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alle Art seine Achtung und Gunst bewies; den einzigen Trost suchte und fand er in seiner schriftstellerischen Thätigkeit, der wir aus dieser Zeit die meisten seiner Werke verdanken. Die Ermordung Cäsars begrüßte er mit der größten Freude, obwohl er nicht selbst zu den Verschwornen gehörte; er sah indes seine Hoffnungen bald völlig zerstört, da Antonius statt Cäsars sich der Herrschaft in Rom [* 2] bemächtigte. Schon war er im Begriff, Italien [* 3] ganz zu verlassen und sich nach Athen [* 4] zu begeben, als er durch günstigere Nachrichten aus Rom zur Umkehr nach der Hauptstadt bewogen wurde.
Hier beginnt er mit der ersten, 2. Sept. 44 gehaltenen Philippischen Rede seinen Kampf gegen Antonius, der ihn noch einmal an die Spitze des Staats erheben, ihm aber zuletzt nach kurzem scheinbaren Sieg den Untergang bereiten sollte. Antonius wurde (im Mutinensischen Krieg) besiegt, und die Herrschaft des Senats schien wiederhergestellt, als Oktavian, mit dessen Hilfe der Sieg gewonnen worden, seine Waffen [* 5] gegen den Senat kehrte, mit Antonius und Lepidus das zweite Triumvirat schloß und das gemeinsame Werk im Verein mit diesen durch die berüchtigten Proskriptionen eröffnete. Eins der ersten Opfer derselben war Cicero. Im Begriff, sich durch die Flucht in das Lager [* 6] des M. Brutus zu retten, wurde er auf seinem Landgut bei Formiä von den nach ihm ausgesandten Mördern ereilt und getötet (7. Dez. 43). Seinen Kopf und seine rechte Hand [* 7] stellte Antonius auf der Rednerbühne in Rom aus.
Wie schon aus diesem kurzen Abriß seines Lebens hervorgeht, war Cicero nicht ohne Schwächen, namentlich gingen ihm die Charakterfestigkeit und Entschlossenheit ab, die in so sturmbewegten Zeiten für einen Staatsmann ein unerläßliches Erfordernis waren. Auch tritt in allem seinen Thun und Reden eine maßlose Eitelkeit und Selbstüberschätzung hervor. Auf der andern Seite bilden aber sein auf das Ideale gerichteter Sinn, seine Liebe zum Vaterland, sein warmes Herz für Freunde und Angehörige, seine Gutherzigkeit, Sittenreinheit und Begeisterung für das Edle und Schöne, seine nie rastende Thätigkeit und seine rednerischen Leistungen, die das Höchste darstellen, was in Rom in der Beredsamkeit geleistet worden ist, Lichtseiten in seinem Bilde, die von seinen Tadlern, namentlich von Drumann (»Geschichte der Stadt Rom«, Bd. 5, 6) und Th. Mommsen (»Römische [* 8] Geschichte«, Bd. 3), nicht genügend anerkannt werden.
Wie er lange Zeit durch unbedingtes Lob zu hoch erhoben worden ist, so hat man ihn in neuerer Zeit vielfach ungebührlich herabgesetzt, hauptsächlich dadurch, daß man Äußerungen in seinen Briefen, die bloß in augenblicklicher Mißstimmung ihren Grund haben, als Zeugnisse wider ihn benutzt hat. Über Ciceros Familienverhältnisse ist zu bemerken, daß er zwei Gemahlinnen hatte, Terentia und Publilia, von denen beiden er sich, von der erstern nach 33jähriger Ehe (46), trennte. Von der Terentia hatte er zwei Kinder, eine Tochter, Tullia, die in dritter unglücklicher Ehe 45 zum größten Schmerz des Vaters starb, und einen ihm gleichnamigen Sohn (s. Cicero 3). Antike Büsten von Cicero gibt es mehrere; am vortrefflichsten sind die durch Inschrift bezeugte in Madrid [* 9] (1860 von E. Hübner entdeckt) und die im Apsley House zu London [* 10] (früher in der Villa Mattei zu Rom).
Ciceros schriftstellerische Thätigkeit war eine außerordentlich vielseitige; die Zahl der auf uns gekommenen Schriften ist, obwohl nicht wenige verloren gegangen sind, sehr bedeutend. Hervorzuheben sind folgende:
1) Reden. Die Zahl der erhaltenen Reden ist 57; außerdem besitzen wir von ungefähr 20 Reden Bruchstücke, von 35 kennen wir die Titel; doch ist damit die Zahl der von ihm gehaltenen Reden nicht erschöpft. Von den erhaltenen verdienen teils wegen ihres Gegenstandes, teils wegen ihrer Vortrefflichkeit hervorgehoben zu werden: »Pro Roscio Amerino« (80),
die 7 »In Verrem« (70),
»Pro lege Manilia« (66),
die 4 »In Catilinam« (63),
»Pro Archia poeta« (62),
»Pro Sestio« (56),
»Pro Plancio« (54),
»Pro Milone« (52) und die 14 »Orationes Philippicae« (44 und 43). Sie zeichnen sich durch lebendigen Fluß der Darstellung, kunstvollen Bau der Perioden, (freilich oft allzu rhetorische) Fülle des Ausdrucks, öfters auch durch geistvollen, wenngleich nicht immer zu rechter Zeit und in rechter Weise angebrachten Witz aus, während sie freilich den Demosthenischen an Einfachheit, Kraft [* 11] und Gesinnungstüchtigkeit weit nachstehen. Sie wurden oft herausgegeben, besonders von Klotz (Leipz. 1835-39, 3 Bde.), in Auswahl für den Schulgebrauch unter andern von Madvig (4. Aufl., Kopenh. 1858), Halm (in der Weidmannschen Sammlung, 7 Bdchn.).
2) Rhetorische Schriften, über die Theorie der Beredsamkeit, wobei Cicero namentlich seine eigne Stellung als Redner darlegt und begründet. Die bedeutendsten sind: »De oratore«, in 3 Büchern, verfaßt 55, eingekleidet in ein Gespräch zwischen den beiden größten ältern Rednern, L. Crassus und M. Antonius (hrsg. von Ellendt, Königsb. 1840; Piderit, 5. Aufl., Leipz. 1878; Bake, Amsterd. 1863; Sorof, 2. Aufl., Berl. 1882);
»Brutus s. de claris oratoribus«, verfaßt 46, eine Geschichte der römischen Beredsamkeit und für uns daher sehr wertvoll (hrsg. von Bernhardt und Meyer, Halle [* 12] 1838; Ellendt, Königsb. 1844; Jahn, 4. Aufl. von Eberhard, Berl. 1877; Piderit, 2. Aufl., Leipz. 1876, u. a.);
»Orator«, an M. Brutus gerichtet, verfaßt 46, über das Ideal eines Redners (hrsg. unter andern von Jahn, 3. Aufl., Berl. 1869; Piderit, 2. Aufl., Leipz. 1876; Heerdegen, das. 1884).
3) Briefe, über 800, in 4 Sammlungen, eine unerschöpfliche und unschätzbare Quelle [* 13] für die Zeitgeschichte, worin sich zugleich Ciceros Innerstes rückhaltlos aufschließt. Die 4 Sammlungen sind: »Ad familiares«, an verschiedene Freunde, 16 Bücher;
»Ad Atticum«, ebenfalls 16 Bücher (Ausg. von Boot, Amsterd. 1865, 2 Bde.);
»Ad Quintum« (Ciceros Bruder), 3 Bücher, und der Briefwechsel zwischen Cicero und M. Brutus, 2 Bücher, dessen Echtheit man jedoch anzweifelt.
Herausgegeben wurden die Briefe Ciceros von Billerbeck (Hannov. 1836, 4 Bde.), Wesenberg (Leipz. 1872-1873, 2 Bde.); in Auswahl von F. Hofmann (5. Aufl. von Andresen, Berl. 1884), Süpfle (8. Aufl., Karlsr. 1880), Frey (3. Aufl., Leipz. 1881) u. a.; übersetzt von Wieland (Zürich [* 14] 1808-21, 7 Bde.; neue Ausg., Leipz. 1840-41, 12 Bde.).
Vgl. Abeken, Cicero in seinen Briefen (Hannov. 1835).
4) Philosophische Schriften: »De republica«, 6 Bücher, verfaßt 54-53, nur teilweise erhalten (Ausg. von Mai, Rom 1822 u. 1846; Osann, Götting. 1847);
»De legibus«, um 52 verfaßt, 3 Bücher, aber unvollendet (Ausg. von Bake, Leid. 1842; Vahlen, 2. Aufl., Berl. 1883; Du Mesnil, Leipz. 1880);
»Paradoxa Stoicorum«, von 46 (hrsg. von Orelli, Zür. 1829; Moser, Götting. 1846);
ferner aus dem Jahr 45: »De finibus bonorum et malorum«, 5 Bücher (Ausg. von Madvig, 3. Aufl., Kopenh. 1876; Holstein, Leipz. 1873; deutsch von J. H. ^[Julius Hermann] v. Kirchmann, das. 1874),
und »Academica« (davon erhalten das 2. Buch einer ersten und das 1. einer zweiten Bearbeitung; Ausg. von Orelli, Zür. 1827);
aus dem Jahr 44: »Tusculanae quaestiones«, 5 Bücher (Ausg. von Kühner, 5. Aufl., ¶
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Hannov. 1874; Tischer-Sorof, 8. Aufl., Berl. 1884; Seyffert, Leipz. 1864; Cavallin, Lund 1870;
Heine, 3. Aufl., Leipz. 1881, u. a.);
»De natura deorum«, 3 Bücher (Ausg. von Schömann, 4. Aufl., Berl. 1876);
»Cato major s. de senectute« (Ausg. von Sommerbrodt, 10. Aufl., das. 1885; Lahmeyer, 4. Aufl., Leipz. 1877, u. a.);
»De divinatione«, 2 Bücher (hrsg. von Giese, das. 1829, u. a.);
»De fato«, unvollständig erhalten;
»Laelius s. de amicitia« (Ausg. von Nauck, 9. Aufl., Berl. 1884; Lahmeyer, 3. Aufl., Leipz. 1875);
»De officiis«, 3 Bücher (Ausg. von Zumpt, Braunschw. 1838; Stürenburg, Leipz. 1843; Heine, 6. Aufl., Berl. 1885; Gruber, 3. Aufl., Leipz. 1874; übers. von Garve, 6. Aufl., Bresl. 1819).
Gesamtausgabe der »Philosophica« von Görenz (Leipz. 1809-12, 3 Bde.). Auch als Dichter hat sich Cicero versucht, in seiner Jugendzeit zur Übung (von seiner Übersetzung des Aratos sind noch bedeutende Bruchstücke vorhanden),
später vornehmlich aus Eitelkeit zur Verherrlichung seiner Erlebnisse, freilich ohne viel Glück. Ausgaben sämtlicher Werke: »Editio princeps« (Mail. 1498, 4 Foliobände);
von P. Victorius (Vened. 1534, 4 Bde.);
Manutius (das. 1540-46, 9 Bde.);
Lambin (Par. 1566 u. öfter, 4 Bde.);
Ernesti (Leipz. 1737, 6 Bde.; letzte Ausg., Halle 1820, 9 Bde.);
Garatoni (unvollständig, Neap. 1777);
Schütz (Leipz. 1814 ff., 20 Bde.);
Orelli (Zürich 1826 ff., 4 Bde.; 5. Bd. 1833, enthaltend die Scholiasten; 6.-8. Bd. 1836-38, das »Onomasticon Tullianum«; 2. Aufl. unter Mitwirkung von Baiter und Halm, das. 1845-62, 4 Bde., die kritische Hauptausgabe);
Klotz (2. Aufl., Leipz. 1863-71, 11 Bde.);
Baiter und Kayser (das. 1861-69, 11 Bde.);
neueste Textausgabe von Müller (das. 1878 ff.).
Lexika zu Ciceros Werken: von Nizolius (»Thesausus ^[richtig: Thesaurus] Ciceronianus«, Basel [* 16] 1559 u. öfter; zuletzt Lond. 1820);
Schütz (Leipz. 1817-21, 4 Bde.);
Merguet (zu den Reden, Jena [* 17] 1877 ff.).
Neuere Übersetzungen in der Metzlerschen Sammlung römischer Prosaiker (von Osiander u. a.) und der Hoffmannschen (jetzt Langenscheidtschen) Übersetzungsbibliothek römischer Klassiker (von Kühner, Mezger, Binder u. a).
Vgl. Middleton, History of the life of Cicero (Dublin [* 18] 1741, 2 Bde.; neue Ausg. 1842; deutsch von Seidel, Danz. 1791-1793, 4 Bde.), eine Verherrlichung Ciceros; Suringar, M. Tullii Ciceronis commentarii rerum suarum (Leiden [* 19] 1854);
Gerlach, M. Tullius Cicero (Basel 1864);
Forsyth, Life of Cicero (2. Aufl., Lond. 1869, 2 Bde.);
Teuffel, Studien und Charakteristiken (Leipz. 1871);
G. Boissier, Cicéron et ses amis (4. Aufl., Par. 1877; deutsch von Döhler, Leipz. 1870);
Messina, [* 20] Apologia di Cicero contro Mommsen (Neap. 1878).
2) Quintus, jüngerer Bruder des vorigen, geb. 102 v. Chr., war Ädil 65, Prätor 62, Statthalter in Asien [* 21] 61-58, Legat des Cäsar in Gallien 54-52, seines Bruders in Kilikien 51, trat im Bürgerkrieg auf die Seite des Pompejus, wurde nach der Schlacht bei Pharsalus von Cäsar begnadigt, 43 wie sein Bruder von den Triumvirn proskribiert und getötet. Er beschäftigte sich auch litterarisch, unter anderm schrieb er Tragödien. Wir besitzen von ihm vier Briefe und eine kleine Schrift: »De petitione consulatus« (hrsg. von Bücheler, Leipz. 1869).
3) Marcus Tullius, Sohn des Redners, geb. 65 v. Chr., wurde von seinem Vater aufs sorgfältigste erzogen, nahm nach Ausbruch des Bürgerkriegs zwischen Pompejus und Cäsar auf seiten des erstern als Reiteranführer an dem Krieg teil, wurde dann mit seinem Vater von Cäsar begnadigt, schloß sich, nachdem er sich im Jahr 45 zur Fortsetzung seiner Studien nach Athen begeben, von da aus 44 an M. Brutus an, dem er wiederum als Reiteranführer nicht unwesentliche Dienste [* 22] leistete. Nach Besiegung des Brutus proskribiert, floh er zu Sextus Pompejus und kehrte erst im Jahr 39, als die Umstände sich zu seinen gunsten verändert hatten, nach Rom zurück, wo er später von Oktavian zum Augur und 30 zum Konsul ernannt wurde. Nach den Nachrichten der Alten stand er seinem Vater an Begabung und Verdienst weit nach. Das Jahr seines Todes ist unbekannt.