[* ] jeder gasförmige Körper, welcher durch die Wirkung der Wärme aus einer Flüssigkeit entstanden
ist (vgl. Verdampfung). Um den Dampf einer Flüssigkeit unvermischt mit Luft zu erhalten, fülle man eine am einen Ende zugeschmolzene,
80-90 cm lange Glasröhre mit Quecksilber bis auf einen kleinen Raum, welchen man nun noch mit der zu verdampfenden Flüssigkeit,
z. B. mit Äther, vollgießt. Man verschließt nun die Röhre, welche jetzt nur die beiden Flüssigkeiten,
aber keine Luft enthält, luftdicht mit dem Finger, bringt die verschlossene Mündung unter die Oberfläche einer in tiefem
Gefäß befindlichen Quecksilbermenge, entfernt den Finger und stellt die Röhre lotrecht
[* ]
(Fig. 1). Über der Quecksilbersäule,
welche noch in der Röhre stehen geblieben ist, gewahren wir ein wenig Flüssigkeit, der darüber befindliche
Raum aber scheint leer zu sein; er ist jedoch nicht leer, sondern von vollkommen durchsichtigem und daher unsichtbarem
Ätherdampf erfüllt.
Wäre nämlich dieser Raum leer, so müßte die in der Röhre stehen gebliebene Quecksilbersäule so hoch sein, daß sie dem
äußern Luftdruck, welcher auf die Oberfläche des Quecksilbers im Gefäß drückt, das Gleichgewicht halten
könnte, also so hoch wie die Quecksilbersäule in einem gleichzeitig beobachteten Barometer. Sie steht aber viel niedriger
und zeigt dadurch an, daß im Innern der Röhre ein Gegendruck ausgeübt wird, der nur von dem Ausdehnungsbestreben oder der
Expansivkraft (Spannkraft, Tension) eines über dem Quecksilber befindlichen gasförmigen Körpers, nämlich
des Ätherdampfes, herrühren kann. Da dieser Druck im Verein mit der in der Röhre stehenden Quecksilbersäule dem durch den
Barometerstand gemessenen äußern Luftdruck das Gleichgewicht hält, so braucht man nur die Höhe dieser Quecksilbersäule
von der Barometerhöhe abzuziehen, um den Druck des Ätherdampfes, durch die Höhe einer Quecksilbersäule
ausgedrückt, zu erfahren. Bleibt die Temperatur der Umgebung (aus welcher die Flüssigkeit die zu ihrer Verdampfung erforderliche
Wärme entnommen hat) unverändert, so bildet sich kein weiterer Dampf mehr, obgleich noch flüssiger Äther über dem Quecksilber
vorhanden ist; der Raum über dem Quecksilber vermag also bei dieser Temperatur nur eine begrenzte Dampfmenge
aufzunehmen, und wir sagen deshalb, er sei mit Dampf gesättigt oder mit gesättig-
[* ]
^[Abb.: Fig. 1. Dampfbildung über Quecksilber.]
[* ]
^[Abb.: Fig. 2. Ermittelung der Spannkraft des Wasserdampfes.]
[* ]
^[Abb.: Fig. 3. Ermittelung der Spannkraft des Dampfes bei Temperaturen über dem Siedepunkt.]
mehr
tem Dampf erfüllt. Vergrößern wir aber diesen Raum, indem wir die Röhre in die Höhe ziehen (ohne jedoch ihre Mündung aus
dem Quecksilber zu heben), so bildet sich in dem Maß, als der Raum größer wird, neuer Dampf aus der Flüssigkeit, so daß der
Raum mit Dampf von der gleichen Beschaffenheit wie vorhin gesättigt und der Dampfdruck unverändert bleibt,
was man daran erkennt, daß die in der Röhre gehobene Quecksilbersäule die nämliche Höhe behält, bis die gesamte vorhandene
Äthermenge verdampft ist.
Wird nun, nachdem keine Flüssigkeit mehr, sondern nur noch Dampf über dem Quecksilber vorhanden ist, durch weiteres Herausziehen
der Röhre der Raum noch mehr vergrößert, so steigt die Quecksilbersäule und zeigt dadurch an, daß
der Druck des nun nicht mehr gesättigten Dampfes abnimmt und zwar in demselben Verhältnis abnimmt wie seine Dichte (nach
dem Mariotteschen Gesetz). Drückt man alsdann die Röhre wieder in das Quecksilber hinab, so wächst anfangs
die Spannkraft des nicht gesättigten Dampfes, dem Mariotteschen Gesetz entsprechend, mit seiner Dichte, die Quecksilbersäule
wird wieder niedriger, bis ihre ursprüngliche Höhe und damit der Sättigungszustand erreicht ist.
Verkleinert man durch ferneres Hinabdrücken den Dampfraum noch mehr, so beobachtet man, daß von nun an die Höhe der Quecksilbersäule
und somit auch die Spannkraft des Ätherdampfes ungeändert bleibt; gleichzeitig sieht man flüssigen
Äther in immer zunehmender Menge über dem Quecksilber sich ansammeln, bis endlich die ganze Dampfmenge in Flüssigkeit verwandelt
ist. Während also der ungesättigte Dampf dem Mariotteschen Gesetz gehorcht, indem sein Druck im umgekehrten Verhältnis zum Rauminhalt
sich ändert, fügt sich der gesättigte Dampf diesem Gesetz nicht; durch Raumverminderung wird seine Spannkraft
nicht erhöht, sondern es wird nur bewirkt, daß eine entsprechende Dampfmenge sich zu Flüssigkeit verdichtet, während der
übriggebliebene Raum mit gesättigtem Dampf von unveränderter Spannkraft gefüllt bleibt. Der Druck, welchen der Dampf im Sättigungszustand
ausübt, ist demnach der größte, welchen er bei der herrschenden Temperatur erreichen kann, und man
bezeichnet daher den gesättigten Dampf auch als solchen, der für seine Temperatur die höchstmögliche Spannkraft besitzt, oder
der sich im Maximum seiner Spannkraft befindet.
Wird ein Raum, welcher gesättigten Dampf nebst der Flüssigkeit, aus welcher derselbe entstanden ist, enthält,
höher erwärmt, so verdampft eine neue Flüssigkeitsmenge, und der Raum sättigt sich für diese höhere Temperatur mit Dampf von
größerer Dichte und höherm Drucke. Kühlt man nachher den Raum wieder ab auf die vorige Temperatur, so schlägt sich die neugebildete
Dampfmenge als Flüssigkeit nieder, und der Raum bleibt für die niedrigere Temperatur mit der frühern
Dampfmenge gesättigt.
Jeder Temperatur entspricht eine bestimmte Spannkraft des gesättigten Dampfes; um dieselbe z. B. für Wasserdampf zu ermitteln,
bringt man ein wenig Wasser in den luftleeren Raum eines Barometers
[* ]
(Fig. 2), welches daselbst sofort teilweise verdampft und
den Raum mit gesättigtem Dampf füllt. Die Barometerröhre wird mit einem weiten Rohr umgeben, welches Wasser
enthält, das man nach und nach von 0° auf 100° erwärmt. Mit wachsender Temperatur sieht man die Quecksilbersäule in der
Röhre immer tiefer sinken, bis bei 100° das Quecksilber innerhalb und außerhalb der Röhre gleich hoch steht. Die Spannkraft
des Dampfes für irgend eine Temperatur aber findet man, wenn man die Höhe jener Quecksilbersäule von
derjenigen in einem gleichzeitig beobachteten Barometer abzieht. Die folgende Tabelle gibt die Spannkraft des
gesättigten Wasserdampfes
bis 100°, ausgedrückt durch die Höhe der Quecksilbersäule (in Millimetern), welcher sie das Gleichgewicht hält:
Temperatur |
Spannkraft |
Temperatur |
Spannkraft |
Temperatur |
Spannkraft |
° C. |
Millim. |
° C. |
Millim. |
° C. |
Millim. |
-30 |
0.4 |
15 |
12.7 |
60 |
148.8 |
-25 |
0.6 |
20 |
17.4 |
65 |
186.9 |
-20 |
0.9 |
25 |
23.6 |
70 |
233.1 |
-15 |
1.4 |
30 |
31.6 |
75 |
288.5 |
-10 |
2.1 |
35 |
41.8 |
80 |
354.6 |
- 5 |
3.1 |
40 |
54.9 |
85 |
433.0 |
0 |
4.5 |
45 |
71.4 |
90 |
525.5 |
5 |
6.5 |
50 |
92.0 |
95 |
633.8 |
10 |
9.2 |
55 |
117.5 |
100 |
760.0 |
Wie diese Tabelle zeigt, liefert das Wasser beim Gefrierpunkt (0°) noch Dampf, der die Quecksilbersäule um 4½ mm herabzudrücken
vermag. Selbst aus dem Eis entwickelt sich noch Wasserdampf; um für Temperaturen unter dem Gefrierpunkt die Spannkraft
zu messen, umgibt man den obern Teil der Barometerröhre mit einer entsprechenden Kältemischung. Beim Siedepunkt des Wassers
(100°) erreicht der gesättigte Wasserdampf den nämlichen Druck wie die atmosphärische Luft oder den Druck einer Atmosphäre,
welcher bekanntlich (s. Barometer) dem Druck einer Quecksilbersäule von 760 mm Höhe das Gleichgewicht hält.
Das Quecksilber in der Röhre ist jetzt bis zur Oberfläche des äußern Quecksilbers herabgedrückt; bei
noch höherer Erwärmung würde der Dampf im stande sein, den Luftdruck zu überwinden und unten aus der Röhre durch das Quecksilber
zu entweichen. Für Temperaturen über dem Siedepunkt ist daher das beschriebene Verfahren zur Bestimmung der
Spannkraft des Dampfes nicht mehr brauchbar. Man kann sich alsdann der Vorrichtung
[* ]
Fig. 3 bedienen;
eine zweischenkelige Röhre mit einem kurzen und weiten und einem engen, längern Schenkel wird, während die Spitze des kurzen
Schenkels noch offen ist, zum Teil mit Quecksilber gefüllt, welches sich in beiden Schenkeln gleich hoch
stellt.
Über das Quecksilber im kurzen Schenkel bringt man Wasser und erhält dasselbe so lange im Kochen, bis der sich entwickelnde
Dampf alle Luft aus diesem Schenkel ausgetrieben hat, und schmelzt dann die Spitze des kurzen Schenkels rasch zu. Bei 100° steht
alsdann das Quecksilber in beiden Schenkeln, von denen der längere offen geblieben ist, gleich hoch, weil
der gesättigte Dampf von 100° dem in den offenen Schenkel hereinwirkenden Druck der Atmosphäre das Gleichgewicht hält.
Erwärmt man aber höher, indem man z. B. den untern Teil der Vorrichtung in ein heißes
Ölbad taucht, so steigt das Quecksilber im langen Schenkel, und die gehobene Quecksilbersäule gibt den
Überschuß des Dampfdrucks über den äußern Luftdruck an. Beträgt z. B. die Höhe dieser Quecksilbersäule 760 mm, so hält
die Spannkraft des Dampfes dem doppelten Luftdruck oder einem Druck von 2 Atmosphären das Gleichgewicht, deren eine durch den
Druck der atmosphärischen Luft selbst, die andre durch den gleichgroßen Druck der 760 mm hohen Quecksilbersäule
dargestellt wird. Überhaupt pflegt man der bessern Übersicht wegen diese höhern Dampfspannungen statt unmittelbar durch
die entsprechenden Quecksilberhöhen lieber in »Atmosphären« (zu je 760 mm Quecksilber) auszudrücken, wie dies auch in der
folgenden kleinen Tabelle, welche die Spannkraft des gesättigten Wasserdampfes für höhere Temperaturen
gibt, geschehen ist.
mehr
Temperatur ° C |
Spannkraft Atm. |
Temperatur ° C |
Spannkraft Atm. |
Temperatur ° C |
Spannkraft Atm. |
100 |
1 |
148.3 |
4.5 |
170.8 |
8 |
111.7 |
1.5 |
152.2 |
5 |
175.8 |
9 |
120.6 |
2 |
155.9 |
5.5 |
180.3 |
10 |
127.8 |
2.5 |
159.2 |
6 |
213.0 |
20 |
133.9 |
3 |
161.5 |
6.5 |
236.2 |
30 |
139.2 |
3.5 |
165.3 |
7 |
252.5 |
40 |
144.0 |
4 |
168.2 |
7.5 |
265.9 |
50 |
Man sieht aus dieser und der vorigen Tabelle, daß die Spannkraft des gesättigten Dampfes mit steigender Temperatur in immer
rascherm Verhältnis zunimmt, weil ja nicht bloß die Temperatur (die Wucht der dahinfliegenden Moleküle, s. Wärme), sondern
durch erneute Verdampfung auch die Dichte (die Anzahl der in gleichem Raum enthaltenen Moleküle) wächst.
Damit aber neuer Dampf sich bilden und der Raum sich sättigen könne, muß dafür gesorgt werden, daß noch Flüssigkeit vorhanden
und mit dem Dampf in Berührung sei.
Wäre nämlich bereits alle Flüssigkeit verdampft, und würde die Temperatur noch weiter gesteigert, so würde
sich der Dampf der Temperaturzunahme proportional ausdehnen, oder es würde, wenn man ihm keine Ausdehnung gestattete, sein Druck
in ebendiesem Verhältnis wachsen (Gay-Lussacsches Gesetz); der Raum enthält dann nicht mehr die ganze Dampfmenge, die er bei
der herrschenden Temperatur aufzunehmen vermöchte, und ist daher nicht mehr gesättigt. Solchen ungesättigten Dampf nennt
man auch überhitzt, weil seine Temperatur höher ist als diejenige gesättigten Dampfes von gleicher Spannkraft.