mehr
ihrem
Absterben ans
Licht,
[* 2] so ergrünt sie nach kurzer Zeit. Eine Ausnahme machen nur die Keimpflanzen der
Nadelhölzer
[* 3] und
die
Blätter der
Farne,
[* 4] welche auch in tiefster Dunkelheit ergrünen. Im allgemeinen bewirken die gelben
Strahlen des
Lichts
bei diffuser
Beleuchtung
[* 5] das Ergrünen schneller als die roten und blauen, während in direktem Sonnenlicht
das umgekehrte
Verhältnis stattfindet. Zum Ergrünen ist ferner ein bestimmter Temperaturgrad erforderlich, der z. B.
für Gerstenkeimlinge nicht unter 4-5° C., für
Kresse nicht unter 8° hinuntergehen darf; das Optimum der
Wirkung liegt bei
ca. 35°. Eine dritte
Bedingung für die Entstehung des Chlorophyl
lfarbstoffs besteht in der Gegenwart von
Eisensalzen im Nährboden der
Pflanze, da letztere in eisenfreien Nährstofflösungen gelblichweiße
Blätter erzeugt und erst
auf Zusatz von einigen
Tropfen
Eisenchlorid zu ergrünen vermag; das
Eisen
[* 6] scheint somit zur organischen
Konstitution des Chlorophyl
lkorns
zu gehören und ist auch in der
Asche möglichst reiner Chlorophyl
lauszüge nachweisbar.
Neuerdings hat
Pringsheim gefunden, daß der Chlorophyl
lfarbstoff lebender
Pflanzenzellen durch konzentriertes
Sonnenlicht bei Vorhandensein von
Sauerstoff, aber unter
Abschluß der Wärmestrahlen zerstört wird, während die Chlorophyl
lkörner
ihre Form behalten; das
Gleiche geschieht nach
Wiesner mit einer alkoholischen Chlorophyl
llösung. Diese Zerstörung wird durch
alle
Strahlen des
Spektrums, besonders energisch durch die stärker brechbaren
Strahlen, bewirkt.
Die merkwürdigen Beziehungen der Chlorophyl
lkörner zum
Licht zeigen sich auch in Gestalt- und Lageveränderungen,
welche dieselben bei
Wechsel der
Beleuchtung im Innern der lebenden
Pflanzenzelle ausführen. In beschatteten
Organen haben die
Körner im allgemeinen einen kleinern
Durchmesser und größere
Dicke, während sie bei Besonnung breiter und zugleich dünner
werden. Bei mäßigem
Licht sammeln sich die Chlorophyl
lkörner einer
Zelle
[* 7] an den
Wänden derselben an,
welche dem einfallenden Lichtstrahl zugekehrt sind (Flächenstellung), während sie bei intensiver
Beleuchtung auf die dem
Lichtstrahl parallelen Wandungen gleiten (Profilstellung); bei völliger Dunkelheit nehmen die
Körner eine Eigenstellung
mit verschiedener Verteilungsweise an. Diese sowohl in einfach gebauten Pflanzenteilen, wie Moosblättern,
Farnvorkeimen, als auch in Blättern vieler höherer
Gewächse nachgewiesenen Ortsveränderungen der Chlorophyl
lkörner kommen
durch
Bewegung der Protoplasmakörper infolge von Lichtreiz zu stande.
Die Verbreitung des Chlorophylls
innerhalb des
Pflanzenreichs ist eine sehr allgemeine, indem es allen grün erscheinenden
Teilen der höhern und niedern
Gewächse zukommt und nur gewissen
Schmarotzerpflanzen
[* 8] (einigen
Orchideen,
[* 9] Cytineen, Hydnoreen,
Rafflesiaceen,
Balanophoreen,
Monotropeen und
Kuskuteen) sowie sämtlichen
Pilzen fehlt. Bisweilen ist die
Anwesenheit des Chlorophylls
durch andre
Farbstoffe maskiert; so enthalten unter den
Algen
[* 10] die
Florideen einen in
Wasser löslichen
roten
Farbstoff, das
Phykoerythrin, die
Fukaceen und
Diatomeen ein in
Alkohol lösliches braungelbes
Pigment in
ihren Chlorophyllkörpern.
Auch in einigen nichtgrünen Schmarotzerpflanzen, wie Neottia und den Orobancheen, finden sich Farbstoffkörper, in denen das Chlorophyll durch ein braunes Pigment verdeckt wird. In andern Fällen erscheinen chlorophyllhaltige Pflanzenteile nicht grün, weil ihre Zellen neben Chlorophyll im Zellsaft noch andre Pigmente gelöst führen oder von einer Epidermis [* 11] mit gefärbtem Inhalt überzogen werden; solche Fälle finden sich häufig bei Gartenzierpflanzen, wie z. B. Atriplex hortensis, Celosia cristata, Amarantus und den dunkel rotblätterigen Varietäten mancher Ziergehölze (Blutbuche). Die sogen. Panaschierung der Blätter beruht dagegen auf einer krankhaften lokalen Nichtausbildung des Chlorophylls in streifen- oder fleckenförmigen Partien der Blattsubstanz.
Die Bedeutung des Chlorophyllapparats für das Leben der Pflanze beruht darauf, daß die Assimilation, d. h. die Bildung neuer organischer Substanz aus den Elementen der Kohlensäure und des Wassers, nur innerhalb des Chlorophyllkorns unter Einfluß bestimmter Strahlenarten des Lichts stattzufinden vermag. Das Chlorophyllkorn ist demnach das Organ der Kohlensäurezersetzung in allen grünen Pflanzenteilen (vgl. Ernährung der Pflanzen). Aus diesem Grund zeigen im Dunkeln gezogene, etiolierte Pflanzen keine Zunahme ihres Trockengewichts, ihre organische Substanz vermehrt sich nicht, sondern nimmt im Gegenteil durch Atmung, d. h. durch Oxydation von Körpersubstanz, beständig ab, wenn nicht vorher Erzeugung von Chlorophyll durch Lichtwirkung und damit die Fähigkeit zu normaler Ernährung herbeigeführt wird.
Als erstes sichtbares Produkt der Assimilation wird von Sachs und zahlreichen andern Physiologen das Stärkemehl (Amylum) angesehen, welches in Form kleiner Körnchen innerhalb der lebenden Chlorophyllkörper bei hinreichender Beleuchtung auftritt; unter anderm bilden sich in stärkefreien Chlorophyllkörpern von Spirogyra im direkten Sonnenlicht schon nach 5 Minuten Amylumkörnchen aus, während dieselben bei Verdunkelung allmählich wieder verschwinden.
Neuerdings glaubt Pringsheim als erstes Assimilationsprodukt einen ölartigen Körper, das Hypochlorin, aufgefunden zu haben, welcher das plasmatische Gerüst der Chlorophyllkörner durchtränkt und aus letztern durch Salzsäure oder durch Erhitzen in Wasser in ölartigen, unter Umständen kristallinische Formen annehmenden Tropfen ausgeschieden werden kann. Da das Hypochlorin noch leichter als das Chlorophyll durch intensives Licht bei Gegenwart von Sauerstoff zerstört wird, während die Stärkebildung zunimmt, so schließt Pringsheim daraus, daß durch das Licht die Sauerstoffatmung überhaupt gesteigert wird und die Funktion des Chlorophyllfarbstoffs nur darin bestehe, eine zu reichliche Kohlensäurebildung innerhalb des Protoplasmas als schützende Decke [* 12] zu verhindern. Unzweifelhaft wird in dem Chlorophyllkorn unter dem Einfluß des Lichts das Chlorophyll sowohl zerstört, als auch fortgesetzt neu gebildet.
Eine besondere Klasse von Erscheinungen bilden die Veränderungen, welche der grüne Farbstoff ausdauernder Blätter im Winter erleidet. Die Gelbfärbung, welche in den Blättern mancher Koniferen [* 13] oft noch vor Eintritt heftigen Frostes Platz greift, wird dadurch hervorgerufen, daß der grüne Farbstoff infolge der Lichtwirkung zerstört, aber wegen zu niedriger Temperatur nicht neu gebildet wird. In den sich braun färbenden Blättern von Thuja wird das Protoplasma durch Einwirkung der Kälte für gewisse Stoffe permeabel, welche das Chlorophyll partiell zerstören, während ein andrer Teil desselben durch Mischung mit einem neu entstandenen braunen Pigment der Einwirkung des Lichts entzogen wird. Die Rotfärbung, welche die Blätter von Sempervivum, Sedum, Mahonia etc. im Winter annehmen, beruht auf dem Auftreten eines im Zellsaft gelösten roten Farbstoffs, der die unveränderten Chlorophyllkörner verdeckt. Werden Pflanzen mit winterlich gefärbten Blättern einer höhern Temperatur ausgesetzt, so ergrünen sie ¶
mehr
wieder. Bei den im Herbst absterbenden und dabei sich gelb, braun oder rot färbenden, nicht ausdauernden Blättern der Laubbäume findet dagegen eine Regeneration des Chlorophylls niemals statt.
Vgl. Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie (Leipz. 1882);
Wiesner, Entstehung des Chlorophylls (Wien [* 15] 1877);
Sachsse, Phytochemische Untersuchungen (Leipz. 1880);
Pringsheim, Untersuchungen über das Chlorophyll (Monatsberichte der Berliner [* 16] Akademie 1874 bis 1881);
Derselbe, Über Lichtwirkung und Chlorophyllfunktion in der Pflanze (»Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik«, Bd. 12, Leipz. 1881);
Tschirch, Untersuchungen über das Chlorophyll (Berl. 1884).