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Dienstboten, 34 mit Handel, 33 mit Bergbau. [* 2] Die Landwirtschaft hat wohl in jüngerer Zeit bedeutende Fortschritte gemacht, leidet aber noch immer unter dem Fluch des Großgrundbesitzes, der allerdings für den mittlern Teil des Landes, wo der Feldbau großartige Bewässerungsanstalten bedingt, einige Berechtigung hat. Aber auch in den jüngst erworbenen Bezirken Araucanias hat die Regierung den größten Teil des Landes abermals an große Kapitalisten verkauft und nur kleinere Bezirke für kleinere Landwirte reserviert.
Die Majorate, auf denen die Wirtschaft durch Fronbauern (Inquilinos) betrieben wurde, sind bereits 1828 aufgehoben worden, und während es 1832 nur 12,028 ländliche Grundbesitzer gab, zählte man deren 1875 bereits 121,055. Die größern Güter werden jetzt vielfach durch Pachter bewirtschaftet, die einen Teil des Ertrags als Pacht zahlen. Angebaut werden namentlich: Weizen, Mais, Gerste, [* 3] Hafer [* 4] und Roggen;
Bohnen, Linsen und Erbsen, und als Futter Luzerne.
Der Anbau von Runkelrüben ist 1883 mit Erfolg eingeführt worden. Kartoffeln und die verschiedensten Gemüse werden namentlich von kleinen Leuten gebaut. Unsre europäischen Obstbäume gedeihen vorzüglich. Der Tabaksbau hat sich seit Beseitigung des Monopols (1880) bereits bedeutend entwickelt. Außerdem baut man Flachs, Hanf, Hopfen, [* 5] spanischen Pfeffer, und in der That gedeihen alle Gewächse der gemäßigten und subtropischen Zonen, ja in den neuerworbenen Provinzen des Nordens sogar Baumwolle [* 6] und Kakao. Der Wein kommt dem besten spanischen gleich. Im J. 1882 gewann man 31,894,724 Lit. Wein, 6,017,562 L. Branntwein und 22,042,239 L. Chicha.
Die Gräser [* 7] der Ebene wie die Gebirgswiesen geben vortreffliche Futterkräuter und begünstigen die Viehzucht. [* 8] Die Pferde, [* 9] von andalusischer Rasse, sind lebhaft, gelehrig und unermüdlich, aber als Zugtiere nicht schwer genug. Man hat daher englische und französische Rassen eingeführt. Die Rinder, [* 10] spanische Rasse, sind von Mittelgröße und stark, geben aber nur wenig Fleisch. Für die Milchwirtschaft, die übrigens, namentlich was die Käsebereitung betrifft, noch wenig entwickelt ist, hat man daher englisches Vieh importiert.
Von Rindvieh kommt auch viel aus Argentinien, um auf den fetten Weiden gemästet zu werden. Für Verbesserung der Schafzucht durch Kreuzung ist bereits viel geschehen. Im ganzen zählte man 1875: 586,073 Rinder, 1,183,591 Schafe [* 11] und Ziegen, 196,174 Pferde. An der Sonne [* 12] getrocknetes Rindfleisch (Charqui) bildet einen wichtigen Artikel der Ausfuhr. Außerdem liefert die Viehzucht zum Export Horn, Häute, Knochen, [* 13] gesalzenes Fleisch, Fett, geräucherte Zungen und Schinken. Die Bienenzucht [* 14] ist erst seit 1844 eingeführt. Die Fischerei [* 15] ist von ganz untergeordneter Bedeutung. Die Wälder des Südens liefern neben Nutzholz noch wertvolle Rinden, wie die des Quillaybaums, die zum Waschen von Wolle benutzt wird, und verschiedene Gerberrinden. Alles in allem schätzte man 1883 den Wert der ausgeführten Produkte der Landwirtschaft und der Wälder auf 11,864,524 Pesos.
Ungemein reich ist Chile [* 16] an nutzbaren Metallen und Mineralien, [* 17] und schon 1875, ehe noch Tarapacá in Besitz genommen war, beschäftigte der Bergbau 29,000 Menschen. Der regenlose Norden [* 18] liefert namentlich Salpeter, Jod und Borax, [* 19] der mittlere Landstrich Kupfer [* 20] und Silber, der Süden Steinkohlen, Eisen [* 21] und Gold. [* 22] Sämtliche Produkte des Bergbaues und Hüttenbetriebes, die ausgeführt wurden, schätzte man 1882 auf 56,051,845 Pesos, 1883 auf 57,679,240 Pesos, wovon 30 Mill. auf salpetersaures Natron, 16,5 Mill. auf Kupfer, 5 Mill. auf Silber, 3 Mill. auf Jod und 1 Mill. auf Borax kamen.
Die ergiebigsten Kupfergruben liegen in den Provinzen Coquimbo (Tamaya) und Aconcagua (Manatiel). Der größte Teil des Kupfers wird im Land selbst verschmolzen und in Gestalt von Stangen ausgeführt. 1884 soll die Kupferausbeute Chiles 41,148 Ton. betragen haben, wogegen in den Vereinigten Staaten [* 23] 63,950 T., in der ganzen Welt aber 211,613 T. gefördert wurden. Für Silber bildet Copiapo den wichtigsten Zentralpunkt, und Chanarcillo und Caracoles sind die ergiebigsten Minenreviere.
Gold findet sich sowohl im Alluvium als eingesprengt und wurde bald nach der Eroberung bei Osorno, Villarica etc. mit Erfolg ausgebeutet, spielt aber jetzt eine sehr untergeordnete Rolle. Eisen kommt an vielen Stellen vor, ist aber bisher wenig beachtet worden. Dagegen sind die ungeheuern Lager [* 24] an Natron, Salzen etc., in deren Besitz Chile durch seine jüngsten Eroberungen gelangt ist, von großer Bedeutung. Ebendort finden sich auch noch reiche Lager von Guano; Steinkohle wird namentlich an der Araucobai bei Lota gewonnen, wo auch die wichtigsten Hüttenwerke liegen, sowie zu Punta Arenas im Territorium Magallanes. Die Gesamtausbeute von jährlich 500,000 Ton. dient fast ausschließlich zur Versorgung der vielen Schmelzwerke an der Küste und der verschiedenen Dampfschiffahrtsgesellschaften.
Die Industrie, abgesehen von den Hüttenwerken und der Gerberei, ist noch ziemlich unbedeutend, obschon sich ein Aufschwung darin nicht verkennen läßt. Von Wichtigkeit sind namentlich die Kornmühlen, die Stärkefabriken, die Sägemühlen (im S.), die Seifensiedereien und Kerzenfabriken, die Brauereien und Brennereien. Auch ist die häusliche Industrie von Bedeutung. Sie liefert namentlich Gewebe, [* 25] Stickereien, Teppiche, Körbe und irdene Waren.
Für den Handel liegt Chile mit seiner langgestreckten Küste und seinen zahlreichen guten Häfen, unter denen Arica, Iquique, Antofagasta, Caldera, Coquimbo, Valparaiso, [* 26] La Concepcion und Valdivia die bedeutendsten sind, ungemein günstig. Dampferlinien, unter denen eine chilenische Gesellschaft, die englische Pacific Steam Navigation Company und die deutsche Kosmoslinie die wichtigsten sind, verbinden diese Häfen mit Panama [* 27] einerseits und durch die Magelhaensstraße direkt mit Europa. [* 28] 1883 liefen vom Ausland 1736 Schiffe [* 29] von 1,816,072 Ton. ein (davon 778 Dampfer von 1,136,974 T.), darunter 937 englische von 985,357 T. und 221 deutsche von 211,503 T. Im Küstenhandel liefen 6391 Fahrzeuge von 5,300,680 T. ein, davon 252 deutsche von 202,265 T. Eisenbahnen führen von den Häfen ins Innere des Landes.
Die wichtigste dieser Bahnen verbindet Valparaiso mit der Hauptstadt Santiago und führt von dort südlich bis nach Ancud. Ihre Verlängerung, [* 30] bis nach Valdivia, ist im Bau. Im J. 1883 waren bereits 2217 km Eisenbahnen im Betrieb, wovon 965 km Staatseigentum waren. Die Landstraßen sollen eine Länge von 40,000 km haben. Unter den Pässen ist der besuchteste der von Uspallata oder der Cumbrepaß (s. d.), über den eine Eisenbahn nach Mendoza in Argentinien projektiert ist. Die Handelsmarine zählte 1883: 131 Schiffe von 53,071 T. Gehalt (einschließlich von 27 Dampfern von 12,512 T.). Die bedeutende Entwickelung des auswärtigen chilenischen Handels seit 1844 geht aus folgender Tabelle hervor: ¶
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Einfuhr | Ausfuhr | |
---|---|---|
1844: | 8596674 Pesos | 6087023 Pesos |
1865: | 21240976 " | 25712623 " |
1875: | 38137500 " | 35927592 " |
1881: | 53502214 " | 61904232 " |
1883: | 54226561 " | 79732555 " |
Dazu kommen für 1883: 8,421,757 Pesos für die Durchfuhr und 140,246,908 Pesos für den Küstenhandel. Von der Einfuhr bestehen 26,4 Proz. aus Geweben, 19 Proz. aus Lebensmitteln, 12,3 Proz. aus Rohstoffen, 9,7 Proz. aus Maschinen und Werkzeugen; von der Ausfuhr 40,4 Proz. aus Salpeter, 20,5 Proz. aus Kupferbarren, 9,3 Proz. aus Getreide, [* 32] 5,6 Proz. aus Silberbarren, 5,5 Proz. aus Jod, 3,8 Proz. aus Kupfer und Silbererzen, 1,8 Proz. aus Mehl, [* 33] 1,5 Proz. aus Sohlleder, 1,4 Proz. aus Guano, 1,2 Proz. aus Borax und 1 Proz. aus Steinkohlen.
Von der Einfuhr kommen 44,2 Proz. aus England, 17,6 Proz. aus Deutschland, [* 34] 15,2 Proz. aus Frankreich; von der Ausfuhr gehen 74,4 Proz. nach England, 7,1 Proz. nach Frankreich und 5,2 Proz. nach Deutschland. Ausfuhrzölle werden von Kupfer, Silber, Salpeter und Jod erhoben; Einfuhrzölle im Betrag von 4-35 Proz. ad val. und mehr werden von fast allen Gegenständen erhoben. Nur Rohmetalle, Telegraphenmaterial, Unterrichtsgegenstände, Papier, Getreide, Mehl, Vieh, Guano etc. sind zollfrei.
Unter den dem Handel gewidmeten Anstalten sind Post- und Telegraphenwesen wohl geordnet. Im J. 1883 beförderten die 530 Postämter 21,779,039 Gegenstände (darunter 10 Mill. Briefe und 11 Mill. Zeitungen), und es wurden Postanweisungen im Betrag von 1,085,300 Pesos ausgestellt. Die Telegraphen [* 35] des Staats haben 1883 eine Länge von 10,944 km. Sie stehen durch ein Kabel mit Panama und durch eine Leitung über den Cumbrepaß mit Montevideo [* 36] in Verbindung. 1882 wurden 423,701 Depeschen befördert.
Münzeinheit ist der Peso, welcher, 25 g wiegend, den Wert von etwa 4 Mk. hat. Eingeteilt wird derselbe in 100 Centavos. Es gibt Silbermünzen zu 1 Peso, 50, 20, 10 und 5 Centavos und Nickelmünzen zu 2, 1 und ½ Centavo. Die Goldmünzen sind: der Condor zu 10, der Doblar zu 5, der Escudo zu 2 Pesos und Stücke zu 1 Peso. Außerdem kursieren Banknoten des Staats und einiger privilegierter Banken in Stücken von 1 bis 1000 Pesos. Maße und Gewichte sind die metrischen. Doch finden noch vielfach Verwendung die Vara zu 3 Fuß =83½ cm;
die Cuadra zu 150 Varas = 125,380 m;
die Legua = 4513 m;
der Quintal zu 100 Pfd. = 46 kg;
Staatliche Verhältnisse.
Die Verfassung, welche 1833 angenommen, aber seitdem mehrfach abgeändert wurde, hat den bis dahin seit der Unabhängigkeitserklärung vom bestehenden Bundesstaat in einen einheitlichen verwandelt. Die Souveränität beruht im Volk und wird ausgeübt durch drei Gewalten: die vollziehende, gesetzgebende und richterliche. Die Exekutive hat der Präsident, welcher auf fünf Jahre indirekt vom Volk gewählt wird. Er ist für eine zweite Amtsdauer nicht wählbar und bezieht einen Gehalt von 18,000 Pesos.
Ihm zur Seite steht ein Kabinett von fünf Ministern: für das Innere, für äußere Angelegenheiten und Kolonisation, für Justiz, Kultus und Unterricht, für Finanzen und für das Wehrwesen. Außerdem besteht ein Staatsrat von 3 Senatoren, 3 Abgeordneten und 5 vom Präsidenten ernannten Personen, der mit Beilegung von Kompetenzkonflikten der Behörden und von Streitigkeiten bei Gemeindewahlen betraut ist und außerdem bei wichtigen Angelegenheiten vom Präsidenten zu Rate gezogen werden kann.
Die gesetzgebende Gewalt wird vom Nationalkongreß ausgeübt, bestehend aus einem Senat von 37 und einem Abgeordnetenhaus von 109 Mitgliedern. Die Senatoren werden von den Provinzen auf sechs Jahre, die Abgeordneten von den Departements auf drei Jahre gewählt. Senatoren müssen 36 Jahre alt sein und ein Jahreseinkommen von 2000 Pesos haben, während Abgeordnete ein Alter von 25 Jahren erreicht haben und ein Jahreseinkommen von 500 Pesos nachweisen müssen. Weder Senatoren noch Abgeordnete beziehen Diäten.
Bürger und Wahlmann ist jeder Chilene, der lesen und schreiben kann und 25 oder, wenn verheiratet, 20 Jahre zählt. 1881 war die Zahl der Wahlmänner 143,133. Die richterliche Gewalt wird ausgeübt von einem obersten Gerichtshof von 7 Mitgliedern, 4 Appellationsgerichten, Amtsgerichten in den Departements und Friedensgerichten in den Städten und Gemeinden. Ein Schwurgericht besteht nur für Preßvergehen. Sämtliche Richter werden von dem Präsidenten ernannt und sind unabsetzbar.
Die Verfassung gewährleistet Sicherheit der Person und des Eigentums, Freiheit der Presse, [* 37] des Handels und der Industrie. Die Sklaverei ist seit 1811 aufgehoben. Privilegierte Stände bestehen nicht, und auch das Regierungsmonopol auf Tabak [* 38] wurde 1881 abgeschafft. Die Staatskirche ist die römisch-katholische, doch steht der Ausübung des Gottesdienstes andrer Konfessionen [* 39] kein Hindernis im Weg und besitzen die Deutschen z. B. in den Städten, in denen sie zahlreich sind, ihre protestantischen Kirchen und Schulen.
Die Friedhöfe stehen seit 1883 unter Laienaufsicht, und die Zivilehe wurde 1884 eingeführt. Staat und Staatskirche leben nicht auf dem besten Fuß, und eine Trennung derselben ist mehrfach angeregt worden. Der Staat beansprucht das Patronatsrecht bei Besetzung der vier Bischofsstühle (einschließlich des erzbischöflichen von Santiago). Das will aber der römische Stuhl nicht zugestehen, so daß jetzt drei dieser Bischofsitze unbesetzt sind. Allerdings hatte die Kirche in den ersten Zeiten der Republik viel zu leiden.
Das Kircheneigentum wurde 1821 eingezogen und die Geistlichkeit auf Staatsgehalt gesetzt. Ebenso wurde der Zehnte aufgehoben und die meisten Klöster geschlossen. Gleichwohl ist die Macht des Klerus, die sich auf die Landbevölkerung und in den Städten besonders auf die Frauen erstreckt, nicht gebrochen. Die Jesuiten haben seit Anfang der 50er Jahre wieder festen Fuß im Land gefaßt, und zahlreiche neue religiöse Ordenshäuser sind an Stelle der geschlossenen gegründet worden.
Für die neuere Verwaltung ist Chile in Provinzen und Territorien (s. Tabelle, S. 1015), Departements, Subdelegationen und Distrikte eingeteilt. Die Intendanten der Provinzen, die Gouverneure der Departements, die Subdelegados und Inspektoren in den Distrikten werden sämtlich von der Zentralregierung ernannt; doch hat jedes Departement einen von den Bürgern gewählten Munizipalrat, in welchem der Gouverneur den Vorsitz führt, und der sich mit dem Polizeidienst, dem Gefängniswesen, dem Straßenbau und andern Lokalangelegenheiten befaßt. Die Munizipalsteuern trugen 1881: 4,797,143 Pesos ein.
Die Finanzen des Staats sind geordnet. Die Einnahmen bestehen aus Zöllen (s. oben), dem Ertrag der Eisenbahnen, einer landwirtschaftlichen Steuer (9 Proz. vom Reinertrag), einer Einkommen- oder ¶