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gewichtiges Wort mit. Es gibt drei Grade: Ssiutsai (»Kandidat«),
Tschüjen (etwa »Doktor«) und Tschinschih (etwa »Professor«). Hauptaufgabe der Schüler ist Aneignung sämtlicher Schriftsammlungen des Konfutse;
der zweite und dritte Grad befähigen zu Staatsämtern;
man bereitet sich zum Studium vor in den vom Staat und von Stiftungen unterhaltenen Seminaren zur Unterstützung junger Gelehrten;
die Prüfungsarbeiten sind in Klausur zu fertigen, worüber, wie über die Notenerteilung, ins Kleinliche gehende Bestimmungen bestehen.
Geld, Verwandtschaft und Empfehlung verhelfen jedoch vielen Unwissenden zur Auszeichnung durch diese drei Grade; überhaupt laufen dabei die gröbsten Betrügereien unter. Die Graduaten sind infolge davon vielfach ziemlich ungebildet. Die zu Tausenden durchfallenden Kandidaten werden Schullehrer, Notare, Schreiber etc. Einziges Ziel des Unterrichts ist, das bestimmte überkommene Maß von Kenntnissen und Wissenschaften dem nachwachsenden Geschlecht zu übermitteln; Schulbesuch der Mädchen ist Ausnahme. Das Wissen auch der Gebildetsten geht über den Bereich ihres Landes selten hinaus. Neuerdings bereitet sich darin eine Änderung vor, 1867 erfolgte die Errichtung eines Kollegiums für fremde Wissenschaften (Tungwenkuan) in Peking, [* 2] einer Art Universität mit europäischen und amerikanischen Professoren. 1872 war 1 Mill. Doll. zur Ausbildung junger Chinesen im Ausland (Amerika [* 3] und Europa) [* 4] angewiesen.
In der Zeitrechnung bedient man sich eines 60-jährigen Cyklus, der aus einer sechsmaligen Kombination des Dezimalcyklus mit der fünfmaligen des Duodezimalcyklus gebildet ist. Die Tage, von Mitternacht zu Mitternacht, werden in zwölf Stunden geteilt; eine Einteilung der Monate in Wochen ist nicht gebräuchlich. Geometrie und Algebra sind dem Chinesen etwas Fremdes. Im gemeinen Leben hilft man sich mit einem Rechenwerkzeug. Beruf für die Kunst verraten die Chinesen nicht.
Sie besitzen Geschick in Bildungen aus weicher Masse, dabei kann aber von einer ausdrucksvollen plastischen Darstellung des Körpers nicht die Rede sein, weil man von nackten Bildern nichts weiß, sondern das Ganze auf gefällige Herstellung der Kleiderhülle hinausläuft. Die Gebilde ihrer Malerei treten schattenspielartig vor das Auge; [* 5] alles wird mit ängstlichster Treue dargestellt, aber von perspektivischer Darstellung haben sie meist keinen Begriff. In besonderer Schätzung stehen leicht in Wasserfarbe und indischer Tusche hingeworfene Bilder auf feinem Papier oder auf Seide. [* 6]
Als Meister zeigt sich der Chinese in der Gartenkunst, indem er die anmutigsten und geschmackvollsten Gruppierungen von Bäumen und Rasen zu stande zu bringen weiß, obschon seine Vorliebe für das Zwerghafte auch hier störend eingreift. Die Baukunst der [* 7] Chinesen steht ganz im Dienste [* 8] des Bedürfnisses und trägt den Charakter der Einförmigkeit. Keine Religionsgemeinschaft hat architektonisch bedeutsame Tempel [* 9] aufzuweisen. Die Musik der Chinesen ist unharmonisch, wiewohl ihre Instrumente zahlreich sind und aus Laute, Guitarre, Flöte und andern Blasinstrumenten, dreisaitigen Geigen, einer Drahtharmonika, die mit zwei Bambusstäbchen geschlagen wird, Glocken, Trommeln, Pauken etc. bestehen (vgl. Plath in den Sitzungsberichten der bayrischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 116 ff.); für Akkorde, Melodie oder Harmonie haben sie gar kein Verständnis.
Daß man selbst tanze, statt sich vortanzen zu lassen, ist ihnen unbegreiflich. Sehr beliebt sind Schauspiele, doch geht es dabei nicht ohne Gemeinheiten und Obscönitäten ab. Die Frauenrollen dürfen, seitdem der Kaiser Kienlung im 18. Jahrh. eine Schauspielerin geheiratet hat; nur von Jünglingen gespielt werden. Die Schauspieler selbst aber sind nicht geachtet (s. oben). Über die dramatischen Dichtungen der Chinesen sowie über die Litteratur derselben überhaupt s. Chinesische Sprache und Litteratur. Über die Kulturverhältnisse der Chinesen vgl. Doolittle, The social life of the Chinese (Lond. 1866, 2 Bde.); Gray, [* 10] a history of the laws, manners and customs of the people (das. 1878); Katscher, Bilder aus dem chinesischen Leben (Leipz. 1881). Der Sinologie gewidmete periodische Publikationen sind: »The China Review« (zweimonatlich, Hongkong);
»The Chinese Recorder« (Schanghai); [* 11]
»Journal of the China branch of the R. Asiatic Society«.
Landwirtschaft. Industrie.
Die vorzüglichste und zugleich in höchsten Ehren stehende Beschäftigung der Chinesen ist der Landbau. Das Land wird als dem Kaiser gehörend betrachtet; seit dem Ende der dritten Dynastie (4. Jahrh. v. Chr.) erhebt jedoch der Staat nur noch eine Abgabe, während früher ein Teil für den Landesfürsten bebaut wurde, und der Grundbesitzer ist jetzt nicht weiter beschränkt, als daß er des Landes bei Nichtanbau verlustig wird. (Über Grundeigentum vgl. v. Sacharow, Arbeiten der russischen Gesandtschaft in Peking über China, Bd. 1.) In der Ebene ist das Land sehr parzelliert, hier kann eine Familie von fünf Mitgliedern sich von 1-2 Hektar Ackerbodens ernähren; ein Pachter würde aber mindestens 2 Hektar haben müssen, da der Pachtzins durchschnittlich ein Dritteil des Ertrags ausmacht.
Ein Besitzer von 6 und mehr Hektar gilt als ein vermögender Mann; man findet übrigens Besitzungen von 600 und, in hügeligen Gegenden, von 12-1800 Hektar. Bei Bearbeitung des Bodens werden am meisten Hauen und Rechen verschiedenster Konstruktion verwendet; Pflüge [* 12] und Eggen sind nur auf größern Gütern im Gebrauch. Das Getreide [* 13] wird entkörnt durch Ausschlagen, durch Austreten von Tieren oder mit Dreschflegeln. Zum Enthülsen von Reis oder Mahlen von Getreide dienen Mühlen, [* 14] welche durch Menschenhände, Büffel oder Wasser bewegt werden, zur Entkörnung und Reinigung der Baumwolle [* 15] einfache, unsern Anforderungen nicht genügende Geräte.
Charakteristisch für die Chinesen sind die sorgfältige Sammlung allen Düngers, seine Anwendungsweise (Überrieselung mit flüssigem oder pulverisiertem Dünger nach der Aussaat) und die ergiebige Düngung. Fruchtwechselwirtschaft ist Regel; man läßt jedoch nicht die Pflanzen »den Boden sich gegenseitig vorbereiten«, sondern man bereitet ihnen den Standort durch zusagende Düngung. Der Ackerboden besteht meist aus jüngstem Alluvium; mit Ausnahme des nördlichen China kann überall das ganze Jahr hindurch im Feld gearbeitet, ja im südlichen China auch gesäet, gepflanzt und geerntet werden; namentlich sind es die verschiedenen Gemüsearten, die man auch mitten im Winter für die Nahrung einsammelt.
Die Hauptarbeiten beginnen im März und enden im November. Es wird meist in Drillen gesäet und gepflanzt; Gewinnung von Unterfrüchten wird allgemein angestrebt. Die Düngerarten werden hinsichtlich ihrer Dungkraft meist klassifiziert wie folgt: Ölkuchen;
menschliche Exkremente (nur verdünnt angewandt);
Schweinedünger (getrocknet und im zerkleinerten Zustand ausgestreut);
Büffel- und Ochsendünger sowie Ziegen- und Pferdedünger (selten, meist in flüssigem Zustand verwandt);
Wasserpflanzen [* 16] (sehr zahlreich angewandt);
Asche (meist mit anderm Stoffe ¶
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vermischt); gebrannter Kalk; in Fäulnis übergegangene Fische. [* 18] Das wichtigste Bodenprodukt des südlichen und mittlern China ist Reis, in zweiter Reihe Zuckerrohr und in der Nähe der Küste Baumwolle; im nördlichen China werden statt Reis Hirsearten (Kaoliang), dann Weizen und Hülsenfrüchte gebaut. Von Gemüse, Wurzel- und Knollengewächsen werden enorme Quantitäten gewonnen. Von der Kultur des Theestrauchs wurde bereits oben gehandelt; er erfordert kräftige Düngung, fleißige Bodenbearbeitung und wird im siebenten Jahr seines Wachstums nahe am Boden abgeschnitten, damit die Stümpfe neue Schößlinge treiben und zartere Blätter liefern.
Die Theeblätter werden für den eignen Gebrauch sehr einfach zubereitet. Man läßt sie an einem luftigen Ort oder an der Sonne [* 19] verwelken (aber nicht austrocknen), erhitzt sie dann unter beständigem Mischen auf einem seichten Bambusgeflecht über Kohlenfeuer, rollt sie, indem man über sie, während sie noch warm sind, die flach aufgelegten Hände im Kreis [* 20] herumführt, und trocknet sie dann an einem luftigen Orte. Der zum Export bestimmte Thee wird von den Händlern in eignen Öfen [* 21] wiederholt (bis viermal) stark erhitzt, geröstet, mit wohlriechenden teuern Blüten vermischt und an der Luft ausgetrocknet.
Auch Öl gebende Pflanzen werden vielfach angebaut; unter den Gespinst- und Faserpflanzen sind neben der Baumwollstaude Hanf, darunter das sogen. chinesische Gras (Boehmeria nivea), und Jute [* 22] die wichtigsten. Blauer Farbstoff wird aus Indigofera tinctoria, Polygonum tinctorium etc. im südlichen und mittlern China gewonnen. Die Kunstgärtnerei wird sowohl im Freien als in geschlossenen Räumen mit vieler Sachkenntnis und Sorgfalt betrieben. Die Forstwirtschaft wird dagegen ganz vernachlässigt; auch der eigentliche Wiesenbau, verbunden mit Heugewinnung, wie die Viehzucht [* 23] (s. oben) sind den Chinesen fremd.
Eine besondere Wichtigkeit hat für China der Seidenbau, der auf einer hohen Stufe der Entwickelung steht; die meiste und beste Seide liefern die mittlern Provinzen und die Umgegend von Kanton. [* 24] Der Maulbeerbaum erfreut sich einer sachkundigen und sorgfältigen Pflege, die Seidenraupenzucht ist aber weniger fortgeschritten. Eine Besonderheit ist hier wie in Japan der Eichenspinner. Alle Zweige der Landwirtschaft leiden unter mancherlei vermeintlichen Erfahrungsregeln. Die Fischerei [* 25] und zwar das Fischen von Pflanzen wie von Süßwassertieren und einigen Seetieren beschäftigt eine große Menge von Leuten und liefert für die Nahrung der Menschen wie für Düngung der Felder enorme Massen; die Fischerei wird häufig mittels eines abgerichteten Kormorans (Seeraben) ausgeübt. - Zu den Landplagen, welche oft Mißwachs und Hungersnot zur Folge haben, gehören vor allen die Überschwemmungen, weil der Reis meist in den Flußthälern angebaut wird; aber auch Dürre verdirbt die Ernten auf weite Strecken, da jahrhundertelang fortgesetztes Abholzen, ohne für Nachwuchs zu sorgen, dem Lande die regenbildenden Einflüsse der Wälder entzogen hat. Für Zeiten der Hungersnot hat die Regierung wie die Privatwohlthätigkeit Speicher angelegt, wo ein Teil der in Reis entrichteten Grundsteuer oder angekaufte Frucht aufbewahrt wird, bis Mißernte unentgeltliche Abgabe oder Verkauf unter dem Marktpreis nötig macht.
Vgl. Plath, Die Landwirtschaft der Chinesen (Münch. 1874).
Die technischen Fertigkeiten der Chinesen sind seit 1873 auf den verschiedenen Weltausstellungen durch ausgestellte Gegenstände und eingehende Kataloge (meist durch Arbeiten der Mitglieder des chinesischen Seezolldienstes entstanden) der europäischen Welt näher gerückt worden. Die Papierbereitung geht zurück bis 153 n. Chr.; man verwendet jetzt dazu Hanffasern, junge Bambussprosse und Bambusfaser, die Rinde des Papierbaums (Broussonetia papyrifera), Baumwolle, Maulbeerbaumrinde, Rotang (sogen. Spanisches Rohr), Meeralgen, Reis-, Weizenstroh u. dgl. Die sehr dauerhaften Sorten werden zu Fenstern und Regenschirmüberzügen verarbeitet, dienen auch, mit Harz bestrichen, als Zunder etc. Der Gebrauch des Holzstockdrucks reicht bis ins 6. Jahrh. unsrer Zeitrechnung zurück; 992 wurden zum erstenmal Schriften durch Steindruck vervielfältigt.
Letterndruck wurde im 11. Jahrh. erfunden, kam aber bei den großen Schwierigkeiten, welche die chinesische Sprache dem Druck mit beweglichen Typen entgegenstellt, erst seit 1662 in Anwendung, als unter dem aufgeklärten Kaiser Khanghi europäische Missionäre es dahin brachten, daß 250,000 bewegliche Letternstücke in Kupfer [* 26] gestochen wurden; doch konnten nur wenige Abzüge gemacht werden, da die Typen bald darauf von unehrlichen Beamten veruntreut wurden.
Neuerdings werden in Hongkong, Schanghai und andern Küstenplätzen chinesische Zeitungen sowie in deren Offizinen herausgegebene andre Werke, auch Bibelübersetzungen, Missionsschriften etc. mit beweglichen Lettern gedruckt. Eine bedeutende Zukunft hat für China wegen der eigentümlichen Schrift- und Litteraturverhältnisse die Photolithographie, die schon jetzt dazu dient, die seltenen, teuern Palastausgaben der hauptsächlichsten historischen und andrer Werke fehlerlos zu vervielfältigen.
Schießpulver [* 27] wurde von den Chinesen zwar lange vor Berthold Schwarz erfunden; es ward jedoch nicht zum Schießen, [* 28] sondern als Material zu Feuerwerkskörpern verwendet, bis das Beispiel der Europäer seinen Nutzen zu Kriegszwecken lehrte. Feuerwerkskörper werden fabrikmäßig in der Nähe von Kanton produziert und bilden einen bedeutenden Ausfuhrartikel nach den Vereinigten Staaten. [* 29] Unter den Metallwaren der Chinesen sind ihre weittönenden Gongs zu erwähnen.
Chinesisches Email hat jetzt noch seinen besondern Wert; an Porzellan wird heutzutage wenig mehr als Fabrikware geliefert; Form und Ornamentation sind bei den Japanern in dieser Branche viel vorzüglicher, wenigstens was die im Handel vorkommenden Fabrikate betrifft, wenn auch für eigentliche Articles de vertu China immer noch der klassische Boden ist. Besondere Aufmerksamkeit erregen die Lackwaren, die an Zierlichkeit und Sauberkeit nichts zu wünschen übriglassen und in solcher Vollendung nur durch mühsames, wiederholtes Abhobeln, Abschaben und Glätten dargestellt werden können.
Alle diese Industrien, wozu unter andern auch die Elfenbeinschnitzereien gehören, werden nicht so geheimnisvoll betrieben, daß ein intelligenter Europäer nicht in das Wesen ihres Betriebs eindringen könnte; das Geheimnis der chinesischen Überlegenheit scheint vielmehr darauf zu beruhen, daß bei diesen Artikeln viel geduldige Handarbeit erfordert wird, wie z. B. beim Schnitzen der bekannten Elfenbeinkugeln, und daß die beispiellos niedrigen Lohnverhältnisse in China europäische Konkurrenz bei dem jetzt so leichten Warenverkehr nicht aufkommen lassen. Die Schiffbaukunst [* 30] hat nur in den kaiserlichen Werften unter europäischen Lehrern Fortschritte gemacht. Die Schiffe [* 31] für den Handel zur See wie auf den Flüssen, die Dschonken, sind lange Kuffe ohne Kiel, [* 32] mit Mattensegeln aus Bambus und plumpen, ungeschickten Steuerrudern, die sich auf der offenen See nicht gut zu halten vermögen. Die chinesischen Händler selbst befrachten jetzt mit Vorliebe ¶