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die heutige Bevölkerung [* 2] setzt sich wesentlich aus den seit 1511 eingewanderten Weißen u. den seit 1524 eingeführten Negern zusammen. Vollblutneger heißt man Morenos, Mulatten Pardos. Unter der weißen Bevölkerung besteht ein wesentlicher Gegensatz. Den auf der Insel gebornen Kreolen ist die spanische Herrschaft tief verhaßt, da sie sich zurückgesetzt und alle Staatsämter und einträglichen Posten in den Händen der Spanier sehen, welche ganz im Geiste der Zentralregierung das Land zu eignem Vorteil ausbeuten. Die schlechte Verwaltung und die noch immer fortdauernde Erhebung von Differentialzöllen zu gunsten des Mutterlandes machen es erklärlich, daß die Kreolen sich nach Befreiung von dem ihnen unerträglich gewordenen Joch sehnen.
Cuba ist, abgesehen von Brasilien, [* 3] das letzte Land Amerikas, in welchem die Sklaverei abgeschafft wurde. Von 1774 an bis 1841 ist die Zahl der Sklaven von 44,333 auf 436,495 gestiegen, also um 884 Proz., was nur dadurch zu erklären ist, daß Spanien [* 4] dem Vertrag von 1817 zuwider den Sklavenhandel mit Afrika [* 5] im geheimen fortsetzte. Erst 1872 geschah der erste Schritt zur Abschaffung der Sklaverei, indem alle von da an von Sklavinnen gebornen Kinder für frei erklärt wurden. 1879 erließ man ein Gesetz, welches die allmähliche Befreiung aller Sklaven im Laufe von acht Jahren zuwege bringen sollte.
Aber bereits schaffte man die Sklaverei durch einen Federstrich ab, ohne den seitherigen Eigentümern irgend eine Entschädigung zu gewähren. Indes war das Los der Sklaven auf Cuba nie ein so grausames wie in den Vereinigten Staaten, [* 6] denn nach den Leyes de las Indias konnte ein Sklave gegen 500 Doll. zu jeder Zeit seine Freiheit, eine Sklavin die ihres neugebornen Kindes für 30 Doll. erkaufen. Daß von diesem Recht vielfach Gebrauch gemacht wurde, ersieht man daraus, daß von 1841 bis 1869 die Anzahl der Sklaven von 436,495 auf 376,553 fiel, während gleichzeitig die gesamte farbige Bevölkerung von 589,300 auf 602,396 Seelen stieg.
Bei der anerkannten Arbeitsunlust der freien Farbigen und dem Bedürfnis nach Arbeitskräften in den Pflanzungen ist zu der schwarzen und weißen Bevölkerung neuerdings noch ein drittes Element, das chinesische, gekommen. Die Einfuhr der Kulis begann schon 1847, wurde aber erst stärker in dem letzten Jahrzehnt. Bis 1869 war die römisch-katholische Kirche die einzig zu Recht bestehende. Man hat aber sämtliche Kirchengüter konfisziert, die Geistlichen zu Staatsbeamten gemacht und andern Konfessionen [* 7] die Bildung von Kirchengemeinden gestattet. Das Unterrichtswesen liegt sehr danieder. Allerdings hat Havana [* 8] seine Universität und verschiedene höhere Schulen, aber an Elementarschulen ist Mangel, und selbst unter den Weißen ist die Zahl derer, die weder lesen, noch schreiben können, sehr groß. 1882 besuchten nur 34,813 Kinder die Schule.
Was die Ausbeute des Grund und Bodens betrifft, so ist der Bergbau [* 9] im ganzen unbedeutend. Voran steht der seit 1599 betriebene Kupfererzbergbau. Die Ausbeute betrug in den letzten Jahren 150-200,000 Ztr., die nach England verfrachtet und dort verhüttet werden; sie ist indessen sehr in der Abnahme begriffen. Außerdem gewinnt man Braunkohlen. Bedeutend wichtiger ist als die Haupterwerbsquelle der Ackerbau, die Plantagenwirtschaft auf den zerstreuten Landgütern der Weißen.
Die zahlreichen und großartigen Ingenios oder Zuckerfabriken mit ihren Dampfmaschinen [* 10] geben der Insel das Ansehen eines Industrielandes, aber eigentliche Fabriken fehlen. Es gab früher auf Cuba 3300 Wirtschaftsgüter und Höfe (haciendas de crianza), 1400 Zuckerplantagen, 1000 Kaffeepflanzungen (cafetelas), 5800 Viehgehege (potreros), 9500 Tabakspflanzungen (Vegas) und 22,000 Grundstücke mit andrer Kultur. Jetzt aber sind viele dieser Wirtschaften und Pflanzungen eingezogen.
Die weiten Savannen der Insel, die nach ihrer ersten Besiedelung überhaupt nur als Weideland benutzt wurden, ernähren zahlreiche Herden und eignen sich vortrefflich zur Viehzucht. [* 11] Der Stand des Viehs betrug 1881: 916,131 Rinder, [* 12] 185,175 Pferde, [* 13] 20,284 Maultiere und Esel, 324,639 Schweine, [* 14] 60,360 Schafe [* 15] und Ziegen. Am wichtigsten sind noch immer der Zuckerrohrbau und die Zuckerfabrikation, diese hat aber infolge der hohen Besteuerung (sogar ein Ausfuhrzoll von 50 Pesos pro Tonne wird erhoben) und der Desorganisation der Arbeitskräfte seit 1868 in jüngerer Zeit sehr abgenommen. Die gesamte Produktion schätzte man
Zucker | Melasse | |||
---|---|---|---|---|
1768: | 12540 | Tonnen | - | Tonnen |
1846: | 203785 | - | 154805 | - |
1868: | 695079 | - | 266510 | - |
1875: | 718000 | - | 118518 | - |
1883: | 460379 | - | 97978 | - |
Dazu kommen jährlich etwa 15,000 Pipen Rum. Anderseits hat die Produktion von Tabak [* 16] (1876: 185,919, 1880: 188,188 Ballen) etwas zugenommen. Geschätzt ist namentlich der Tabak von den Vueltas de Abajo. Die Zahl der Zigarren, die auf der Insel fabriziert werden, schätzt man auf 1800 Mill., wovon indes nur etwa 200 Mill. zur Ausfuhr gelangen, da auf Cuba selbst alt und jung den ganzen Tag lang raucht. Ein großer Teil dieser Zigarren wird indes aus Honduras [* 17] und andern importierten Tabaken hergestellt.
Weitere Produkte sind: Kaffee (70,000 Arroben à 25 Pfd.), Bienenwachs (20,000 Arroben), Honig (36,000 Fässer), Kakao, Baumwolle, [* 18] Sago, Reis, Bohnen, Indigo, [* 19] Bananen, Kokosöl, Zedern- und Mahagoniholz etc. Alle diese Produkte könnten in weit größerer Masse geliefert werden, wenn die nötigen Arbeitskräfte vorhanden wären. Für den Verkehr im Innern ist erst in der neuesten Zeit besser gesorgt worden. Zwar existieren gute Landstraßen nach unserm Sinn auch heute noch nicht; aber seit 1834 schon begann man Eisenbahnen zu bauen, deren Ausdehnung [* 20] bereits (1884) 1739 km beträgt, so daß in dieser Beziehung Cuba vielen andern Kolonien voransteht.
Diese Bahnen sind bisher noch meist vereinzelte, von den Küstenstädten in das Innere laufende Linien, die erst später zu einem Netz sich zusammenschließen werden. Telegraphendrähte in der Ausdehnung von 4500 km durchziehen die ganze Insel. Regelmäßige Dampferlinien verbinden Havana mit den Vereinigten Staaten und Europa. [* 21] Erst seit 1818 ist es Ausländern gestattet, sich am Handel der Insel zu beteiligen, und von dieser Zeit an datiert der Aufschwung der Insel in Ackerbau, Handel und Schiffahrt.
Die Ausfuhrzölle wurden 1866 aufgegeben, sind aber wieder eingeführt worden, und man erhebt noch immer (1885) Differentialzölle von den eingeführten Waren und begünstigt somit Spanien auf Kosten der Insel, obgleich letztere jährlich einen bedeutenden Überschuß in die spanische Staatskasse zahlt. Die Zahl der einlaufenden Schiffe [* 22] betrug in den letzten Jahren durchschnittlich 5000, wovon 37 Proz. unter spanischer, 28 unter britischer, 20 unter nordamerikanischer, 4 unter französischer und 3 unter deutscher Flagge fuhren. Die Ausfuhr hatte 1878 einen Wert von 70,881,525 Pesos und besteht aus den oben aufgeführten Landesprodukten. Eingeführt werden: Charque (getrocknetes Fleisch) aus Südamerika, [* 23] gesalzene Fische [* 24] ¶
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als Fastenspeise aus den Vereinigten Staaten und Europa, Mehl [* 26] aus Spanien und den Vereinigten Staaten, Speck aus den Vereinigten Staaten, Steinkohlen aus den Vereinigten Staaten und England, Olivenöl aus Spanien, Petroleum aus den Vereinigten Staaten, alle europäischen Manufakturen. Die wichtigsten Häfen sind: Havana, Matanzas, Cardenas und Santiago de Cuba. - Die Verfassung der Insel beruht auf der Verordnung vom wonach der an der Spitze der Regierung stehende General-Kapitän mit fast absoluter Gewalt bekleidet wurde.
Von jeher war es Prinzip, die Kolonie zu gunsten des Mutterlandes auszubeuten, und solange die Pflanzer in den Vereinigten Staaten Absatz für ihre überzähligen Sklaven fanden, fügten sie sich in die Verhältnisse. Seit Unterdrückung des Aufstandes (1868 bis 1878) hat man indes der Insel einige Zugeständnisse gemacht und den Bewohnern in ihren lokalen Angelegenheiten größere Befugnisse gegeben (s. unten, am Schluß der Geschichte). Die lästigen Zölle bestehen indes noch immer fort, und die Besteuerung ist ungemein hoch. Im J. 1884/85 beliefen sich die Kolonialausgaben auf 32 Mill. Pesos, und schon 1879 hatte Cuba eine Kolonialschuld von 135 Mill. Pesos. Die bewaffnete Macht besteht aus 24 Bataillonen Infanterie, 2 Regimentern und 8 Schwadronen Kavallerie, 9 Batterien und 2 Bataillonen Ingenieurtruppen. Dazu kommen 1 Bataillon und 3 Schwadronen Gendarmerie, 1 Bataillon und 1 Reiterregiment Guerillas, 1 Regiment (2 weiße und 3 schwarze Bataillone) sowie 4 Reiterregimenter Miliz und 4 Regimenter Zivilgarde.
Geschichte.
Christoph Kolumbus, der Cuba entdeckte, hielt es anfangs für einen Teil des asiatischen Festlandes und nannte es zu Ehren der spanischen Thronerbin Juana; 1508 umschiffte Sebastian de Ocampo die Insel, und 1511 gab Diego Kolumbus, der die kräftigen Indianer von Cuba gern als Sklaven benutzt hätte, dem Diego Velasquez den Befehl zur Eroberung der Insel, die nach kurzem Widerstand des Kaziken Hatuey ohne Schwertstreich erfolgte. Velasquez behandelte die Eingebornen mild, gründete 1512 die Stadt Baracoa, dann noch mehrere Städte, beförderte die Einfuhr von Negersklaven, knüpfte Verbindungen mit Mexiko [* 27] an, ward zum General-Kapitän von Cuba ernannt und hinterließ 1524 die Insel in einem blühenden Zustand.
Unter der Statthalterschaft des Hernandes Soto erstand zwar das 1538 durch französische Korsaren zerstörte Havana wieder; aber der Volksstamm der Indianer war infolge von Sotos Härte um 1560 aufgerieben, und das Land blieb unbebaut. Havana wurde 1584 befestigt und 1633 der Sitz eines eignen Gouverneurs. Das offene Land litt damals fortwährend unter den Einfällen der Flibustier; so ward 1688 die Stadt Principe von ihnen gänzlich zerstört. Erst nach dem Untergang derselben atmete Cuba wieder auf; aber mit dem wachsenden Wohlstand und dem sich entwickelnden Geiste der Selbständigkeit begannen auch seit dem Anfang des 18. Jahrh. Streitigkeiten zwischen Mutter- und Tochterland, die später bisweilen zum offenen Kampfe führten.
Als die Landbewohner neben der Viehzucht auch Tabaksbau (weil dieser ohne Sklaven möglich war) zu treiben begannen, erklärte 1717 die spanische Regierung den Tabakshandel auf Cuba für ihr Monopol. Die natürliche Folge waren der Schleichhandel in diesen Gewässern, insbesondere zwischen Cuba und Jamaica, und Konflikte mit andern Seestaaten, namentlich mit England, weshalb die Regierung 1740 das Tabaksmonopol an einige Kaufleute von Cadiz [* 28] abtrat. Am eroberte eine englische Expedition unter Admiral Pococke Havana und gab der Landwirtschaft und Industrie der Insel neuen Aufschwung, der sich auch dann noch bemerklich machte, als die Engländer im Frieden von 1763 Cuba gegen Florida umtauschten und die Insel im Juli 1764 verließen. Cuba blieb zwar seit dieser Zeit bei Spanien, doch mußte dies die alten Handelsbeschränkungen fallen lassen.
Seit 1773 wurde Cuba der Mittelpunkt des Sklavenhandels für das ganze spanische Amerika. [* 29] 1777 wandelte man Cuba in eine unabhängige Generalkapitanerie um; nach dem nordamerikanischen Befreiungskrieg erhielten Havana und Santiago die Erlaubnis freien Handels mit fremden Nationen, und 1790 wurde auch der Sklavenhandel freigegeben. Durch solche und ähnliche Einrichtungen hob sich der Zustand Cubas auf eine hohe Stufe der Blüte. [* 30] Durch die Übersiedelung einer großen Anzahl royalistischer Pflanzer von Haïti [* 31] nach Cuba infolge der französischen Revolution vermehrte sich die Zahl wohlhabender Einwohner und wurde der Kaffeebau auf der Insel allgemein.
Mit dem Verkehr wuchs aber auch der Geist der Selbständigkeit, dem jedoch in der allmählich anschwellenden und ebenfalls nach Unabhängigkeit strebenden Sklavenmenge ein gefährlicher Feind erstand. Der erste große Negeraufstand von 1812 unter Aponte ward zwar unterdrückt, aber immer neue Aufstände ließen fortan die Insel nicht zur Ruhe kommen. Tausende von Schwarzen fielen in denselben, namentlich in den Aufständen von 1844 und 1848. Trotz dieser von den Schwarzen drohenden Gefahr gab man die Einfuhr von Sklaven nicht auf.
Obgleich England wiederholt die Einstellung des Sklavenhandels forderte und von seiten der spanischen Regierung öfters Verbote desselben ergingen, auch die Notwendigkeit dieses Handels litterarisch angefochten und Gesellschaften zur Verwendung freier Arbeiter gegründet wurden, so half doch das alles dem Übelstand nicht ab. Es wurden immer wieder Neger von Afrika eingeführt, bis der neue Negeraufstand von 1848, dem wiederum 10,000 Schwarze als Opfer fielen, die Pflanzer endlich an die Gefahr erinnerte, die ihnen aus dem Sklaveninstitut erwuchs.
Daneben bestand noch ein schroffer Gegensatz zwischen den Kreolen und den Spaniern. Die Unzufriedenheit der Kreolen, welche über ihre Zurücksetzung von Staatsämtern und einträglichen Posten, über drückende Steuern und Zölle, über die Vernachlässigung der materiellen Interessen der Insel durch Spanien klagten, wurde bedenklich, als seit 1845 das Streben der Amerikaner, die »Königin der Antillen« für sich zu gewinnen, stärker hervortrat. Bis dahin hatte Spanien nur gegen England auf seiner Hut sein [* 32] müssen, welches angeblich aus Humanität den Besitz Cubas wünschte, aber durch die Eifersucht Nordamerikas in Schranken gehalten wurde.
Die Nordamerikaner legten ihre Gelüste nach der Insel weit offener an den Tag. Ende 1845 wurde im Senat zu Washington [* 33] der Antrag gestellt, mit Spanien wegen Abtretung der Insel Cuba in Unterhandlung zu treten; zu Anfang 1846 bildete sich eine Gesellschaft, zu der auch zahlreiche Cubaner gehörten, die der spanischen Regierung 200 Mill. Doll. als Kaufsumme anboten. Hiermit zurückgewiesen, schritt man zu gewaltsamen Maßregeln, und es hatten sich bereits im September und Oktober 1849 auf Rhode-Island unter Oberst White ungefähr 1500 Mann gesammelt, als die nordamerikanische Regierung die Expedition vereitelte. Man suchte nun der Agitation eine gesetzliche Form zu geben und gründete die Junta promovedera de ¶