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und Siewierz, der 1390 in der Schlacht bei Wilna [* 2] fiel, abstammend, trat bei Beginn des 17. Jahrh. von der griechischen zur römisch-katholischen Kirche über, legte sich darauf von dem Städtchen Czartoryisk in Wolhynien den Namen Czartoryiski bei und ward in den deutschen Reichsfürstenstand erhoben. Eine jüngere Linie, Czartoryiski-Korzec, starb 1810 in der männlichen Linie mit dem Fürsten Joseph Klemens aus. Erwähnenswert sind:
1) Michael Friedrich, geb. Großkanzler von Litauen, hielt es als mütterlicher Oheim des Königs Stanislaus Poniatowski mit den Russen und trug nicht wenig zur ersten Teilung Polens bei, schenkte aber allen seinen Unterthanen die Freiheit. Er starb
2) Adam Kasimir, Neffe des vorigen, Sohn des Fürsten August Alexander, geb. ward nach Augusts III. Tod als Kandidat für den polnischen Thron [* 3] aufgestellt, mußte aber Stanislaus Poniatowski weichen. Er trat nach der ersten Teilung Polens wegen seiner in Galizien gelegenen Besitzungen in österreichische Dienste. [* 4] Kaiser Joseph ernannte ihn zum Feldmarschall und verlieh ihm das Prädikat Durchlaucht sowie das ungarische Indigenat. An dem Reichstag von 1788 bis 1791 und an den Bestrebungen des polnischen Adels, dem Vaterland die Unabhängigkeit wiederzubringen, nahm er eifrigen Anteil, suchte aber vergeblich den Kurfürsten von Sachsen [* 5] zur Annahme der Krone Polens und den österreichischen Kaiser zur Vermittelung den eigennützigen Absichten Rußlands gegenüber zu bewegen.
Zum Senator Palatinus ernannt, zog er sich auf seine Güter zurück und starb zu Sieniawa in Galizien. Seine Gemahlin Isabella Fortunata, geborne Gräfin von Flemming, geb. 1743 zu Warschau, [* 6] gleich berühmt durch Schönheit und Geist wie durch ihren Patriotismus, lebte nach dem Tod ihres Gemahls auf ihrer reizenden Besitzung Pulawy, wo sie nicht nur prächtige Gärten, sondern auch Volksschulen, Fabriken und in dem sogen. Tempel [* 7] der Sibylle eine berühmte Sammlung polnischer Altertümer anlegte.
Während des Aufstandes von 1830 war ihr Schloß ein Hospital für die verwundeten und ein Zufluchtsort für die flüchtenden Patrioten. Nach dem unglücklichen Ausgang der Revolution zog sie sich nach Wysock in Galizien zurück, wo sie starb. Ihre Tochter Maria Anna, geb. vermählte sich 1784 mit dem Herzog Ludwig von Württemberg, [* 8] von dem sie aber 1792 geschieden wurde, und hat sich durch den polnischen Roman »Malvina« (Warschau 1818) einen Namen gemacht. Sie starb in Paris. [* 9]
3) Adam Georg, Fürst, ältester Sohn des vorigen, geb. vollendete seine Bildung auf der Universität Edinburg [* 10] und zu London [* 11] und nahm am Freiheitskampf Kosciuszkos rühmlichen Anteil. Nach der dritten Teilung Polens 1795 nebst seinem Bruder Konstantin als Geisel nach Petersburg [* 12] geschickt, trat er hier mit dem jungen Großfürsten Alexander in freundschaftliche Beziehungen. Nach seiner Thronbesteigung ernannte ihn Alexander zum Gehilfen des Ministers des Auswärtigen und zum Kurator sämtlicher Unterrichtsanstalten in Litauen und Weißrußland. Czartoryiski gehörte zu dem sogen. Triumvirat, das Alexanders persönlichen Rat bildete. Er hoffte durch Alexander die Wiederherstellung eines unabhängigen Polen unter einem russischen Großfürsten zu erreichen. Er war daher mit der Politik Rußlands 1805-1807 nicht einverstanden, begleitete zwar Alexander in den Krieg, nahm aber nach demselben seine Entlassung, ohne jedoch sein Vertrauen zu verlieren.
Wiewohl er kurz vor dem Ausbruch des Kriegs mit Frankreich im russischen Reichsrat zu gunsten seiner unglücklichen Nation sprach und sein Vater sich offen Napoleon I. anschloß, blieb Czartoryiski doch an Alexanders Seite und erhielt 1815 die Würde eines Senator Palatinus des Königreichs. Auf dem Wiener Kongreß übte er wesentlichen Einfluß auf die Abfassung der vom Kaiser Alexander den Polen gegebenen Verfassungsurkunde aus. 1817 vermählte er sich mit der Prinzessin Anna Sapieha.
Mit Freimütigkeit sprach er auf dem ersten Reichstag als Mitglied der Senatorenkammer von den Vorteilen konstitutioneller Verfassungen und suchte auch als Kurator der Universität Wilna die Nationalität Polens zu heben, ward aber 1821 von dem ihm mißtrauenden Großfürsten Konstantin seiner Stelle enthoben und lebte von nun an auf seinem Stammsitz Pulawy nur der Kunst und den Wissenschaften. Nach dem Ausbruch der polnischen Revolution von 1830 trat er auf Lubeckis Einladung dem von diesem gebildeten Administrationsrat in Warschau bei, ward zum Präsidenten der provisorischen Regierung ernannt und berief den Reichstag auf den Am mit dem Vorsitz in der Nationalregierung betraut, brachte er über die Hälfte seines Vermögens dem Vaterland zum Opfer dar, legte aber nach den Greuelthaten des 15. und sein Amt nieder, verließ, als sich Krukowiecki an die Spitze der Regierung gedrängt hatte, Warschau und diente als gemeiner Soldat in dem Korps des Generals Ramorino, bis dieser zu Anfang September 1831 auf österreichisches Gebiet übertrat, worauf auch Czartoryiski Polen verließ.
Von der Amnestie von 1831 ausgeschlossen, lebte er fortan in Paris und galt als das Haupt der aristokratischen (weißen) Partei der polnischen Emigranten, die in ihm den künftigen konstitutionellen König Polens sah und ihn 1838 förmlich dazu wählte. Seine Güter in Polen wurden konfisziert. Die von der österreichischen Regierung über seine Besitzungen in Galizien infolge des polnischen Aufstandes von 1846 verhängte Sequestration ward 1848 wieder aufgehoben. Im April 1848 erließ er den Bauern auf seiner Herrschaft Sieniawa in Galizien die Frondienste und gab ihnen ihre Besitzungen zu eigen.
Mit Rußland söhnte er sich auch unter Alexander II. nicht aus und nahm die ihm 1856 angebotene Amnestie nicht an. Er starb auf dem Schloß Montfermeil bei Paris. Er hinterließ eine Tochter, Isabella, vermählt mit dem Grafen Johann Dzialynski in Posen, [* 13] und zwei Söhne, Witold Czartoryiski, geb. der 1845 in spanische Dienste trat, sich später mit der Gräfin Marie Grocholska vermählte und 1865 starb, und Ladislas Czartoryiski, geb. der seit des Vaters Tode der Führer der aristokratischen Partei der polnischen Emigration ist. Derselbe vermählte sich 1855 mit einer (1864 verstorbenen) Tochter der Königin Christine von Spanien. [* 14] 1872 vermählte er sich mit der Prinzessin Margarete von Orléans, [* 15] Tochter des Herzogs von Nemours.
4) Konstantin, Bruder des vorigen, geb. zu Pulawy, ging nach der zweiten Teilung Polens mit seinem ältern Bruder, Adam, auf Wunsch der Kaiserin Katharina 1795 nach Petersburg und trat hier als Offizier in die Garde ein. Dem Großfürsten Konstantin als Generaladjutant zugeteilt, verblieb Czartoryiski bis 1799 in Petersburg, kehrte nach Pulawy zurück und ging 1801, nach dem Tode des Kaisers Paul, nach Moskau [* 16] zur Krönung des Kaisers ¶
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Alexander. 1803 vermählte er sich mit einer Prinzessin Radziwill, trat 1809, zur Zeit des Großherzogtums Warschau, unter Fürst Joseph Poniatowski in die polnische Armee ein und errichtete ein Regiment auf eigne Kosten. Nach dem Tod seiner ersten Gemahlin (1808) vermählte sich Czartoryiski (1810) mit Maria, Gräfin Dzierzanowska, ging 1811 nach Paris, machte unter Napoleon 1812 den russischen Feldzug mit, beteiligte sich an den Kämpfen bei Smolensk und an der Moßkwa (bei letzterer Affaire wurde ihm das Pferd [* 18] unter dem Leib durch eine Kanonenkugel getötet) und wurde aus diesem Anlaß durch das Offizierkreuz der Ehrenlegion aus der Hand [* 19] Napoleons ausgezeichnet.
Wegen Kränklichkeit verließ er 1813 den Dienst und ging auf Reisen. 1816 begab er sich auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers Alexander nach Petersburg und ward zum kaiserlichen Generaladjutanten ernannt, zog sich wegen anhaltender Kränklichkeit jedoch schon 1818 ins Privatleben zurück. Nachdem er abwechselnd einige Jahre in Polen, Frankreich, Italien [* 20] und in der Schweiz [* 21] zugebracht, ließ er sich 1828 in Wien [* 22] bleibend nieder. 1832 kaufte er von dem englischen Botschafter Lord Cowley die Villa van der Nüll in Weinhaus (bei Wien), die er mit einer kostbaren Gemäldesammlung, besonders aus den altitalienischen Schulen, ausstattete und als echter Kunstmäcen zum Sammelpunkt der Elite der Wiener Künstlerwelt gestaltete. Czartoryiski starb in Wien.
5) Georg, jüngster Sohn des vorigen, geb. widmete anfangs seine ganze Thätigkeit der Kritik auf dem Gebiet der schönen Künste und zwar vorzugsweise der Musik und der dramatischen Kunst. Von 1855 bis 1865 redigierte er im Verein mit seinem Bruder Konstantin die »Rezensionen und Mitteilungen über Theater [* 23] und Musik«, ein Fachblatt, das sich namentlich auch in Deutschland [* 24] eines guten Rufs erfreute. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er die ihm zufallenden bedeutenden Güter in Galizien, und diese gaben seiner Thätigkeit eine andre Richtung.
Durch Einführung einer rationellern, auf die Fortschritte der Neuzeit basierten Bewirtschaftung, durch Errichtung von Fabriken und Volksschulen trug er zur Hebung [* 25] der Bodenkultur und zur Verbesserung der Lage der Landbevölkerung in seinem Bezirk wesentlich bei. 1861 vermählte er sich mit der Tochter des Wiener Arztes Johann Czermak. 1867 von der Stadt Jaroslau zum Abgeordneten in den galizischen Landtag gewählt, gewann er auch bald auf politischem Gebiet bedeutenden Einfluß und gilt heute als anerkannter Führer der föderalistischen Partei in Galizien. 1873 wurde er auch in den Reichsrat gewählt.