mehr
keins seiner bürgerlichen Rechte, darf sich nach seinem Gefallen beschäftigen und sich in einem bestimmten Umkreis frei bewegen. Doch steht er unter der Aufsicht des Bürgermeisters, der auch die Briefe einsieht, welche der Verbannte in die Heimat schreibt. Unter dieser Klasse befinden sich die meisten der wegen politischer Vergehen Verurteilten. Der den Bataillonen zugeteilte Verbannte steht unter einer strengen Disziplin, hat aber ebenfalls die Vergünstigung, unter der Aufsicht seiner Vorgesetzten Briefe in die Heimat schreiben und solche von daher empfangen zu dürfen.
Auch erhält der Verurteilte, wenn ihm seinem Stand nach keine Arbeit zugemutet werden kann und er mittellos ist, von der Regierung ein Jahrgeld. Die dritte Klasse, die der Kolonisten (Poselentzi), entrichtet in den ersten drei Jahren keine Abgabe, in den folgenden sieben Jahren nur die Hälfte, und erst nach Verlauf von zehn Jahren ist sie denselben Auflagen unterworfen wie die Kronbauern, erlangt aber auch dieselben Rechte. Die vierte Klasse, die der Bergwerksarbeiter, ist rechtlos und steht vollständig außer dem Gesetz.
Die anstrengende Arbeit, schlechte Kost und üble Behandlung machen dem Leben dieser Elenden ein baldiges Ende. Die fünfte Klasse, die der Arrestantenkompanien, wird in den Zuchthäusern zu den niedrigsten und entehrendsten Arbeiten gebraucht, geht fortwährend in Ketten und trägt den Kopf halb geschoren. Der Verbrecher kann durch gutes Betragen von einer Klasse zur andern aufrücken, bis er als Kolonist zu einem Wohlsein gelangt, das größer ist, als das der frühern Leibeignen Rußlands.
Durch die Thätigkeit dieser Menschenklasse gewinnt der
Staat für seine nordasiatischen Besitzungen die
Kräfte, deren er
bedarf, um die
Schätze jenes
Landes auszubeuten. Für
Sibirien sind die Deport
ierten nicht die
Geisel, die sie für andre
Länder
werden, obgleich es auch hier nicht an übeln
Erscheinungen fehlt. Das französische
Strafgesetzbuch
(Code pénal) vom führte
die Deport
ation als schwere und infamierende
Strafe an dritter
Stelle nächst der
Todesstrafe und der
Verurteilung
zu lebenslänglicher Zwangsarbeit auf.
Während der
Kriege des ersten Kaiserreichs hinderte jedoch die
Unterbrechung des
Verkehrs mit den
Kolonien die Ausführung der
Deport
ation, und an die
Stelle derselben trat lebenslängliche
Detention des Verurteilten im Inland. Bei der
Revision des
Code pénal 1832 wurde
dieser thatsächliche Zustand, welcher bis dahin fortbestanden hatte, zu einem rechtlichen gestaltet.
Die Deport
ation nach den
Kolonien wurde indessen durch
Gesetz vom wieder in das Strafsystem aufgenommen, und zwar unterschied
man nunmehr zwischen Deport
ation ersten und zweiten
Grades.
Die erstere wird an einem sicher umschlossenen überseeischen
Orte (dans une enceinte fortifiée) verbüßt.
Hierzu war das
Thal
[* 2] von Waitahu auf der im Markesasarchipel gelegenen
Insel Tahuata bestimmt. Die Déport
ation simple, bei
mildernden Umständen und geringern
Verbrechen anwendbar, sollte auf der
Insel
Nukahiwa vollstreckt werden. Die Sträflinge
sollten nicht der strengen
Aufsicht unterliegen wie bei der Deport
ation ersten
Grades. Indessen wurde die Deport
ation nach
Algerien
[* 3] und später nach
Guayana (Hauptstadt
Cayenne) vorgezogen.
Verschiedene
Dekrete dehnten die
Strafe aus, welche namentlich auch auf
politische Verbrechen Anwendung fand. Die
Nebenstrafe
des bürgerlichen
Todes dagegen, welche bis dahin mit der Deport
ation verbunden gewesen war, wurde durch das Deportationsgesetz
vom beseitigt. Was aber die
Sache für
Frankreich so unklar und schwierig machte, ist der Umstand,
daß neben der Deport
ation als
Strafe noch
die sogen. Transportation als eine Maßregel der allgemeinen Sicherheit gehandhabt
und nicht selten gemißbraucht ward.
Man verstand darunter die Wegsendung politisch verdächtiger und der Sicherheit gefährlicher Individuen.
Endlich wurden
auch gemeine Verbrecher transportiert, um die
Strafe der Zwangsarbeit in französischen
Kolonien zu verbüßen. Durch
Dekret
vom wurde
Neukaledonien
[* 4] zum Vollstreckungsort für die Transportation bestimmt. Inzwischen hatte ein
Gesetz vom die
Deport
ationsstrafe für alle Transportierten angedroht, welche eigenmächtig nach
Frankreich zurückkehren würden.
Der Aufstand der Kommune 1871 ließ die Deportation als politische Strafe wieder aufleben. Das Gesetz vom bezeichnete Neukaledonien als Deportationsort. Dazu kamen verschiedene Ausführungsbestimmungen, namentlich die Anordnung, daß bei der einfachen Deportation der Deportierte einen Erlaubnisschein zu gewerblicher und landwirtschaftlicher Thätigkeit, zunächst nur provisorisch, nach fünf Jahren aber definitiv, erhält. Neuerdings hat man die Deportation als Strafe gegen rückfällige Verbrecher sanktioniert.
Der Deportierte kann jedoch nach sechsjähriger Abwesenheit in die Heimat zurückkehren, wenn er sich über gute Führung, über Dienste, [* 5] welche er der Kolonie erwiesen, und über die nötigen Subsistenzmittel ausweisen kann. Die Deportation ist über jedes Individuum zu verhängen, welches innerhalb des Zeitraums von zehn Jahren, in welcher Zeit die Strafjahre nicht mit inbegriffen sind, zwei Verurteilungen zu Zwangsarbeit oder Zuchthaus erlitten oder neben Einer solchen Strafe wegen schwerer Verbrechen zu Gefängnis oder zu mehr als drei Monaten Einschließung wegen Diebstahls, Betrugs, Unterschlagung, Vergehens gegen die Sittlichkeit, wegen Vagabondierens, Bettelns oder Arbeitsscheu zweimal verurteilt worden ist, endlich auch gegen jeden, der vier Verurteilungen zu Gefängnis wegen qualifizierter Verbrechen oder zu einer längern Einschließung wegen der vorgenannten strafbaren Handlungen erlitten hat.
Unter Umständen kann auch nach sieben Verurteilungen die Deportation erfolgen, wenn nur zwei davon wegen solcher Verbrechen und Vergehen und auf mehr als drei Monate erfolgt sind. In England wurde durch das unter Elisabeth gegebene Gesetz zuerst Verbannung als Strafe für Gauner und Vagabunden festgesetzt, aber darin kein Verbannungsort besonders angegeben. Der Gebrauch, Verbrecher nach den britisch-nordamerikanischen Kolonien zu transportieren, datiert von Jakobs I. Regierung, von 1619, her. Da jedoch bei Ausführung dieses Systems große Mißbräuche einrissen, so wurde im vierten Regierungsjahr Georgs I. die Deportation nach Nordamerika [* 6] durch eine Parlamentsakte geregelt. Da damals Kanada noch den Franzosen gehörte, so waren Neuengland und andre Provinzen der jetzigen nordamerikanischen Union und außerdem auch wohl die britisch-westindischen Kolonien die einzigen Länder, nach denen die im britischen Reich zur Deportation verurteilten Verbrecher gebracht werden konnten.
Nachdem sich aber die erstgenannten Kolonien vom Mutterland losgerissen hatten, wurde Neusüdwales in Australien [* 7] als Verbannungsort gewählt, welches alle Vorteile, die anderwärts fehlten, zu vereinigen schien. Die Hauptzwecke der britischen Regierung bei der Gründung der Kolonie von Neusüdwales waren folgende: das Mutterland von der Plage einer täglich zunehmenden Anhäufung von Verbrechern in den Gefängnissen und Zuchthäusern zu befreien;
einen passenden Ort für die sichere Bewachung und die Bestrafung dieser Verbrecher wie auch für deren spätere und allmähliche Besserung zu ¶
mehr
haben und eine britische Kolonie aus den allmählich gebesserten Verbrechern und den Familien freier Auswanderer, die von Zeit zu Zeit sich veranlaßt sehen möchten, in dem neuentdeckten Land sich anzusiedeln, zu bilden. Später wurden Strafkolonien in Tasmania und Westaustralien errichtet, bis 1858 die Deportation als Strafmittel vollständig beseitigt ward.
Vgl. v. Holtzendorff, Die Deportation als Strafmittel (Leipz. 1859);
d'Haussonville, Les établissements pénitentiaires en France et aux colonies (Par. 1875);
Bertheau, De la transportation des récidivistes incorrigibles (das. 1882).