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schon bei der Weltschöpfung beteiligte, zur vorausbestimmten Zeit ins Fleisch eingetretene und nach vollbrachter Versöhnung wieder zu Gott zurückgekehrte Logos erschien (s. Menschwerdung). Diesen Schritt that erst der vierte Evangelist, während zwei frühere sich damit begnügt hatten, einen nachweisbar ältern Typus der evangelischen Geschichte, darin Jesus als Sohn Josephs und Marias auftritt (Mark. 6, 3;. Matth. 13, 53),. mit einer Vorgeschichte zu vermehren, kraft welcher die Gottessohnschaft, die man sich sonst als im Moment der Taufe beginnend vorgestellt, auf die Zeugung selbst bezogen und nahezu physisch gefaßt wurde (Matth. 1, 18. 23; Luk. 1, 35). So hört schon im Verlauf der neutestamentlichen Entwickelung die Christologie auf, Messiaslehre zu sein, und wird statt dessen ein Stück Gotteslehre.
Man hielt zwar die menschlichen Anschauungen von Christus in der Form fest, daß auch Paulinische und Johanneische Kreise [* 2] noch in ihm den beglaubigten und bevollmächtigten Durchführer der göttlichen Zwecke in der Menschenwelt erblickten; zugleich aber faßte man ihn als ein Wesen auf, dessen Daseinskreis irgendwie mit dem göttlichen selbst sich deckte oder doch in denselben hineinfiel. Abgestreift aber und als häretisch gebrandmarkt war schon gegen Ende des 2. Jahrh. die Vorstellung der entschiedenen Judenchristen (s. Nazarener), der sogen. Ebionitismus, welcher die Göttlichkeit Christi in die höchste Stufe der Geistesbegabung, in die Vollendung des alttestamentlichen Prophetentums, verlegte, ihn selbst aber lediglich als Menschen gelten ließ.
War aber Christus für die jetzt entstehende katholische Kirche eine ewige und göttliche Persönlichkeit, so schien der streng und schlechthin einheitliche Gottesbegriff aufgehoben. Hinwiederum wollte und konnte man auch nicht zwei Götter lehren, denn damit wäre man in das Heidentum zurückgesunken. Es erfolgte daher eine Ausgleichung beider Seiten, eine Lösung des geschlungenen Rätsels in doppelter Weise. Anschließend an die Johanneische Lehre, [* 3] wonach zwischen Gott und seinem in dem geschichtlichen Jesus Wort ein eigentümliches Verhältnis der Wesenseinheit besteht, erkannte schon eine im Lauf des 2. Jahrh. populär gewordene Vorstellung eine Verschiedenheit der Subjekte kaum mehr an; man sah in Christus einfach die Erscheinung des Vaters (Monarchianismus, Modalismus).
Der so sich ergebenden Gefahr, Gott im Menschen oder den Menschen in Gott zu verlieren, begegneten die hervorragendsten Kirchenlehrer des 3. Jahrh., indem sie sich wieder mehr an die Paulinische Lehre anschlossen, welche den Sohn so bestimmt persönlich vom Vater unterscheidet, daß sie ihn zu dem letztern sogar in ein entschiedenes Verhältnis der Abhängigkeit setzt (Hypostasianismus, Subordinatianismus). Eine einigende Formel wurde in dieser Zeit noch nicht gesunden; erst im sogen. Arianischen Streit (s. d.), welcher fast das ganze 4. Jahrh. erfüllte, gelangte der Prozeß zwischen beiden Parteien zum Austrag.
Auf den das Verhältnis des Vaters zum Sohn definitiv feststellenden Kirchenversammlungen von Nicäa (325) und Konstantinopel [* 4] (381) wurden die bestehenden Gegensätze einfach nebeneinander gestellt, d. h. man stellte als Glaubensgeheimnis die Sätze auf, der Sohn sei dem Vater gleich an Wesen, aber doch eine verschiedene Person, also nicht ungezeugt, wie der Vater, aber doch auch nicht geschaffen, wie die Welt, sondern in ewiger Weise vom Vater erzeugt, »wahrhaftiger Gott vom wahrhaftigen Gott«.
Dieser ganzen Bewegung lag das religiöse Interesse zu Grunde, sich der unendlichen Bedeutung des christlichen Heils in der Anschauung der Person dessen bewußt zu werden, welcher dasselbe gebracht und ein für allemal begründet hatte. Die Christologie galt der Kirche als Ausdruck des Werts des ganzen Christentums. Wie dieser ein absoluter, so war die Person seines Stifters eine absolute, und es konnte die Entwickelung des dogmatischen Denkens über diese Person zu ihrem Ruhepunkt erst da gelangen, wo dieselbe unter Wahrung ihres menschlichen Charakters zugleich in einem Verhältnis zu Gott stand, welches keine Steigerung mehr zuließ.
Ist Christus nach dem christlichen Gesamtbewußtsein der ausschließliche Vermittler der Vateroffenbarung Gottes, der eigentliche Schöpfer eines nach dem Urteil der gläubigen Christenheit ausreichenden Gottesbewußtseins, so ist er darum auch das Organ, womit diese christliche Menschheit Gott wahrnimmt, wie das Auge [* 5] das Organ ist, womit die natürliche Menschheit das Licht [* 6] wahrnimmt. Wie für diese das Licht im Auge, so ist für jene Gott in Christus, und das Bekenntnis von der Gottheit Christi, die Quintessenz der Christologie, ist etwa nach Analogie des Satzes zu verstehen: »Das Auge ist das Licht des Leibes« (Matth. 6, 12). Die alte Kirche aber setzte gemäß den Denkformen, in welchen sie sich zu bewegen hatte, an die Stelle dieser religiösen Beurteilung eines religiösen Verhältnisses eine metaphysische Betrachtung und kam so nach durchgekämpften arianischen, nestorianischen, monophysitischen und monotheletischen Streitigkeiten endlich am Schluß des 7. Jahrh. zu dem fertigen Christusbild der Dogmatik: Eine gottmenschliche Person mit zwei Naturen und zwei Willen, wesensgleich nach der einen Seite mit dem »ungezeugten« Vater, nach der andern mit den »geschaffenen« Menschen (ausgenommen die Sünde),
selbst aber weder ungezeugt noch geschaffen, sondern »von Ewigkeit gezeugt«.
Während auf Innehaltung dieser Bestimmung der Christologie seitens der Kirche mit vollkommener Ausschließlichkeit gedrungen wurde und bald keiner, der sich in diesen Gang [* 7] der Entwickelung nicht zu schicken wußte, noch ein Recht der Existenz in der Kirche, ja aus der Welt überhaupt mehr besaß, konnte man während eines ganzen Jahrtausends hinsichtlich des Werkes Christi, jener zweiten Hälfte der Christologie, die verschiedenartigsten und unfertigsten Lehrmeinungen vernehmen.
Erst die Scholastik hielt sich wieder enger an die Paulinischen Vorstellungen. Der erste, der dieselben in einen dialektisch gefaßten, durch die juristische Schablone des Mittelalters bedingten Ausdruck brachte, war Erzbischof Anselm von Canterbury, welcher in einer bis dahin nicht erreichten Vollständigkeit der Argumentation den Gedanken durchführte, daß Gott zur Wiederherstellung der ihm durch die Sünde entzogenen Ehre und zugefügten Beleidigung notwendig habe Mensch werden müssen, um so als Gottmensch durch freiwilligen Tod die Schuld abzutragen, die außer ihm niemand abtragen konnte, und den Widerstreit der göttlichen Liebe mit der göttlichen Gerechtigkeit und Heiligkeit auszugleichen (s. Versöhnung). Über diese sogen. Satisfaktionstheorie entbrannte ein heftiger Streit zwischen den Schulen des Thomas von Aquino und des Duns Scotus, als ersterer, in Anselms Fußstapfen tretend, besonderes Gewicht auf das »überschüssige Verdienst« des Todes Jesu legte, letzterer hingegen das Zureichende desselben in Abrede stellte und die Lehre von der sogen. Acceptilation (s. d.) anbahnte. Die Mystiker versenkten sich bald ¶
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mit Verzichtleistung auf dogmatische Bestimmungen rein mit dem Gefühl und der Phantasie in den Abgrund der am Kreuz [* 9] gestorbenen Liebe (die Jesusmystik des heil. Bernhard), bald suchten sie den Tod des Sohnes Gottes durch asketische »Entwerdung« und Selbstvernichtung zu ergänzen. Das Reformationszeitalter ließ die Lehre von den beiden Naturen in Christus als gemeinchristliche Fundamentallehre unangetastet stehen; einzig zwischen den Lutheranern und Reformierten erhob sich im Zusammenhang mit dem Abendmahlsstreit eine Differenz.
Während die Reformierten vermöge ihrer Voraussetzung eines schlechthinnigen Unterschieds zwischen Unendlichem und Endlichem die Menschheit des fleischgewordenen Logos als eine wirklich innerhalb der Schranken irdischen Menschendaseins sich entwickelnde faßten, darüber derselbe Logos vermöge seiner Gottheit immer noch unendlich hinausrage, stellte die Konkordienformel als Stütze der lutherischen Abendmahlstheorie die Lehre auf, daß in Christus göttliche und menschliche Natur in eine ganze und bleibende Vereinigung (unio personalis) getreten seien, vermöge deren eine solche Gemeinschaft der beiden Naturen (communio naturarum) stattfinde, daß der Logos fortan nur noch »im Fleisch« existiert, seine göttliche Natur nur noch in der mit ihr persönlich vereinigten menschlichen und durch dieselbe sich bethätigt, ebendarum aber dieser auch ihre wesentlich göttlichen Eigenschaften mitteile (communicatio idiomatum) und z. B.
Christus auch seiner menschlichen Natur nach allgegenwärtig, also mit seinem Fleisch und Blut in den Abendmahlselementen, sein könne. Die reformierte Kirche erklärte eine solche Mitteilung der Idiome für eine bloß rednerische Vertauschung der Ausdrücke (alloeosis) und beschuldigte die lutherische Theologie der Vermischung der beiden Naturen. Das Werk Christi anlangend, hat der Protestantismus die Anselmische Lehre unter Abstreifung ihres privatrechtlichen Charakters und unter Verbindung derselben mit der biblischen Opferidee dahin ausgebildet, daß der Gottmensch durch sein im Tod übernommenes stellvertretendes Strafeleiden ein schlechthin entsprechendes Sühnopfer für die Sünden der ganzen Menschheit gebracht, den gerechten Zorn Gottes gestillt und die Zuwendung der sündenvergebenden Gnade Gottes an die Gläubigen objektiv ermöglicht habe.
Dabei betonen beide protestantische Konfessionen [* 10] neben dem leidenden Gehorsam Christi auch seinen thätigen, d. h. die vollkommene Erfüllung des Gesetzes, und handeln daneben noch von den beiden Ständen (status) Christi, nämlich demjenigen der Erniedrigung (status exinanitionis) und dem der Erhöhung (status exaltationis), mit welchem auch seine menschliche Natur in den reellen Besitz und Gebrauch göttlicher Herrlichkeit eingetreten sei. Dabei streiten Lutheraner und Reformierte, ob die sogen. Höllenfahrt (s. d.) schon zu diesem oder noch zu jenem Stand gehöre.
Einen ersten Schritt zur Auflösung dieses dem dogmatischen Denken angehörigen Christusbildes thaten, indem sie zu einfachern neutestamentlichen Vorstellungen zurückkehrten, die Socinianer; einen weitern die Rationalisten, indem sie das, was der Mensch Jesus an sich war, auch wieder von dem unterschieden, was er dem Paulus und dem Johannes war, und dem Tod Jesu nur die Bedeutung eines den Sieg seiner Sache bedingenden Martyriums vindizierten; einen dritten die spekulative Theologie, indem sie die Dogmen von der Gottmenschheit und Versöhnung als Formen behandelte, in welchen die ewige Wahrheit von der Einheit des unendlichen und des endlichen Geistes der populären Vorstellung faßbar und an dem klassischen Exempel Jesu gleichsam ad oculos demonstriert werde; einen vierten die mit Strauß [* 11] anhebende kritische Behandlung des Lebens Jesu, vermöge welcher die Person Jesu immer mehr in den Kreis [* 12] der wirklichen Geschichte hereingezogen worden ist (s. Jesus Christus); einen fünften und letzten die von den Fesseln der Dogmatik emanzipierte kirchen- und dogmengeschichtliche Forschung, welche den ganzen Prozeß des Werdens der Christologie klargelegt und zum objektiven Verständnis gebracht hat. Auf denselben historischen Prozeß stützen sich anderseits aber auch die konservativen Richtungen, indem sie demselben ein sei es dogmatisch verfestigtes, sei es spekulativ konstruierbares Resultat abgewinnen, teilweise auch die ganze christologische Metaphysik vor der sittlichen Bedeutung Jesu als des Stifters des Reichs Gottes, darin sich alle Zwecke Gottes mit der Menschheit zusammenfassen, verstummen heißen.
Vgl. Baur, Die christliche Lehre von der Versöhnung (Tübing. 1838);
Derselbe, Die christliche Lehre von der Dreieinigkeit und der Menschwerdung Gottes (das. 1841-43, 3 Bde.);
Dorner, Entwickelungsgeschichte [* 13] der Lehre von der Person Christi (2. Aufl., Stuttg. 1856, 2 Bde.);
Ritschl, Die christliche Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung (Bonn [* 14] 1870-74; 2. Aufl. 1882-83, 3 Bde.);
Schultz, Die Lehre von der Gottheit Christi (Gotha [* 15] 1881).