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Verwaltungsfach, daß ihn Letellier dem ersten Minister, Mazarin, empfahl. Dieser übertrug ihm die Verwaltung seines Vermögens und erhob ihn 1654 vom Finanzintendanten zum Staatsrat und Sekretär [* 2] der Königin. Von Mazarin noch auf dem Sterbebett dem König empfohlen, wurde er von Ludwig XIV., den er freimütig mit dem traurigen Stande der Finanzen bekannt machte, 1661 zunächst als Kommis eines Finanzrats, erst 1669 als Generalkontrolleur der Finanzen (Finanzminister) an die Spitze der Verwaltung gestellt.
Streng rechtlich, von unermüdlicher Arbeitskraft und umfassendem
Blick, freilich auch eigensinnig,
hart und habgierig, widmete
alle seine Zeit und
Kraft
[* 3] dem
Dienste
[* 4] des
Königs. Nach genauen vierjährigen Untersuchungen über den finanziellen
Stand des
Staats zeigte sich, daß das
Steuer- und Abgabensystem in der vollkommensten Verwirrung sich befand, und daß in den
vorhergehenden unruhigen
Zeiten eine greuliche Unordnung eingerissen war.
Daher schuf Colbert
zuerst einen Finanzrat, der dem König
jährlich ein Verzeichnis der
Ausgaben und
Einnahmen vorlegen mußte, was der
Verschwendung ein
Ziel setzte.
Eine Justizkammer überwachte die
Pachter und Beamten, gleichmäßige
Besteuerung und einfachere
Erhebung der
Steuern traten
ein. Während Colbert
die
Steuern verminderte und die Rückstände bis 1656 erließ, deckte
er den
Ausfall durch Herabsetzung der
Renten und Verminderung der Beamten und
Pensionäre. Dabei wurde aber das
Interesse der
Krone aufs eifrigste
gewahrt, die
Domänen wurden für die
Krone zurückgenommen, und da die Prachtliebe
Ludwigs XIV. ungeheure
Summen in Anspruch
nahm, so trat Colberts
Thätigkeit nicht selten in einseitiger
Weise in den persönlichen
Dienst des
Königs; vollends die steten
Kriege nötigten Colbert
, durch
Mittel, welche bisweilen das
Interesse des
Landes verletzten, Geldquellen zu eröffnen;
dahin gehörten:
Vorschuß auf künftige
Einnahme, Errichtung neuer
Renten gegen Kapitalzahlungen, Verkauf neugeschaffener
Ämter,
Verpfändung von
Domänen,
Erhöhung der
Steuern.
Die
Staatseinnahmen stiegen zwar, namentlich durch die Einführung neuer
Steuern, von 84 Mill. auf 116 Mill.;
aber das
Wohl der niedern
Klassen, besonders des Bauernstandes, wurde vernachlässigt. Das
System, die
Steuern
zu verpachten, führte zu furchtbaren
Erpressungen seitens der
Pachter. Indessen hat Colbert
doch
Großes geschaffen. Vor allem förderte
er die
Industrie, baute den
Kanal
[* 5] von
Languedoc und ein
Netz von
Kunststraßen, erhob
Marseille
[* 6] und
Dünkirchen
[* 7] zu Freihäfen, stiftete
Ausfuhrprämien und Assekuranzkammern, hob den
Kolonialhandel, errichtete
Handelsgesellschaften, kaufte
Niederlassungen auf den westindischen
Inseln
Martinique,
Guadeloupe,
Santa Lucia,
Grenada etc., sandte
Kolonisten nach
Cayenne,
brachte durch Besiegung der
Flibustier die Besitztümer dieser Seeräuber auf
Santo Domingo
[* 8] an
Frankreich und hob den
Handelstraktat
mit den
Holländern auf, wodurch der französischen
Nation alle bis dahin jenen zugestandenen Einfuhrbegünstigungen
zugewendet wurden.
Die Verbesserung des französischen Seewesens ging mit diesen
Schöpfungen
Hand
[* 9] in
Hand. Colbert
scheute keine
Opfer, der französischen
Flagge gegen die Seeräuber des
Mittelländischen
Meers Sicherheit zu verschaffen; er legte den
Hafen von
Rochefort an und errichtete
zu
Brest,
Toulon,
[* 10]
Dünkirchen und
Havre
[* 11] Seearsenale, um die zum Teil verfaulte
Kriegsflotte herzustellen,
kaufte er im
Ausland mehrere
Kriegsschiffe, brachte es aber bald dahin, daß in
Frankreich selbst die besten Fahrzeuge gebaut
wurden, und hatte 1662 die französische
Flotte
auf 60
Linienschiffe und 40
Fregatten, 20 Jahre später auf das
Doppelte gebracht.
Für die Bemannung führte er die
Konskription in der Küstenbevölkerung ein. Die französische
Handelsflotte
wurde die dritte der
Welt.
Handel und
Industrie nahmen durch Zollschutz und Staatsunterstützung
(Merkantilsystem) einen mächtigen
Aufschwung. Dagegen litt der
Ackerbau durch Ausfuhrverbote, hohe
Steuern u. a. sehr, und der Bauernstand befand sich in so
elender
Lage, daß wiederholt
Aufstände ausbrachen und Colbert
furchtbar gehaßt wurde. Auch die bürgerliche
und peinliche
Gesetzgebung ward durch ihn verbessert, die
Religionsfreiheit beschützt.
Die Zahl der Festtage und der Klöster wurde vermindert. Außer für materielle
Interessen, sorgte Colbert
auch für
Kunst und
Wissenschaft;
er stiftete 1663 die
Akademie der
Inschriften und 1666 die der
Wissenschaften, errichtete 1671 die
Bauakademie,
reformierte die
Malerakademie, stiftete für sie in
Rom
[* 12] eine französische
Schule, unterstützte
Gelehrte und Astronomen, gründete
den botanischen
Garten
[* 13] und die
Sternwarte
[* 14] zu
Paris,
[* 15] ließ unter
Cassinis Leitung die große
Vermessung
Frankreichs vornehmen, sammelte
Kunstschätze, bereicherte die königliche
Bibliothek und ließ prächtige Gebäude aufführen. Er war endlich
der eifrigste
Gehilfe des
Königs in der Errichtung eines unbeschränkten
Absolutismus.
Als er aber sich endlich wiederholt genötigt sah, der
Verschwendung und Prachtliebe des
Königs entgegenzutreten und zur Sparsamkeit
zu mahnen, fiel er bei demselben in
Ungnade, so daß
Ludwig XIV. ihn nicht einmal auf seinem Sterbelager besuchte. Das
Volk
war durch die
Höhe der
Abgaben und die empörende
Härte bei ihrer Eintreibung gegen Colbert
so erbittert, daß, als er starb,
sein Leichenzug durch
Militär gegen die
Menge geschützt werden mußte. Dennoch waren die äußern Erfolge des
Systems so glänzend,
daß es viele Nachahmer fand. Colbert
hinterließ ein
Vermögen von 10 Mill. und den
Titel eines
Marquis de Seignelay,
der auf seinen ältesten Sohn überging, welcher später die
Verwaltung der
Marine erhielt.
Interessant ist das von Colbert eigenhändig
entworfene
»Mémoire pour son fils, sur ce qu'il doit observer pendant le voyage qu'il va faire à
Rochefort«.
Vgl. Clément, Lettres, instructions et mémoires de Colbert (Par. 1862-73, 7 Bde.; Nachtrag 1882);
Derselbe, Histoire de Colbert et de son administrativ (das. 1874, 2 Bde.);
Neymarck, Colbert et son temps (das. 1877, 2 Bde.);
Gourdault, Colbert, ministre de Louis XIV (6. Aufl., Tours [* 16] 1885). -
Sein jüngerer Bruder, Charles, Marquis von Colbert-Croissy, trat in den diplomatischen Dienst, war Gesandter in England und auf dem Nimwegener Friedenskongreß und erhielt später durch die Gunst der Maintenon das auswärtige Ministerium.