Verwirrung. »Nirgends wohl«, sagt
Schweinfurth, »sieht man auf so beschränktem
Raum, wie ihn die kleinen Kulturstrecken in der
Umgebung der Dêm (Ansiedelungen)darbieten, eine derartige Anhäufung zusammengewürfelter
Rassen.« Die Bewohner des
Landes
sind echte
Neger. Im O. trifft man auf die schon früher bekannten
Bongo oder
Dor; weiter westlich folgen
Golo und Ssêre, oft untereinander gemischt. Die Ssêre, ursprünglich ein Sklavenstamm der
Niam-Niam, scheinen erst in neuerer
Zeit und zwar infolge der
Entvölkerung des
Landes durch den
Sklavenhandel von S. her eingewandert zu sein.
Äußerlich den
Bongo ähnlich, unterscheiden sich doch Golo und Ssêre sprachlich von jenen und nähern sich
in ihren
Sitten und
Gebräuchen den
Niam-Niam. Am weitesten westlich, am Biri, wohnen die
Kredsch, aus einer Unzahl kleiner
Stämme
bestehend. In kleinern
Mengen sind
Niam-Niam und im N. Baggara-Araber im Land angesiedelt. Dar Fertit
[* 2] ist noch immer eine der wichtigsten
Domänen des
Sklavenhandels und infolgedessen stark entvölkert. Die ursprünglicheBevölkerung,
[* 3] ausgezeichnet
durch sanfte Gemütsart, beschäftigt sich vorzugsweise mit
Ackerbau und ist durch die kaum zu erschwingende Zahl der von
den verschiedenen im Land seßhaften ägyptischen
Handelsgesellschaften benötigten
Träger,
[* 4] durch Kornmangel und Knechtung
durch die vielen aus
Dar Fur und
Kordofan stammenden
Fremden in einen sehr traurigen Zustand versetzt worden.
Von ihren verpalissadierten Niederlassungen (Seriben) aus durchstreifen die ansässigen Dschellaba (Sklaven-
und Elfenbeinhändler) das Land weit und breit, alles verwüstend,
Not und Unglück überall hinbringend. Da der Elfenbeinhandel
stark im Abnehmen begriffen ist, so erscheinen die nach
Kordofan,
Dar Fur etc. ausgeführten Sklaven als das Hauptprodukt des
Landes, welches nominell wenigstens von den Ägyptern in
Besitz genommen ist. Die wichtigste Niederlassung
ist die
Seriba Siber im Kredschland. S.
Karte »Congoländer«.
zwischen 10-14° nördl.
Br. und 22-28° östl. L. v. Gr.
gelegen, wird im O. von
Kordofan, im S. von
Dar Fertit, im W. von
Wadai, im N. von der
Libyschen Wüste begrenzt und bildet eine
ungeheure
Oase von 452,000 qkm (8200 QM.)
Umfang, in welcher einzelne wüste
Striche und Grassteppen mit
Urwald abwechseln. Durch
die Mitte zieht in der
Richtung von
NO. nach
SW. eine
Reihe von vulkanischen Gebirgsmassen mit erloschenen
Kratern
(Dschebel Medob, bis 1100 m,
DschebelMarrah, bis 1830 m hoch, mit zahlreichen andern
Spitzen, dazwischen
Dschebel Tagabo
und
Wanda). Es ist der am besten bewässerte und daher am dichtesten bewohnte Teil.
Von hier kommen alle Gewässer; die im N. und
NO. den
Gebirgen entströmenden vereinigen sich zum
Wadi el
Melk, welcher bei Debbeh in den
Nil mündet; im O. nimmt
Wadi el
Koh alles
Wasser auf und verliert sich später in der weiten
Ebene im S., im W. führen
Wadi Barreh oder Turah und
Wadi Azum in das
Wadi Cadja und zum
Bahr el Salamat,
im S. zieht
Wadi Gendy zum
Bahr el Arab. In der
Regenzeit bildet der südliche Teil des
Landes einen großen
See, in der Trockenzeit
ist der fette
Boden von
Spalten zerrissen.
Der östliche Teil (Gize) ist wie der westliche sandig, hier wird nur wenig Getreidebau getrieben; der
nördliche ist gleichfalls wenig angebaut, aber im mittlern wird
Ackerbau auf
Weizen, Duchn, Durra,
Sesam,
Baumwolle
[* 7] u. a. emsig
betrieben. Vielfach wird der starke einheimische
Tabak
[* 8] gebaut, im S. gedeiht die
Delebpalme und an der Ostgrenze noch der
Affenbrotbaum.
An
Metallen
(Gold,
[* 9]Kupfer,
[* 10]
Antimon,
Blei,
[* 11]
Eisen)
[* 12] scheint das Land reich zu sein, doch werden nur
Kupfer und
Eisen gewonnen.
Salz
[* 13] erhält man durch Auslaugung des
Bodens. Überall sieht man ungeheure
Herden, im N. ausschließlich von
Kamelen, im S. von
buckligen oder langhörnigen
Rindern und
Schafen.
Ziegen gibt es überall,
Pferde
[* 14] aber wenig; die letztern
sind klein, aber sehr ausdauernd. Die Einwohner, deren Zahl
Mason auf höchstens 1½ Mill. schätzt, bestehen zur Hälfte
aus For, den Bewohnern des gebirgigen zentralen Teils, 500,000 Arabern, im übrigen aus Tukruri und
Fulbe. Die
For (s. Tafel
»AfrikanischeVölker«,
[* 15] Fig. 11), ein Negervolk, sind der herrschende
Stamm; sie sind sehr reinlich und
fleißig, fanatische Mohammedaner von weit höherer
Bildung als die Nubier, fertigen Baumwollzeuge, Zierate aus
Kupfer- und
Eisendraht, Glaswaren,
Messer,
[* 16]
Beile,
Lanzen u. a. und bedürfen somit fast gar keiner fremden
Waren. Dar Fur ist eins der Haupthandelszentren
des
Sudân und das große
Entrepot zwischen Zentralafrika und
Ägypten.
Hier treffen die zahlreichen
Karawanen zusammen, welche
Elfenbein, Rhinozeroshörner, Straußfedern,
Gummi,
Natron,
Alaun
[* 17] u. a. (früher namentlich Sklaven) aus Innerafrika bringen und, nachdem sie sich
im nördlichen Teil des
Landes vereinigt haben, oft 15,000
Kamele
[* 18] stark ihren Weg nach
Ägypten nehmen. Die Hauptstadt
Fascher
el
Tendelti ist, wie alle andern
Orte, eine weitläufige Ansammlung von Lehmhütten, war bis zur
Eroberung
durch den
Mahdi Sitz des ägyptischen
Gouverneurs, durch eine Telegraphenlinie mit
Chartum verbunden und hatte, wie die ehemalige
Hauptstadt
Cobbe, Dara u. a., eine ägyptische
Garnison.
Die Ureinwohner von Dar Fur, die Dadscho, unstreitig
Neger, wurden durch den jetzt herrschenden
Stamm der For zurückgedrängt.
Der
Islam wurde erst unter
SolimanSolon (1596-1637) hier eingeführt. Die Geschichte der einheimischen
Sultane bietet nichts
Bemerkenswertes. Unter dem Vorwand, daß entflohene
Mamelucken in
Kordofan Zuflucht gefunden, sandte
Mehemed Ali,
Pascha von
Ägypten, 1821 seinen Schwiegersohn
Mohammed Bei El
Defterdar gegen Dar Fur, das sich ihm nach einer mörderischenSchlacht
unterwarf.
Ein
Versuch jenes, den
AbuMadian, einen jüngern
Bruder des
SultansMohammed Fahdel, der von diesem in einer Art Gefangenschaft
gehalten worden war, mit Waffengewalt auf den
Thron
[* 19] von Dar Fur zu setzen (1833), scheiterte durch eine
Meuterei der rumelischen
Hilfstruppen, und Dar Fur ward aufs strengste gegen
Ägypten abgesperrt. Mit
Ägypten blieb Dar Fur fortwährend auf
gespanntem
Fuß, und die immer mehr zunehmende Macht dieses
Landes, seine
Ausdehnung
[* 20] nach
Süden hin ward von den
Sultanen mit
Eifersucht überwacht.
Schon seit
Jahren war das
Verhältnis zwischen den Nachbarn ein feindseliges, das in offene
Feindschaft überging, als
Ägypten
unter dem Einfluß der europäischen Mächte die Einfuhr der Sklaven aus Dar Fur verbot
und damit diesem Land eine seiner reichsten Einnahmequellen verstopfte. Nachdem
Sultan Brahim 1873 mit dem im
Süden von Dar Fur stationierten
ägyptischen Bei Siber in offenen
Kampf geraten war, rückte von
Kordofan aus ein ägyptisches
Korps unter
Ismail Pascha in Dar Fur ein,
schlug
Sultan Brahim, der im
Kampfe fiel
(Oktober 1874), und eroberte Dar Fur für
Ägypten.
Kurz zuvor war das
Land, welches
Browne und
Cuny schon
¶
mehr
früher, aber mit geringem Erfolg besucht hatten, von Nachtigal gründlich erforscht worden; der ägyptische Generalstab machte 1875 und 1876 genaue
Aufnahmen und Untersuchungen eines großen Teils Dar Furs, namentlich in Bezug auf seinen Metallreichtum. In neuester Zeit
unterwarf sich der Mahdi das Land, nachdem der Österreicher Slatin, Gouverneur von Dara, zur Kapitulation
gezwungen worden war. S. Karte »Ägypten etc.«