mehr
entgegentritt, liegt jene
Gefahr weniger nahe. Hier herrscht das
Volk nur mittelbar durch die von ihm periodisch gewählten
Vertreter, zu denen die tüchtigsten
Kräfte und die
Besten aus dem
Volk herangezogen werden sollen, so daß man die repräsentative
Demokratie
nicht mit Unrecht eine Wahlaristokratie genannt hat. Wird es dann zur
Wahrheit, daß die
Tugend, nach
Montesquieu das
Prinzip der Demokratie
, das bestimmende
Moment für das politische
Leben des
Volkes und seiner Vertreter wird, dann kann
sich der
Staat auf der breiten
Basis der
Gleichheit aller
Staatsbürger zu jener hohen
Blüte
[* 2] und die
Vaterlandsliebe der Staatsgenossen
zu jener großartigen Opferfreudigkeit erheben, wie sie sich in der nordamerikanischen
Union gezeigt hat.
Allerdings ist nicht zu verkennen, daß in dem europäischen Staatsleben das monarchische
Prinzip zu fest gewurzelt zu sein
scheint, als daß die Demokratie
hier auf die Dauer
Boden gewinnen könnte, wenn man auch nicht so weit gehen will wie
Dahlmann, der
es als »Unsinn und
Frevel« bezeichnete, wollte man unsern von monarchischen
Ordnungen durchdrungenen
Weltteil in
Republiken des
Altertums umwandeln. Zudem haben wir in der konstitutionellen
Monarchie diejenige Staatsform gefunden, welche unbeschadet des
monarchischen
Prinzips auch dem
Volk seinen
Anteil an der
Staatsverwaltung und an der
Gesetzgebung sichert.
Dem aristokratischen
Prinzip dagegen ist die moderne Zeitrichtung nicht günstig, während demokrat
ische
Grundsätze in unserm Staatsleben mehr und mehr zur Geltung gelangt sind. Dahin gehören insbesondere die Rechtsprechung
in
Strafsachen durch Volksgenossen, die
Selbstverwaltung der
Gemeinden, die Mitwirkung des
Volkes durch seine Vertreter bei der
Gesetzgebung und im
Deutschen
Reich wie in einzelnen deutschen
Staaten neuerdings auch das
allgemeine Stimmrecht.
Die konstitutionelle
Monarchie selbst charakterisiert sich als eine
Verbindung des monarchischen und des demokrat
ischen
Prinzips,
indem
sie der
Volksvertretung das Steuerbewilligungsrecht, das
Recht der
Kontrolle der Staatsfinanzverwaltung und damit der
Verwaltung
überhaupt und vor allen
Dingen das
Recht der Mitwirkung bei der
Gesetzgebung einräumt. Der Volkswille
kommt hier durch die Volksvertreter in bestimmender
Weise zur Geltung. Die Souveränität aber bleibt dem Monarchen. Sie findet
in der Unverantwortlichkeit desselben ihren
Ausdruck; aber seine
Anordnungen auf dem Gebiet der
Staatsverwaltung und der
Gesetzgebung
bedürfen der
Gegenzeichnung des
Ministers, welcher die Verantwortlichkeit gegenüber der
Volksvertretung zu
übernehmen hat. Man hat daher die konstitutionelle
Monarchie auch wohl eine demokrat
ische
Monarchie genannt und von demokrat
isch-konstitutionellen
Monarchien gesprochen.
Freilich ist der Umstand, daß man seit langer Zeit gewöhnt ist, den
Ausdruck Demokratie
als die Bezeichnung einer Staatsform zu
gebrauchen, geeignet, über das
Wesen der Demokratie
als politischer Parteirichtung Mißverständnisse aufkommen
zu lassen. Man denkt sich die demokrat
ische
Partei schlechthin mit dem Endziel einer
Republik, einer Demokratie
als Staatsform, während
sich in den letzten Jahrzehnten nicht wenige
Politiker als
Demokraten bezeichneten, welche an dem monarchischen
Prinzip festhielten.
Auch jetzt nennen sich z. B. die Angehörigen der süddeutschen Volkspartei Demokraten, ohne damit die Beseitigung der Monarchie als ihr Endziel bezeichnen zu wollen. Auch in Preußen [* 3] haben neuerdings Liberale die Parteibezeichnung der Demokratie wieder aufgenommen (Philipps, Lenzmann u. a.), ohne etwa die Monarchie abschaffen zu wollen, wie denn auch 1848 der Führer der preußischen Demokraten, Benedikt Waldeck, [* 4] die konstitutionelle Monarchie als sein Ziel bezeichnete.
Waldeck formulierte die damaligen Forderungen der Demokratie folgendermaßen: »Wir Demokraten wollen das Urwählerrecht, Selfgovernment, Gleichheit der Besteuerung und gleiche Rechte vor dem Gesetz«. Jener Umstand, daß man unter Demokratie als politische Partei diejenige versteht, welche den Schwerpunkt [* 5] in die Verwirklichung des Volkswillens auf dem Gebiet der Gesetzgebung und der Verwaltung des Staats gelegt wissen will, macht es auch erklärlich, daß man selbst in einer demokratischen Republik, also in einem Staat, in welchem die Demokratie als Staatsform zu Recht besteht, gleichwohl von einer besondern Partei der Demokratie sprechen kann. So stehen sich in den Vereinigten Staaten [* 6] von Nordamerika [* 7] die beiden großen Parteien der Demokraten und der Republikaner gegenüber.
Allerdings wollen die Gegner derjenigen, welche demokratische Prinzipien vertreten, diesen vielfach nicht zugestehen, daß ihre Bestrebungen mit dem monarchischen Prinzip verträglich seien, und man behauptet nicht selten, daß die demokratische Parteirichtung zur Demokratie als Staatsform führen müsse. Die bloße Parteibezeichnung Demokratie schließt dies indessen, wie gesagt, keineswegs in sich, ebensowenig, wie die Bezeichnung »Aristokratie« für die mehr konservativen Elemente der Nation und für alle diejenigen, welche im öffentlichen Leben eine bevorzugte Stellung einnehmen oder doch einnehmen wollen, die Annahme begründen könnte, daß es sich auf seiten der Angehörigen einer Aristokratie in diesem Sinn um das Streben nach einer aristokratischen Staatsform handle.
Anders liegt die Sache allerdings bei der Sozialdemokratie, welche die Errichtung eines freien Volksstaats, also einer Republik, mit sozialer Gleichstellung aller Volksgenossen anstrebt (s. Sozialdemokratie). Daher liegt die Frage nahe, ob es sich nicht empfehlen möchte, die Parteibezeichnung Demokratie für diejenigen, welche an der Monarchie festhalten, ganz fallen zu lassen, da sie nur zu leicht zu Mißverständnissen Veranlassung geben kann.
Vgl. außer den Lehrbüchern des Staatsrechts und der Politik: Zöpfl, Die Demokratie in Deutschland [* 8] (2. Aufl., Stuttg. 1853);
Schvarčz, Die Demokratie (Leipz. 1877 ff., Bd. 1);
Derselbe, Elemente der Politik (Pest 1880 ff.);
May, Democracy in Europe (Lond. 1877, 2 Bde.).