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Mobiliarsteuer für Einkommen von über 300 Pesos, Stempelgebühren, einer städtischen Gewerbesteuer, dem Ertrag der Posten und der Telegraphen [* 2] und Erbschaftssteuer. Außerdem erzielt der Staat Einnahmen von dem Verkauf des Guanos, von der Entäußerung und Verpachtung von Ländereien etc. Die Staatseinnahmen beliefen sich 1882 auf 41,957,035 Pesos, 1883 auf 44,607,752 Pesos und werden 1885 bis 1886 auf 35,800,000 Pesos geschätzt. In der Regel haben sie einen Überschuß gewährt, und befanden sich 14½ Mill. Pesos in der Staatskasse. Die inländische Schuld belief sich im Mai 1884 auf 53,129,300 Pesos, die äußere auf 34,770,500 Pesos, in Summa 87,899,800 Pesos (gegen 43,542,824 im J. 1872), wovon 35 Mill. für den Bau von Eisenbahnen verwendet wurden. Chile [* 3] hat seinen Gläubigern gegenüber jederzeit seine Verpflichtungen erfüllt.
Das Heer zerfällt in reguläre Truppen und Nationalgarde. Die regulären Truppen ergänzen sich durch Freiwillige, und die Stärke [* 4] derselben soll laut eines Gesetzes von 1884: 10,410 Mann nicht überschreiten. 1883 gab es 2 Regimenter Artillerie, 10 Bataillone Infanterie und 3 Regimenter Kavallerie mit 1023 Offizieren und 12,450 Mann, während die Nationalgarde (in 65 Bat. eingeteilt) 51,826 Mann zählte. Im Krieg mit Peru [* 5] stellte Chile eine Armee von 50,000 Mann in 3 Divisionen ins Feld. Die Kriegsflotte besteht aus 3 Panzerschiffen, 2 Korvetten, 2 Kanonenbooten, 2 Kreuzern, 2 Avisos, 1 Transportschiff, 5 kleinern Dampfschiffen, 12 Torpedobooten und 3 Pontons mit 69 Geschützen und einer Besatzung von 2225 Mann. Talcahuano ist Kriegshafen.
Das Wappen [* 6] der Republik ist ein Schild, [* 7] dessen obere Hälfte blau ist, während die untere in rotem Feld einen silbernen fünfstrahligen Stern zeigt; Wappenhalter sind auf der rechten Seite ein Huemul (Art Reh), [* 8] auf der linken ein Kondor mit goldener Krone, auf dem Schilde drei Straußfedern. Die Umschrift ist: »Por la razon o la fuerza«. Die Flagge besteht aus zwei horizontalen Streifen, der obere im ersten Drittel blau, mit weißem fünfstrahligen Stern, im übrigen weiß; der untere Streifen ist rot (s. Tafel »Flaggen«). [* 9]
Vgl. Perez-Rosales, Essai sur le Chili (Hamb. 1857);
Kahl, Reise durch Chile (Berl. 1866);
Asta-Buruaga, Diccionario jeografico de la republica de Chile (New York 1868);
Fonck, Chile in der Gegenwart (Berl. 1870);
Pissis, Geográfia fisica de la republica de Chile (Par. 1875);
Boyd, Chili (Lond. 1881);
Medina, Las aborigenes de Chile (Santiago 1882);
Ochsenius, Chile, Land und Leute (Leipz. 1884);
»Chile im Jahre 1883« (a. d. Span. von Polakowsky, Berl. 1884).
Beiträge zur Kenntnis des Landes und seiner Bewohner bieten auch die seit 1843 erscheinenden »Annales« der Universität von Santiago.
Geschichte.
Angelockt durch die Fruchtbarkeit Chiles, hatten schon die peruanischen Inka [* 10] sich zu Herren desselben zu machen gesucht, es aber nur bis zum Fluß Máule unter ihre Botmäßigkeit gebracht. Nachdem sich die Spanier in Peru festgesetzt hatten, drangen sie 1536 unter Diego Almagro in Chile ein und nahmen von dem Land bis zum Copiapothal Besitz; die Versuche, weiter vorzudringen, mißlangen aber. Erst später drang Pedro de Valdivia in das Innere des Landes vor und gründete in einer fruchtreichen Ebene am Rio [* 11] Mapaho die Stadt Santiago di Nueva Estremadura.
Nach langen, wechselvollen Kämpfen drängte er die Araukaner über den Biobio zurück, gründete mehrere Städte, darunter Valdivia, wurde aber 1553 von den Eingebornen, welche durch die gewaltsamen Bekehrungsversuche der spanischen Mönche und durch heimtückische Behandlung gereizt wurden, in einem allgemeinen Aufstand überwältigt, wobei er selbst den Tod fand. Infolge dieser Niederlage gingen alle Ansiedelungen jenseit des Biobio bis auf Valdivia und Imperiale wieder zu Grunde.
Glücklicher war Valdivias Nachfolger Mendoza. Die Araukaner und andre indianische Stämme wurden zurückgeschlagen, Chiloe 1559 entdeckt, Osorno gegründet und die Ruhe insoweit befestigt, daß der Bergbau [* 12] wieder aufgenommen und Schiffe [* 13] ausgesandt werden konnten, um Patagonien zu erforschen. In jene Zeit fällt auch die Errichtung der Bistümer Santiago (1565), Concepcion und Imperiale (1564) sowie die Entdeckung der Inselgruppe Juan Fernandez. Doch dauerten die erbitterten und blutigen Kämpfe immer fort.
Unter Philipp II. wurde 1566 für Chile eine eigne Audiencia reale errichtet, welche erst in Concepcion, dann in Santiago ihren Sitz hatte. Sie bestand aus vier Mitgliedern und einem Schatzmeister und hatte die höchste Leitung der Zivil- und Militärangelegenheiten. Um 1594 faßten die Jesuiten festen Fuß in Chile, errichteten in den wichtigsten Orten, Santiago, Valdivia u. a., Kollegien und wußten ihren Einfluß bald in dem Grad geltend zu machen, daß sie die Regierung fast ganz in ihre Hände brachten.
Aber nicht mit den Indianern allein hatten die Spanier zu kämpfen, bald erschienen auch Holländer und Engländer in diesen Gewässern. So landete 1578 Franz Drake auf der Insel La Maha, knüpfte Unterhandlungen mit den Indianern an und plünderte Valparaiso. [* 14] Auch die Flibustier suchten die Küsten Chiles heim und setzten sich auf der Insel Juan Fernandez fest. Im Friedensschluß von Quillen von 1640 wurde der Biobio als Grenze zwischen den Spanien [* 15] und Araukanern festgesetzt; letztere erkannten von freien Stücken die Souveränität des Königs von Spanien an, erneuerten aber stets wieder den Krieg, wobei sie von Holland unterstützt wurden.
Unter den Gouverneuren des 18. Jahrh. machte sich José Manso durch die thätigste Sorge für die Hebung [* 16] des Landes sehr verdient, indem er die Indianer diesseit des Biobio vereinigte und in Dörfern und Städten ansiedelte. Allein da die Indianer ein festes und seßhaftes Leben in den Städten nicht liebten, so erhoben sie sich in Masse, und diese Kämpfe dauerten bis zum Friedensschluß von 1775, in welchem den Araukanern gestattet wurde, in Santiago einen indianischen Abgeordneten zu halten, welcher die Rechte seiner Nation vertreten sollte. Als sodann trotz der tüchtigen Verwaltung des Gouverneurs O'Higgins, eines in spanische Dienste [* 17] getretenen Irländers, 1792 die Indianer sich Valdivias zu bemächtigen suchten, ließ jener sie in ihrem eignen Land angreifen und zwar mit solchem Erfolg, daß sich fast alle indianischen Fürsten der spanischen Oberhoheit unterwarfen. Seit dieser Zeit blieb Chile bis zur Revolution von 1810 ruhig.
An der Spitze der Verwaltung stand seit 1797, als Chile eine von Peru unabhängige Kapitanie geworden war, ein Gouverneur, an der Spitze der Justiz die Audiencia, an der Spitze jeder Provinz ein Corregidor, welcher durch den Gouverneur ernannt wurde. Die höchste geistliche Gewalt hatte der Bischof von Lima, [* 18] dem die beiden Bischöfe von Santiago und Concepcion untergeben waren. Das Heer bestand aus regulären Soldaten, welche meist schon in Europa [* 19] gedient hatten, aus Milizen, welche aus Kreolen und andern Bewohnern der Städte genommen waren, und aus ¶
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indianischen Hilfstruppen. Da indes die spanische Regierung die Kolonie einseitig für die Interessen des Mutterlandes ausbeutete, so verpflanzte sich die Bewegung, welche die südamerikanischen Kolonien im Anfang des 19. Jahrh. ergriff, auch nach Chile, und es bildete sich eine Patriotenpartei, welche nach politischer Selbständigkeit des Landes strebte; an ihrer Spitze stand Juan Martinez de Rosas. Doch hatte die spanische Regierung noch eine starke Stütze im Klerus und im niedern Volk.
Der Gouverneur Carrasco, der Lage nicht gewachsen und mit der Audiencia zerfallen, trat im Juli 1810 zurück, sein Nachfolger, Graf de la Conquista, war zu alt und zu schwach, und so stand Rosas eine Zeitlang an der Spitze der Regierung; er unterdrückte im April 1811 einen von der spanischen Partei veranstalteten Militäraufstand, wurde aber von der royalistisch gesinnten Mehrheit des am eröffneten Kongresses aus der Regierung verdrängt. Dadurch bekam der ehrgeizige Miguel Carrera Gelegenheit, mit Hilfe einer ausgedehnten, einflußreichen Verwandtschaft die Gewalt in seine Hand [* 21] zu bringen.
Nach mehrfachen Versuchen, einen ihm ergebenen Kongreß herzustellen, richtete er im Dezember 1811 eine Militärdiktatur ein. Rosas starb kurz darauf (1812), und man wollte an die Begründung einer neuen Verfassung gehen, als der Vizekönig von Peru, Abascal, unterstützt vom chilenischen Klerus, den General Pareja zur Unterwerfung Chiles sandte. Da dieser aber gegen Carrera nichts ausrichtete und sich nach Chillan zurückzog, so wurde er durch Sanchez ersetzt, welcher den Krieg mit Erfolg in die Länge zog, um die starke Opposition gegen Carrera zu nähren.
In der That setzte die Junta im November 1813 letztern, der sich durch seinen Despotismus verhaßt gemacht hatte, ab und ernannte Bernardo O'Higgins zum Obergeneral, welcher aber dem spanischen General Gainsa gegenüber nicht standzuhalten vermochte; zugleich erschien Miguel Carrera, der eine Zeitlang in spanischer Gefangenschaft gewesen war, wieder, und nachdem auch der zum Diktator ernannte Oberst Lastra nicht im stande gewesen war, die Ordnung herzustellen, drohte ein Bürgerkrieg zwischen Carrera und O'Higgins auszubrechen, als im Juli 1814 der spanische General Osorio mit neuen Truppen einrückte. Die nun vereinigten Generale O'Higgins und Carrera wurden bei Rancagua völlig geschlagen; zwar entkamen sie nach Buenos Ayres, [* 22] doch waren jetzt die Spanier wieder Herren des Landes und suchten durch strenge Strafexempel die Revolution zu unterdrücken.
Zwei Jahre verflossen, ohne eine Änderung der Verhältnisse zu bringen, nur daß Chile durch Guerillas beunruhigt wurde. Während dieser Zeit aber vollendeten die La Plata-Staaten ihre Revolution und gewährten dann den Chilenen um so eher Hilfe, als sie es darauf abgesehen hatten, die Spanier aus ganz Amerika [* 23] zu vertreiben. So überschritt von Buenos Ayres aus der General San Martin mit ca. 5000 Mann in kühnem Marsch die 12-15,000 Fuß hohen Pässe der Andes (Dezember 1816 und Januar 1817) und besetzte die Städte Aconcagua und Santa Rosa.
Die Chilenen empfingen San Martins Truppen mit offenen Armen und scharten sich allenthalben in Guerillas. Die Spanier wurden im Thal [* 24] von Chacabuco geschlagen; doch hatte der Krieg längere Zeit keinen rechten Fortgang, San Martin wurde sogar von Osorio geschlagen, und erst der Sieg am Maypu wo die spanischen Generale Ordonez und Osorio eine völlige Niederlage erlitten, entschied den Kampf zu gunsten Chiles. Bald darauf (19. Okt.) erfocht auch die kleine chilenische Flotte einen Sieg über ein spanisches Geschwader. Der mit dem Oberbefehl zur See betraute Lord Cochrane nahm 1820 Valdivia, und auch zu Lande wurden die Spanier trotz ihrer numerischen Überlegenheit zurückgedrängt, so daß ihnen nur die Insel Chiloe blieb.
Die Regierung war O'Higgins übertragen worden, welcher aber ein willkürliches Regiment führte und besonders durch die Hinrichtung Miguel Carreras und der zwei Brüder desselben sich verhaßt machte. Obgleich er nun 1823 eine neue Konstitution proklamieren ließ, wurde doch die Unzufriedenheit so stark, daß General Freyre eine neue Regierung errichtete, welche O'Higgins absetzte und seine Verordnungen annullierte. Freyre eroberte zwar 1826 Chiloe, geriet aber mit dem Kongreß in Streitigkeiten, die ihn 1828 zum Rücktritt zwangen.
Sein Nachfolger war General Prieto. Unter ihm wurde die 1828 erlassene neue Verfassung 1833 dahin geändert, daß die öffentliche Gewalt zwischen der aus dem Präsidenten, dem Ministerium und dem Staatsrat gebildeten Regierung und dem aus Senat und Abgeordnetenhaus bestehenden Kongreß geteilt ward. In den letzten beiden Körperschaften standen sich zwei Parteien, Konservative und Liberale, gegenüber; doch bekämpften sie sich maßvoll, und ohne die Grundlagen des Staats zu gefährden.
Mit Hilfe des Ministers Parteles traf Prieto eine Reihe heilsamer Einrichtungen, insbesondere zur Beförderung des Handels. Neue Unruhen brachen aber 1836 aus, als der bolivianische Präsident Santa Cruz, nachdem er 1836 Peru mit Bolivia vereinigt hatte, auch Chile zum Eintritt in die Union zwingen wollte und zu diesem Zweck General Freyre bei einem Versuch, Prieto zu stürzen, unterstützte. Dies mißlang jedoch, und die Chilenen standen nun dem peruanischen General Gamarra bei seiner Empörung gegen Santa Cruz bei, die dessen Sturz und Flucht (1839) zur Folge hatte.
Durch diesen glücklichen Erfolg gewann Chile sehr an Ansehen, und wurde es von Spanien als unabhängige Republik anerkannt. Prietos Nachfolger in der Präsidentschaft war 1841 General Bulnes, der 1846 von neuem gewählt wurde. Die längere Dauer seiner Regierung trug wesentlich zur Blüte [* 25] der Republik bei. Als sodann 1851 Manuel Montt, schon bisher die Seele der Verwaltung, Präsident wurde, versuchte zwar der General Santa Cruz durch einen Militäraufstand sich der Gewalt zu bemächtigen, unterlag aber den Truppen der Regierung.
Ohne viel Blutvergießen ward die Ruhe bald hergestellt. Montts Regierung war sehr wohlthätig. Verwaltung, Justiz, Finanzen wurden geordnet, für Kirche und Schulen gesorgt, unbeschränkte Religionsfreiheit eingeführt; mit auswärtigen Mächten wurden Handelsverträge geschlossen, mit Peru und Ecuador ein gemeinsamer Bundestag zur Beratung der gegenseitigen Interessen begründet. Ein Aufstand, der 1859 ausbrach, wurde glücklich niedergeschlagen. Montts Nachfolger war 1861 José Joaquin Perez, ein erfahrener Staatsmann, welcher sich der liberalen Partei zuneigte, aber nicht selten eine schwankende Haltung zeigte, weshalb die konservative Partei unter Montt Opposition gegen seine Politik erhob.
Indessen wurden die innern Streitigkeiten durch Verwickelungen mit dem Ausland in den Hintergrund gedrängt. Nicht bloß hörte das gute Einvernehmen mit Bolivia 1864 auf, indem wegen einer Grenzstreitigkeit, wobei es sich besonders um die Salpeterbergwerke und Guanodistrikte an der Atacamaküste ¶