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der Kaiser, die Vasallenfürsten, zuletzt der Hausvater versahen die religiösen Zeremonien.
Vgl. Plath, Religion und Kultus der alten Chinesen (Münch. 1862-63);
»Zeitschrift der Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 21. - Die Religion, zu welcher sich jetzt der Kaiser, alle Staatsbeamten und die Gelehrten bekennen, und neben der alles andre Religionswesen als ketzerisch gilt, da das Staatsgebäude darauf aufgebaut wurde, ist die Lehre [* 2] Konfutses (Confucius'), der 551-478 v. Chr. lebte und aus der Familie Kung entsprossen war, die ihren Stammbaum bis 1121 zurückzuführen vermochte; seine Geburtsstadt ist Kiufu in der Provinz Schantung, sein Geburtsort eine Höhle.
Konfutse nimmt in seinen Schriften nirgends auf eine Schöpfung, einen Schöpfer oder auf eine sittliche Weltordnung Bezug und gibt nur durchaus weltliche Sittenlehren; sein Moralgebäude entbehrt jedes idealen Strebens, es läßt uns kalt (s. Konfutse).
Er hat die Volksanschauungen richtig wiedergegeben, denn es fehlte, wie bereits gezeigt, auch der alten Religion das Bewußtsein einer Vergeltung der gerechten und ungerechten Handlungen. Die Pietät war und blieb der Grundzug des chinesischen Lebens, die Ahnentafel das Familienheiligtum. Die Gewalthaber, voran Kaiser, Fürsten, Staatsbeamte, sind wie in der alten Religion, so noch jetzt die vornehmsten Priester. Den Göttern bringt der gemeine Mann selbst die Opfer dar, doch gibt es auch Berufspriester, die vom Geschäft des Opferns etc. leben; indes lauten die Nachrichten über sie nicht günstig, und man muß sie als Schwarzkünstler qualifizieren.
Die Opfergaben bestehen in Ochsen, Schafen, Schweinen, Seidenzeugen. Für die Tötung der Tiere bestehen keine Vorschriften. Sie werden alle gekocht, um nach dem Segen zum Verzehren bereit zu sein. Die Opferhandlung ist stets ein Fest und wird im Tempel, [* 3] bei besondern Anlässen auch im Freien vorgenommen. Die Andächtigen vereinigen sich dabei unter mancherlei Zeremonien. Wallfahrten wird ein großer Wert beigelegt; jeder größere Ort hat seinen Confuciustempel.
Vgl. J. ^[James] Legge, The life and teachings of Confucius (Lond. 1867). -
Das dritte China [* 4] eigentümliche Religionssystem ist das des Laotse, Ehrenname des gelehrten Lipejang, der im 7. Jahrh. v. Chr. lebte und der Stifter der Taossesekte wurde, die auch in Japan und Hinterindien [* 5] Verbreitung fand. Die gegenwärtigen Taosselehren haben sich jedoch von ihrem Original bedeutend entfernt. Laotse hat im Taoteking seine Lehren [* 6] niedergelegt; er will die höchste sittliche Vollkommenheit in jedem schaffen durch wahre Erkenntnis eines höchsten Wesens, die nur durch Intelligenz und durch das Bewahren dieses Gottes im Herzen erreicht wird, was allein durch Herzensreinheit, Geistesruhe und Herrschaft über die Begierden möglich ist.
Die Anhänger der Taossesekte haben aber die ursprünglichen erhabenen Lehren ihres Stifters praktisch zu einem wahren Zerrbild umgebildet. Schon im 13. Jahrh. sind sie berühmt als Adepten der »geistigen Alchimie«, welche die in der physischen Welt waltenden Geheimnisse des lange dauernden sowie des ewigen Lebens und andrer Gaben zu erforschen strebten; jetzt sind sie einem groben Mystizismus ergeben. Ihre Hauptsitze sind in der Provinz Kiangsi; sie stehen übrigens in geringem Ansehen.
Der Buddhismus (hier Religion des Fo genannt) kam 65 n. Chr. von Indien nach China. Er ist in der ihm zu teil gewordenen Verunstaltung rohes Heidentum und Götzendienst. Die Indolenz und das Cölibat der Priester machen diese den Anhängern des Confucius verächtlich, wie nicht minder ihre freiwillige Armut und ihr lästiges Betteln. Ihr Gottesdienst ist aber prunkhaft, der Klerus und die Bettelmönche sind überaus zahlreich vertreten (weiteres s. Buddhismus). Über das Zahlenverhältnis der Anhänger dieser drei Hauptreligionen, die in viele Sekten gespalten sind, lassen sich noch keine bestimmten Angaben machen. Nach der großen Menge buddhistischer Klöster zu schließen, mit denen das Land übersäet ist, und bei der übereinstimmenden Angabe, daß die untern Volksklassen sich durchgehends zum Buddhismus bekennen, kann die Mehrzahl des Volkes als Buddhisten gelten; vom Reste darf nur eine verhältnismäßig geringe Zahl als Laotse-Anhänger gerechnet werden. -
Man würde aber die Zustände in China falsch beurteilen, wenn man annehmen wollte, daß die Chinesen in scharfem und bewußtem Gegensatz hinsichtlich ihrer religiösen Anschauungen leben: auf der Basis des für China typischen Ahnenkultus hat sich eine Volksreligion gebildet, die im ganzen überall die gleiche ist, wenn sie auch aus verschiedenen Quellen entsprungen ist. Bei den niedern Klassen zeigt sich diese Volksreligion als Aberglaube, bei den Gebildeten hat sie einer flachen Aufklärung mit allerlei nach Religion und Sekte wechselnder Tugendschwätzerei Platz gemacht.
Die Opfer für Ahnen und Geister sind allgemein; der Glaube an Seelenwanderung, eine der alten Religion, wie erwähnt, ganz fremde und entgegengesetzte Vorstellung, kam mit dem Buddhismus ins Land und beherrscht die Anhänger aller Sekten und Religionen. Der Islam zählt in den westlichen Landesteilen etwa 3-4 Mill. Anhänger, nicht 30-40 Mill., wie fälschlich meist angegeben wird (vgl. Palladius in den Arbeiten der Mitglieder der russischen geistlichen Mission zu Peking, [* 7] Bd. 4), und eine noch nicht näher zu bestimmende Zahl in Jünnan.
Von Juden findet sich eine kleine Gemeinde zu Kaifungfu in Honan. Das Christentum endlich, das bereits um 636 durch nestorianische Christen, 1294 durch Franziskaner, später (seit 1556) besonders durch die Jesuiten in China verbreitet wurde, zählt trotz aller Verfolgungen, die 1722 begannen, zwischen 1746 und 1773 besonders heftig waren und als Insulten, wie Verweigerung der Genugthuung für Unbilden, noch jetzt nicht selten sind, nach dem Baseler »Evangelischen Missionsmagazin« 1881: 1,094,000 Katholiken (41 Bischöfe, 664 europäische und 559 eingeborne Priester) und 19,000 evangelische Christen (2237 deutsch-evangelische, die übrigen englische).
Vgl. J. ^[James] Legge, The religions of China (Lond. 1880);
Pitou, La Chine, sa religion, ses mœurs, ses missions (Genf [* 8] 1880).
Unterrichtswesen. Bildung.
So eigentümlich wie die Religion ist das Unterrichtswesen in China. Allgemeine Schulbildung für das männliche Geschlecht ist nicht, wie vielfach angenommen, Reichsordnung, daher es auch keine staatlichen Elementarschulen gibt und kein Schulzwang stattfindet. Es geschieht aber von den Privaten viel für den Unterricht; gewöhnlich vereinigen sich mehrere Familien, oder es nimmt der »Stamm« einen Lehrer an, dem die Knaben, nicht auch die Mädchen, im Alter von 5-6 Jahren so lange anvertraut werden, bis sie lesen und schreiben können; es wird weder Mathematik noch Naturgeschichte gelehrt. Etwa 10 Proz. der Landbevölkerung sollen lesen und schreiben können, eine Kenntnis, die bei der Schwierigkeit der chinesischen Sprache [* 9] selbst bei großem Fleiß gegen fünf Jahre in Anspruch nimmt und den Verstand in hohem Grad schärft. Erst bei der Erwerbung der litterarischen Grade spricht die Regierung ein ¶
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gewichtiges Wort mit. Es gibt drei Grade: Ssiutsai (»Kandidat«),
Tschüjen (etwa »Doktor«) und Tschinschih (etwa »Professor«). Hauptaufgabe der Schüler ist Aneignung sämtlicher Schriftsammlungen des Konfutse;
der zweite und dritte Grad befähigen zu Staatsämtern;
man bereitet sich zum Studium vor in den vom Staat und von Stiftungen unterhaltenen Seminaren zur Unterstützung junger Gelehrten;
die Prüfungsarbeiten sind in Klausur zu fertigen, worüber, wie über die Notenerteilung, ins Kleinliche gehende Bestimmungen bestehen.
Geld, Verwandtschaft und Empfehlung verhelfen jedoch vielen Unwissenden zur Auszeichnung durch diese drei Grade; überhaupt laufen dabei die gröbsten Betrügereien unter. Die Graduaten sind infolge davon vielfach ziemlich ungebildet. Die zu Tausenden durchfallenden Kandidaten werden Schullehrer, Notare, Schreiber etc. Einziges Ziel des Unterrichts ist, das bestimmte überkommene Maß von Kenntnissen und Wissenschaften dem nachwachsenden Geschlecht zu übermitteln; Schulbesuch der Mädchen ist Ausnahme. Das Wissen auch der Gebildetsten geht über den Bereich ihres Landes selten hinaus. Neuerdings bereitet sich darin eine Änderung vor, 1867 erfolgte die Errichtung eines Kollegiums für fremde Wissenschaften (Tungwenkuan) in Peking, einer Art Universität mit europäischen und amerikanischen Professoren. 1872 war 1 Mill. Doll. zur Ausbildung junger Chinesen im Ausland (Amerika [* 11] und Europa) [* 12] angewiesen.
In der Zeitrechnung bedient man sich eines 60-jährigen Cyklus, der aus einer sechsmaligen Kombination des Dezimalcyklus mit der fünfmaligen des Duodezimalcyklus gebildet ist. Die Tage, von Mitternacht zu Mitternacht, werden in zwölf Stunden geteilt; eine Einteilung der Monate in Wochen ist nicht gebräuchlich. Geometrie und Algebra sind dem Chinesen etwas Fremdes. Im gemeinen Leben hilft man sich mit einem Rechenwerkzeug. Beruf für die Kunst verraten die Chinesen nicht.
Sie besitzen Geschick in Bildungen aus weicher Masse, dabei kann aber von einer ausdrucksvollen plastischen Darstellung des Körpers nicht die Rede sein, weil man von nackten Bildern nichts weiß, sondern das Ganze auf gefällige Herstellung der Kleiderhülle hinausläuft. Die Gebilde ihrer Malerei treten schattenspielartig vor das Auge; [* 13] alles wird mit ängstlichster Treue dargestellt, aber von perspektivischer Darstellung haben sie meist keinen Begriff. In besonderer Schätzung stehen leicht in Wasserfarbe und indischer Tusche hingeworfene Bilder auf feinem Papier oder auf Seide. [* 14]
Als Meister zeigt sich der Chinese in der Gartenkunst, indem er die anmutigsten und geschmackvollsten Gruppierungen von Bäumen und Rasen zu stande zu bringen weiß, obschon seine Vorliebe für das Zwerghafte auch hier störend eingreift. Die Baukunst der [* 15] Chinesen steht ganz im Dienste [* 16] des Bedürfnisses und trägt den Charakter der Einförmigkeit. Keine Religionsgemeinschaft hat architektonisch bedeutsame Tempel aufzuweisen. Die Musik der Chinesen ist unharmonisch, wiewohl ihre Instrumente zahlreich sind und aus Laute, Guitarre, Flöte und andern Blasinstrumenten, dreisaitigen Geigen, einer Drahtharmonika, die mit zwei Bambusstäbchen geschlagen wird, Glocken, Trommeln, Pauken etc. bestehen (vgl. Plath in den Sitzungsberichten der bayrischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 116 ff.); für Akkorde, Melodie oder Harmonie haben sie gar kein Verständnis.
Daß man selbst tanze, statt sich vortanzen zu lassen, ist ihnen unbegreiflich. Sehr beliebt sind Schauspiele, doch geht es dabei nicht ohne Gemeinheiten und Obscönitäten ab. Die Frauenrollen dürfen, seitdem der Kaiser Kienlung im 18. Jahrh. eine Schauspielerin geheiratet hat; nur von Jünglingen gespielt werden. Die Schauspieler selbst aber sind nicht geachtet (s. oben). Über die dramatischen Dichtungen der Chinesen sowie über die Litteratur derselben überhaupt s. Chinesische Sprache und Litteratur. Über die Kulturverhältnisse der Chinesen vgl. Doolittle, The social life of the Chinese (Lond. 1866, 2 Bde.); Gray, a history of the laws, manners and customs of the people (das. 1878); Katscher, Bilder aus dem chinesischen Leben (Leipz. 1881). Der Sinologie gewidmete periodische Publikationen sind: »The China Review« (zweimonatlich, Hongkong);
»The Chinese Recorder« (Schanghai); [* 17]
»Journal of the China branch of the R. Asiatic Society«.
Landwirtschaft. Industrie.
Die vorzüglichste und zugleich in höchsten Ehren stehende Beschäftigung der Chinesen ist der Landbau. Das Land wird als dem Kaiser gehörend betrachtet; seit dem Ende der dritten Dynastie (4. Jahrh. v. Chr.) erhebt jedoch der Staat nur noch eine Abgabe, während früher ein Teil für den Landesfürsten bebaut wurde, und der Grundbesitzer ist jetzt nicht weiter beschränkt, als daß er des Landes bei Nichtanbau verlustig wird. (Über Grundeigentum vgl. v. Sacharow, Arbeiten der russischen Gesandtschaft in Peking über China, Bd. 1.) In der Ebene ist das Land sehr parzelliert, hier kann eine Familie von fünf Mitgliedern sich von 1-2 Hektar Ackerbodens ernähren; ein Pachter würde aber mindestens 2 Hektar haben müssen, da der Pachtzins durchschnittlich ein Dritteil des Ertrags ausmacht.
Ein Besitzer von 6 und mehr Hektar gilt als ein vermögender Mann; man findet übrigens Besitzungen von 600 und, in hügeligen Gegenden, von 12-1800 Hektar. Bei Bearbeitung des Bodens werden am meisten Hauen und Rechen verschiedenster Konstruktion verwendet; Pflüge [* 18] und Eggen sind nur auf größern Gütern im Gebrauch. Das Getreide [* 19] wird entkörnt durch Ausschlagen, durch Austreten von Tieren oder mit Dreschflegeln. Zum Enthülsen von Reis oder Mahlen von Getreide dienen Mühlen, [* 20] welche durch Menschenhände, Büffel oder Wasser bewegt werden, zur Entkörnung und Reinigung der Baumwolle [* 21] einfache, unsern Anforderungen nicht genügende Geräte.
Charakteristisch für die Chinesen sind die sorgfältige Sammlung allen Düngers, seine Anwendungsweise (Überrieselung mit flüssigem oder pulverisiertem Dünger nach der Aussaat) und die ergiebige Düngung. Fruchtwechselwirtschaft ist Regel; man läßt jedoch nicht die Pflanzen »den Boden sich gegenseitig vorbereiten«, sondern man bereitet ihnen den Standort durch zusagende Düngung. Der Ackerboden besteht meist aus jüngstem Alluvium; mit Ausnahme des nördlichen China kann überall das ganze Jahr hindurch im Feld gearbeitet, ja im südlichen China auch gesäet, gepflanzt und geerntet werden; namentlich sind es die verschiedenen Gemüsearten, die man auch mitten im Winter für die Nahrung einsammelt.
Die Hauptarbeiten beginnen im März und enden im November. Es wird meist in Drillen gesäet und gepflanzt; Gewinnung von Unterfrüchten wird allgemein angestrebt. Die Düngerarten werden hinsichtlich ihrer Dungkraft meist klassifiziert wie folgt: Ölkuchen;
menschliche Exkremente (nur verdünnt angewandt);
Schweinedünger (getrocknet und im zerkleinerten Zustand ausgestreut);
Büffel- und Ochsendünger sowie Ziegen- und Pferdedünger (selten, meist in flüssigem Zustand verwandt);
Wasserpflanzen [* 22] (sehr zahlreich angewandt);