Alighieri (spr. aligjehri), der größte Dichter
Italiens
[* 6] und einer der tiefsten
Geister aller
Zeiten und
Völker,
wurde wahrscheinlich an einem der letzten
Tage des Mai 1265 zu
Florenz
[* 7] geboren und erhielt in der
Taufe den
NamenDurante, der
nach der herrschenden
Sitte in Dante abgekürzt wurde und ihm so dauernd verblieben ist. Seine
Familie
gehörte zu den alten florentinischen Geschlechtern und stand auf seiten der
Guelfen. Dante Alighieri selbst nennt als seinen Stammvater
den Cacciaguida, einen tapfern
Krieger (geboren um 1090), welcher eine
Alighieri aus dem Pothal zur
Frau hatte.
Einer ihrer
Söhne (gestorben um 1200) nahm denNamen der
Mutter an und ward so der
Stifter des
Geschlechts
der
Alighieri zu
Florenz. Von der
Jugend des Dichters weiß man thatsächlich wenig, da die romanhaft und tendenziös aufgeputzten
Mitteilungen seines ersten Biographen
Boccaccio nur mit Vorsicht aufzunehmen sind. Erst die gründlichen Forschungen der neuern
Zeit, namentlich
Balbos und Fraticellis, haben ein ziemlich klares
Bild von Dantes Lebensgang hergestellt.
Der
Vater, ein Rechtsgelehrter, starb schon 1270, hinterließ aber ein ziemliches
Vermögen an liegenden
Gründen, und die
Mutter,
DonnaBella, übertrug nun die
Erziehung ihres
Knaben dem gelehrten
Staatssekretär der
Republik,
Brunetto Latini, der selbst als
Dichter in
Ruf stand, und dem Dante Alighieri später an einer
Stelle seiner
»Komödie« ein rührend schönes Denkmal
setzte. Unter
Brunettos Leitung machte sich Dante Alighieri mit allem bekannt, was damals im Bereich der
Gelehrten lag, und beschäftigte
sich neben den strengen
Studien auch mit den heitern
Künsten; er war
Freund der
MalerGiotto und Oderisi, wie
er auch selbst zeichnete, sowie des
Sängers und Musikers Casella.
Wie früh er die
Dichtkunst getrieben, läßt sich nicht bestimmen; wohl aber sagt er selbst, daß er die
Provençalen kannte
und bewunderte. Von dichterischen
Freunden nennt Dante Alighieri den ausgezeichneten
GuidoCavalcanti, an welchen das erste öffentlich von
ihm bekannt gemachte
Sonett gerichtet ist, und den er später verbannt sehen mußte, und
Cino da Pistoja,
welcher später den Dante Alighieri in einer
Kanzone beklagt; andre waren
Dante da Majano,
DinoFrescobaldi etc.
Eng verbunden mit seiner
Liebe
zur
Poesie ist seine idealische
Liebe zu Beatrice, der Tochter eines angesehenen
Bürgers, Folco de Portinari,
die er 1274, kaum neun Jahre alt (sie selbst zählte acht), bei einem
Maifest zu
Florenz zuerst gesehen hatte, worüber Dante Alighieri selbst
in seinem Erstlingswerk: »La vita nuova«, berichtet.
Von dieser ersten Jugendliebe blieb ihm der tiefste
Eindruck für das ganze
Leben und steigerte sich in ihm zu jener
Verklärung und Bedeutung Beatrices, wie er sie in seinem großen Gedicht verewigt hat.
Daher setzt es unsern
Begriffen gemäß
allerdings in Erstaunen, zu erfahren, daß Dante Alighieri ein oder zwei Jahre (1291)
nach Beatrices frühem
Tod sich mit
DonnaGemma aus
dem vornehmen
Geschlecht der
Donati verheiratet habe, und manche sind geneigt, die ganze Mitteilung Dantes
über jenen Gegenstand in symbolischem
Sinn aufzufassen.
Richtiger dürfte es sein, die
Sache mit dem damals aus der
Provence her noch fortwirkenden ritterlichen Frauendienst in
Verbindung
zu bringen, nach welchem
Ehe und
Minne nebeneinander bestehen konnten, ohne sich gegenseitig zu beirren. Daß der lernbegierige
Zögling, herangewachsen, in den
Orden
[* 8] der
Franziskaner getreten, aber noch vor
Ablauf
[* 9] des
Noviziats wieder
ausgeschieden sei, ist eine
Sage. In Wirklichkeit hat er wohl seine
Studien in
Bologna und
Padua
[* 10] fortgesetzt und ist etwa 1288 in
die Vaterstadt zurückgekehrt, um sich nach dem Vorbild seines väterlichen
Freundes und des trefflichen
Priors Giano della
Bella den Staatsgeschäften zu widmen. Er ließ sich, wie das
Gesetz es damals vorschrieb, in eine
Zunft und
zwar in die der
Ärzte und Apotheker aufnehmen, zog 1289, als die
Ghibellinen von
Arezzo aus wieder einmal einen
Sturm auf
Florenz
zu unternehmen gedachten, mit gegen sie zu
Felde und focht 11. Juni tapfer bei Campaldino, wobei er in große
Gefahr geriet. Im folgenden Jahr war er bei dem Zug
nach
Pisa,
[* 11] durch welchen unter Anführung des
PodestaNovello da
Polenta die
Feste
Caprona erobert wurde.
Außerdem ist in der Zeit von 1295 bis 1301 von verschiedenen Gesandtschaften die
Rede, zu welchen Dante Alighieri verwendet
wurde.
Als er das gesetzliche
Alter von 35
Jahren erlangt hatte, wurde er in die Zahl der
Prioren gewählt (1300) und zwar nicht,
wie es gewöhnlich geschah, durch das
Los, sondern durch freie
Wahl; ein
Amt, das für ihn, nach seinem eignen
Ausspruch, die
Quelle
[* 12] all seines spätern Unglücks wurde.
Florenz, im ganzen guelfisch, war doch in zwei
Parteien: die
»Weißen« und die
»Schwarzen«,
geteilt, von denen die erstern mehr ghibellinisch gesinnt, die letztern dagegen unbedingte Anhänger des
Papstes waren.
Dantes patriotischer
Eifer brachte es dahin, daß der
Senat die
Häupter beider
Parteien aus
Florenz verwies;
doch entbrannte, da der
Senat die
Weißen begünstigte, der
Kampf bald von neuem. Als die
Schwarzen in
Rom
[* 13] beschlossen,
Karl von
Valois, der sich eben zu einem Kriegszug gegen
Sizilien
[* 14] rüstete, als Friedensstifter nach
Florenz zu senden und mit seiner
Hilfe die gegnerische
Partei niederzuwerfen, schickten dieWeißen Abgeordnete nach
Rom, um dem
PapstVorstellungen
zu machen und womöglich die Ankunft
Karls zu hintertreiben. Zu dieser Gesandtschaft gehörte auch Dante Alighieri, der sich der
Sache der
Weißen zuneigte. Er verließ
Florenz, um nie wieder dahin zurückzukehren.
Während er noch in
Rom war, rückte
Karl von
Valois, vom
Papst unterstützt, Anfang
November 1301 in
Florenz
ein und rief sofort die
Schwarzen zurück. Es kam zu einem
Gericht über die
Weißen, und Dante Alighieri mit 14 andern wurde zu 8000 Lire
Geldbuße und zu zweijähriger
Verbannung (resp. Feuertod im Betretungsfall) verurteilt. Seine
Güter wurden eingezogen, sein
Haus in der Stadt der
Plünderung des
Pöbels preisgegeben. Empört über die Unbill und die
Beschimpfung,
die ihm durch diesen Spruch widerfahren, eilte Dante Alighieri von
Rom, wo er natürlich nichts ausgerichtet hatte, zunächst nach
Siena
und von da nach
Arezzo, um hier mit den übrigen Geächteten
Rats zu pflegen, was zu thun sei. Als Bitten
und friedliche Maßregeln keinen Erfolg hatten, beschlossen die Flüchtlinge, die Rückkehr mit Waffengewalt zu erzwingen,
und unternahmen einen
Angriff auf
Florenz.
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mehr
Derselbe scheiterte indessen, und Dante Alighieri, der vielleicht gar nicht daran teilgenommen, wurde nun auf Lebenszeit
in die Acht erklärt. Tief erbittert zog er sich von den andern Geächteten zurück und nahm das Asyl an, das GrafGuido Salvatico
im ValCasentino ihm anbot. Inzwischen war sein ältester Sohn herangewachsen und sollte in Padua seine
Studien beginnen. Um ihn wiederzusehen, begab sich Dante Alighieri 1306 nach Padua, scheint sich aber nicht lange daselbst aufgehalten zu
haben. Im Sommer 1307 machte PapstClemens V. einen Versuch, den vertriebenen Weißen zur Rückkehr nach Florenz zu verhelfen;
es kam in Mugello zu einer Zusammenkunft der Beteiligten, und auch Dante Alighieri fand sich
dazu ein.
Allein die Unterhandlungen zerschlugen sich; die »schlechte und dumme Bande« der Weißen benahm sich so unwürdig, daß sich
Dante Alighieri vollständig von ihr lossagte, um fortan »für sich allein
Partei zu machen«. Allein wanderte er nun im Land umher, um zu erfahren, »wie
scharf versalzen fremdes Brot
[* 16] schmeckt, wie hart es ist, fremde Treppen
[* 17] zu steigen«. Auch der Schmerz sollte dem Verstoßenen
nicht erspart bleiben, »alles Teure«, das er in Florenz hatte zurücklassen müssen, durch einen plötzlichen Tod zu verlieren:
seine Gattin und die beiden jüngsten Söhne starben 1308 an der Pest.
Von den Orten, an welchen Dante Alighieri verweilte, kennt man mit Bestimmtheit nur einige. Nachdem er kurze Zeit in der
Lunigiana (zwischen Lucca
[* 18] und Genua)
[* 19] beim Marchese Morello Malaspina gerastet (auf dessen Schloß er vielleicht den ersten Plan
zur »Commedia« entwarf), wandte er sich nach Verona,
[* 20] wo eben (1308) der heldenmütige Can della Scala (Can
grande) Mitregent seines schwachen BrudersAlboin geworden war, und ging von hier, wie wenigstens Boccaccio berichtet, nach
Paris, wo er sich in theologische Studien vertiefte.
Die Kunde von dem Zug
König Heinrichs VII. nach Italien
[* 21] erweckte wieder neue Hoffnungen in ihm und rief ihn in das Vaterland
zurück. Dante Alighieri, der schon früher einen Ermahnungsbrief an die Fürsten und VölkerItaliens erlassen hatte, sich dem Kaiser als
dem »Retter des Landes« zu unterwerfen, begrüßte diesen zu Mailand
[* 22] (Dezember 1310) und schrieb, als ihm derselbe zu lange
in Oberitalien
[* 23] zögerte, einen feurigen Brief, der ihn aufforderte, ungesäumt die Axt an die Wurzel
[* 24] des
Übels, Florenz, zu legen Eine dritte Epistel richtete Dante Alighieri sodann an die Florentiner
[* 25] selbst und verkündete darin
seiner Vaterstadt das Schicksal Sagunts.
Florenz antwortete mit einem Dekret das die Ächtung Dantes in den schärfsten Ausdrücken bestätigte und ihn »auf
ewige Zeiten« verfemte, während es zugleich offene Partei für die »heilige Kirche« gegen den Kaiser nahm.
Die Belagerung der Stadt, welche der Kaiser im Sommer 1313, nachdem er im Juni 1312 in Rom gekrönt worden war, unternahm, hatte
keinen Erfolg; er mußte unverrichteter Sache abziehen, und als er sie mit neuen Kräften wieder aufnehmen
wollte, ereilte ihn bei Siena der Tod Ob Dante Alighieri persönlichen Anteil an diesen Begebenheiten genommen, oder wo er
sich um diese Zeit aufgehalten, ist nicht mit Sicherheit ermittelt.
Über ein Dutzend Ortschaften und Klöster in den verschiedensten Gegenden Italiens haben in der Folge die
Ehre beansprucht, des Heimatlosen Asyl und Herberge gewesen zu sein. Wahrscheinlich ist, daß er sich zunächst dem ihm von
Arezzo her befreundeten Uguccione della Faggiuola, der das Haupt der Ghibellinen von Toscana und Herr von Pisa war, angeschlossen
(dem er, wie man berichtet, den ersten Teil der »Commedia« dedizierte, wie
er den zweiten Teil dem Marchese
Moroello Malaspina gewidmet haben soll), und daß er nach Heinrichs VII. Tod alle Hoffnung aufgegeben und sich einzig mit der
Vollendung seines großen Gedichts beschäftigt hat.
Von Pisa scheint er sich nach der Romagna gewandt zu haben, wo er etwa 1315 mit seinen beiden Söhnen Pietro
und Jacopo und seiner Tochter Beatrice nach Ravenna kam; der FürstGuidoNovello da Polenta gewährte ihnen dort eine bleibende
Stätte. Um diese Zeit ward dem berühmt gewordenen Dichter endlich die Erlaubnis zur Rückkehr nach Florenz durch einen Freund
ausgewirkt, unter der Bedingung, daß er sich »der Form wegen« einer
kurzen Verhaftung und einer Geldstrafe unterwerfe und in einer Kirche seine Schuld durch ein Sühnopfer anerkenne.
Mit großartigem Selbstbewußtsein wies aber Dante Alighieri in einem noch erhaltenen Brief den Antrag unter solchen Bedingungen zurück,
und so ward das Verbannungsurteil im Oktober 1315 abermals »auf ewige Zeiten« bestätigt und merkwürdigerweise
erst 1494 ausdrücklich aufgehoben. In Ravenna brachte er wohl den dritten Teil seiner »Commedia« vollständig zu Ende (um
1319); auch soll er nach Boccaccio während dieser Zeit zahlreiche Schüler unterrichtet und zum Dichten in der italienischen
Volkssprache angeleitet haben. Im Sommer 1321 ging er dann, wie weiter berichtet wird, in einer diplomatischen
Mission seines Gastfreundes nach Venedig,
[* 26] erkrankte dort und wurde, dem Tod nahe, nach Ravenna zurückgebracht, wo er im
Alter von 56 Jahren starb. Er ward in der Grabkapelle neben der Franziskanerkirche in einem marmornen Sarg feierlich bestattet.
Der Fürst selbst hielt ihm eine Leichenrede, und nur seine eigne Verbannung, die im folgenden Jahr erfolgte,
vereitelte seine Absicht, ihm ein prächtiges Denkmal zu errichten. - Im J. 1483 ließ BernardoBembo, Vater des berühmten
Kardinals, die Grabstätte mit einem Denkmal schmücken und darauf eine angeblich von Dante Alighieri selbst verfaßte
Inschrift setzen.
Durch den Kardinallegaten Domenico Maria Corsi ward 1692 die verfallene Grabstätte notdürftig restauriert;
erst 1780 erfuhr sie durch Luigi V. Gonzaga eine gründliche Reparatur. Im J. 1813 stellte Canova Dantes Marmorbüste im Pantheon
zu Rom auf. Florenz reklamierte die Gebeine des Dichters, der in seinem letzten Willen ausdrücklich verlangt hatte, daß sie
unter keinen Umständen an seine undankbare Vaterstadt ausgeliefert werden sollten, wiederholt (zuletzt
noch 1864), aber immer vergeblich und hat erst 1829 in der KircheSanta Croce seinem großen Sohn ein Denkmal von der Hand
[* 27] Riccis
errichten lassen. Während der Kardinal Bertrando di Poggetto Dantes Gebeine als die eines Ketzers zum Feuer verurteilen wollte,
hallte ganz Italien vom Ruhm des Dichters wider. Fünf Jahrzehnte nach des Dichters Tod errichtete seine Vaterstadt einen besondern
Lehrstuhl zur Erläuterung seines Werkes, auf den Boccaccio berufen ward, und andre Städte, wie Pisa, Bologna, Mailand, folgten
dem Beispiel von Florenz nach. - SeinVolk aber gab ihm den Beinamen des »Göttlichen«.
- Nach BoccacciosBeschreibung war Dante Alighieri ein Mann von mittlerer Größe, im Alter etwas gekrümmt, doch würdig und stets in vornehmer
Kleidung einhergehend, sein Gesicht
[* 28] lang, mit einer Habichtsnase und großen, ausdrucksvollen Augen; die Kinnbacken waren stark
und die untere Lippe
[* 29] etwas hervorspringend, Bart und Haupthaar schwarz, dicht und kraus, der Ausdruck des
Gesichts schwermütig und tiefsinnig, die Farbe desselben bräunlich. Raffael hat ihn in dem unter
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