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Tode des Vaters (1799) mußte der Jüngling die dürftige Familie durch seine Kunstleistungen unterstützen. Von dem Düsseldorfer und nachmaligen Münchener Akademiedirektor P. v. Langer, welcher seiner Mutter anriet, ihn das Goldschmiedehandwerk erlernen zu lassen, nicht nach seiner Befähigung erkannt, fand er in dem letzten Rektor der Kölner [* 2] Universität, Professor Wallraf, den Gönner und Freund, welcher ihm den ersten größern Auftrag in den Chorgemälden für die Quirinkirche zu Neuß [* 3] vermittelte, welche jedoch bei der Restauration der Kirche 1865 übertüncht worden sind. Im J. 1809 siedelte Cornelius nach Frankfurt [* 4] über, wo er unter anderm im Auftrag des Fürsten-Primas v. Dalberg die heilige Familie mit der Mutter Anna (jetzt im Museum daselbst) malte. In weitern Kreisen machte er sich zuerst bekannt durch die zwölf Zeichnungen zu Goethes »Faust«, die zum größern Teil in Frankfurt entstanden und von Ruscheweyh in Kupfer [* 5] gestochen wurden; die Originalzeichnungen befinden sich im Besitz des Städelschen Instituts.
Goethe beurteilte sie freilich nicht allzu beifällig und ahnte damals kaum die künftige Größe ihres Urhebers. Diese Zeichnungen und noch wehr die in Rom [* 6] hergestellten, von Lips, Ritter, Barth und Amsler gestochenen Zeichnungen zu den »Nibelungen« lassen die Originalität des Künstlers schon in vollem Maß erkennen; denn wenn er auch darin den altdeutschen Meistern gefolgt ist, so lehnen sie sich an keinen derselben speziell an. Im J. 1811 begab sich Cornelius nach Rom, wo damals die vaterländische Kunst unter der Einwirkung der Antike, der Werke Michelangelos und Raffaels sowie der neu zum Studium empfohlenen ältern Italiener frische Wurzeln schlug.
Nach Cornelius' eigner Äußerung wurden damals die Bahnen von Jahrhunderten durchkreist von jenem Verein von Talenten, die von allem getragen wurden, was das Vaterland Heiliges, Großes und Schönes darbot und was der begeisterte Kampf gegen französische Tyrannei in den bessern Gemütern anregte. Diese Genossenschaft, nach ihrem Wohnsitz Klosterbrüder von Sant' Isidoro, auch Nazarener genannt, bestand aus Overbeck, Veit, Schadow, Pforr, Vogel u. a., denen sich auch mehrere Gelehrte anschlössen.
Indessen trat der nach Großartigkeit der Auffassung und nach monumentalem Stil strebende Cornelius bald in Gegensatz zu den Nazarenern. Von dem preußischen Konsul Bartholdy erhielten Cornelius und seine Genossen den Auftrag, ein Zimmer seines Hauses auf dem Monte Pincio mit Bildern aus der Geschichte Josephs in Ägypten [* 7] zu schmücken. Die seit Mengs beinahe in Vergessenheit geratene Freskomalerei wurde für diesen Zweck durch Cornelius wieder ins Leben gerufen. Er übernahm die Darstellung der Traumdeutung Josephs und der Erkennungsszene der Brüder.
Die allgemeine Bewunderung, welche diese Werke erregten, verschaffte den Künstlern den Auftrag des Marchese Massimi, dessen Villa gegenüber dem Lateran mit Bildern aus Dante, Ariost und Tasso zu schmücken. Cornelius hatte außer einer kolorierten Zeichnung nur drei Kartons aus Dantes »Paradies« vollendet, als 1819 eine doppelte Berufung aus Deutschland [* 8] an ihn erging. Der Kronprinz Ludwig von Bayern, [* 9] der für die von ihm gesammelten Schätze der antiken Plastik die Glyptothek aufführen ließ, hatte Cornelius ausersehen, dieselbe mit Freskomalereien zu schmücken; gleichzeitig ward Cornelius von der preußischen Regierung auf Veranlassung Niebuhrs berufen, um die Malerakademie in Düsseldorf [* 10] neu zu begründen.
Die Ausführung der Bilder nach Dante bewerkstelligten P. Veit nach eigner Idee und später Koch und Führich; Cornelius' großartige Entwürfe sind in lithographierten Umrissen mit Erläuterungen des Professors Döllinger bekannt geworden. Gegen Ende 1819 kehrte Cornelius nach Deutschland zurück und übernahm das Direktorium der Akademie in Düsseldorf, erhielt aber die Erlaubnis, die Sommermonate in München [* 11] behufs der Ausführung der Freskomalereien in der Glyptothek zuzubringen. Im Frühjahr 1820 begann er, von einem Kreise [* 12] strebsamer Schüler unterstützt, die Ausführung seines großen Werks.
Die Fresken in den Hauptsälen der Glyptothek behandeln die griechische Götter- und Heldensage, in einer Reihe zusammengehöriger Darstellungen zu einem episch-didaktischen Gedicht verbunden. Im Göttersaal thront Eros [* 13] als Mittelpunkt und ordnender Geist des Naturlebens; den vier Elementen sind die Jahres- und Tageszeiten, durch mythische Gestalten versinnlicht, angereiht, während das Hauptbild stets das Walten der Götter in den Naturreichen veranschaulicht: Zeus, [* 14] der Beherrscher des Olymps und der Lichtwelt, mit den zur Aufnahme des Herakles [* 15] versammelten Olympiern;
Poseidon [* 16] als Beherrscher der Wasserwelt, mit Amphitrite auf einem von Seepferden gezogenen Wagen fahrend, umgeben von Nereiden und Tritonen, Arion und Thetis;
Pluton [* 17] als Beherrscher der Unterwelt mit Persephone [* 18] und umgeben von den mythischen Gestalten des Hades, vor ihm Orpheus, [* 19] um Eurydike wiederzugewinnen.
Diese Kompositionen sind ebenso großartig in der Erfindung und Zeichnung wie in der Kraft [* 20] des Ausdrucks. Der Göttersaal wurde 1826 vollendet. Inzwischen war die Wirksamkeit des Meisters auch in Düsseldorf auf die Begründung der monumentalen Kunst gerichtet, und bald wurden seine hervorragendsten Schüler in den Rheinlanden mit Freskoarbeiten beschäftigt. So Stilke, Stürmer und Anschütz mit dem unvollendet gebliebenen und jetzt verdeckten Jüngsten Gericht im Assisensaal zu Koblenz, [* 21] Hermann, Götzenberger und Förster mit den Gemälden der vier Fakultäten in der Aula der Universität zu Bonn [* 22] (Kartons in der Kunsthalle zu Karlsruhe). [* 23]
Andre arbeiteten für Baron v. Plessen auf dessen Villa bei Düsseldorf, für Graf Spee zu Heltorf. Als Cornelius 1825 nach dem Tod Peter v. Langers als Direktor der Akademie nach München berufen ward, zogen viele seiner Schüler mit ihm, um an den Arkaden des königlichen Hofgartens, an den Deckengemälden des Odeons, an den Wandgemälden im Palast des Herzogs Maximilian von Bayern etc. die damalige Richtung der neuen Schule zu bekunden. In demselben Jahr erhielt Cornelius von dem nunmehrigen König Ludwig den persönlichen Adel.
Darauf begann er die Ausschmückung des Saals der Ilias in der Glyptothek. Das Kreuzgewölbe der Decke [* 24] wurde in 13 Räume geteilt und hier die Entstehung und der Beginn des Kampfes nebst den Charakteren seiner hervorragendsten Helden dargestellt, während die drei Lünetten der Wände die großen Momente des Kriegs, den Zorn des Achilleus, den Kampf um den Leichnam des Patroklos und die Zerstörung Trojas, veranschaulichen. Nach Vollendung dieser Arbeiten in der Glyptothek übernahm Cornelius fast gleichzeitig zwei große Aufträge des Königs Ludwig, die Ausmalung der Ludwigskirche und die Bilder für die Loggien der Pinakothek. Im J. 1830 ging er nach Rom und entwarf hier den ersten Karton zu den Freskobildern für die Ludwigskirche, welcher im nächsten Jahr in der Akademie zu München ausgestellt wurde. Den Inhalt der Bilder für die Ludwigskirche bildet das allgemeine christliche Glaubensbekenntnis. Die Decke zeigt Gott als Schöpfer und Erhalter der ¶
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Welt, den Weltkörpern ihre Bahnen anweisend, umgeben von Engelchören und symbolischen Gestalten. Die Seitenchöre enthalten die Geschichte Christi, seine Geburt und Kreuzigung. Die drei Kreuzgewölbe des Querschiffs zeigen das Walten des Heiligen Geistes und die religiöse Gemeinde. Das Hauptwerk des Meisters befindet sich an der Altarwand, nämlich das Weltgericht, von Cornelius ausnahmsweise selbst ausgeführt. Die Zeichnung hierzu fertigte er während seines abermaligen Aufenthalts in Rom 1834 und 1835 (jetzt in der Nationalgalerie in Berlin); [* 26] die Ausführung geschah nach glücklich überstandener lebensgefährlicher Krankheit und wurde im Herbst 1840 beendet.
Gleichzeitig arbeitete Cornelius an den Skizzen für die 25 Loggien vor den Sälen der Alten Pinakothek. Als Vorwurf diente ihm dabei die Geschichte der christlichen Kunst von ihrem Aufschwung im Mittelalter bis zu ihrer höchsten Blüte [* 27] und Vollendung. Die Darstellung ist in ähnlicher Weise wie in den Loggien des Vatikans reich mit Ornamenten und Arabesken ausgestattet, deren Einführung in die neuere Kunst Cornelius verdankt wird. In abgeschlossenen Bildern sind Ereignisse aus der Lebensgeschichte der Künstler dargestellt.
Ausgeführt wurden diese Malereien von Professor Kl. Zimmermann. Dieselben wurden der erste Anlaß zu Mißverständnissen zwischen König Ludwig und dem Künstler, da jener auf Antrieb Klenzes dem Erfinder den weitern Einfluß auf die Ausführung nicht zugestehen wollte; da nun der König auch an den Malereien in der Ludwigskirche gewichtige Ausstellungen machte, so legte Cornelius seine Ämter nieder und wurde zu Ostern 1841 von dem König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen [* 28] nach Berlin berufen, vornehmlich um das im Bau begriffene Camposanto, die Ruhestätte der königlichen Familie, mit Malereien zu schmücken.
Das Grundthema gab die Stelle des Römerbriefs: »Der Sold der Sünde ist der Tod; die Gnade Gottes aber ist das ewige Leben in Christus, unserm Herrn«. Das Ganze, in einer Gesamtlänge von 56 m, sollte in 55 auf die vier Wände eines rechteckigen, einen Hof [* 29] umschließenden Arkadenganges verteilten Gemälden darstellen:
1) Erlösung von der Sünde und ihren Folgen, Krankheit etc., durch Christi Geburt und Tod - Ostwand mit vier Hauptbildern: Christi Geburt, Klage um den Leichnam Christi, Heilung des Gichtbrüchigen, die Ehebrecherin;
2) Göttlichkeit Christi, deren Erkenntnis seinem Tod erst die welterlösende Bedeutung gibt - Westwand mit drei Hauptbildern: Auferweckung des Jünglings von Nain, der auferstandene Christus bei den Jüngern, Auferweckung des Lazarus;
3) Fortsetzung des Werkes Christi durch die Apostel - Südwand mit fünf Hauptbildern: Bekehrung Pauli, Petrus Kranke heilend, das Pfingstfest, Märtyrertum des Stephanus, Philippus den äthiopischen Kämmerer unterweisend;
4) Ende des irdischen und Übergang zum ewigen Leben - Nordwand mit fünf Hauptbildern: Auferstehung des Fleisches, das neue Jerusalem, [* 30] Wiederkunft des Heilands, das gestürzte Babel, die apokalyptischen Reiter. Jedem Hauptbild reiht sich oben im Bogenkreis eine Lünette, [* 31] weiter ein längliches Predellenbild an, während gemalte Nischen mit mehr plastisch gehaltenen Gruppen die Hauptbilder trennen. Diese Gruppen enthalten die Darstellung der acht Seligkeiten aus der Bergpredigt.
Die Kartons dieses Werks, welche nebst denen zur Münchener Glyptothek eine würdige Aufstellung in der Berliner [* 32] Nationalgalerie gefunden haben, gehören zu dem Großartigsten, was die deutsche Kunst geschaffen hat. Der unerschöpfliche Reichtum der Phantasie, die Wahrheit des Ausdrucks, die gewaltige Formengestaltung, die Frische und Lebendigkeit des Ganzen und die überall hervorbrechende Gedankenfülle wirken überwältigend. Nichts ist konventionell, alles natürlich, von der Genialität der Meisterhand zeugend.
Was Cornelius vor allen andern Malern der Neuzeit besonders eigentümlich ist, ihn vor allen auszeichnet und ihm einen Ehrenplatz unter den Meistern aller Nationen und Zeiten sichert, das ist seine Gedankenfülle, die Verarbeitung der Idee, die Dichtung in der Kunst. Neben dieser kolossalen Arbeit entwarf Cornelius während seines Berliner Aufenthalts die Zeichnung zu dem danach in Silber hergestellten »Glaubensschild«, den der König von Preußen dem Prinzen von Wales als Patengeschenk widmete.
Derselbe versinnlicht die Ausbreitung der Kirche, in deren Schoß der königliche Prinz aufgenommen werden sollte, und ist von J. ^[Julius] Thäter im Umriß gestochen. Minder glücklich war Cornelius mit den Entwürfen zu Tasso, welche, lediglich zum Zweck lebender Bilder skizziert, nicht in ihren Gebrechen hätten verewigt werden sollen, und mit dem von Raczynski bei ihm bestellten Ölbild (jetzt in der Nationalgalerie zu Berlin), Christus in der Vorhölle darstellend, dem einzigen größern Ölgemälde des Meisters, das demselben mit Recht eine herbe Beurteilung zuzog. Im J. 1844 sandte ihm die philosophische Fakultät der königlichen Akademie zu Münster [* 33] bei der ersten Ausübung ihres Promotionsrechts das Ehrendiplom eines Doktors der Philosophie.
Von Berlin lenkte der Meister seine Schritte wieder nach Rom, kehrte jedoch im Sommer 1861 nach Deutschland zurück, um den Rest seiner Jahre in Berlin zu verleben und an seinen Kartons zur Friedhofshalle weiterzuarbeiten. Doch das große Projekt, wie das später dazu gekommene, für den Dombau ein riesiges Wandgemälde herzustellen, kam ins Stocken. Cornelius ließ sich dadurch so wenig irre machen, daß vielmehr die letzten Kompositionen, mit dem höchsten Ernste durchgearbeitet, die frühern Entwürfe weit übertrafen; mochte auch die Hand [* 34] schon zittern, der Geist des Meisters waltete noch in aller Hoheit und Macht.
Der letzte Karton, an dem er bis zum Herbst vor seinem Ende gezeichnet, stand über seinem Sarg. Seine feurige Begeisterung für die Kunst hatte bis zum letzten Augenblick angehalten, und mochte er auch in Berlin, wo seit Kaulbachs Wandgemälden im Treppenhaus des Neuen Museums alles dem neuen Stern huldigte, vom großen Leben und von dem künstlerischen Treiben des Tags entfernt bleiben, so nahm er doch an allem Echten und Großen, was auf dem Gebiet der Kunst ans Licht [* 35] trat, regen Anteil. Cornelius starb in Berlin. So verschieden auch die Beurteilungen sind, die Cornelius erfahren hat, darin stimmen alle überein, daß seine Größe in der Konzeption und Komposition beruht. Er strebte nach dem Ernsten, Großen, Gewaltigen; alles Kleinliche und bloß Gefällige bekämpfte er mit ganzer Kraft, so daß er z. B. bis zur Ungerechtigkeit die selbständige Existenzberechtigung der Genremalerei in Abrede stellte.
Als der »Recke« in der Kunst, wie ihn Vischer nennt, neigte er zum Riesenmäßigen und ging Härten und Herbigkeiten nicht aus dem Weg. Von dem Vorwurf mangelnden Farbensinnes und unentwickelter Maltechnik ist er jedoch nicht freizusprechen. Wenn er daher auch beim Publikum keiner Popularität genoß und später selbst unter den Künstlern in seiner Richtung isoliert stand, so wirkten doch die Größe seiner Gesinnung, der Ernst seines Strebens auch auf die ferner Stehenden mahnend und läuternd ein. Von seinen Schülern ragen namentlich hervor: W. ¶