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Welt, den Weltkörpern ihre Bahnen anweisend, umgeben von Engelchören und symbolischen Gestalten. Die Seitenchöre enthalten die Geschichte Christi, seine Geburt und Kreuzigung. Die drei Kreuzgewölbe des Querschiffs zeigen das Walten des Heiligen Geistes und die religiöse Gemeinde. Das Hauptwerk des Meisters befindet sich an der Altarwand, nämlich das Weltgericht, von Cornelius ausnahmsweise selbst ausgeführt. Die Zeichnung hierzu fertigte er während seines abermaligen Aufenthalts in Rom [* 2] 1834 und 1835 (jetzt in der Nationalgalerie in Berlin); [* 3] die Ausführung geschah nach glücklich überstandener lebensgefährlicher Krankheit und wurde im Herbst 1840 beendet.
Gleichzeitig arbeitete Cornelius an den Skizzen für die 25 Loggien vor den Sälen der Alten Pinakothek. Als Vorwurf diente ihm dabei die Geschichte der christlichen Kunst von ihrem Aufschwung im Mittelalter bis zu ihrer höchsten Blüte [* 4] und Vollendung. Die Darstellung ist in ähnlicher Weise wie in den Loggien des Vatikans reich mit Ornamenten und Arabesken ausgestattet, deren Einführung in die neuere Kunst Cornelius verdankt wird. In abgeschlossenen Bildern sind Ereignisse aus der Lebensgeschichte der Künstler dargestellt.
Ausgeführt wurden diese Malereien von Professor Kl. Zimmermann. Dieselben wurden der erste Anlaß zu Mißverständnissen zwischen König Ludwig und dem Künstler, da jener auf Antrieb Klenzes dem Erfinder den weitern Einfluß auf die Ausführung nicht zugestehen wollte; da nun der König auch an den Malereien in der Ludwigskirche gewichtige Ausstellungen machte, so legte Cornelius seine Ämter nieder und wurde zu Ostern 1841 von dem König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen [* 5] nach Berlin berufen, vornehmlich um das im Bau begriffene Camposanto, die Ruhestätte der königlichen Familie, mit Malereien zu schmücken.
Das Grundthema gab die Stelle des Römerbriefs: »Der Sold der Sünde ist der Tod; die Gnade Gottes aber ist das ewige Leben in Christus, unserm Herrn«. Das Ganze, in einer Gesamtlänge von 56 m, sollte in 55 auf die vier Wände eines rechteckigen, einen Hof [* 6] umschließenden Arkadenganges verteilten Gemälden darstellen:
1) Erlösung von der Sünde und ihren Folgen, Krankheit etc., durch Christi Geburt und Tod - Ostwand mit vier Hauptbildern: Christi Geburt, Klage um den Leichnam Christi, Heilung des Gichtbrüchigen, die Ehebrecherin;
2) Göttlichkeit Christi, deren Erkenntnis seinem Tod erst die welterlösende Bedeutung gibt - Westwand mit drei Hauptbildern: Auferweckung des Jünglings von Nain, der auferstandene Christus bei den Jüngern, Auferweckung des Lazarus;
3) Fortsetzung des Werkes Christi durch die Apostel - Südwand mit fünf Hauptbildern: Bekehrung Pauli, Petrus Kranke heilend, das Pfingstfest, Märtyrertum des Stephanus, Philippus den äthiopischen Kämmerer unterweisend;
4) Ende des irdischen und Übergang zum ewigen Leben - Nordwand mit fünf Hauptbildern: Auferstehung des Fleisches, das neue Jerusalem, [* 7] Wiederkunft des Heilands, das gestürzte Babel, die apokalyptischen Reiter. Jedem Hauptbild reiht sich oben im Bogenkreis eine Lünette, [* 8] weiter ein längliches Predellenbild an, während gemalte Nischen mit mehr plastisch gehaltenen Gruppen die Hauptbilder trennen. Diese Gruppen enthalten die Darstellung der acht Seligkeiten aus der Bergpredigt.
Die Kartons dieses Werks, welche nebst denen zur Münchener Glyptothek eine würdige Aufstellung in der Berliner [* 9] Nationalgalerie gefunden haben, gehören zu dem Großartigsten, was die deutsche Kunst geschaffen hat. Der unerschöpfliche Reichtum der Phantasie, die Wahrheit des Ausdrucks, die gewaltige Formengestaltung, die Frische und Lebendigkeit des Ganzen und die überall hervorbrechende Gedankenfülle wirken überwältigend. Nichts ist konventionell, alles natürlich, von der Genialität der Meisterhand zeugend.
Was Cornelius vor allen andern Malern der Neuzeit besonders eigentümlich ist, ihn vor allen auszeichnet und ihm einen Ehrenplatz unter den Meistern aller Nationen und Zeiten sichert, das ist seine Gedankenfülle, die Verarbeitung der Idee, die Dichtung in der Kunst. Neben dieser kolossalen Arbeit entwarf Cornelius während seines Berliner Aufenthalts die Zeichnung zu dem danach in Silber hergestellten »Glaubensschild«, den der König von Preußen dem Prinzen von Wales als Patengeschenk widmete.
Derselbe versinnlicht die Ausbreitung der Kirche, in deren Schoß der königliche Prinz aufgenommen werden sollte, und ist von J. ^[Julius] Thäter im Umriß gestochen. Minder glücklich war Cornelius mit den Entwürfen zu Tasso, welche, lediglich zum Zweck lebender Bilder skizziert, nicht in ihren Gebrechen hätten verewigt werden sollen, und mit dem von Raczynski bei ihm bestellten Ölbild (jetzt in der Nationalgalerie zu Berlin), Christus in der Vorhölle darstellend, dem einzigen größern Ölgemälde des Meisters, das demselben mit Recht eine herbe Beurteilung zuzog. Im J. 1844 sandte ihm die philosophische Fakultät der königlichen Akademie zu Münster [* 10] bei der ersten Ausübung ihres Promotionsrechts das Ehrendiplom eines Doktors der Philosophie.
Von Berlin lenkte der Meister seine Schritte wieder nach Rom, kehrte jedoch im Sommer 1861 nach Deutschland [* 11] zurück, um den Rest seiner Jahre in Berlin zu verleben und an seinen Kartons zur Friedhofshalle weiterzuarbeiten. Doch das große Projekt, wie das später dazu gekommene, für den Dombau ein riesiges Wandgemälde herzustellen, kam ins Stocken. Cornelius ließ sich dadurch so wenig irre machen, daß vielmehr die letzten Kompositionen, mit dem höchsten Ernste durchgearbeitet, die frühern Entwürfe weit übertrafen; mochte auch die Hand [* 12] schon zittern, der Geist des Meisters waltete noch in aller Hoheit und Macht.
Der letzte Karton, an dem er bis zum Herbst vor seinem Ende gezeichnet, stand über seinem Sarg. Seine feurige Begeisterung für die Kunst hatte bis zum letzten Augenblick angehalten, und mochte er auch in Berlin, wo seit Kaulbachs Wandgemälden im Treppenhaus des Neuen Museums alles dem neuen Stern huldigte, vom großen Leben und von dem künstlerischen Treiben des Tags entfernt bleiben, so nahm er doch an allem Echten und Großen, was auf dem Gebiet der Kunst ans Licht [* 13] trat, regen Anteil. Cornelius starb in Berlin. So verschieden auch die Beurteilungen sind, die Cornelius erfahren hat, darin stimmen alle überein, daß seine Größe in der Konzeption und Komposition beruht. Er strebte nach dem Ernsten, Großen, Gewaltigen; alles Kleinliche und bloß Gefällige bekämpfte er mit ganzer Kraft, [* 14] so daß er z. B. bis zur Ungerechtigkeit die selbständige Existenzberechtigung der Genremalerei in Abrede stellte.
Als der »Recke« in der Kunst, wie ihn Vischer nennt, neigte er zum Riesenmäßigen und ging Härten und Herbigkeiten nicht aus dem Weg. Von dem Vorwurf mangelnden Farbensinnes und unentwickelter Maltechnik ist er jedoch nicht freizusprechen. Wenn er daher auch beim Publikum keiner Popularität genoß und später selbst unter den Künstlern in seiner Richtung isoliert stand, so wirkten doch die Größe seiner Gesinnung, der Ernst seines Strebens auch auf die ferner Stehenden mahnend und läuternd ein. Von seinen Schülern ragen namentlich hervor: W. ¶
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Kaulbach und Eberle, Zimmermann und Foltz, Anschütz und Hiltensperger, Stürmer, Stilke, Hermann, Gasser, Schorn, Röckel und der Kunsthistoriker E. Förster. Indessen hat die von ihm begründete Schule keine festen Wurzeln fassen und er selbst hat keinen nachhaltigen Einfluß auf die Weiterentwickelung der deutschen Kunst gewinnen können, welche sich von seinen Idealen völlig entfernt hat.
Vgl. E. Förster, P. v. Cornelius. Ein Gedenkbuch (Berl. 1874, 2 Bde.; Hauptquelle);
Riegel, Cornelius, der Meister deutscher Malerei (2. Ausg., Hannov. 1870);
Derselbe, P. Cornelius, Festschrift zu des großen Künstlers hundertstem Geburtstag (Berl. 1884);
A. v. Wolzogen, Peter v. Cornelius (das. 1867).
2) Karl Adolf, deutscher Geschichtsforscher, geb. zu Würzburg, [* 16] Sohn des Schauspielers Karl Cornelius, studierte in Bonn [* 17] und Berlin Philologie und Geschichte, ward 1843 Gymnasiallehrer in Emmerich, [* 18] dann in Koblenz, [* 19] war 1846-49 Lehrer der Geschichte am Lyceum Hosianum in Braunsberg [* 20] und 1848-49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, habilitierte sich 1852 als Dozent der Geschichte in Breslau, [* 21] wurde 1854 Professor in Bonn und 1856 in München, [* 22] wo er außerdem Mitglied der Historischen Kommission und der Akademie ist;
1870 schloß er sich der altkatholischen Partei an. Er schrieb: »Die Münsterschen Humanisten und ihr Verhältnis zur Reformation« (Münst. 1851);
»Der Anteil Ostfrieslands an der Reformation« (das. 1852);
»Geschichte des Münsterschen Aufruhrs der Wiedertäufer« (Leipz. 1855-60, 2 Bde.),
sein durch gründliche Forschung und unparteiische Darstellung ausgezeichnetes Hauptwerk;
»Studien zur Geschichte des Bauernkriegs« (Münch. 1861);
»Kurfürst Moritz von Sachsen [* 23] gegenüber der Fürstenverschwörung 1550-51« (das. 1867);
»Die niederländischen Wiedertäufer während der Belagerung Münsters 1534-35« (das. 1869) u. a. In den »Geschichtsquellen des Bistums Münster« gab er »Berichte der Augenzeugen über das Münstersche Wiedertäuferreich« (1853) heraus.
3) Karl Sebastian, Physiker, geb. zu Ronshausen in Niederhessen, studierte zu Göttingen [* 24] und Marburg [* 25] Mathematik und Naturwissenschaft und habilitierte sich 1851 als Privatdozent in Halle. [* 26] Er schrieb: »Versuch einer theoretischen Ableitung der elektrischen und magnetischen Erscheinungen« (Leipz. 1855);
»Bildung der Materie aus ihren einfachen Elementen« (das. 1856);
»Theorie des Sehens und räumlichen Vorstellens« (Halle 1861);
»Meteorologie« (das. 1863);
»Zur Theorie des Sehens« (das. 1864);
»Grundzüge einer Molekularphysik« (das. 1866);
»Zur Molekularphysik« (das. 1875);
»Bedeutung des Kausalprinzips in der Naturwissenschaft« (das. 1867);
»Über die Entstehung der Welt mit besonderer Rücksicht auf die Frage: ob unserm Sonnensystem, namentlich der Erde und ihren Bewohnern, ein zeitlicher Anfang zugeschrieben werden muß« (das. 1870);
»Wechselwirkung zwischen Leib und Seele« (2. Aufl. 1875);
»Grundriß der physikalischen Geographie« (5. Aufl., das. 1877);
»Zur Theorie der Wechselwirkung zwischen Leib und Seele« (das. 1880).
4) Peter, Komponist und Dichter, Neffe von Cornelius 1), geb. zu Mainz [* 27] als Sohn des Schauspielers und Lustspieldichters A. Cornelius, ward ebenfalls für die Bühne bestimmt, entschied sich aber bald für das Studium der Musik, dem er unter Dehn in Berlin oblag, ging 1853 nach Weimar, [* 28] wo er bis 1860 lebte und 1859 seine komische Oper »Der Barbier von Bagdad« zur Aufführung brachte. Im J. 1860 siedelte er nach Wien, [* 29] 1864 nach München über, wo er als Professor der Harmonielehre an der königlichen Musikschule wirkte. Er starb in seiner Vaterstadt Mainz.
Durch umfassende künstlerische und philologische Bildung ausgezeichnet, in allen seinen Schöpfungen von innigster Gemütstiefe und höchstem Kunsternst, fand Cornelius gegen das Ende seines Lebens immer wachsende Anerkennung. Unter seinen Kompositionen sind die Lieder hervorzuheben, namentlich die Cyklen: »Trauer und Trost« (Op. 3),
»Weihnachtslieder« (Op. 8);
die großartigen »Trauerchöre für Männerstimmen« (Op. 9);
»Chorgesänge« (Op. 11);
»Vier italienische Chorlieder« (Op. 20).
Seine zweite Oper: »Der Cid«, ward gleichfalls in Weimar aufgeführt;
eine dritte, »Gunlöd«, blieb unvollendet.
Als Dichter veröffentlichte Cornelius:. »Zwölf Sonette an Rosa v. Milde« (Weim. 1859);
eine deutsche Übertragung der »Sonette« von Mickiewicz u. a. Auch übersetzte er F. Liszts Buch »Die Zigeuner und ihre Musik in Ungarn« [* 30] (Pest 1861).
Vgl. Kretzschmar, Peter Cornelius (Leipz. 1880).