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beißende und sprachgewandte Satiren schrieb; Brauman Tullin (gest. 1765), der besonders das Lehrgedicht, daneben aber auch die Satire pflegte; Hans Adolf Brorson (gest. 1764), dessen »Troens rare Klenodie« zu dem Schönsten gehört, was die geistliche Dichtung in Dänemark [* 2] hervorgebracht hat. Weitaus der hervorragendste Nachfolger Holbergs und Ewalds ist indessen der Norweger Johan Herman Wessel (1742-1785), der allerdings in seinen Schriften vielfach norwegische Ausdrücke und Redewendungen gebraucht, seiner ganzen Individualität nach aber mehr Däne als Norweger ist. Er war sehr jung nach Dänemark gekommen und hatte dort eine Litteratur vorgefunden, welche schon auf dem besten Weg war, die von Holberg und Ewald vorgezeichneten nationalen Bahnen zu verlassen.
Wie in Deutschland, [* 3] hatte nämlich auch in Dänemark das sogen. klassische französische Drama seinen Eingang gefunden, und wie dort Lessing, so trat hier Wessel gegen dasselbe auf, aber nicht wie der deutsche Gelehrte in der schweren Rüstung [* 4] der Wissenschaft, sondern wie einst Holberg in dem leichten Gewand der Satire. So entstand sein »Trauerspiel«: »Kjærlighed uden Strømper« (»Liebe ohne Strümpfe«, 1772), eine in ihrer Art einzig dastehende Parodie. Durch dieselbe machte er mit Einem Schlag das französische Drama in Dänemark unmöglich; leider aber besaß er nicht den nötigen sittlichen Halt, um selbst die Erbschaft Holbergs und Ewalds anzutreten. Zerrüttete finanzielle Verhältnisse führten ihn dem Trunk in die Arme, und als er im Alter von 43 Jahren starb, war »Kjærlighed uden Strømper« sein einziges größeres Werk. Mit seinem Tod schließt die Glanzperiode der dänischen Litteratur.
Die folgende Epoche, von Wessels Tod bis zum Anfang dieses Jahrhunderts, brachte kaum etwas Nennenswertes hervor. Ihr Hauptmerkmal ist überspannter Rationalismus, ebenso überspannter Patriotismus, widerliches Strebertum und eine daraus entspringende wüste Polemik aller gegen alle. Daß dabei die Politik mit der Dichtkunst verquickt wurde, ja in ihren Erzeugnissen oft genug die Hauptrolle spielte, kann in einem Zeitalter, welches sich unmittelbar an die glänzende Karriere Brandts und Struensees anschließt, nicht wundernehmen; träumte doch damals jeder Dutzendmensch, sein Leben möglicherweise noch in einem Ministerfauteuil beschließen zu können.
Eine rühmliche Ausnahme von diesen Leuten bildet Peder Andreas Heiberg (1758-1841). Allerdings ist auch seine Hauptstärke in der Polemik zu suchen, aber man muß wenigstens zugeben, daß er sich derselben nicht um äußerer Vorteile willen bediente. Im Gegenteil, sein Auftreten gegen die Reaktion, welche in der Abschaffung der Preßfreiheit gipfelte, war ein so energisches, daß er nach Beendigung mehrerer politischer Prozesse 1799 des Landes verwiesen wurde.
Ein Geistesverwandter von Heiberg war Malthe Konrad Brun (1775-1826). Schon im Alter von 19 Jahren gab er eine Zeitung: »Vækkeren«, heraus, in welcher er für die Prinzipien der französischen Revolution eintrat. Als sie unterdrückt wurde, schrieb er »Jerusalem [* 5] Skomagers Reise til Maanen« und »Aristokraternes Katekismus« (1796),
gründete dann wieder eine Zeitschrift: »Fluesmækkeren«, und wurde endlich in einen Prozeß verwickelt, dem er sich durch die Flucht nach Paris [* 6] entzog. Hier ist er später als Geograph unter dem Namen Malte-Brun berühmt geworden. Ein andrer, nicht minder bekannter Schriftsteller dieser Periode war Knud Lyne Rahbäk (1760-1830), der sich besonders als Ästhetiker einen Namen erworben hat, in den letzten 30 Jahren seines Lebens aber vollständig vom öffentlichen Leben zurücktrat. Er gab mit dem Norweger Kristen Pram (1756-1821) die ästhetische Zeitschrift »Minerva« (1785-89 und 1791-1806) heraus, durch welche er energisch in die litterarischen Streitigkeiten der damaligen Zeit eingriff und einen nicht unbedeutenden Einfluß ausübte. Zu erwähnen sind noch: Ole Johan Samsö, der Verfasser des Dramas »Dyveke«;
Levin Sander, dessen nationales Trauerspiel »Niels Ebbesen« mit großer Begeisterung aufgenommen wurde und lange Zeit hindurch als Vorbild galt;
ferner der gefühlswarme Lyriker Thomas Thaarup und, als Bindeglied zwischen dieser Periode und der folgenden, der wegen seines lyrischen und komischen Talents auch in Deutschland bekannte Jens Baggesen (1764-1826).
Teils durch das Studium der deutschen Philosophen Kant und Fichte, [* 7] für welches Baggesen das Interesse rege gemacht hatte, teils durch die Anregung Schellings, dessen Ideen in dem jungen Norweger Henrik Steffens (1773-1845) einen ebenso beredten wie begeisterten Anwalt fanden, teils auch infolge der strengen Zensurverordnung vom Jahr 1799 wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts in Dänemark eine durchaus neue Richtung in der Litteratur angebahnt. Hatte man sich gegen Ende des vorigen mit einem geradezu naiven Eifer um unbedeutende ästhetische Fragen oder gleichgültige rationalistische Theorien herumgestritten, so begann jetzt die Periode einer ernsten und ersprießlichen wissenschaftlichen Forschung.
Aber neben diesem höhern Streben, welches naturgemäß nur die obern Schichten des Volkes erfassen konnte, machte sich auch ein volkstümliches breit, welches sehr günstig gegen die Verschwommenheit und Charakterlosigkeit der voraufgegangenen Zeit abstach. Die Ereignisse, welche gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ganz Europa [* 8] in Aufruhr versetzt hatten, dann die Beteiligung Dänemarks an den Napoleonischen Kriegen, die Wegnahme der dänischen Flotte durch die Engländer, der Krieg mit den Schweden [* 9] (1808) und der Verlust Norwegens (1814): alles dies trug dazu bei, freiheitliche Ideen und ein erhöhtes Nationalbewußtsein im Volk zu entflammen.
Der Mann, welcher dieser Stimmung am besten Ausdruck zu geben verstand und dadurch das Haupt der neuen Schule wurde, war Adam Gottlob Öhlenschläger (1779-1850). Durch Steffens für die Ideen der deutschen Romantiker gewonnen, begann er 1802 seine dichterische Laufbahn als Lyriker (»Digte«, »Freias Alter«, »Langelandsreisen« und »Jesu Liv i den tilbagevendende Natur«) und als Epiker (»Thors Reise til Jotunheim« und »Vaulundurs Saga«),
worauf er durch seinen abenteuerlich-romantischen »Aladdin eller den vidunderlige Lampe« [* 10] zum tragischen Drama überging. Auf diesem Gebiet hat er seine schönsten Erfolge errungen, so durch »Hakon Jarl« (1807),
»Palnatoke« (1807) und »Axel og Valborg« (1808). Leider besaß er den Ehrgeiz, auch deutscher Dichter sein zu wollen, und übersetzte zu diesem Zweck seine Werke ins Deutsche. [* 11] Ja, das Drama »Correggio« (1809) gab er sogar ursprünglich nur in der fremden Sprache [* 12] heraus. Sein deutscher Stil war aber viel zu schwerfällig und seine ganze Weltanschauung viel zu spezifisch dänisch, als daß dieses Streben von Erfolg hätte gekrönt sein können. In Dänemark galt er indessen noch bis in die 70er Jahre hinein, ja gilt in gewissen Kreisen heute noch als der hervorragendste Dichter, den die skandinavischen Völker jemals hervorgebracht haben. Sein Hauptnebenbuhler war ¶
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Nikolai Frederik Severin Grundtvig (1783-1872), welcher ein größeres episches Werk, ebenfalls in altnordischem Geist, schrieb (»Optrin af Kæmpelivets Undergang i Norden«, [* 14] 1808), aber trotz dieser und ähnlicher Schriften als Dichter keinen nennenswerten Erfolg errang. Glücklicher war er als Theolog und später als Freiheitskämpfer. Ein begabterer Dichter war der gleichgesinnte Adolf Vilhelm Schack v. Staffeldt (1769-1826), der indessen trotz seiner Gedankentiefe und seines Phantasiereichtums wenig beachtet wurde und erst in neuerer Zeit durch Georg Brandes richtig gewürdigt worden ist.
Damals leuchtete eben Öhlenschlägers Licht [* 15] noch so hell, daß ein andres daneben nicht oder kaum bemerkt wurde. Eine Ausnahme von dieser Regel bildete jedoch Bernhard Severin Ingemann (1789-1862), welcher jahrzehntelang der beliebteste Romanschriftsteller Dänemarks war und noch heute der Liebling der heranwachsenden Jugend ist. Seine Romane beruhen sämtlich auf historischen Ereignissen, die er indessen mit großer Freiheit für seine Zwecke umgemodelt hat; außerdem schrieb er Novellen und Gedichte, von welch letztern besonders die geistlichen berühmt geworden sind.
Als Gegner Ingemanns und Grundtvigs trat Johan Ludvig Heiberg (1781-1860) auf. Seine geistvolle Auffassung des Lebens wie seine leichte Sprachbehandlung machen alle seine Schöpfungen gleich ansprechend. Die meisten Erfolge errang er als Dramatiker, besonders als Vaudevillendichter und -Bearbeiter; doch steht er auch als Lyriker ziemlich hoch. Außerdem dichtete er das national-romantische Schauspiel »Elverhøi« (1828), welches seiner Zeit sehr viel Aufsehen erregte und noch heute oft gegeben wird.
Als Direktor des königlichen Theaters in Kopenhagen, [* 16] an welchem seine Frau lange Jahre als hervorragendste Schauspielerin des Nordens wirkte, hat er auch indirekt sehr viel für die Hebung [* 17] des dänischen Dramas gethan. Auch Karsten Hauch (1791-1872) erntete mit seinen Dramen und Romanen reichen Erfolg und trug durch seine ästhetischen Abhandlungen wesentlich zur Läuterung des poetischen Geschmacks bei. Noch glücklicher war Steen Steensen Blicher (1782-1848), der besonders durch seine jütländischen Novellen die Herzen des Volkes im Sturm eroberte.
Blicher hat als erster das Genre bearbeitet, welches später durch Gotthelf und Auerbach [* 18] in Deutschland unter dem Namen »Dorfgeschichten« bekannt geworden ist; außerdem war er einer der ersten Dialektdichter der dänischen Litteratur. Halb durch Ingemann, halb durch Blicher beeinflußt ist Johan C. Chr. Brosböll (Carit Etlar, geb. 1820), welcher in Dänemark noch heute die sogen. alte Schule repräsentiert. Seine Hauptvorzüge sind eine glühende Phantasie und eine erstaunliche Kombinationsgabe.
Unter den Novellisten ragt in dieser Periode hervor Frau Gyllembourg-Ehrenswärd (1773-1856), die Mutter Heibergs, welche in ihrem 53. Lebensjahr in der von ihrem Sohn redigierten »Flyvende Post« mit der Erzählung »En Hverdagshistorie« debütierte und sich bald einen geachteten Namen in der Geschichte der dänischen Litteratur erwarb. In mehrfacher Beziehung mit ihr verwandt ist de Saint-Aubain (Karl Bernhard, 1798-1865), der jedoch mit Bezug auf die Tiefe des Gefühls hinter ihr zurücksteht.
Volkstümlicher noch als die beiden letztgenannten wurde Christian Winther (1796-1876). Er hat als Sänger des Landlebens die dänische Litteratur mit zahlreichen Romanen und lyrischen Gedichten bereichert, in denen sich Wahrheit, Ursprünglichkeit und Tiefe in trefflichster Weise zu einem harmonischen Ganzen vereinigen. Sein hervorragendstes Werk ist wohl das romantische Epos »Hjortens Flugt« (1856). Winther ist ohne Zweifel derjenige, welcher, ohne direkt ein Schüler Heibergs zu sein, am meisten dazu beigetragen hat, die ästhetischen Grundsätze des letztern zum schnellen und allgemeinen Durchbruch zu bringen.
Ebenfalls ein bedeutender Lyriker ist Henrik Hertz (1798-1870), der eine Wiederbelebung der Baggesenschen Muse anstrebte und zu diesem Zweck im »Gjengangerbreve« (1830) eine scharfe Polemik gegen Öhlenschläger und Heiberg führte. Außerdem ist er als dramatischer Dichter bekannt geworden, so durch das romantische »Kong René's Datter« und verschiedene andre Arbeiten leichtern Kalibers. Auch in Thomas Overskou (1798-1874) gewann die Bühne einen gewandten und oft sinnigen Dramatiker, während die übermütigen Studentenkomödien Jens Chr. Hostrups (geb. 1818) der Schauspielkunst ein neues und ergiebiges Feld eröffneten.
Alle diese Männer werden indessen weit überragt von Hans Christ. Andersen (1805 bis 1875), der in seinen weltberühmt gewordenen Märchen selbst den unscheinbarsten Vorgängen und Erscheinungen Poesie einzuhauchen versteht. Ebenso naiv und sinnig wie seine Märchen sind auch seine lyrischen Gedichte, von denen Chamisso einige ins Deutsche übertragen hat (»Es geht bei gedämpfter Trommel Klang« u. a.). Als Romanschriftsteller und als Dramatiker dagegen war Andersen minder erfolgreich; selbst sein Roman »O. T.« (Odense [* 19] Tugthus) hat nur vorübergehend das Interesse der dänischen Lesewelt fesseln können.
Gedankenreicher und tiefer, aber ebendarum dem großen Publikum weniger zugänglich als Andersen war Fr. Paludan Müller (1809-76). Er debütierte 1832 mit dem auch in Deutschland bekannt gewordenen romantischen Schauspiel »Kjærlighed ved Hoffet« (»Liebe am Hof«) [* 20] und ließ von da ab lyrische und romantitische ^[richtig: romantische] Dramen, gereimte Märchen, poetische Erzählungen, epische, lyrische und didaktische Gedichte in bunter Reihenfolge erscheinen.
Weitaus am hervorragendsten unter diesen vielen Zeichen seiner erstaunlichen Produktivität ist indessen das umfangreiche Epos »Adam Homo«, dessen erster Teil 1841 und dessen Schluß erst 1848 erschien. Es ist sehr breit angelegt und darum hier und da etwas ermüdend, aber es steckt so voll tiefer Gedanken und ist so durch und durch originell, daß kaum irgend eine Litteratur eine Parallele [* 21] dazu dürfte aufweisen können. Eine eigenartige Dichternatur ist auch Erik Bögh (geb. 1822), wenn auch freilich in ganz anderm Sinn als Paludan-Müller. Was ihn auszeichnet, ist hauptsächlich seine leichte, angenehme Schreibart und sein nie versiegender Humor. Er ist in erster Linie Feuilletonist, und man darf wohl sagen, daß er während der 60er Jahre als solcher den Geschmack der litterarischen Kreise [* 22] Kopenhagens so gut wie ausschließlich beherrschte. In jeder Beziehung streng konservativ, war er einer der erbittertsten Gegner von Georg Brandes und der von ihm vertretenen Litteraturrichtung (s. unten). Am bekanntesten sind seine »Forelæsninger« und die unter dem Titel »Dit og Dat« gesammelten Feuilletons. Außerdem hat er etwa ein Hundert Theaterstücke ins Dänische übersetzt oder bearbeitet sowie einige Originale geschrieben, von denen »Fastelavnsgildet« und »Huldrebakken« die erwähnenswertesten sind. Nach dem Durchbruch der neuern Richtung in der dänischen Litteratur ist er vom öffentlichen Leben fast ganz zurückgetreten. Ein ebenso unversöhnlicher Feind der ¶