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die zweite Klasse gehören diejenigen Maschinen, deren Kurbeln um einen rechten Winkel [* 2] verstellt sind. Bei diesen Maschinen ist zwischen beiden Cylindern ein Sammelraum (Receiver) nötig, in welchem sich der Dampf [* 3] aufhält, wenn er den kleinen Cylinder verläßt, jedoch wegen der eigentümlichen Kurbelstellung noch nicht in den großen Cylinder eintreten kann. Diese Maschinen heißen Compoundreceivermaschinen, werden aber im gewöhnlichen Gebrauch häufig schlechtweg Compoundmaschinen, besser jedoch Receivermaschinen genannt.
Das Prinzip einer Woolfschen Maschine zeigt [* 1] Fig. 12. C ist der kleine, D der große Cylinder, deren Kolben, mit zwei gleichgerichteten Kurbeln in Verbindung stehend, gleichmäßig auf- und niedergehen. Tritt nun frischer Dampf durch E über den Kolben A, so ist zugleich auch Hahn [* 4] H geöffnet (dagegen G, F und K geschlossen), so daß der vom vorigen Hub unter A befindliche Dampf über B tritt, während der Raum unter letzterm durch L mit dem Kondensator [* 5] in Verbindung steht.
Beide Kolben gehen also gleichzeitig abwärts, der Dampf zwischen A und B drückt durch seine Spannung B nach unten und A nach oben; da aber B größer ist als A, so bleibt stets ein den Kolben B abwärts bewegender Druck übrig, proportional dem Unterschied der beiden Kolbenflächen. Nachdem beide Kolben den tiefsten Stand erreicht haben, ist der Cylinder D mit dem ursprünglich in C befindlich gewesenen Dampf gefüllt, und dieser ist um das 3½- bis 5fache expandiert. Beim Kolbenwechsel öffnen sich die Hähne F, G und K, und die beiden Kolben steigen unter denselben Verhältnissen in die Höhe, wie sie niedergegangen sind. Dabei ist während eines Schubes der Druck auf die Kurbel [* 6] minder veränderlich als bei Expansionsmaschinen mit nur einem Cylinder, und der Kohlenverbrauch ist sehr gering.
Eine Woolfsche Maschine, welche von den gewöhnlichen Konstruktionen wesentlich abweicht und namentlich eine originelle Steuerung besitzt, ist von Ehrhardt angegeben und von der Dinglerschen Maschinenfabrik in Zweibrücken [* 7] ausgeführt worden. Diese Maschine ist [* 8] namentlich gegenüber den verschiedenen Variationen des Corliß-Systems sehr einfach. Die beiden Cylinder sind zusammengegossen und zusammen mit dem Steuerungsgehäuse in einem größern Cylinder zur Vermeidung von Wärmeverlusten eingeschlossen.
Die Kolben bewegen sich in entgegengesetzter Richtung, wodurch die Druckwirkungen auf die Schwungradlager sich zum größten Teil ausgleichen. Die beiden Steuerungshähne werden durch eine Querwelle von der Kurbelwelle aus in eine kontinuierliche Drehung versetzt; an jedem Ende der Cylinder ist ein solcher Hahn angebracht, welcher zugleich beide Cylinder steuert, und dessen Funktion sich aus der schematischen Darstellung [* 1] (Fig. 13 und 14) ergibt. Der Dampf tritt zunächst in den Mantel des kleinen Cylinders c, von hier durch den Steuerungshahn in den kleinen Cylinder hinter den Kolben, während gleichzeitig für den vor dem entgegengesetzt sich bewegenden Kolben des großen Cylinders C austretenden Dampf der Ausweg O zum Kondensator durch den Steuerungshahn geöffnet ist. Am andern Ende der Cylinder muß gleichzeitig der vor dem kleinen Kolben hergetriebene Dampf hinter den Kolben im großen Cylinder hinüber expandieren können, weshalb der andre Steuerungshahn die in [* 1] Fig. 14 skizzierte zweite Position einnehmen muß.
Bei der nächsten halben Drehung der Schwungradwelle oder der Steuerungshähne haben die letztern ihre gegenseitige
Stellung
selbstverständlich vertauscht.
[* 1]
Fig. 15 (Tafel II) zeigt eine vollständige
Dampfmaschine
[* 9] nach Woolfschem
System mit Collmann-Steuerung. Hier sind die beiden
Cylinder A und B hintereinander angeordnet, so daß
sie eine gemeinschaftliche
Kolbenstange CC haben, welche von der
Kurbel D mit der
Bleuelstange E angetrieben wird. F ist das
Verbindungsrohr zwischen beiden
Cylindern, G die
Kondensation.
Noch gleichmäßiger als bei diesen Woolfschen Maschinen wird der Gang [* 10] bei den Receivercompoundmaschinen. Die beiden rechtwinkelig verstellten Kurbeln einer solchen Maschine sitzen in Wirklichkeit auf Einer Achse, sind aber der größern Anschaulichkeit wegen in der das Prinzip der Receivermaschine veranschaulichenden [* 1] Fig. 16 so gezeichnet, als ob sie auf verschiedenen Wellen [* 11] angebracht wären. Bei der Kurbelstellung a befindet sich der kleine Kolben in der Mitte seines Aufganges, der große Kolben im obern Totpunkt. Dabei drückt der Kesseldampf gegen den kleinen Kolben; der während der ersten Hälfte des Aufganges des kleinen Kolbens ausgetretene Oberdampf wurde von dem zwischen beiden Cylindern befindlichen (in der Skizze fortgelassenen) Receiver aufgenommen und beginnt in diesem Moment gegen die Oberfläche des großen Kolbens zu wirken. Bei der unter b dargestellten Kurbelstellung
[* 1] ^[Abb.: Fig. 13 u. 14. Ehrhardtsche Steuerung.]
[* 1] ^[Abb.: Fig. 16. Hauptstellungen einer Receivercompoundmaschine.] ¶
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befindet sich der kleine Kolben am Ende seines Aufganges, und es beginnt jetzt der unter ihm wirksam gewesene Dampf in den Receiver zu treten, welch letzterer inzwischen den großen Cylinder mit Dampf gespeist hat, jedoch vor dem Zutritt des neuen Dampfes aus dem kleinen Cylinder, also vor Beendigung desselben Hubes des großen Kolbens, gegen dessen Cylinder verschlossen wurde, so daß der Dampf in diesem durch weitere Expansion zu wirken beginnt. Während des Überganges von b bis zur Stellung c ist die Expansion im großen Cylinder beendet, inzwischen der kleine Kolben unter der Einwirkung des Kesseldampfes bis in die Mitte seines Niederganges gekommen und hat dabei einen Teil des unter ihm befindlichen Dampfes in den Receiver gedrängt, welcher sich oben nach dem großen Cylinder hin öffnet. Dabei wirkt jetzt der Receiverdampf von unten gegen den großen Kolben, bis dieser die unter d dargestellte Stellung erreicht hat, wird aber wieder vor dem Eintritt des über dem kleinen Kolben wirksam gewesenen Dampfes abgesperrt. Von der Stellung d gehen die Kolben und Kurbeln zurück in die Stellung a etc.
Eine liegende Receivercompoundmaschine neuester Konstruktion von 250 Pferdekräften ist in
[* 12]
Fig. 17 (Tafel II) dargestellt.
Der Dampf gelangt hier durch Rohr K nacheinander in den kleinen oder Hochdruckcylinder A, den Receiver B,
den großen oder Niederdruckcylinder C und endlich in den Kondensator, der mit zwei Luftpumpen
[* 13] EE versehen ist. Der Hochdruckcylinder
ist mit Collmann-Steuerung versehen und erhält je nach dem Widerstand der durch die Dampfmaschine
betriebenen Arbeitsmaschine mehr oder
weniger große Füllung, deren Maß durch den Regulator
[* 14] bestimmt wird.
Der Niederdruckcylinder hat Meyersche Schiebersteuerung. Die beiden Kurbeln GG sind rechtwinkelig gegeneinander verstellt und treiben das als Schwungrad dienende Seilrad H, über dessen Umfang in entsprechenden Nuten zehn Hanfseile zur Übertragung auf die Transmissionswellen gelegt sind. L L sind sogen. Bajonettbalken, welche die Lager [* 15] der Schwungradwelle fest mit den Cylindern verbinden. Man kann die Maschine auch mit jedem der beiden Cylinder allein arbeiten lassen. Hierzu dienen die Rohre N und O. Zum Absperren des Dampfes bei Abstellung der Maschine dient das Absperrventil P, während Q das Einspritzwasser des Kondensators reguliert.
Dampfmaschinen mit Umsteuerung.
Unter gewissen Verhältnissen nehmen die Dampfmaschinen
[* 16] besondere, von den bisher beschriebenen abweichende
Formen an. Häufig kommt es vor, daß die Dampfmaschinen abwechselnd vor- und rückwärts laufen müssen, so bei Winden,
[* 17] bei
den sogen. Fördermaschinen der Bergwerke (mittels welcher Erze und Menschen auf- und abwärts befördert werden), bei Lokomotiven
und Schiffsmaschinen, Dampfstraßenwalzen, bei gewissen Walzwerken (Reversierwalzwerke) etc. In solchen
Fällen bedarf die Dampfmaschine
eines geeigneten
Mechanismus, der sogen. Umsteuerung
[* 18] (s. Steuerung).
Bei Anwendung nur eines Dampfcylinders mit einer Kurbel würde die Ingangsetzung solcher Maschinen in dem Fall Schwierigkeiten
machen, daß die Dampfmaschine
im sogen. Totpunkt, d. h. so steht, daß Kurbel und Bleuelstange in einer geraden Linie
liegen. Außerdem kann man bei diesen Maschinen Schwungräder nicht wohl verwenden, weil dieselben der erwünschten schnellen
und exakten Umsteuerung entgegenarbeiten würden, so daß sie mit nur einem Dampfcylinder einen sehr unregelmäßigen Gang
haben würden. Deshalb werden diese Dampfmaschinen jetzt ausnahmslos mit zwei Cylindern versehen, deren Kurbeln um 90°
verstellt sind (Zwillingsmaschinen), wodurch die Totpunkte gänzlich vermieden sind.
Schiffsmaschinen.
Bei Schiffsmaschinen hat man mit dem beengten Raum zu rechnen, in welchem sie aufgestellt werden. Eine Form, die sehr wenig
Platz braucht, ist diejenige der oszillierenden Dampfmaschine
, bei welcher die Bleuelstange fortfällt und der Cylinder um zwei in Lagern
drehbare hohle Zapfen
[* 19] schwingt, so daß der Kopf der Kolbenstange unbehindert der Kurbelbewegung folgen
kann. Die Dampfzuleitung und -Abführung erfolgt durch diese hohlen Zapfen mittels angeschlossener und durch Stopfbuchsen
abgedichteter Rohre.
Die Steuerung erfolgt durch Schieber, welche durch die schwingende Kolbenbewegung hin und her bewegt werden. Diese Maschinen
sind dadurch, daß sie an den Stopfbuchsen leicht undicht werden, in Mißkredit gekommen und werden daher
als Landdampfmaschinen
gar nicht mehr, als Schiffsmaschinen nur noch zum Betrieb von Raddampfern gebaut.
[* 12]
Fig. 18 (Tafel I)
zeigt eine oszillierende Zwillingsschiffsmaschine. A Radwelle, BB' oszillierende Cylinder, C Schwingungsachse, DD' die Kurbeln.
- Beliebt sind als Schraubenschiffsmaschinen die sogen. Trunkmaschinen.
Dieselben sind dadurch in der Längsrichtung verkürzt, daß man die Kolbenstange als weites Rohr ausgeführt hat, in dessen
Mitte die Kolbenstange angreift.
[* 12]
Fig. 19: Trunkmaschine. A Cylinder, B Kolbenstange, C Bleuelstange, D Kurbel, H Abführungsrohr,
welches in den Kondensator F mündet, G Luftpumpe.
[* 20] Im übrigen werden bei Schraubenschiffen auch vielfach
stehende Maschinen angewendet, deren Cylinder, an Gerüsten befestigt, über der Schraubenwelle stehen, und welche wegen ihrer
äußern Ähnlichkeit
[* 21] mit Dampfhämmern auch Hammermaschinen genannt werden. Hierbei wird nun jetzt sehr häufig das Compoundreceiversystem
verwendet, welches überhaupt bei Schiffsmaschinen zuerst erprobt und erst im Lauf des letzten Jahrzehnts auch
auf Landdampfmaschinen
übertragen wurde. In
[* 12]
Fig. 20 (Tafel II) ist eine Receivercompoundmaschine für Schraubenschiffe
in der Form einer Hammermaschine dargestellt. HH ist das Maschinengerüst, A der kleine, B der große Cylinder, E der Receiver,
CC Dampfschieber, DD die Um-
[* 12] ^[Abb.: Fig. 19. Trunkmaschine, Längsschnitt.] ¶