Bundesgenossenschaft wichtig. Infolge der
Heiligkeit des Apollontempels ward seit 476 die Bundeskasse hier bewahrt. Einige
Jahrzehnte später kam die
Insel in Abhängigkeit von
Athen,
[* 2] erfreute sich aber nach dem
Sturz dieser Macht durch die Mazedonier
von neuem der
Freiheit. Als Handelsplatz blühte die Stadt Delos, deren
Ruinen nördlich von denen des
Tempels
liegen, erst nach
Korinths Zerstörung auf, namentlich ward sie ein vielbesuchter Sklavenmarkt und wegen ihrer Zollfreiheit
Mittelpunkt des
Verkehrs zwischen dem
SchwarzenMeer und
Alexandria.
Ein schwerer
Schlag, von dem sie sich nie wieder erholte, traf die
Insel, welche selbst die
Perser geschont hatten, im Mithridatischen
Krieg. Menophanes, der
Feldherr des
Mithridates, landete 87 mit einer Truppenabteilung bei der offenen Stadt,
ermordete und verkaufte die wehrlosen Einwohner und plünderte und zerstörte die Stadt und das Heiligtum mit seinen zahlreichen
Kunstschätzen. Nach dem
Friedensschluß (84
v. Chr.) kam Delos in die
Hände der
Römer,
[* 3] die es später den Athenern zurückgaben.
Jetzt bildet die ganze
Insel eine mit Schutt und Trümmern bedeckte Einöde. Von den Prachtbauten des
Altertums sind noch einige
Trümmer des Apollontempels, des
Theaters und
Gymnasiums vorhanden; Homolles
Ausgrabungen legten diejenigen des Letoon, des
Artemision, des Schatzhauses etc. frei. Auf dem Kynthos, wo das älteste Apollonheiligtum
und in römischer Zeit ägyptische Kultstätten lagen, finden sich auch Reste einer aus antiken Trümmern
erbauten fränkischen
Burg.
Neben Delos liegt jenseit einer 0,6 km breiten
Meerenge die
InselRheneia (»Groß-Delos«),
die den
Begräbnisplatz von Delos bildete,
da auf dem heiligen Delos niemand geboren werden, auch niemand sterben und ein
Grab finden durfte (Delos selbst
wurde 426
v. Chr. durch die
Athener von den früher dort bestatteten
Leichen gereinigt). Sie besteht aus zwei mehrfach ausgezackten
Bergmassen, die bis 150 m ansteigen und durch einen schmalen
Isthmus miteinander verbunden sind; sie ist 17 qkm groß, noch
öder und kahler als Delos und wird wie dieses nur zeitweise von
Hirten und
Schiffern besucht.
(griech. Delphoi), kleine, aber wegen ihres berühmten
Orakels wichtige Stadt
Griechenlands, in
Phokis am Parnaß,
lag in einer
Höhe von 700 m auf einer halbkreisförmigen Berglehne unterhalb zweier steil abstürzender
Felswände (Phädriaden und Hyampeia genannt), ringsum von einer großartigen, feierlich-ernsten
Natur umgeben. Am
Fuß der
Hyampeia entspringt die
Kastalische Quelle, die im
Altertum einen Lorbeerhain tränkte und dann durch Delphi zum
Fluß Plistos herunterfloß.
Der oberste Teil der amphitheatralisch aufsteigenden Stadt enthielt innerhalb einer Umfassungsmauer den
großen Apollontempel, den eigentlichen Sitz des
Orakels, nebst mehreren kleinern
Tempeln, Priesterwohnungen, Thesauren (Schatzhäusern
zur
Aufbewahrung der Weihgeschenke) etc. Auch das
Theater,
[* 4] die
Lesche der Knidier, eine Art
Herberge, geschmückt mit berühmten
Wandgemälden des Polygnot
(Darstellungen aus dem trojanischen
Sagenkreis), ferner das
Grabmal des
Neoptolemos, die
Stoa der
Athener,
das Buleuterion
(Rathaus) u. a. befanden sich hier.
Der älteste
Name von Delphi, der schon bei
Homer vorkommt, war
Pytho, weil
Apollon
[* 5] dort den
DrachenPython erlegt und dadurch den
Anbau möglich gemacht hatte. Vor
Apollon wurden andre
Götter
(Gäa,
Themis,
Poseidon)
[* 6] hier verehrt.
Der Apollontempel selbst
war, nachdem ein ältererBau 548
v. Chr. abgebrannt war, durch den
Baumeister Spintharos aus
Korinth
[* 7] besonders
auf
Kosten des reichen athenischen
Geschlechts der
Alkmäoniden prachtvoller denn zuvor aufgebaut und 478 vollendet worden.
Er war im dorischen
Stil aufgeführt und auf allen Seiten mit Bildwerken reich verziert. Am Eingang fiel der
Blick auf
Sprüche
dersieben Weisen, als:
»Erkenne dich selbst«,
»Nichts zu sehr« u. a. Die
Cella des
Tempels umschloß außer
einer Apollonstatue den
Omphalos (Erdnabel), einen kegelförmigen
Block von weißem
Marmor, der als der
Mittelpunkt der
Erde galt;
dahinter, im
Opisthodom, befand sich die eigentliche Orakelstätte, ein Erdschlund, aus welchem ein kalter, angeblich begeisternder
Luftzug emporstieg.
Über demselben stand ein kolossaler eherner
Dreifuß mit einem Sitz für die Priesterin
(Pythia). Die Oberleitung des
Orakels
befand sich in den
Händen von fünf Hauptpriestern, die durchs
Los aus gewissen
Familien Delphis auf Lebenszeit gewählt wurden
und großen Einfluß auf die Orakelsprüche hatten. Die
Pythia mußte über 50 Jahre alt, von ehrlicher
Herkunft und in ihrem Lebenswandel unbescholten sein; auch trug sie jungfräuliche
Kleidung. Übrigens durften nur
Männer
das
Orakel befragen, und jeglicher mußte vorher beten und opfern.
Durch
Fasten, einen Trunk aus der
Quelle
[* 8] Kassotis und
Kauen von Lorbeerblättern vorbereitet, begab sich sodann die
Pythia ins
Adyton und bestieg nach mancherlei geistaufregenden Vorbereitungen den lorbeergeschmückten
Dreifuß. Allmählich
brachte
sie der aufsteigende Luftzug in
Ekstase, und unter krampfhaften Zuckungen stieß sie einzelne
Worte aus, welche der
neben ihr stehende
Priester (der
Prophetes) auffing und, zu einem Spruch ausgeführt, dem Fragenden verkündete.
Die Orakelsprüche waren, wie das in derNatur der
Sache lag, meist rätselhaft und verschiedener
Auslegung
fähig. In älterer Zeit wurden sie in poetischer Form gegeben, später mußte
Prosa genügen. Übrigens war die ganze Umgebung
der Stadt voll von geweihten Stätten und
Erinnerungen und dem
Volk ein Heiligtum sowie der Schauplatz hoher
Feste (die pythischen
Agonen). In zahlloser
Menge prangten hier unter dem
Schutz des
Gottes die Meisterwerke der
Kunst, die Kostbarkeiten
und frommen Weihgeschenke der
Völker, der
Städte und der
Könige.
Als Entdecker des delphischen
Orakels nennt die
Sage den
Hirten Koretas, der, durch seine
Ziegen aufmerksam gemacht, in den Erdschlund
sah. Die erste
Gründung eines Heiligtums
zu D. wird auf die benachbarte Stadt
Krisa, eine kretische
Kolonie,
zurückgeführt, unter deren Oberherrschaft Delphi in der
Folge stand.
Da es eine dorische
Gründung war, so breitete sich sein
Ansehen besonders durch die
dorische Wanderung (1104
v. Chr.) aus.
Mittelpunkt einer großen hellenischen Amphiktyonie, welche
besonders nord- und mittelgriechische
Staaten umfaßte, und deren Vertreter
(Hieromnemonen) jährlich zweimal
sich versammelten, ward das delphische Heiligtum ein Hauptfaktor der
Entwickelung und Verbreitung des
Hellenismus.
Lange Zeit
hindurch wirkte es fast bei jedem wichtigen Ereignis, bei jedem Unternehmen von höherer Bedeutung mit; die Wirren des öffentlichen
und privaten
Lebens, die
Anordnungen der Gesetzgeber und die gottesdienstlichen Einrichtungen unterlagen
seiner
Entscheidung. Auch die Wiederherstellung und feste Einrichtung der
Olympischen Spiele durch Lykurg und
Iphitos wurde
unter delphischen
Auspizien vorgenommen. Die
Pythia war
¶
mehr
eine religiös-politische und selbst sittlich-wirksame Macht, von der die größten Dichter, namentlich Pindar, Äschylos und
Sophokles, mit hoher Ehrfurcht sprechen, und an welche von allen Seiten feierliche Gesandtschaften abgingen, Rat, Aufklärung
und Verhaltungsmaßregeln begehrend. Schon die Alten sammelten die Sprüche des Orakels, und noch jetzt besitzen wir deren genug,
um die vielseitige Wirksamkeit des Instituts zu erkennen. Aber auch im Ausland war das delphische Heiligtum
ein mächtiges Organ für die Verbreitung des Hellenismus, teils durch die zahlreichen Kolonien, welche auf des Gottes Befehl
die Griechen nach Kleinasien, Italien,
[* 10] Sizilien,
[* 11] Afrika
[* 12] etc. sandten, teils durch die Verbindung, in welche fremde Völker
und Herrscher (Gyges, Krösos, Tarquinius Superbus) mit dem Orakel traten.
Die Oberherrschaft Krisas über die Stadt und das Heiligtum dauerte noch lange nach der dorischen Wanderung fort, bis der Mißbrauch
derselben zu einem Kriege gegen die Krisäer führte, der 586 mit der Zerstörung der Stadt endigte. Das Gebiet derselben ward
eingezogen und dem Gott als Eigentum gegeben, die Einwohnerschaft zu Tempelsklaven gemacht. Delphi wurde dadurch selbständiger;
der dortige Rat bestand aus den Mitgliedern der delphischen Adelsfamilien. Doch hatte Delphi öfters mit den Phokern Streitigkeiten,
so 447, wo Perikles die Phoker unterstützte, während Delphi von SpartaHilfe erhielt.
Hatte noch zur Zeit der Perserkriege das Orakel den wohlthätigsten Einfluß auf das Zusammenhalten der
Griechen gegen den Nationalfeind geübt, so begann mit dem Peloponnesischen Krieg, mit der wachsenden Aufklärung und dem religiösen
Indifferentismus sein Verfall. Die Delphier selbst übervorteilten die zuströmenden Fremden und dienten in den politischen
Wirren der die meisten Vorteile versprechenden Partei, meist die Zerwürfnisse fördernd, statt zu versöhnen
und zu vereinigen. Im Peloponnesischen Krieg finden wir den pythischen Apollon auf der Seite der Peloponnesier als der Kontinentalmacht,
weshalb Perikles die Athener gegen ihn einzunehmen suchte.
Ein neuer Glücksstern schien für Delphi aufzugehen, nachdem 279 wie durch ein Wunder die Macht der Gallier unter Brennus in der
unmittelbaren Nähe des Heiligtums (wie 480 die der Perser) zurückgescheucht worden war. Sulla und Nero durften jedoch später
ungestraft die damals noch vorhandenen delphischen Kunstschätze wegschleppen. Erst seit Hadrian begann
mit der neubelebten Achtung vor GriechenlandsKunst, Religion und Litteratur auch wieder eine bessere Zeit für Delphi, eine zweite
und letzte Blüte,
[* 13] deren beredter Zeuge Plutarch ist.
Mit dem Untergang des hellenischen Heidentums schließt dann auch die Geschichte Delphis. Von den Kirchenvätern angegriffen,
von den Neuplatonikern verteidigt, von Konstantin d. Gr. für sein Konstantinopel
[* 14] geplündert, zuletzt noch von Julianus vor
seinem Zug
nach Persien
[* 15] befragt, wurde das Orakel von Theodosius d. Gr. gegen Ende des 4. Jahrh. für erloschen
erklärt und geschlossen. An der Stelle des alten Delphi liegt jetzt ein ärmliches, von Albanesen bewohntes
Dorf,
Kastri.
Von dem prachtvollen, oftmals geplünderten Apollontempel sind noch Reste des Unterbaues vorhanden, auch sonst zahlreiche
Trümmer: Mosaikfußboden, Säulenreste, Sarkophage etc.;
am besten erhalten ist eine halb in Felsen gehauene Rennbahn.