mehr
Oberbefehl zu stellen versprach. Auf dem Wiener Kongreß, dem König Friedrich VI. persönlich beiwohnte, erhielt Dänemark [* 2] für Schwedisch-Pommern von Preußen [* 3] Lauenburg [* 4] nebst 1 Mill. Thlr.; dieses neue Herzogtum wurde in den wesentlichsten Beziehungen mit Holstein vereinigt und so in den Deutschen Bund aufgenommen.
Vom Wiener Kongreß bis zum Londoner Protokoll.
Das Ergebnis der dänischen Politik während der Revolutionskriege, namentlich der Verlust des vier Jahrhunderte mit Dänemark verbundenen Norwegen, [* 5] wurde vom dänischen Volk bitter und schmerzlich empfunden; denn dasselbe sah sich jetzt unter den Staaten Europas zu einer bedeutungslosen Macht dritten Ranges herabgedrückt. Um so stärker machte sich nun die nationale Reaktion gegen das Ausland, namentlich gegen das Deutschtum, bemerkbar, welche durch Struensees schroffes Vorgehen geweckt und durch die kriegerischen Ereignisse der letzten Jahrzehnte gesteigert worden war.
Während bisher Hof [* 6] und Adel mehr deutsch als dänisch gewesen waren und das eigentliche Dänemark weniger für das Hauptland als für einen Annex der deutschen Herzogtümer hatte gelten können, suchten die Dänen nun durch eine entschiedene Hervorkehrung ihrer Nationalität, durch die Schöpfung einer nationalen Kunst und Litteratur und durch innere Reformen die Verluste gutzumachen, welche an äußerer Macht erlitten hatte. Durch die Kriegslasten, die langjährige Handelsstockung und schlechte Finanzwirtschaft war der öffentliche wie der Privatwohlstand untergraben.
Die Staatsschuld war in den Jahren 1800-14 von 28 auf 100 Mill. Thlr., die Zettelschuld (unfundiertes Papiergeld) auf 142 Mill. gestiegen. Durch eintretenden partiellen Staatsbankrott ward das Papiergeld völlig entwertet. Die Regierung belegte zwar alles Grundeigentum mit einer Abgabe von 6 Proz. des Wertes, doch ward dadurch der finanziellen Bedrängnis nicht abgeholfen, und Ende 1816 belief sich die Staatsschuld noch auf 116½ Mill. Reichsbankthaler. Zwar gelang es selbst Möstings weiser Verwaltung nicht völlig, die Ausgaben mit den Einnahmen in ein angemessenes Verhältnis zu bringen; doch konnte man wenigstens allmählich die Zinsen für die Staatsschuld regelmäßig zahlen, der Kredit hob sich wieder, und eine neue Flotte wurde hergestellt.
Neue Häfen wurden zu Frederikshavn und Helsingör [* 7] angelegt und auch sonst viel für den Handel, die innere Verwaltung des Staats, besonders für die Justiz, gethan. Das Unterrichtswesen ward verbessert, jedes wissenschaftliche Bestreben begünstigt. Zu gleicher Zeit wurde das Verlangen nach einer konstitutionellen Verfassung laut, namentlich nach der französischen Julirevolution 1830. Indessen alles, was nach längern Verhandlungen zuletzt erreicht wurde, waren die Gesetze vom und vom in welchen die ständischen Verhältnisse reguliert wurden.
Die Inseln, Jütland, Schleswig, [* 8] Holstein nebst Lauenburg erhielten Provinzialstände nach dem Muster der preußischen, jede Provinz für sich, und der König versprach, die Entwürfe allgemeiner Gesetze, welche Personen- und Eigentumsrechte, Kommunalangelegenheiten und Lasten beträfen, den Ständen zur Beratung vorlegen und Anträge und Beschwerden von ihnen annehmen zu wollen. Die Stände für die Inseln versammelten sich in Roeskilde, die für Jütland in Viborg, die für Holstein in Itzehoe, die für Schleswig in Schleswig. Zugleich erfolgte eine Trennung der Justiz von der Administration, jedoch nur in den höhern Instanzen. Schleswig und Holstein erhielten eine besondere Provinzialregierung.
Alle diese Anordnungen wurden von dem Volk mit geringer Teilnahme aufgenommen; der intelligentere Teil erkannte wohl, daß in denselben für die höhere Entwickelung der bürgerlichen und politischen Freiheit keine Garantie gegeben war. Jedoch betrachtete man sie als eine Abschlagszahlung und nahm in den Ständeversammlungen erwünschten Anlaß, um die vielfachen Mißstände in Regierung und Verwaltung, besonders auf finanziellem Gebiet, aufzudecken. Als nach Friedrichs VI. Tod sein Vetter Christian VIII. (1839-48) den Thron [* 9] bestieg, wurde die Opposition des liberalen Teils der Bevölkerung [* 10] heftiger.
Man hegte große Erwartungen von diesem König, der eine nicht unbedeutende politische Laufbahn durchgemacht hatte, ein Mann von Geist und Einsicht war und bereits vielfach Beweise seiner liberalen Gesinnung an den Tag gelegt hatte. Diese Hoffnungen wurden jedoch bald durch einen »offenen Brief« des Königs an alle seine Länder, der zwar Verbesserungen in der Verwaltung versprach, doch die Verfassung durchaus nicht berührte, enttäuscht. Die durch die Unzufriedenheit hierüber gesteigerte liberale Agitation vereinigte sich nun besonders in den gebildeten Kreisen der Hauptstadt mit den nationalen Bestrebungen.
Besuche der schwedischen Studenten in Kopenhagen, [* 11] der dänischen und norwegischen in Stockholm [* 12] und Upsala [* 13] schienen eine Verbindung der drei Völker anbahnen zu wollen und belebten die Ideen des Skandinavismus von neuem. Man sprach schon von der Wiederherstellung der Kalmarischen Union für den nicht unwahrscheinlichen Fall des Aussterbens des Königshauses. Einstweilen war die Partei der Nationalliberalen (oder Eiderdänen) namentlich bemüht, Schleswig, das man für ein dänisches Land ansah, und dessen vertragsmäßige Unteilbarkeit von Holstein man nicht anerkennen wollte, enger mit Dänemark zu verbinden.
Eine ähnliche Bewegung, nur mit entgegengesetztem Ziel, bereitete sich in den Herzogtümern vor. Auch hier wünschte man eine Erweiterung der ständischen Rechte. Dann aber wurde man sich hier ebenfalls der nationalen Zusammengehörigkeit mit Deutschland [* 14] bewußt und begann, den Zusammenhang mit Dänemark als eine Fremdherrschaft anzusehen. Besonders das Bündnis Dänemarks mit dem Unterdrücker des deutschen Volkes, Napoleon I., hatte in Schleswig-Holstein [* 15] den nationalen Gegensatz geschärft.
Während die Dänen Schleswig danisieren wollten, suchten die Schleswig-Holsteiner in Schleswig die deutsche Sprache zur alleinigen für die höhere Verwaltung, die Justiz und den höhern Unterricht zu machen. Auch hier hoffte man endlich für den Fall des Aussterbens der dänischen Königsfamilie im Mannesstamm auf die völlige Trennung von Dänemark. Zwischen diesen entgegengesetzten Bestrebungen, welche sich immer heftiger bekämpften, standen das Königtum und die höhere Büreaukratie, in welcher der dänisch gesinnte schleswig-holsteinische Adel zahlreich vertreten war.
Diese wünschten vor allem die Erhaltung des dänischen Gesamtstaats, und ihre Aufgabe wäre es also gewesen, durch schonende Mäßigung und durch ausgleichende Gerechtigkeit die streitenden Parteien zu versöhnen, die nationalen Gegensätze zu mildern und die Dänemark und den Herzogtümern gemeinsamen Interessen zu betonen und zu pflegen. Namentlich würde eine rechtzeitige Befriedigung der liberalen Wünsche wesentlich dazu beigetragen haben. Dies versäumte Christian VIII. Ja, er rief durch den »offenen Brief« vom in dem er die dänische weibliche Erbfolge auch für die Herzogtümer ¶
mehr
festsetzen zu wollen erklärte, Beunruhigung in denselben und Proteste der erbberechtigten Agnaten, der Stände und des Deutschen Bundes hervor.
Am starb Christian VIII., und sein Sohn Friedrich VII. (1848-63) bestieg den Thron. Bereits am ersten Tag seines Regierungsantritts erließ er einen »offenen Brief«, in welchem er versprach, die Bewohner sämtlicher Landesteile mit gleicher Liebe zu umfassen und die von dem verstorbenen König beabsichtigte Ordnung der öffentlichen Verhältnisse des Staats zum Ziel zu bringen. Am 28. Jan. folgte ein Reskript, betreffend die Einführung einer Verfassung, die gleichzeitig die unantastbaren Rechte im allgemeinen sowie die besondern Rechte und Interessen sämtlicher Unterthanen sichern sollte, zu welchem Zweck die Einführung besonderer Stände für das Königreich Dänemark und die Herzogtümer Schleswig und Holstein, welche zu gewissen Zeiten in gleicher Anzahl vom Königreich und von den Herzogtümern gemeinschaftlich zu tagen hätten, verheißen wurde.
Das Reskript befriedigte weder die nationalen noch die liberalen Wünsche. Während die eifrig national Gesinnten meinten, die beabsichtigte Verfassung müsse den Einfluß des Deutschen Bundes auf die Angelegenheiten des Königreichs Dänemark verstärken, vor allem aber die Einverleibung Schleswigs in Dänemark verlangten, waren andre unzufrieden, daß sich das Reskript über die konstitutionellen Freiheiten, wie über das Steuerverweigerungsrecht der Stände, Preßfreiheit, Verantwortlichkeit der Minister, erweitertes Wahlrecht, nur vag aussprach.
Die Februarrevolution 1848 fand unter diesen Umständen auch zu Kopenhagen ihren Widerhall. Die eiderdänische Partei hielt 11. März zur Besprechung der schleswigschen Frage eine große Versammlung im Kasino ab und erklärte nach leidenschaftlichen Reden Clausens und Tschernings das Herzogtum Schleswig für eine dänische Provinz, deren Wille nicht in Betracht kommen dürfe. Darauf folgten noch weitere öffentliche Demonstrationen, infolge deren der König das bisherige Ministerium entließ und 22. März das »Kasino"-Ministerium berief, in welchem die entschiedensten Eiderdänen, wie Monrad, Bluhme, Orla Lehmann, Tscherning, saßen.
Eine Proklamation vom 24. enthielt das neue Programm »Dänemark bis an die Eider«. Dieselbe gab die Losung für den Abfall Schleswig-Holsteins von Dänemark und für den Beginn des Kriegs, an dem sich auf seiten der Herzogtümer auch Deutschland beteiligte (s. Schleswig-Holstein), während England und Rußland Dänemark zwar keine direkte Hilfe leisteten, aber ihre diplomatische Unterstützung versprachen. Das dänische Volk gab im allgemeinen während des Kriegs die größten Beweise von Patriotismus und Opferwilligkeit.
Der Krieg endigte auch durch den Sieg bei Idstedt (24. und noch mehr aber infolge der schwächlichen Politik Preußens [* 17] und Österreichs, welche die Herzogtümer im Stiche ließen, in einer für Dänemark vorteilhaften Weise: es gelang der dänischen Regierung, die außerdeutschen Großmächte und Schweden zu einer Erklärung für die Aufrechthaltung der Integrität (Unteilbarkeit) der dänischen Monarchie in London [* 18] zu vereinigen, welcher 2. Aug. d. J. auch Österreich [* 19] beitrat.
Darauf wurde im Warschauer Protokoll vom der Prinz Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg von Dänemark und Rußland zum eventuellen Thronfolger in dem Gesamtstaat designiert und im Londoner Protokoll vom von allen Großmächten und von Schweden als solcher anerkannt. Die näher berechtigten Agnaten in Dänemark verzichteten zu seinen gunsten, und der dänische Reichstag genehmigte die neue Thronfolgeordnung Die Genehmigung des deutschen Bundestags ward sowenig eingeholt wie die der Agnaten in Schleswig.
Neuere Zeit bis 1864.
Gleichzeitig ward in Dänemark die innere Verfassungsangelegenheit in Angriff genommen. Anfang Juli 1848 erschien das neue Wahlgesetz für die konstituierende Volksvertretung, und 23. Okt. wurde dieselbe vom König eröffnet. Noch ehe jedoch das Verfassungswerk zum Abschluß gediehen war, fand Anfang November 1848 ein unerwarteter Wechsel des Ministeriums statt. Dasselbe hatte nämlich als subsidiäre Friedensbasis die Teilung Schleswigs vorgeschlagen und demgemäß eine Instruktion an den königlichen Gesandten in London ausgefertigt; der König verweigerte aber die Unterschrift, und eine mit über 20,000 Unterschriften versehene Adresse an den König verlangte die strengste Aufrechthaltung des Eiderprogramms. So wurde denn das Kabinett durch den Eintritt eifriger Eiderdänen, wie Clausen und Madvig, ergänzt; neu traten ein: Etatsrat Bang (Inneres), Professor Madvig (Kultus), Graf Sponneck (Finanzen).
Das Grundgesetz, wonach das System der indirekten Wahlen zum Landsthing adoptiert und die Wählbarkeit zu demselben durch einen Zensus beschränkt wurde, kam zum Abschluß. Dann ging man an die Regelung der Verhältnisse Dänemarks zu den Herzogtümern, und das Ministerium arbeitete die Kundmachung vom aus, welche eine Art von Gesamtstaatsordnung enthielt. Nach derselben sollte der dänische Staat aus drei Hauptteilen bestehen: dem Königreich, dem Herzogtum Schleswig und den Herzogtümern Holstein und Lauenburg.
Jeder Teil sollte seine eigne Volksvertretung und seine eignen verantwortlichen Ministerien haben, alle drei Teile aber durch eine gemeinschaftliche Verfassung geeinigt werden. Dies Programm stieß in den Herzogtümern auf Widerstand, da es dieselben trennte, und fand den Beifall der Eiderdänen nicht, weil es Schleswig nicht ganz mit Dänemark vereinigte. Als daher die Majorität des Folkethings 1853 die zunächst vorgelegten Gesetze über die Zolleinheit des Gesamtstaats und über die Erbfolge, welche künftig nur in der männlichen Linie stattfinden sollte, verwarf, erklärte der Ministerpräsident Bluhme die Eiderpolitik für unausführbar und den Verträgen widersprechend, löste das Folkething auf und erlangte im neuen Reichstag eine regierungsfreundliche Majorität, welche beide Gesetze genehmigte.
Hierauf verkündigte die Regierung die Gesamtstaatsverfassung für Dänemark und die Herzogtümer, nach welcher der Reichsrat für die ganze Monarchie aus 50 Mitgliedern bestehen und der König davon 20, darunter 4 holsteinische, ernennen sollte. Beim Finanzgesetz sollte der Reichsrat nur beratend, bei neuen Steuern beschließend sein. Er sollte mindestens alle zwei Jahre in Kopenhagen zusammenkommen und vom 1. Sept. an in Wirksamkeit treten. Die Überraschung war allgemein, die öffentliche Stimmung in Dänemark dem Gesetz entgegen.
Der Reichsrat selbst, dessen Sitzungen schon 2. Okt. wieder geschlossen wurden, nahm sofort eine oppositionelle Stellung gegen die Regierung ein, und eine noch ernstere Opposition fand das Ministerium in dem wieder eröffneten dänischen Reichstag. Dazu liefen auch aus dem Lande die dringendsten Adressen gegen das Ministerium ein. Zuerst schien der König fest zum Ministerium stehen zu wollen und löste den Reichstag auf. Da aber die neuen Wahlen ebenfalls gegen ¶