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allgemeinen nimmt ihre Stärke [* 2] und Häufigkeit gegen S. immer mehr ab.
Die Bewässerung ist im nördlichen Teil von Chile, [* 3] wo fast alle Bäche nach kurzem Laufe vom Boden aufgesaugt werden, eine sehr dürftige, viel reichlicher dagegen in der südlichen Hälfte des Landes, obschon nur wenige Flüsse [* 4] einige Meilen weit aufwärts schiffbar sind. Die bedeutendern sind: der Chuapa, der reißende Maipu, der für die Bewässerung des Thals von Santiago so wichtig ist, der noch am weitesten schiffbare Maule, der Biobio an der Grenze von Araucania, der größte Fluß des Landes, der aber doch im untern Lauf nur von Schiffen mittlerer Größe befahren werden kann, der Cauten (Rio [* 5] Imperial), der Callecalle oder Rio de Valdivia, der wichtigste von allen wegen des wohlgeschützten Hafens an der Mündung, der Rio Bueno und der Rio Maullin. Auch gibt es im S. viele große und sehr tiefe Seen, z. B. Llanquihue, Ranco, Huanehue etc., wie nicht minder zahlreiche Heilquellen, von denen die von Chillan, von Apoquido, Cauquenes und Colima benutzt werden.
Das
Klima
[* 6] ist bei der großen
Ausdehnung
[* 7] des
Landes und seinen Höhenunterschieden natürlich sehr verschieden. Das Küstenklima
zeichnet sich durch gleichmäßige
Temperatur aus, und die
Hitze wird durch
Seewinde gemildert. Im
Binnenland, bis zum
Fuß der
Kordilleren, sind die
Sommer heiß, die
Nächte kühl. An den Abhängen
der
Kordillere, bis zur
Schneegrenze, dauert der
Sommer
nur 4½
Monate
(Dezember bis April). Der geographischen
Breite
[* 8] nach kann man fünf Klimate unterscheiden.
Der Norden [* 9] hat ein Wüstenklima, fast regenlos, aber mit dichten Nebeln an der Küste. In der Provinz Coquimbo regnet es nur selten im Winter, Wälder fehlen, und Ackerbau ist nur bei künstlicher Bewässerung möglich. Der mittlere Teil des Landes, von Santiago nach Máule, erfreut sich eines günstigen Klimas. Regen fällt häufig während des Winters, aber acht Monate lang ist die Luft klar und durchsichtig. Schnee [* 10] ist selten. In Santiago ist die mittlere Temperatur des Januars 23,2° C., die des Juli 9,6° C., und es fallen 547 mm Regen.
Die tägliche Amplitüde beträgt zuweilen 20° C. Wälder kommen vor, sind aber nicht sehr ausgedehnt, und Ackerbau bedarf fast überall noch der künstlichen Bewässerung. Der Süden Chiles zeichnet sich durch feuchte Luft und Regen in allen Jahreszeiten [* 11] aus, Schnee ist an der Küste fast unbekannt, Wälder bedecken nahezu das ganze Land, und Ackerbau bedarf nicht mehr der künstlichen Bewässerung. Valdivia hat hier eine mittlere Temperatur von 14,76° C. im Sommer und von 7,14° C. im Winter, und es fallen jährlich 2334 mm Regen.
Der äußerste Süden endlich erfreut sich eines milden Seeklimas, und selbst in der Magelhaensstraße (Punta Arenas) ist die mittlere Temperatur des Winters noch 2,77° C., wenn auch das Thermometer [* 12] häufig unter den Gefrierpunkt fällt. Während des Sommers herrschen Südwinde vor, während des Winters regenbringende Nordwinde. An der Küste wechseln warme Westwinde und aus den Kordilleren kommende kalte Landwinde (Terral oder Puelche) miteinander ab. Schnee fällt, von Patagonien abgesehen, fast nie an der Küste, aber in desto größern Massen in den südlichen Kordilleren, wo auch Gletscher auftreten, die von Colchagua südwärts immer häufiger und größer werden. Die Schneegrenze liegt in 27½° südl. Br. 4500 m hoch; in der Provinz von Santiago erreicht sie 3500 m, beim Vulkan von Antuco 2000 m und an dem von Osorno 1460 m. Das Klima gilt für gesund. Häufig sind nur die durch die bedeutenden täglichen Temperaturschwankungen veranlaßten Affektionen der Atmungsorgane und Diarrhöen. Das gelbe Fieber hat sich südwärts von Iquique noch nie gezeigt, und auch von der Cholera ist Chile bisher verschont geblieben.
Entsprechend der verschiedenen Bodenbeschaffenheit und dem verschiedenen Klima ist auch die Vegetation des Landes: im S. in üppiger Fülle, im N. ärmlich und spärlich verteilt oder ganz mangelnd. Während nördlich von Coquimbo der Anblick der Küsten des von Vegetation fast entblößten Landes ohne die dasselbe überragenden schneegekrönten Kordilleren noch trauriger sein würde als der Patagoniens, erblickt man bei Coquimbo schon einige grüne Thäler, und entfernter vom Meer streckt sich ein fruchtbares, grünes Land hin.
Vom 33.° an ist das Land mit grünenden Ebenen bedeckt. Bei Concepcion scheint sich die Vegetation schon alles unterworfen zu haben, und südlich vom 38.° nimmt sie den Charakter einer wirklichen Macht an. In betreff der Bodenprodukte überhaupt zerfällt Chile vom 19. bis zum 42.° südl. Br. naturgemäß in vier Zonen: die erste oder nördlichste ist eine Mineralgegend mit zahlreichen Hüttenorten (Asientos);
die zweite vom Thal [* 13] von Coquimbo bis zu dem von Aconcagua (33°) ist gemischt, sie hat Berg- und Ackerbau;
die dritte, südlich bis zum Itata (36° Br.), bildet vorzugsweise die Region der Fruchtbäume und des Getreides;
die vierte, die eigentlich südliche Zone, hat Ackerbau, Weidegründe und Wälder.
Unter den Metallen, an denen Chile einen ungemeinen Reichtum besitzt, nehmen Kupfer [* 14] und Silber die erste Stelle ein (s. unten); außerdem finden sich Gold [* 15] (an vielen Orten, doch meist in kleinen Partikeln), Eisen [* 16] (bei Atacama in fast gediegenem Zustand), Blei [* 17] (vielfach mit Silber vermischt als Galena), Zinn und Quecksilber, von sonstigen Mineralien [* 18] Schwefel, Marmor, Steinsalz, Steinkohlen, Antimonium, Salpeter (Chilisalpeter), der ganze Gegenden überzieht. Bei Copiapo gibt es viele Türkise, in mehreren Flüssen Rubine und Smaragde, schöne Amethyste am Máule.
Ebendort kommt schichtenweise die reinste Porzellanerde vor sowie ein sehr feiner schwarzer Thon, der sich selbst zum Färben eignet. Auch die einheimische Flora Chiles ist eine sehr reichhaltige und hat überdies noch alle europäischen Getreide- und Obstarten in sich aufgenommen. Ihre Haupteigentümlichkeit besteht darin, daß die Bäume zum größten Teil immergrün sind. Chile ist eine Heimat der Kartoffel und hat unter anderm die schönsten Kalceolarien als einheimische Gewächse.
Ferner gibt es viele Arzneipflanzen, [* 19] wohlriechende Gummiarten, Öl-, Seifen-, Farbe- und Gewürzpflanzen. [* 20] Unter den zahlreichen Nutz- und Bauhölzern, welche an den Hängen der Andes kräftige, von blumenreichen Wiesen durchsetzte Hochwälder bilden, ist das ausgezeichnetste die chilenische Zeder (Araucaria imbricata, hier Pehuen genannt), ein prächtiger Charakterbaum, der ca. 45 m Höhe erreicht und die besten Schiffsmasten liefert. Der Seifenbaum (Quinaja saponaria) gibt in seiner Rinde eine sehr schäumende Seife, die chilenische Buche (Fagus obliqua), der Coyque (Fagus Dombeyi), der Alerce (Libocedrus tetragona) und der Leu oder Cyprés (Thuja Andrea) ein ausgezeichnetes Bauholz, der Temo (Temnus moschata), der Mayten (Maytenus Boaria), der Rauli (Fagus procera), der Caven (Mimosa Cavenia), der Mañiu (Podocarpus chilena), der Lingue (Persea Lingue) Hölzer für Tischler. Die Früchte des Peumo (Cryptocarya Penmus) sind butterartig, die der chilenischen Kokospalme (Cocos chilensis) kaum größer als eine Kirsche; der Saft des Stammes aber dient zur ¶
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Bereitung von Palmhonig; auch sind die Früchte einiger Myrtenarten eßbar. Eine Bambusart, Coligue genannt, wird zum Dachdecken gebraucht. Was endlich die Tierwelt betrifft, so ist dieselbe durch auffallend wenige Arten vertreten; nur die Vögel [* 22] und die Krustaceen sind sehr zahlreich. Auf den Kordilleren findet man, doch selten, Guanakos und Vicunnas; in den Wäldern leben Pumas (der amerikanische Löwe, das einzige größere Raubtier [* 23] Chiles und der gefährlichste Feind der Herden), Hirsche [* 24] (Cervus chilensis und humilis), Guinnakatzen, Füchse, Wiesel, [* 25] Waschbären, Gürtel- und Beuteltiere. [* 26]
Von wertvollen Pelztieren sind fast nur die Chinchilla, der Coypú (eine Wasserratte) und der Guillin (ein Fischotter) [* 27] zu nennen. Von Landvögeln zählt Molina 135 Arten, von denen aber nur die Kolibris [* 28] und ein Star (Sturnus militaris) durch Schönheit glänzen. Unter ihnen findet sich auch der Kondor; am zahlreichsten aber sind Enten, [* 29] der chilenische Schwan (schneeweiß mit schwarzem Kopf und Hals), Reiher, Ibisse, Flamingos, Papageien, Drosseln, viele Arten kleiner Singvögel und Tauben. [* 30] Im S. finden sich patagonische Strauße. An Amphibien ist Chile arm; von Schlangen [* 31] gibt es nur eine einzige, unschädliche Art, auch keine Alligatoren, nur wenige Frösche [* 32] und Eidechsen [* 33] (darunter die Iguana, welche über ½ m lang wird), an der Küste mehrere Schildkrötenarten und große Mengen von Chonos, einer Auster, [* 34] die eine Lieblingsspeise der Eingebornen abgibt. Eßbare Fischarten, darunter mehrere Karpfen, Forellen und der Bagre, eine Welsart von ausgezeichnetem Geschmack, zählt man mehr als 200; doch hat der früher stark betriebene Fischfang sehr abgenommen. Die Insektenwelt ist nur spärlich vertreten; giftige Arten fehlen ganz, auch Moskitos und Heuschrecken. [* 35] Nur eine einheimische Spinnenart (Latrodectus formidabilis) soll durch ihren Biß gefährlich sein.
Bevölkerung.
Die Bevölkerung (ohne Antofagasta, Tarapacá, Tacna-Arica) betrug 1865: 1,819,223, 1875: 2,075,971 Seelen und wurde 1882 zu 2,237,949 Seelen geschätzt. Einschließlich von 50,000 wilden Indianern im äußersten Süden dürfte Chile Anfang 1885: 2,500,000 Einw. gehabt haben, so daß also nur 3,8 Einw. auf das QKilometer kämen. Am dichtesten ist die Bevölkerung [* 36] in den Provinzen Valparaiso, [* 37] Santiago, Concepcion und Máule, am dünnsten in Magallanes, Atacama und den von Bolivia und Peru [* 38] erworbenen Gebietsteilen.
Nach der Zählung von 1875 kamen auf 1000 männliche Bewohner nur 1009 weibliche; 35 Proz. der Bevölkerung lebten in den Städten. Die jährliche Zunahme belief sich 1865-75 auf nur 1,4 Proz., trotzdem daß auf 1000 Lebende 46 Geburten und nur 28,4 Todesfälle kommen. Jedenfalls würde der Zuwachs bedeutender sein, wenn nicht die traurigen landwirtschaftlichen Verhältnisse jährlich Tausende von Chilenen ins Ausland trieben und gleichzeitig der Einwanderung aus Europa [* 39] enge Grenzen [* 40] setzten.
Ob der in jüngerer Zeit von der chilenischen Regierung gemachte Versuch, durch Landschenkungen Einwanderer heranzuziehen, von Erfolg gekrönt sein wird, muß die Zukunft lehren. Nach 1875 zählte man im ganzen Staat nur 26,635 Ausländer, und von ihnen stammten nur 17,807 aus Europa und Nordamerika [* 41] (4678 Deutsche, [* 42] 4267 Engländer, 3314 Franzosen). Unter diesen Ausländern nehmen zwar die Engländer im Handel und Bergbau [* 43] die vornehmste Stelle ein, aber der Einfluß der Deutschen ist trotzdem wohl ein für das Land ersprießlicherer, indem ihre in den Provinzen Valdivia und Llanquihue gegründeten Kolonien sehr wesentlich zur Entwickelung der Hilfsquellen des Landes beitragen. Auch sollen (nach Fonck) die Deutschen unter allen Fremden die beliebtesten sein, weil sie sich rasch in die Sprache, [* 44] Sitten und Lebensweise des Landes einzugewöhnen wissen. Ihre Kolonien (meist von Lutheranern aus Württemberg [* 45] gegründet) blühen, und deutsche Kirchen, Schulen und Vereine sind zahlreich.
Abgesehen von den Indianern (deren Zahl indes nicht sehr bedeutend ist) sowie den wenigen Negern und ihren Mischlingen, besteht die einheimische Bevölkerung aus etwa 400,000 Abkömmlingen von eingewanderten Europäern (Spaniern) reinen Bluts und den aus der Mischung von Europäern und Indianern hervorgegangenen Mestizen. Als Hauptcharakterzug der Chilenen bezeichnet man Gutmütigkeit, Sanftheit, Fröhlichkeit, Vorliebe für Poesie und Musik, aber auch Spiel- und Prozeßsucht. Dem Fremden kommt man mit Herzlichkeit entgegen. Die Frauen reinen Bluts zeichnen sich durch Schönheit sowohl als anmutiges und doch würdevolles Benehmen aus. Arbeitsamkeit und wahre Vaterlandsliebe sind Tugenden, die der Chilene in höherm Grad besitzt als andre Abkömmlinge der Spanier in Südamerika. [* 46]
Die Zahl der Indianer, welche in Chile noch in Stämmen lebt, war schon zur Zeit der Befreiung des Landes vom spanischen Joche gering und beschränkt sich jetzt auf den Süden des Landes. Die Changos, im N. des Landes, die auf ihren zerbrechlichen, aus zwei mit Luft gefüllten Schläuchen von Seehundsfell gebildeten Balsas auf den Fischfang ausfahren, das Guanako jagen oder in den Bergwerken arbeiten, haben schon längst die spanische Sprache angenommen. Alle übrigen Indianer, von Copiapo bis zur Magelhaensstraße, gehören zum großen Stamm der Aucaes oder Araukaner (s. d. und Tafel »Amerikanische Völker«),
deren letzte Reste auf dem Festland sich 1883 freiwillig der chilenischen Regierung unterwarfen. Desselben Stammes sind die Huilli-che (»Südvolk«) auf Chiloe und die Chonos, Poyyas und Key-yas an der Küste von Magallanes. Im äußersten Süden endlich wohnen die Anacaluf (s. Feuerland).
Für die Erziehung ist in Chile mehr geschehen als in irgend einem andern Staat Südamerikas. Der Unterricht in sämtlichen vom Staat unterhaltenen Lehranstalten ist unentgeltlich. An der Spitze dieser Anstalten steht die wohlausgestattete Universität von Santiago, 1883 mit 912 Studenten. An Fachschulen gibt es eine landwirtschaftliche Schule (mit Musterwirtschaft), eine Kunstschule, eine Gewerbeschule, mehrere Bergbauschulen, ein Konservatorium für Musik, eine See- und Militärschule und 2 Lehrerseminare unter deutscher Leitung (102 Studenten).
Den Sekundärunterricht erteilen das Nationalinstitut in Santiago und 18 Provinziallyceen (1883: 4130 Schüler). An Volksschulen gab es 1883: 1198 (wovon 472 von Vereinen unterhalten wurden) mit 78,941 Schülern. Insgesamt widmeten der Staat und die Gemeinden dem Schulwesen 1883 die beträchtliche Summe von 1,907,850 Pesos. In den größern Städten findet man außerdem von Privatunternehmern geleitete Colegios. Unter den wissenschaftlichen Anstalten ragen die Nationalbibliothek und die Sternwarte [* 47] in Santiago hervor.
Erwerbszweige.
Landwirtschaft und Bergbau bilden die Hauptwerbszweige. Im J. 1875 beschäftigten sich von je 1000 Personen, deren Beschäftigung angegeben war, 414 mit Landwirtschaft, 259 in Gewerben, 154 als ¶