neigung des
Wüsten bewohnenden Arabers zum einsamen und beschaulichen
Leben bald das Übergewicht
über das
Wort des
Propheten, und ein andres: »Die
Armut ist mein
Ruhm«, mußte zum Deckmantel dienen, unter welchem sich das
Mönchtum schon 30 Jahre nach des
ProphetenTod in den
Islam einschlich. Seitdem haben sich in
Arabien,
Persien,
[* 18]
Zentralasien
[* 19] und
der Türkei
[* 20] die
Orden
[* 21] der
Fakire
(Armen) und Derwische sosehr vermehrt, daß man von 72
Orden der Derwische
spricht, wovon indessen im osmanischen
Reich nur die Hälfte vertreten ist.
Zwölf dieser
Orden sind
vor derGründung des osmanischen
Reichs, die andern aber erst seit dem Beginn des 14. Jahrh. gestiftet worden, der erste,
der der Nakschbendi, unterOsman (1319), der letzte, der der Dschemali, unter
Achmed III. (1750). 37 Jahre
nach der
Flucht des
¶
Berühmter ist der ScheichAbd ul Kadir Gilani, der Stifter der Kadiri (1165), welcher zu Bagdad die Stelle des Grabhüters des
großen ImamsAbu Hanife bekleidete, und um dessen eignes Grab sich zu Bagdad die Gräber der berühmtesten mystischen Scheichs
gruppieren, so daß die Stadt davon den Ehrennamen des Bollwerks der Heiligen erhalten hat. Der Orden der
Rufai (gestiftet 1182 von SeidAhmed Rufai) ist den europäischen Reisenden von Konstantinopel
[* 24] aus der bekannteste durch die
Kunststücke des Säbelverschlingens, Feuerfressens und andre Gaukeleien.
Sie führen den Ursprung ihrer Ordensgeheimnisse bis zu dem InderBabaReten zurück, welcher vor und nach
dem Propheten ein halbes Jahrtausend gelebt, sich in Syrien und dann in den Alpen
[* 25] des Taurus aufgehalten und den Gebrauch jenes
aus Haschisch verfertigten Opiats zuerst aus Indien gebracht haben soll, nach welchem die Meuchler des Alten vom Berge Haschischin
(von den Europäern in Assassinen verderbt) genannt wurden. Zunächst nach den feuerfressenden Rufai kommen
der Zeitfolge nach die Jünger des Scheichs Schehabeddin Sohrawerdi (gest. 1205), welche Nurbachschi, »die
Lichtschenkenden«, heißen.
Aus diesem Orden sind später Dschelaleddin Rumi, der Stifter der Mewlewi (gestiftet 1273), der Dichter der Lichtlehre, und
HadschiBeiram (gest. 1471), der Stifter der Beirami, hervorgegangen. Um dieselbe Zeit wurde in Ägypten
[* 26] der Orden der Bedewi gestiftet, der nur Beduinen den Zutritt gestattet. Unter allen vor derGründung des osmanischen Reichs gestifteten
Orden ist der der Mewlewi um seiner poetischen Mystik willen der angesehenste. Sein Einfluß wuchs, als Konia, der Sitz seiner
Scheichs, dem osmanischen Reich einverleibt ward, hier das Studium persischer Litteratur und Dichtkunst aufblühte
und mit den Fortschritten darin auch die Lichtlehre der Sofis, deren vorzüglichstes Organ Dschelaleddin Rumi war, nicht nur
in der Zelle
[* 27] des Anachoreten, sondern auch in dem Kabinett des Staatsmanns mehr und mehr Aufnahme fand, so daß der Orden
der Mewlewi als die bürgerliche Brüderschaft der Herren von der Feder, d. h. der Efendis oder Kanzleien, wie der Orden der Bektaschi,
gestiftet von HadschiBektasch (gest. 1357), als die militärische Brüderschaft der Herren des Säbels, d. h. der Janitscharen,
zu betrachten ist und deshalb nach Ausrottung dieser Prätorianer starken Verfolgungen ausgesetzt war.
Zu Konia residiert noch jetzt der General (Schehabeddin) der Mewlewi in einem Kloster mit 500 Zellen und mit 500 Mönchen, von
denen immer 400 auf Missionen sind. Er ernennt die Scheichs aller Klöster seines Ordens und schnallt dem neuen Sultan stets
den SäbelOsmans um. Die Saadi, von Saadeddin Dschebari 1335 gestiftet, sind Gaukler, welche mit den Taschenspielerkünsten
der Unverbrennbaren auch noch die der Schlangenbezauberer vereinigen. Später gestiftete Orden sind die der Ruscheni (1533),
der
Schemsi (1601) und der schon genannten Dschemali (1750). In der größten Blüte
[* 28] befindet sich heute das Ordenswesen in
Zentralasien, wo die Ischane, d. h. Ordenshäupter, trotz ihres heftigen
Kampfes mit der Ulemawelt sich des größten Einflusses auf die großen Massen der Moslems erfreuen. Jenseit des Oxus am meisten
beliebt ist der der Nakschbendi, in der Türkei der der Mewlewis.
Im allgemeinen wohnen die Derwische vereinigt in Klöstern (Tekkije oder Chankah); einige sind auch verheiratet und
dürfen dann außer dem Kloster wohnen, müssen aber wöchentlich einige Nächte im Kloster schlafen. Sie fasten, kasteien sich,
üben strenge Gebräuche, führen gewisse religiöse Tänze auf, deren Hauptschwierigkeit in einem oft stundenlangen, meist
aber 5-7 Minuten anhaltenden Drehen genau auf einer Stelle, erst mit auf der Brust gekreuzten, dann über
den Kopf gehobenen Armen, wobei ihr weiter, gelöster Rock einen Kreis um sie bildet, besteht, worauf sie oft besinnungslos niederfallen
(tanzende Derwische).
Noch toller treiben es die heulenden Derwische, wozu die schon genannten Bedewi und Rufai gehören. Die Derwische tragen
eine Tesbih (Rosenkranz) mit 33, 66 oder 99 Kügelchen, die sie nach Art eines Rosenkranzes abbeten. Da
das Kloster ihnen keine Kleidung gewährt und sie, mit Ausnahme der Bektaschi (der eigentlichen Bettelmönche), auch nicht betteln
dürfen, so müssen sie durch Handarbeit sich etwas zu verdienen suchen. Sie sind mild, wohlthätig und tolerant gegen die
Christen.
IhreKleidung besteht je nach den verschiedenen Orden in einem langen, wollenen, dunkeln Kittel, einem weiten,
dunkelgrünen, bis auf die Knöchel reichenden, dünnen Rock darunter und einer hohen, zuckerhutähnlichen, spitzen Mütze (Kulah).
Sie müssen aber als Abzeichen ihres Standes den Teber (Axt) zum Totschlagen der Leidenschaften, die Hirka (Mönchsmantel), den
Asa (Stock) und den Keschkul (Schale) immer bei sich haben. Viele mohammedanische Fürsten, auch türkische
Sultane, achteten die Derwische sehr hoch und beschenkten ihre Klöster reichlich, und noch jetzt sind sie nicht ohne politischen
Einfluß. Sie sind durch das ganze türkische Reich verbreitet und stehen beim Volk in hohem Ansehen.
Vgl. P. Brown, The dervishes,
or oriental spiritualism (Lond. 1868);