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Um Geständnisse zu erlangen, werden die unglaublichsten Torturen angewendet, und die Behandlung der Gefangenen, die man wie wilde Tiere einsperrt, ist unmenschlich. 10-100 Hiebe mit dem Bambus, Transportation, ewige Verbannung in ferne Provinzen, harte Sklavenarbeit und Tod sind die gesetzlichen Strafen. Enthauptung ist die gewöhnliche Art der Hinrichtung, nur auf Elternmord steht das Lingtschi, d. h. die Strafe, bei lebendigem Leib in Stücke geschnitten zu werden, welcher Qual jedoch in der Praxis durch die Verwandten des Verbrechers durch einen vom Henker erkauften Gnadenstoß vorgebeugt wird.
Nach dem Urteil Sachkundiger sterben die Beschuldigten erst an den Folgen der Tortur und der Haft. Mit der Kriminalgesetzgebung befaßte sich die Regierung schon sehr früh, eine Zivilgesetzgebung fehlte dagegen in alter und neuer Zeit. Was die Jurisdiktion über die Unterthanen fremder Staaten betrifft, so gilt hier, wie in andern halbzivilisierten Ländern, für den durch Vertrag geschützten Fremden das Recht der Exterritorialität, d. h. die Gerichtsbarkeit steht für jeden bei dem Repräsentanten seiner Nation, dem Konsul, nicht bei den Gerichten des Landes. Der Konsul entscheidet über Kriminalfälle wie über zivilrechtliche Streitigkeiten nach den Gesetzen seines Landes.
Die Einnahme der Staatsregierung fließt aus einer Land- und Reissteuer, welche direkt den Grundbesitz treffen, aus dem Salzmonopol, aus einer Stempeltaxe, einer Umschreibegebühr von 8 Proz. des Verkaufspreises und aus den Grenz- und Binnenzöllen. Nach den allein für 1875 vorliegenden Daten betrugen dieselben 79,5 Mill. Haikuan Tael, davon:
Grundsteuer | 18 Mill. |
Likinzölle | 20 - |
Zölle unter Verwaltung des Auslandes | 12 - |
Zölle unter Verwaltung der Chinesen | 3 - |
Salz | 5 Mill. |
Verkauf der Rangklassen | 7 - |
Grundsteuer in Produkten | 13.1 - |
Verschiedenes | 1.4 - |
Unter Likinzöllen versteht man die Abgaben auf den Transport aller Waren im Innern des Landes, insofern sie nicht durch Entrichtung des vom fremden Zolldienst erhobenen Transitzolles bereits von weiterer Besteuerung befreit sind. Diese Zölle waren von Haus aus nur zur Deckung außerordentlicher Bedürfnisse während des Kriegs gegen die Taiping-Rebellen eingeführt, sind aber nach Herstellung des Friedens bis heute beibehalten worden.
Die Höhe der innern Schuld ist nicht bekannt; größere Staatsanleihen wurden seit 1874 in Europa [* 2] gegen Verpfändung der Zölle kontrahiert. Die lokalen Steuern und Taxen fließen zum größten Teil in die Provinzialkassen und dienen nicht dazu, die Macht der Zentralregierung in Peking [* 3] zu verstärken. Desto wichtiger ist daher für die letztere das 1854 geschaffene Inspektorat der Seezölle, dessen Vorstände in jedem Ort Europäer sind. Ursprünglich ins Leben gerufen während der Taiping-Rebellion, als die kaiserlichen Autoritäten sich in Schanghai [* 4] nicht halten konnten und eine von den auswärtigen Mächten eingesetzte Kommission von Fremden die Zölle für die Regierung provisorisch einnahm, dann aber aufrecht erhalten, um den Eingang der Zolleinnahmen zu überwachen, welche der Bezahlung der Kriegsschuld an die Westmächte als Sicherheit dienen sollten, wurde dieses in Schanghai domizilierende Institut von der Regierung beibehalten, beträchtlich erweitert und einem fremden Generalinspektor, der in Peking residiert, unterstellt.
Die Organisation ist das Verdienst des Sir R. Hart, frühern Generalinspektors der Zölle, jetzigen britischen Gesandten in Peking. Unter dem Generalinspektor stehen 19 Inspektorate mit Europäern als Beamten an der Spitze, Engländern, Amerikanern, Franzosen, Russen und Deutschen. Der Gehalt derselben beträgt von 200 bis 3000 Pfd. Sterl. im Jahr; jeder der Oberbeamten ist berechtigt, nach je sieben Jahren um zweijährigen Urlaub einzukommen, und erhält für je sieben Dienstjahre einen Jahresgehalt an Stelle der Pension. Die Zolleinnahmen, bestehend in Einfuhr- und Ausfuhrzöllen, Küstenhandelszöllen, Tonnengebühren und Transitzöllen, stiegen von rund 379,000 Haikuan Tael im Jahr 1858 auf 14,685,162 Haikuan Tael in 1881 und betrugen 1883: 13,286,757 Haikuan Tael.
Das Militärwesen Chinas ist noch sehr mangelhaft beschaffen, soviel auch daran seit 1854 gebessert wird. Der Krieg galt den Chinesen von jeher als ein Unglück und eine Schmach für die Menschheit. Der Soldatenstand genoß nur geringes Ansehen; erst der Zusammenstoß mit den Westmächten zeigte ihnen die Notwendigkeit einer bessern Organisation und Bewaffnung. Nach der bis vor kurzem geltenden Organisation bestand die Armee aus der kaiserlichen Garde, welche nur die Residenzen zu schützen und die kaiserliche Familie auf ihren Reisen zu eskortieren hatte, aus 24 Bannern, welche in den großen Städten in besondern Quartieren wohnten und im Frieden den Polizeidienst versahen, und aus einer Provinzialarmee oder Armee der grünen Fahnen, welche alle neuern Kriege Chinas geführt hat.
Die Bewaffnung bestand aus Bogen, [* 5] Speeren, Hellebarden, [* 6] zum Teil aus Luntenflinten. Auf dem Papier stand eine Armee von 800,000 Chinesen und 271,000 Mandschu, davon 270,000 Mann in europäischer Weise organisiert; doch war die Armee nur zur Hälfte komplett. Als wegen der Kuldschafrage Krieg mit Rußland auszubrechen drohte, wurde behufs Reorganisation des Heers ein neuer Plan aufgestellt, wonach fünf Armeen geschaffen werden sollten, eine der Mandschurei, 30,000 Mann stark, mit dem Hauptquartier Mukden, eine zweite der Mongolei, 20,000 Mann, mit dem Hauptquartier Kalang, eine dritte von Turkistan, 40,000 Mann stark, eine vierte, 100,000 Mann, zur Verteidigung Pekings und zur Aufrechthaltung der Ordnung im Innern, und eine fünfte, ebenso stark, zur Sicherung der Küstenprovinzen.
Nach diesem Plan sollen die Truppen nicht mehr ansässig sein und eine regelmäßige taktische Einteilung erhalten, welcher als Einheit die Lianpa (Kompanie) von 250 Mann für die Infanterie und 150 Mann für die Kavallerie zu Grunde liegt. Die Totalstärke der Armee beträgt im Frieden 300,000, im Krieg 1 Mill. Mann. Der Flotte hat man in neuester Zeit besondere Aufmerksamkeit zugewandt und in Europa eine Anzahl sehr leistungsfähiger Fahrzeuge bauen lassen; 1880 bestand die Kriegsmarine aus 52 Dampfern mit 283 Geschützen und 5860 Mann.
Von diesen gingen im Krieg mit Frankreich einige von chinesischen Offizieren kommandierte Schiffe [* 7] bei Futschou verloren, während der bessere Teil der Flotte, von Offizieren deutscher Nationalität kommandiert, zum Schutz der nördlichen Küsten verwandt wurde und nicht zum Gefecht kam, und 1885 konnten drei in Deutschland [* 8] erbaute und bis dahin zurückgehaltene Schiffe nach China [* 9] abgehen. Die Flotte bildet drei Geschwader, von Kanton, [* 10] von Futschou und von Schanghai. Die gelbe Flagge bildet ein Dreieck [* 11] und zeigt einen grünen Drachen (s. Tafel »Flaggen«). [* 12] Längs des Peiho, bei Kanton, Schanghai etc. sind neue große Befestigungsbauten nach europäischem System aufgeführt und mit ¶
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Kruppschen Kanonen armiert. Das Riesenbollwerk der Chinesischen Mauer (s. d.) hat jetzt seine Bedeutung verloren.
Die Entdeckungsgeschichte Chinas ist im Artikel »Asien« [* 14] (S. 928 ff.) übersichtlich dargestellt.
[Litteratur.]
Außer den unter den betreffenden Rubriken (Kultur, Religionen, Unterricht u. a.) oben bereits aufgeführten Spezialwerken und den Berichten der Forschungsreisenden (s. Asien, Entdeckungsgeschichte) besitzen wir eine große Zahl Land und Volk im allgemeinen behandelnder Werke.
Das älteste derselben ist die 1477 in Nürnberg [* 15] herausgegebene Übersetzung der Reisen von Marco Polo, dann die Berichte der zwischen 1794 und 1865 von England und Holland nach China abgeordneten Gesandtschaften. Unter den neuern sind besonders hervorzuheben: der Bericht der »Reise der österreichischen Fregatte Novara«, enthaltend einen beschreibenden, linguistischen und anthropologischen Teil (Wien [* 16] 1861-68);
Scherzers »Fachmännische Berichte über die österreichisch-ungarische Expedition nach Siam, China und Japan« (Stuttg. 1872);
das offizielle Werk »Die preußische Expedition nach Ostasien« (Berl. 1864-73, 4 Bde.) und der von Kreitner herausgegebene Bericht der Reise des Grafen Széchényi (Wien 1881).
Zusammenfassende Werke sind namentlich: Hippisley, China A geographical, statistical and political sketch (Schanghai 1876);
Eden, China, historical and descriptive (2. Aufl., Lond. 1880);
Playfair, Cities and towns of a dictionary (das. 1880);
Douglas, China (das. 1882), und vor allen v. Richthofens großes, noch nicht vollendetes Werk »China, Ergebnisse eigner Reisen und darauf gegründeter Studien« (Berl. 1877-84),
mit wichtigen orographischen und geologischen Karten.
Zeitschriften: »China: returns of trade at the treaty ports« und »Reports on trade at the treaty ports«, alljährlich in Schanghai erscheinend.
Geschichte.
Die Aufzeichnungen der chinesischen Schriftsteller gehen zurück bis 2597 v. Chr., doch reicht eine sichere Chronologie nicht höher hinauf als bis 841. Die Geschichte der ersten großen Dynastien Hia (2205-1766) und Schang (1766-1123) ist noch unsicher und halb mythisch. Erst von der dritten Dynastie, der der Tscheu (1123-246), haben wir genauere und zuverlässigere Nachrichten. In die Periode dieser Dynastie fällt die Entwickelung des Feudalwesens. In der Mitte des Reichs (daher der Name »Reich der Mitte«, Tschungkue) lag die kaiserliche Domäne von 1000 Lis (444 km) im Umfang; daran reihten sich die Lehnsgüter der dem Kaiser zu Diensten und Abgaben verpflichteten Vasallenfürsten in Abstufungen von 45-15 km im Umfang.
Alle Regenten dieser Dynastie haben das Prädikat Wang, wie denn der Begründer der Dynastie, der sich als Gesetzgeber verdient machte, Wuwang genannt wird. Unter Singwang wurden 552 Konfutse und dessen berühmter Schüler Mengtse geboren. Schihoangti von der (4). Dynastie Tsin (246-206) setzte seine Alleinherrschaft an Stelle des Willens der Feudalherren, dehnte das Reich bis ans Meer aus, widerstand siegreich den Tataren und vollendete zur Abwehr ihrer Einfälle die bekannte Chinesische Mauer.
Unter den Herrschern dieser Dynastie wurden die Einzelstaaten zu einer politischen Einheit verschmolzen; nun brachen aber überall Unruhen aus, und nach mehr als siebenjährigem Kampf gründete Lieu Pang, Fürst des Distrikts Han, die (5.) Dynastie der Han (202 v. Chr. bis 223 n. Chr.). Die Han werden in die westlichen und östlichen unterschieden; jene residierten in Singan, der Hauptstadt von Schensi, diese in Honan in der Provinz Honan. Das Feudalwesen wurde beschränkt, die Südprovinzen samt der Insel Hainan mit dem Reich vereinigt, Nordkorea 109 v. Chr. erobert und die Herrschaft nach Besiegung der Hiungnu in der heutigen Mongolei über Zentralasien [* 17] bis zum heutigen Russisch-Turkistan ausgedehnt.
Unter Hiao-Mingti kam 65 n. Chr. der Buddhapriester Hoschang aus Hindostan nach China, wo sich seitdem die Buddhareligion neben jener des Konfutse ausbreitete. Unter dieser Dynastie lernten die Chinesen das römische Reich kennen; 166 soll Kaiser Mark Aurel (Antun bei den chinesischen Historiographen) zur See eine Gesandtschaft nach China gesandt haben. In den letzten Zeiten der Han nahm die Kaisermacht ab, Empörungen brachen aus, und China zerfiel in die drei unabhängigen Reiche (223-265) der Heuhan, der Wei und der Wu, die sich gegenseitig bekriegten, bis der Stifter der Dynastie Tsin (265-419), Ssemayen mit dem geschichtlichen Namen Wuti, mit Waffengewalt das ganze chinesische Reich wieder vereinigte und den Kaisertitel annahm.
Seine Macht war aber nur von kurzer Dauer; seit 281 tauchten neben- und nacheinander 17 Nebendynastien auf. Mehrere Kaiser wurden ermordet. Als rechtmäßige Kaiser wurden jene der drei im Süden des Reichs von 420 bis 589 regierenden Dynastien angesehen. Jangkian, Fürst von Sui, mit dem geschichtlichen Namen Kaotsuwenti, der im Norden [* 18] des Großen Flusses den Kaisertitel annahm, 588 im Süden dieses Flusses vordrang und 590 Nanking eroberte, vereinigte wieder ganz China unter seinem Zepter. Sein Sohn wurde wegen Ausschweifungen ermordet, worauf die (II.) Dynastie der Thang (618-906) folgte.
Die Zeit bis 756 ward eine glänzende für China, ganz Zentralasien wurde wieder botmäßig, das Reich blieb unter Einem Fürsten geeinigt. Nun folgte aber eine Periode innerer Kriege, durch welche Tataren ins Land gezogen wurden und das südliche Tongking, [* 19] heute französische Kolonie, dem Reich verloren ging; 757 kamen Araber nach Südchina. Die Wissenschaften blühten jedoch in dieser Zeit; die Erfindung des Holzdrucks wurde der Verbreitung der Litteratur unendlich förderlich.
Ein ausgezeichneter Monarch war Tschaskuangjin, als Gründer der 18. Dynastie (Sung II.) Taitsu genannt. Auf den Thron [* 20] führten ihn seine Siege über die tatarischen Khitan, die im Norden des Reichs selbständige Fürstentümer errichtet hatten. Diese Fürsten sowie das in Schensi von Tibetern gegründete Reich Hia blieben zwar nicht auf die Dauer zurückgedrängt; die Kämpfe mit ihnen waren jedoch im ganzen glücklich bis 1127, wo Kintsung samt seiner Familie von dem tungusischen Volk der Kin, den Vorfahren der heutigen Mandschu, fortgeführt wurde, so daß Kaotsung die Residenz nach Süden, zuerst nach Nanking, dann nach Hangtschou, verlegen mußte. Für Geschichtschreibung geschah in der Zeit dieser Dynastie viel; Ssemakuang (1018-86) schrieb seine Geschichte, Matualin (1245-1325) seine große Encyklopädie (s. die Inhaltsangabe von Plath in den Sitzungsberichten der bayrischen Akademie der Wissenschaften 1871, S. 83-154).
Die Mongolen.
Die Mongolen treten als eroberndes Volk zuerst 1206 unter Dschengischan auf. Sie machten unter diesem Krieger wie unter seinem Sohn Ogdaichan und seinen Enkeln Mangu (genauer Möngke) und Kubilaichan reißende Fortschritte gegen die Kin, im Norden ¶