1) Christine
Auguste,
Königin von
Schweden,
[* 10] die Tochter
GustavAdolfs und der brandenburgischen
PrinzessinMarie Eleonore,
geb. ward noch
vor der Abreise
GustavAdolfs nach
Deutschland
[* 11] von den
Ständen als Nachfolgerin
desselben anerkannt. Nach dem
Tod ihres
Vaters 1632 wurde sie unter eine von
Oxenstierna geleitete vormundschaftliche
Regierung
gestellt. Dabei trieb sie allerlei
Studien, besonders sprachliche, welchen sie alle
Zerstreuungen opferte, verriet aber auch
bald ihren bizarren
Charakter, indem sie sich als Mann gebärdete, ritt und jagte und selbst in Mannskleidern
öffentlich erschien.
Den
ReichskanzlerOxenstierna erhob sie zwar zum
Grafen, entzog sich aber mehr und mehr seinem Einfluß.
Gegen die
Ehe hatte sie eine unüberwindliche Abneigung und wies alle Bewerber ab. Sie hatte dem
PfalzgrafenKarlGustav von
Zweibrücken
[* 14] schon im zarten
Alter ihre
Hand
[* 15] versprochen, und auch die
Reichsstände erklärten sich damit zufrieden. Als sie
daher unvermählt zu bleiben beschloß, bestimmtesie denPfalzgrafen zu ihrem Nachfolger und brachte es
bei den anfangs widerstrebenden
Reichsständen dahin, daß sie denselben 1649 feierlichen ihrem Thronfolger ernannten. Im
Oktober 1650 ließ sie sich mit großer Pracht in
Stockholm
[* 16] krönen.
Die Unzufriedenheit des
Volkes, die Finanznot, politische Verwickelungen, denen sie sich nicht gewachsen
fühlte, Überdruß an der
Regierung und Sehnsucht nach
Freiheit brachten endlich in der
Königin den Entschluß, abzudanken,
zur
Reife,
und sie erklärte denselben dem
Reichsrat, forderte aber 600,000 Mk. jährliche
Revenuen mit der
Berechtigung,
diese
Summe im
Ausland verzehren zu dürfen. Am wurde auf dem
Reichstag zu
Upsala ihre Abdankungsurkunde
verlesen und noch an demselben
TagKarlGustav zum König gekrönt. Christine begab sich über
Hamburg
[* 21] und
Münster
[* 22] nach
Brüssel,
[* 23] wo
sie 23. Dez. einen glänzenden Einzug hielt.
Nach einem zweijährigen Aufenthalt in
Rom begab sie sich 1660 nach
KarlGustavsTod nach
Schweden, um sich der regelmäßigen
Zahlung ihrer Einkünfte zu versichern. Sie ward zu
Stockholm mit allen
Ehrenbezeigungen empfangen, entfremdete sich aber die
Herzen dadurch, daß sie sogleich eine katholische
Kapelle errichten ließ. Auf Befehl der
Regierung wurde
diese
Kapelle niedergerissen, und da Christine die Absicht merken ließ, ihre Ansprüche auf den
Thronim Fall einer Erledigung desselben
zu erneuern, so mußte sie eine neue, vollständige Entsagungsakte ausstellen. Während ihres Aufenthalts in
Hamburg 1661-67
und einer zweiten Anwesenheit in
Schweden gab sie von neuem durch ihre
Begünstigung der katholischen
Kirche¶
mehr
Anstoß, weshalb sie nach Rom zurückkehrte. Nach Clemens' IX. Tod (1670) gefiel sie sich nicht mehr in Rom, obwohl sie dort
der Mittelpunkt der geistlichen und gelehrtenKreise
[* 29] war und eine Akademie um sich versammelt hatte, aus der später die Accademia
dei Arcadi zur Veredelung der italienischen Sprache
[* 30] und Dichtkunst hervorging. 1672 begab sie sich nach
Frankreich, von wo aus sie nach JohannKasimirsTod als dessen nächste Wasasche Verwandte auf dessen Güter in Polen und Neapel
[* 31] Ansprüche erhob.
Der Papst unterstützte ihre Forderung, allein ihre sechsjährigen Bemühungen in dieser Sache blieben infolge ihrer Mittellosigkeit
ohne Resultat. Ihre letzten Lebensjahre verlebte sie in Rom. Sie starb und ward in der Peterskirche
beigesetzt, wo ihr der Papst ein Denkmal errichten ließ. Sie hatte sich auch als Schriftstellerin, stets in französischer
Sprache, versucht. Sie war von kleiner Statur, blendend weißer Hautfarbe, hatte blaue Augen, eine Adlernase und ein üppiges
Lockenhaar, auf das sie jedoch wenig Sorgfalt verwandte.
Ohne die liebenswürdigen Eigenschaften des Weibes, vermochte sie doch in vieler Beziehung sich nicht über weibliche Schwächen
zu erheben; dahin gehörten ihr launenhafter Religionswechsel, ihre Reizbarkeit, ihre Herrschsucht, selbst nachdem sie freiwillig
das Zepter niedergelegt. IhreSchriften finden sich größtenteils in Arckenholz, Memoiren der Königin Christine (Berl. 1751 bis
1760, 4 Bde.).
2) Marie Christine, Königin und Regentin von Spanien,
[* 34] Tochter des Königs beider Sizilien,
[* 35] Franz I., und der MariaIsabella, der Tochter
des KönigsKarl IV. von Spanien, geb. zu Neapel, wurde die vierte Gemahlin des KönigsFerdinand VII. von
Spanien. Auf ihren greisen Gemahl erlangte sie bald einen herrschenden Einfluß und zog sich hierdurch
den Haß der apostolischen Partei sowie des Bruders des Königs, Don Karlos, seiner Gemahlin und seiner Schwägerin, der Prinzessin
von Beira, zu, der sich noch steigerte, als Christine schwanger wurde und der bisher kinderlose Ferdinand VII. das
Auto arrodado vom umstieß und durch Wiederherstellung der alten kastilischen Erbfolgeordnung auch einer Tochter
seiner Gemahlin die Thronfolge sicherte, seinen Bruder und dessen Partei also der bisher ganz sichern Aussicht auf die Herrschaft
beraubte.
Als nun Christine wirklich eine Tochter gebar, entspann sich ein erbitterter Kampf zwischen den Apostolischen
unter Don Karlos und der Königin, welche sich zu den Liberalen hinneigte; die erstern behielten jedoch die Oberhand. Auch Christines
zweites Kind, das sie gebar, war eine Tochter. Während einer gefährlichen Krankheit des Königs im September 1832 bat
um sich vor derRache der Apostolischen sicherzustellen, selbst um Aufhebung der Pragmatischen Sanktion von
1830, die auch 18. Sept. erfolgte.
Aber der König erholte sich wieder, ernannte 5. Okt. Christine zur Regentin und nahm 30. Dez. auch das Kodizill vom 18. Sept. zurück. Zwar
übernahm er wieder die Regierung, und der neue MinisterZea Bermudez ging nicht durchaus auf
die liberale Politik Christines ein; jedoch behauptete sich diese in ihrem Einfluß auf den König, und als Ferdinand VII. starb,
wurden seine dreijährige Tochter Isabella in Madrid
[* 36] als
Königin und Christine als Regentin ausgerufen. Schon vermählte
sich Christine in morganatischer Ehe mit DonFernandoMuñoz (geb. aus Tarancon in Cuenca, der damals in der königlichen Leibgarde
diente, und den sie später zum Herzog von Rianzares erhob.
Die Regentin hatte gleich nach dem Tode des Königs ein Manifest erlassen, welches Abhilfe der Übel versprach,
an welchen das Land leide. Aber schon im Oktober 1833 brach in Aragonien und in den baskischen Provinzen ein Aufstand zu gunsten
des Don Karlos aus. Um eine Stütze gegen diesen zu gewinnen, neigte sich Christine offen der liberalen Partei zu, deren Glieder
[* 37] daher
Christinos genannt wurden. Ihre der französischen Charte nachgebildete Verfassung, das Estatuto real, genügte
bald den extremen Parteien nicht mehr und wurde durch andre rasch aufeinander folgende Verfassungen verdrängt, wie denn Christine stets
auf das Regierungssystem ihres jedesmaligen Ministers einging.
Doch konnte sich Christine nicht dauernd in der Herrschaft befestigen, obwohl sie über Don Karlos endlich den
Sieg davontrug. Infolge einer durch das Gesetz über die Ayuntamientos (s. d.) veranlaßten Volksbewegung dankte sie als
Regentin ab und begab sich mit einem sehr bedeutenden Vermögen nach Frankreich. Nach EsparterosSturz kehrte sie 1843 wieder
nach Madrid zurück und ließ sich mit Muñoz, dem sie mehrere Kinder geboren hatte, kirchlich
trauen; derselbe starb Die meisten Vorgänge in Spanien seit 1843: die spanischen Heiraten, die reaktionären Ministerien
von Narvaez und Bravo-Murillo, die Verbannung von Narvaez etc., erfolgten unter ihrer Einwirkung;
doch zog sie sich durch ihre
Einmischung in die öffentlichen Angelegenheiten den Haß eines großen Teils des Volkes in dem Maß zu,
daß sie sich beim Ausbruch der Revolution 1854 zu fliehen genötigt sah.