mehr
im Staatsexamen durchgefallen und dann Dorfschullehrer geworden. Sein Vater war Patriarch, Oberhaupt des ganzen Stammes der Hung und genoß als solcher großes Ansehen. 1837 wurde er von einer schweren Krankheit befallen und hatte dabei Visionen, in welchen er zum Himmel [* 2] erhoben und zur königlichen Würde bestimmt zu werden glaubte. Da er nach einiger Zeit durch den Missionär Gützlaff mit dem Christentum bekannt gemacht wurde, so steigerte sich seine innere Aufregung noch. In seinem Haus wie in der Schule warf er nun alle Götzenbilder hinaus; er begann in seinem Stamm, der an 20,000 Köpfe zählte, zu predigen und veröffentlichte 1845-1846 verschiedene kleine Schriften. In Konflikt mit der Obrigkeit kam er durch die Zerstörung eines hochgehaltenen Wunderbildes.
Die Hung hielten zu ihm, die Regierung bot 1848 Truppen gegen ihn auf; zu Kämpfen kam es aber noch nicht. Im J. 1849 mehrten sich indessen Hungs Anhänger und noch mehr 1850, als er eine ansteckende Krankheit vorhergesagt hatte, der viele Bewohner in Kuangsi zum Opfer fielen. Im September 1858 brach in Kuangtung eine Fehde zwischen den Punti und Hakka aus, die letztern, die nur 4 Mill. gegen 21 Mill. Punti zählten, erlitten eine Schlappe und riefen Siutsuen und seinen Anhang zur Unterstützung herbei.
Dieser folgte bereitwillig; sein Aufruf brachte jung und alt, hoch und niedrig unter die Waffen. [* 3] Die Mandarinen glaubten der Bewegung durch Hinrichtung der Christen und Anhänger des Siutsuen Herr werden zu können, riefen aber nur Repressalien hervor, und diese wurden von beiden Seiten während des länger als zehn Jahre dauernden Aufstandes nur zu reichlich geübt. Mit den Ming und den Mitgliedern des »Dreieinigkeitsbundes« schloß Siutsuen nur vorübergehend ein Bündnis; seine Disziplin sagte ihnen nicht zu, und sie kämpften von da an in den Reihen der Kaiserlichen, in der Hoffnung, später emporzukommen. Im Herbst 1851 nach Einnahme der Stadt Jungngan in Kuangsi wurde er als Gründer der neuen Dynastie Taiping (»großer Friede«) oder Tinkwok (»Himmelskönigreich«) ausgerufen.
Von da an machte er einen Siegesmarsch in die sechs Provinzen Kuangsi, Hunan, Hupei, Kiangsi, Nganhui, Kiangsu, brachte dadurch alles Land östlich des Tsekiang und südlich des Jantsekiang in die Gewalt seiner Parteigänger und nahm Besitz von Nanking, der alten Hauptstadt des Reichs. Hier ließ er das Alte und Neue Testament in vielen Exemplaren drucken und leistete dem Christentum allen Vorschub, nahm aber selbst die Taufe nicht an. Er stellte sich vielmehr auf gleichen Fuß mit den Kaisern von China [* 4] und Japan wie mit dem Dalai Lama (s. d.) in Tibet und proklamierte sich als jüngerer Bruder von Christus.
Nanking wurde als Tienking (»Himmelsresidenz«) Mittelpunkt des neuen Reichs. Indessen fehlte es an fester Organisation und Disziplin; es vergingen mehrere Jahre, ohne daß die Taiping trotz einzelner Erfolge größere Fortschritte machten, zumal sie durch innere Streitigkeiten sich selbst schwächten. Im J. 1858 waren sie aus einem Teil ihrer Positionen bereits verdrängt und konnten sich in Nanking mit Mühe behaupten. Nun aber kam die kaiserliche Regierung von einer andern Seite in noch größere Not.
Krieg mit England und Frankreich.
Die Differenzen mit England waren immer ernstlicher geworden; dieses mahnte immer dringender an die Erfüllung des Vertrags von Nanking und bestand insbesondere auf Zulassung in Kanton. [* 5] Der Kaiser wies dies Ansinnen unbedingt für alle Zeiten zurück. Im Oktober 1856 kam dazu ein neuer Konflikt wegen eines von den chinesischen Behörden weggenommenen, unter englischer Flagge auf Grund eines in Hongkong regelrecht ausgestellten Schiffsregisters segelnden chinesischen Schiffs.
Die Engländer verlangten Genugthuung, stellten, da diese nicht vollständig geleistet wurde, ein Ultimatum, erstürmten, da diesem keine Beachtung zu teil wurde, alle Forts am Fluß und die Stadt Kanton selbst, beschossen den Palast des Oberstatthalters Yeh, legten einen Teil der Stadt in Asche und zerstörten die kaiserliche Flotte. Die vorhandenen Streitkräfte genügten nicht zur Ausbeutung des Erfolgs. China nahm dies als Zeichen der Schwäche und rief in amtlichen Erlassen das Volk, welches ohnedies wegen des grausamen Kulihandels (s. d.) gegen die Fremden erbittert war, zu deren völliger Vertilgung auf.
Die fortgesetzte Verfolgung aller Europäer führte im August 1857 zu einem gemeinsamen Vorgehen Englands und Frankreichs. Die französische Flotte wurde vom Admiral Rigault de Genouilly, die englische, die Ende November vor Kanton eintraf, von dem Konteradmiral Seymour befehligt. Die Landungstruppen betrugen etwa 8000 Mann. Neue Versuche der Verbündeten, eine gütliche Erledigung der obschwebenden Differenzen herbeizuführen, scheiterten an dem Stolz des Statthalters Yeh über die Provinzen Kuangsi und Kiangsi, und so wurden 12. Dez. Fluß und Hafen von Kanton in Blockadezustand erklärt. Am 28. Dez. begann die Beschießung Kantons, welches dadurch furchtbar litt, und schon am 29. mußte sich die Stadt, nachdem die auf 40,000 Mann geschätzte bewaffnete Macht geflohen war, den Verbündeten ergeben.
Yeh wurde gefangen genommen. Inzwischen hatten Lord Elgin und Baron Gros, die Vertreter Englands und Frankreichs, denen sich die Bevollmächtigten von Petersburg [* 6] und Washington [* 7] anschlossen, Noten nach Peking [* 8] gerichtet, warteten aber in Schanghai [* 9] vergeblich auf Antwort und fuhren daher im April 1858 zum Golf von Petschili hinauf und ließen sich in Taku, einige Meilen landeinwärts, nieder, um hier mit den erbetenen chinesischen Kommissaren die Bedingungen der neuen Verträge festzustellen. Da die Kommissare nicht eintrafen, so begann 20. Mai Angriff der Verbündeten auf die Forts von Taku, und nach zweistündigem Kampf waren diese genommen.
Darauf fuhren die Verbündeten ungehindert stromaufwärts bis Tiëntsin, dem Hafen von Peking. Jetzt erst unterwarf sich der durch die Nähe der Gefahr eingeschüchterte Hof, [* 10] und nach kurzen Unterhandlungen wurde ein vierfacher Vertrag, zuerst mit den neutralen, dann mit den kriegführenden Mächten (26. und 27. Juni), abgeschlossen, dessen Ratifikation spätestens nach Ablauf [* 11] eines Jahrs in Peking selbst erfolgen sollte. In Zukunft sollten europäische Gesandte nach Peking kommen dürfen; die Ausübung des Christentums sollte ungehindert sein; an England sollten 24, an Frankreich 12 Mill. Mk. Kriegskosten bezahlt werden.
Wieder versuchte die chinesische Regierung, die Ratifizierung hinauszuschieben. Ihr endlicher Vorschlag, die Ratifikation in Schanghai vorzunehmen, wurde zurückgewiesen; die Vertreter Englands und Frankreichs bestanden darauf, sich geradeswegs nach Peking zu begeben. Als im April 1859 bekannt wurde, daß die Befestigungen am Peiho wiederhergestellt seien, wurde darin eine feindliche Demonstration erblickt; das englische Geschwader erhielt den Auftrag, die Eröffnung des Flusses abermals zu erzwingen. Am 24. Juni erfolgte der englische Angriff auf die Forts; ¶
mehr
diese waren aber inzwischen in so guten Verteidigungsstand gesetzt worden, daß sich die Engländer nach einem mörderischen Kampf mit einem Verlust von 464 Toten und Verwundeten zurückziehen mußten. Die Ehre der britischen Waffen heischte Genugthuung, und da Frankreich wenigstens moralisch bei diesem Konflikt beteiligt gewesen war, so gab diese Niederlage die Veranlassung zu einer neuen englisch-französischen Expedition gegen China. Über das 7500 Mann starke französische Korps erhielt General Cousin-Montauban den Oberbefehl; die Engländer stellten 7800 Mann europäische, 4800 Mann indische Truppen. Im April 1860 langten die Streitkräfte der Westmächte in Schanghai an, ihr Ziel war die Hauptstadt Peking. Am 19. Juli begannen die Operationen direkt gegen diese Stadt.
Bis zum 21. Aug. waren sämtliche Forts und die Ortschaften zu beiden Seiten des Flusses erstürmt und besetzt, 518 Kanonen und große Vorräte erbeutet. Die Einnahme von Tiëntsin war die unmittelbare Folge davon. Jetzt gingen kaiserliche Kommissare bereitwillig auf alle Bedingungen (Erstattung der Kriegskosten, freier Zutritt in alle Städte, ständiger Aufenthalt der Konsuln in Peking und sofortige Zulassung der Gesandten in die Hauptstadt) ein; da sich aber herausstellte, daß diese Kommissare gar keine Vollmachten besaßen und erst an den kaiserlichen Hof berichten zu müssen versicherten, so ließen die Verbündeten 9. Sept. ein Korps von 6000 Mann nach Tungtschao, 30 km von Peking, vorrücken.
Schon am 11. und 12. kamen neue Gesandte von Peking, verlangten aber vor weitern Verhandlungen Rückzug der Verbündeten nach Tiëntsin. Hierauf gingen diese nicht ein, bestanden vielmehr auf dem Einzug in die Reichshauptstadt Peking, versprachen jedoch, daß die Gesandten nach Peking nur von einer Ehrenwache von 1000 Mann begleitet würden. Eine Anzahl englischer und französischer Offiziere sollten sich mit den chinesischen Behörden über die zur Aufnahme der Gesandten und zur Unterbringung der Truppen erforderlichen Maßregeln verständigen; diese wurden aber von tatarischen Soldaten überfallen (18. Sept.), entweder im Kampf getötet, oder sie verschmachteten nach unsäglichen Qualen im Gefängnis. Gleichzeitig wurden die Lager [* 13] der Armee von den Feinden umstellt; erst ein Reiterangriff, der den Chinesen etwa 1000 Mann und 60 Stück Geschütze [* 14] kostete, machte sie frei.
Den Ausgang des Feldzugs entschied sodann das Treffen vom 21. Sept. bei Palikao, wo der chinesische Anführer Lankolinsin seine ganze gegen 50,000 Mann zählende Streitmacht, darunter 30,000 Reiter, gegen Montaubans 3000 Mann starkes Korps aufgestellt hatte. Die Franzosen schlugen hier, zu rechter Zeit von 3-4000 Engländern unterstützt, die Tataren zurück, und der Tag endete mit einem vollständigen Sieg, der den Europäern ein halbes Hundert Tote und Verwundete kostete.
Die Straße nach Peking stand den Verbündeten nunmehr offen. Noch wagten die Chinesen, den Rückgang der Verbündeten nach Tiëntsin als Bedingung der Unterhandlung zu verlangen; die Verbündeten beantworteten dies Verlangen aber mit dem Aufbruch nach Peking (5. Okt.). Ohne Schwertstreich nahmen die Franzosen Besitz vom kaiserlichen Sommerpalast und plünderten die ungeheuern Schätze desselben mit einer Rücksichtslosigkeit, welche von der öffentlichen Meinung laut mißbilligt worden ist, während die Engländer sich an dieser Plünderung nicht beteiligten. Die gesamte Armee rückte dann gegen Peking vor. Die Bedingungen wurden jetzt infolge der Berichte von befreiten Gefangenen über die Mißhandlungen, die sie zu erdulden gehabt, verschärft. Übergabe eines Stadtthors und Entschädigung von 4 Mill. Frank für die Angehörigen der Opfer des Verrats vom 18. Sept. waren die vorläufigen Forderungen. Auch erklärte Lord Elgin, daß er zur Strafe für die grausame Behandlung der Gefangenen den Sommerpalast verbrennen lasse, was 18. und 19. Okt. geschah. Der Hochmut der Chinesen war endlich gebrochen; die Forderungen wurden zugestanden, ebenso in das weitere Verlangen eingewilligt, daß der Friede in der Stadt selbst unterzeichnet werden sollte, und daß die Bevollmächtigten Frankreichs und Englands, Lord Elgin und Baron Gros, dabei von je 1000 Mann begleitet würden. Ihr Einzug fand 24. und statt, und der Friede wurde darauf unterzeichnet. Die Verbündeten räumten aber Peking nicht eher, als bis der Abschluß des Vertrags in der amtlichen Reichszeitung (6. und 8. Nov.) publiziert worden war. Am 18. Nov. hatte sich das ganze Expeditionskorps in Tiëntsin wieder vereinigt, und obwohl der Feldzug hiermit beendet war, so hielten die Verbündeten doch diesen Platz sowie die Befestigungen des Peiho und mehrere Punkte an der Küste dem Vertrag gemäß besetzt. Der Verbreitung europäischer Kultur in China wurde aber nicht, wie damals gehofft worden war, sofort Bahn gebrochen.
Handelsverträge.
Am starb der Kaiser Hienfong; ihm folgte sein Sohn Kitsiang, der, geboren, unter eine von seinem Oheim, dem Prinzen Kong, präsidierte Regentschaft gestellt ward und erst im Frühjahr 1873 seine Mündigkeit erreichte; als Regierungsname ward ihm 1861 Tungtschih (»vereinigte Ordnung«) gegeben. Da Prinz Kong, welcher zur Festhaltung der eingegangenen Verträge entschlossen war, in dem Regentschaftsrat auf Opposition stieß, so vereinigte er sich mit der Kaiserin-Mutter, die Mitregentin war, zum Sturz der Regentschaft und setzte eine ihm ergebene Regentschaft ein.
Kong war einsichtig genug, um die Notwendigkeit einer von den bisherigen altchinesischen Traditionen abweichenden Politik einzusehen. China trat von nun an mit fast allen Seemächten in geregelten diplomatischen und namentlich handelspolitischen Verkehr. So schloß die chinesische Regierung mit dem Grafen Eulenburg zu Tiëntsin einen für alle Zollvereinsstaaten gültigen chinesisch-preußischen Handelsvertrag auf die Dauer von zehn Jahren ab, dessen Ratifikationen zu Schanghai ausgewechselt wurden; hierzu erging eine Deklaration Das Jahr 1862 brachte ähnliche Verträge mit Spanien, [* 15] Portugal und Belgien. [* 16] Am folgte ein Handelsvertrag zwischen China und Dänemark. [* 17] Europäische Gesandte und Vertreter nehmen ihren Sitz in Peking.
Im Innern des Reichs beherrschte der Aufstand der Taiping noch immer ganze Provinzen und hatte dort die Regierungsorgane vielfach gänzlich beseitigt. An vielen Orten hatte der langjährige Bürgerkrieg Banden organisiert, die unter Vorschützung politischer Zwecke lediglich auf Plünderung ausgingen; in Jünnan wie außerhalb des eigentlichen China, in Turkistan, waren sogar neue Reiche in der Bildung begriffen. Die Regierung betrachtete es als das Dringendste, den Taiping ein Ende zu machen, und fand sich darin unterstützt von England und Frankreich, die von der Fortdauer des Aufstandes Gefährdung ihrer Handelsinteressen befürchteten. Auf Antrag Kongs gingen die Westmächte von ihrem Nicht-
^[Artikel, die unter C vermißt werden, und unter K der Z nachzuschlagen.] ¶