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neuern Schule wie Bögh ist Parmo Karl Ploug (geb. 1813), der Hauptvertreter und Hauptsänger des sogen. Skandinavismus, einer politischen Richtung, welche eine engere Vereinigung der drei skandinavischen Reiche herbeizuführen strebte. Hervorragender als Bögh und Ploug ist Chr. Knud Fr. Molbech (geb. 1821), ebenfalls ein Vertreter der ältern Schule. Seine lyrischen Gedichte sind vielleicht das Vollendetste und jedenfalls das Wohlklingendste, was man nach dieser Richtung hin in der dänischen Litteratur besitzt.
Auch als Dramatiker ist er hervorragend; so zeugt z. B. sein Trauerspiel »Dante« von einer dramatischen Kraft [* 2] und (besonders in der von ihm selbst umgearbeiteten deutschen Übersetzung) von einer Bühnenkenntnis, wie man sie bei dänischen Schriftstellern sehr selten antrifft. Auch sein »Ambrosius« enthält zahlreiche und hohe Schönheiten, obwohl die Sentimentalität des Helden einigermaßen unangenehm wirkt. Außerdem ist Molbech durch eine vorzügliche Übersetzung von Dantes »Göttlicher Komödie« bekannt und berühmt geworden.
Minder vielseitig, aber auf dem Gebiet des Romans und der Novelle recht bedeutend ist Vilhelm Bergsöe (geb. 1835). Er war zuerst Zoolog, mußte aber infolge eines Augenleidens, welches ihn seiner Sehkraft beraubte, diesen Beruf aufgeben und widmete sich fortan der Litteratur. Sein erstes größeres Werk war der Novellencyklus »Fra Piazza del Popolo«; doch hat er erst mit dem Roman »Fra den gamle Fabrik« einen durchschlagenden Erfolg erzielt. Seine populären naturwissenschaftlichen Abhandlungen hat er unter dem Titel »Fra Mark og Skov« gesammelt erscheinen lassen. Eine eigenartige Stellung in der dänischen Litteratur nimmt Meir Aron Goldschmidt (geb. 1819) ein.
Schon im Alter von 21 Jahren gründete er das satirische Wochenblatt »Korsaren«, welches die nicht ausgesprochene Tendenz hatte, für den Sturz des Absolutismus im Volk zu wirken, und bald einen ungeheuern Einfluß errang. Aber das befriedigte den kühnen Redakteur noch nicht; er unternahm eine längere Reise ins Ausland, um die großen sozialen und politischen Bewegungen zu studieren, und gründete nach seiner Rückkehr (1847) die Monatsschrift »Nord og Syd«, welche später als »Ude og Hjemme« fortgesetzt wurde.
Durch diese Zeitschriften, welche er mit sehr großem Geschick redigierte, hat er auf seine Zeit einen gewaltigen Einfluß ausgeübt. Später verlegte er sich indessen ausschließlich auf die dichterische Produktion und schrieb eine große Reihe von Novellen und Romanen sowie ein zweibändiges Werk unter dem Titel: »Livs-Erindringer og Resultater«. In dem letztern neigt er sich sehr einem seltsamen Mystizismus zu, der sich am ehesten mit der Hartmannschen Lehre [* 3] vom Unbewußten vergleichen läßt.
Wenig gelesen, aber recht lesenswert ist Hans Peder Holst (geb. 1811), der als Lyriker und Epiker viel Schönes hervorgebracht und auch einige allerliebste Novellen geschrieben hat, ebenso Hans Vilhelm Kaalund (geb. 1818), dessen Gedichtsammlungen »Et Foraar« und »Et Efteraar« kaum ein einziges Gedicht enthalten, welches nicht mit Ehren seinen Platz verteidigen könnte. Ferner sind zu erwähnen: der geschmackvolle Lyriker Emil Aarestrup (1800-1856), der Romanschriftsteller Hermann Fr. Ewald (geb. 1821) und der verdienstvolle Übersetzer Shakespeares, Edvard Lembcke (geb. 1815).
Der Hauptzug in der Dichtung der 50er und 60er Jahre war jene eigentümliche Duselei, welche sich als Skandinavismus bezeichnete. Dieselbe ist wohl in erster Linie zurückzuführen auf die Schwärmerei für die altnordische Vorzeit, welche in Dänemark [* 4] durch die Dichtungen Öhlenschlägers und in Schweden [* 5] durch Ling, Tegnér, Geijer u. a. wachgerufen worden war. Dazu kam der Krieg von 1848 bis 1850, der in den skandinavischen Ländern einen derartigen Deutschenhaß hervorrief, daß man den geistigen Verkehr mit Deutschland [* 6] so gut wie ganz aufgab.
Dadurch aber verstopfte man sich zugleich den Kanal, [* 7] durch welchen man bisher so ziemlich mit allen Kulturvölkern in Verbindung gestanden hatte. Es war das freilich ein Resultat der skandinavischen Bewegung, welches die Führer derselben nicht vorausgesehen hatten; da es nun aber einmal eingetreten war, mußte die bittere Pille wenigstens etwas überzuckert werden. Dies geschah dadurch, daß man alles, was nicht skandinavisch war, als faul und verrottet hinstellte, daß man alles Nordische besang als etwas halb Übernatürliches und die »nordische Kraft, welche die Welt hätte beherrschen können«, als das einzige Mittel pries, um »der Sache der Menschheit den Sieg zu erringen« (Ploug).
Diese phantastische Idee von der hohen weltgeschichtlichen Mission der skandinavischen Völker hatte sich damals in den Köpfen fast aller »Gebildeten« eingenistet, und es konnte also nicht ausbleiben, daß sie auch in der Litteratur und speziell in der Lyrik zur Geltung kam. Aber ebenso unumgänglich notwendig war es, daß gegen eine so einseitige Bewegung über kurz oder lang eine kräftige Reaktion eintreten mußte, und daß dann der beschränkte Nationalismus umschlagen mußte in einen ebenso vagen Kosmopolitismus.
Diese Umwandlung vollzog sich zu Anfang der 70er Jahre vornehmlich unter dem Einfluß von Georg Brandes (geb. 1842). Er bewirkte dies hauptsächlich durch eine Reihe von Vorträgen, welche er im Winter 1871/72 über die »Hauptströmungen in der Litteratur des 19. Jahrhunderts« hielt, und welche später im Druck erschienen sind. Er wies darin nach, daß man in andern Ländern, namentlich in Frankreich, Deutschland und England, schon längst die Reaktion überwunden habe, welche zu Anfang dieses Jahrhunderts gegen die Litteratur der Aufklärungszeit angekämpft habe, daß aber in Dänemark wie in den skandinavischen Ländern überhaupt diese Reaktion noch in vollster Blüte [* 8] stehe.
Diese Vorträge riefen eine derartige Aufregung hervor, daß Brandes es vorzog, sein Vaterland zu verlassen. Aber die Saat hatte schon Früchte getragen, und zudem kämpfte Brandes von Berlin [* 9] aus, wohin er sich begeben hatte, in der von ihm und seinem Bruder Edvard Brandes herausgegebenen Zeitschrift »Det nittende Aarhundrede« noch unerschrocken weiter. So gelang es ihm, in wenigen Jahren eine Schule zu bilden, welche jetzt nicht allein in Dänemark, sondern auch in Norwegen und Schweden fast die alleinherrschende ist.
Einer der ersten und hervorragendsten Schüler des so schnell zur Berühmtheit gelangten Meisters war der Botaniker Jens Peder Jacobsen (1847-85), der bisher nur als energischer Vertreter der Darwinschen Theorien und Übersetzer der Werke Darwins hervorgetreten war. Seine erste Novelle: »Mogens« (1872) bildet, gewissermaßen den Grenzstein zwischen der ältern und der neuern Litteraturrichtung im Norden. [* 10] Später hat er noch einige Novellen geschrieben, die mit dem »Mogens« zu einem Band [* 11] vereinigt sind (»Mogens og andre Noveller«),
sowie zwei Romane: »Fru Marie Grubbe« und »Niels Lyhne«. Dauernde Kränklichkeit und finanzielle Sorgen drückten ihn indessen so nieder, daß er in den letzten Jahren seines Lebens nichts Weiteres produziert hat. Dennoch aber ¶
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wird er stets als der Hauptvertreter der naturalistischen Schule in Dänemark betrachtet werden müssen, denn das Wenige, was er hervorgebracht, steht alles in seiner Art einzig da. Neben Jacobsen verdient in erster Linie Holger Drachmann (geb. 1846) genannt zu werden. Er ist unbedingt weitaus der begabteste Vertreter der modernen Richtung, aber die Leichtigkeit, mit der er produziert, veranlaßt nicht selten, daß er Werke erscheinen läßt, an die er bei näherer Betrachtung selbst die Feile [* 13] würde angelegt haben.
Dennoch gibt es unter seinen zahlreichen Werken kaum eins, welches nicht sofort den genialen Dichter verrät. In neuerer Zeit hat sich übrigens Drachmann von den »Brandesianern« losgesagt (»Skyggebilleder fra Rejser i Ind- og Udlandet«, 1883), ohne deswegen, wie seine Gegner zuweilen behaupten, ins Lager [* 14] der Romantiker überzugehen. Eine sehr interessante und liebenswürdige Dichterpersönlichkeit ist Sophus Schandorph (geb. 1836). Wie Jacobsen früher Naturforscher und Drachmann Marinemaler, so war Schandorph Gymnasiallehrer, bis er, wie so viele andre, durch Brandes zum Bewußtsein seiner dichterischen Befähigung erweckt wurde.
Schandorph steht einzig da in der Schilderung des seeländischen Bauernlebens wie des Kopenhagener Kleinbürgertums. Sein »Smaafolk«, »Thomas Fris's Historie«, »Stine bliver Gaardmandskone«, »Kjærlighed paa Trommesalen« (in »Novelletter«) und »Et Levnetsløb fortalt paa Kirkegaarden« (in »Fem Fortællinger«) sind nach dieser Seite hin wahre Perlen. Reich begabt ist auch Herman Bang (geb. 1858), aber sein ungemein exzentrisches Wesen scheint ihn an der nötigen Vertiefung zu hindern. Er ist Romanschriftsteller, Dramatiker, Schauspieler, Recitator, Wanderredner und Feuilletonist und wird, wenn erst in seinem Streben eine gewisse Stabilität Platz greift, auf jedem dieser Gebiete Bedeutendes leisten können. - Auf dem Gebiet des Dramas ist Edvard Brandes (geb. 1847), der Bruder Georg Brandes', der Hauptvertreter der neuern Richtung. Man merkt ihm freilich an, daß er von Henrik Ibsen ziemlich stark beeinflußt ist; doch bezieht sich das mehr auf die Wahl seiner Stoffe als auf die Behandlung derselben. Sein hervorragendstes Werk dürfte »Et Besøg« sein; ferner hat er geschrieben: »Lægemidler«, »Gyngende Grund« und »Et Brud«. Auch Peder Nansen ist ein vielversprechender junger Dramatiker.
Wissenschaftliche Litteratur.
Wie in der Dichtkunst, so war auch in der wissenschaftlichen Litteratur mit Holberg eine neue Epoche angebrochen; namentlich begann man, der Geschichte eine gründliche wissenschaftliche Behandlung zu teil werden zu lassen. Auszeichnung verdienen in dieser Beziehung außer Holberg selbst, der eine vortreffliche »Danmarks Historie« in 3 Bänden (das erste populäre Werk dieser Art) und eine »Almindelig Kirkehistorie« schrieb, der Isländer Arne Magnusson (gest. 1730) als Quellensammler, Hans Gram (1685-1748) und sein Schüler Jakob Langebäk (1710-1775),
der Herausgeber der »Scriptores rerum danicarum«, denen sich der spätere Fred. Suhm (1728-1798),
der Verfasser einer 14bändigen, dennoch unvollendeten »Historie af Danmark«, anreiht. Ein sehr fruchtbarer und verdienstvoller Schriftsteller der Holbergschen Zeit war außerdem Erik Pontoppidan (1698-1764), der außer geschichtlichen und statistischen auch naturwissenschaftliche und theologische Werke in dänischer, deutscher und lateinischer Sprache [* 15] verfaßte, während F. Christian Eilschow (gest. 1750) für Popularisierung der Philosophie thätig war und Jens Höjsgaard (gest. 1773) als Forscher auf dem Gebiet der dänischen Sprache Bedeutendes leistete.
Großartig ist dann der Aufschwung, welcher sich mit Beginn des 19. Jahrh. und im Verlauf desselben auf allen Gebieten wissenschaftlicher Thätigkeit kundgibt. Die Leistungen in dieser Periode nach allen Richtungen hin sind so zahlreich, daß hier nur der hervorragendsten Erscheinungen in jedem Fach gedacht werden kann. Auf dem Felde der Theologie ist in erster Reihe der schon oben als Dichter erwähnte Grundtvig zu nennen, der den Kampf gegen den Unglauben und Rationalismus der Zeit mit Erfolg aufnahm, zugleich für den nordischen Einheitsgedanken und die Entwickelung eines freien und kräftigen Volkslebens wirkte und auf das geistige Leben in Dänemark von tiefgreifendem Einfluß war.
Neben Grundtvig sind als die bedeutendsten Theologen anzuführen: Jakob Peder Mynster (1775-1850), Bischof von Seeland, und Henrik Nikolai Clausen (1793-1877), der namhafteste Vertreter der kritischen Richtung innerhalb der Theologie. Auch Hans Lassen Martensen (geb. 1808), der Verfasser von »Den christelige Ethik«, gelangte zu einer weit über Dänemark hinausreichenden Berühmtheit. Als Übergangsglied zwischen Theologie und Philosophie kann Sören Aaby Kierkegaard (1813-55) gelten, der »größte Denker Dänemarks«, der das Grundprinzip des Christentums in einer höchst eigentümlichen Weise auffaßte und in gewisser Hinsicht eine Parallele [* 16] zu L. Feuerbach bildet.
Die eigentliche Philosophie fand Vertretung durch Frederik Christian Sibbern (1785-72), der, von Schelling wesentlich beeinflußt, als Professor an der Kopenhagener Universität großen Einfluß auf die studierende Jugend ausübte, im übrigen nicht nur als philosophischer Schriftsteller, sondern auch als Dichter (»Udaf Gabrielis' Breve til og fra Hjemmet«) mit Erfolg thätig war; ferner durch Rasmus Nielsen (geb. 1809),
der, in Kierkegaards Fußstapfen tretend, den Kampf gegen die Theologie als Wissenschaft fortführte und in seinen Vorträgen wie in seinen Schriften (»Grundideernes Logik«, »Natur og Aand« etc.) eine hinreißende Beredsamkeit entwickelte. Den entschiedenen Gegensatz von Nielsens Auffassung des religiösen Prinzips bildet Hans Bröchner (1820-1876), der auch wertvolle Beiträge zur Geschichte der Philosophie lieferte. Auf dem Gebiet der Naturwissenschaften ist vor andern Hans Christian Örsted (1777-1851), der Entdecker des Elektromagnetismus [* 17] und Verfasser zahlreicher gediegener Schriften über Gegenstände der Physik, hervorzuheben.
Besondere Erwähnung verdient sein weitverbreitetes Buch »Aanden i Naturen«, worin er seine naturphilosophischen Ideen geistvoll und anziehend entwickelt. Außer ihm sind als Naturforscher ersten Ranges zu nennen: der Botaniker und Pflanzengeograph Joachim Frederik Schouw (1789-1852), der Geolog und Chemiker Johan Georg Forchhammer (1794 bis 1864) und der Zoolog Japetus Steenstrup (geb. 1813), welch letzterer sich auch um die Archäologie verdient gemacht hat.
Die Altertumsforschung ward infolge der erwachenden Begeisterung für die Vorzeit des Nordens mit besonderm Eifer betrieben. Am erfolgreichsten geschah dies durch Peder Erasmus Müller (1776-1834), den Bearbeiter der Altertumsschriften (»Sagabibliothek«),
und den Isländer Finn Magnusson (1791-1846), der mit tiefer Gelehrsamkeit besonders die Mythologie und ältere Kulturgeschichte des Nordens behandelte. Auf dem sprach- und litteraturgeschichtlichen Gebiet leistete namentlich Niels Matthias Petersen (1781 ¶