im allgemeinen alle
Juden, welche sich auf besonders erkennbare
Weise der gesetzlichen
Frömmigkeit befleißigen, im
Gegensatz zu dem sie umgebenden
Heidentum,
Christentum und der lauen
Religiosität ihrer Zeit. So
ist aus den Chasidäern sowohl der
Essäismus als der Pharisäismus hervorgegangen. Im engern
Sinn sind die Chasidäer ein
geheimer
Bundfrommer und altgläubiger
Juden zur Zeit der
Seleukiden mit dem
Zweck, den religiösen und nationalen
Geist unter
den Verfolgungen zu kräftigen. So wurde die
Erhebung derMakkabäer gegen das syrische
Joch durch sie vorbereitet (1.
Makk.
2, 42;. 7, 13). Chasidäer nannten sich auch die Mitglieder einer mystisch-kabbalistischen
Sekte des
IsraelBaalSchem (d. h. Wunderthäter), abgekürzt Bescht (daher Beschtianer), der, um 1740 zu Medshibosh
in
Podolien geboren, als
Prophet und Wunderthäter auftrat und bald als
Heiliger verehrt wurde. Er nahm den
Titel Zaddik (»heilig«)
an und erklärte sich für den Stellvertreter
Gottes auf
Erden, so daßAnteil an der
Gemeinschaftmit Gott
nur die mit ihm in
Verbindung Stehenden haben sollten.
Daher ist strenge Unterwerfung unter ihn erste Lebensbedingung, wogegen er seinen Gläubigen im
Gegensatz zu den frühern
Kabbalisten
heitere Lebensfreude als gottgefälligen Wandel vorschrieb, sie aus fröhlicher, meist durch den
Genuß geistiger
Getränke
und körperlicheBewegungen, wie
Springen und Händeklatschen, erzeugter
Stimmung beten lehrte, Waschungen
und besondere
Kleidung anempfahl. Die
Aussprüche des Zaddik, dessen Vermittelung bei Gott jedoch stets durch
Geschenke erkauft
werden muß, haben unbedingte
Autorität.
Sie wurden von den
Rabbinern hart verfolgt und exkommuniziert. Bei Beschts
Tod (1760) zählten sie bereits 40,000
Köpfe, und sie
nahmen zu, als Dob
Beer (Berusch) in Mizricz es noch besser als Bescht verstand, die unwissende, abergläubische
Menge auszubeuten.
Sie verbreiteten sich über
Polen,
Ungarn,
[* 6]
Galizien und die Donauländer. Beschts drei Enkel, der genannte
Beer aus Mizricz,
Rabbi Mendel aus
Przemysl,
Rabbi Maltsch aus Lazantsch, teilten sich in seine Herrschaft, infolgedessen
die
Sekte in viele kleine
Gemeinschaften zerfiel, von denen jede ihrem Zaddik gegenüber zu unbedingtem
Gehorsam verpflichtet
ist. Sie halten durch ihre Neuerungen, die Verspottung des rabbinischen Schrifttums, ihre ketzerischen
Schriften, ihre
Selbstsucht
und Geldgier die
Entwickelung des
Judentums in den
Ländern des
Ostens sehr zurück und wurden mit
Recht von
talmudischen
Autoritäten,
wie R. Elia aus
Wilna,
[* 7] befehdet. Ein
Zweig der Chasidäer sind die nach ihrem
Stifter Ahron
Karlin (ein Städtchen
bei
Pinsk) genannten
Karliner.
Auch für
Physik und
Astronomie
[* 9] lieferte er wichtige
Arbeiten, und namentlich haben seine Untersuchungen alter Nachrichten über
Sternschnuppen für die
Wissenschaft wertvolle
Resultate geliefert. Seit 1867 erregte er großes Aufsehen durch die
Publikation
angeblicher
AutographenPascals, woraus hervorging, daß dieser und nicht
Newton der Entdecker der Gravitationsgesetze sei.
Chasles war nämlich 1861 in den
Besitz einer
Autographensammlung ohnegleichen gelangt und brachte für seine Behauptungen immer
neue
Belege bei.
Schließlich mußte er aber 1869 bekennen, daß alle diese
Autographen gefälscht und er selbst das
Opfer einer Mystifikation
geworden sei. Er schrieb: »Apercu historique sur l'origine et le développement des méthodes en géometrie«
(2. Aufl., Par. 1876; deutsch von Sohncke,
Halle
[* 10] 1839);
»Traité de géometrie supérieure« (Par. 1852; deutsch von Schnuse,
Braunschw. 1856);
»Traité des sections coniques« (Par. 1865, Bd.
1);
»Rapport sur les progrès de la géometrie« (das. 1871).
2)
Philarète, franz.
Kritiker, geb. zu Mainvilliers bei
Chartres, ward von seinem
Vater, einem
alten
Jakobiner, nach Rousseauschen
Ideen erzogen und kam im
Alter von 15
Jahren in die
Lehre
[* 11] zu einem
Buchdrucker, einem eifrigen
Jakobiner, mit
dem er nach der
Restauration verhaftet wurde. Auf Verwendung
Chateaubriands freigelassen, ging er nach
England,
wo er in einer Buchdruckerei beschäftigt war und sich eine gründliche Kenntnis der englischen Litteratur
erwarb. Nach einem siebenjährigen Aufenthalt in
England (1819-1826) verweilte er kurze Zeit in
Deutschland
[* 12] (die
Frucht dieses
Aufenthalts war eine freilich ziemlich mangelhafte Übersetzung des
Jean Paulschen
»Titan«) und kehrte hierauf nach
Frankreich
zurück, wo er sich durch seineAufsätze über die
englische Litteratur in der
»Revue encyclopédie« bald
bekannt machte. 1824 wurde sein
»Discours sur la vie et les ouvrages de
JacquesAuguste de
Thou« (Par. 1824) und vier Jahre später
sein
»Tableau de la marche et des progrès de la langue et de la littérature française depuis le commencement
du XVI. siècle jusqu'en 1610« (das. 1828) zugleich mit
Saint-MarcGirardinsArbeit von der
Akademie gekrönt. 1837 wurde Chasles zum
Bibliothekar an der Bibliothèque
Mazarin und 1841 zum
Professor der nordischen
Sprachen und
Litteraturen am
Collège de
France
ernannt, welche
Stelle er bis an seinen
Tod¶
mehr
bekleidete. Er starb in Venedig. Chasles war ein ungemein fruchtbarer Schriftsteller. Außer mehreren Geschichtswerken:
»Révolution d'Angleterre; Charles I., sa cour, son peuple et son parlement« (1844; deutsch, Mainz
[* 14] 1845),
»OlivierCromwell, sa
vie privée, ses discours publics, sa correspondance particuljère« (1847) u. a., schrieb
er Romane, Novellen, Erzählungen von allen Farben, Sittenschilderungen, Reisebilder, hauptsächlich aber
(für das »Journal des Débats«, die »Revue de Paris«, »Revue des DeuxMondes« etc.) litterarische Abhandlungen und Feuilletons,
die durchgängig geistreich geschrieben sind, aber mit allzu deutlicher Absicht auf gesuchte Wendungen, Paradoxen, Überraschungen
aller Art ausgehen.
Die wichtigsten dieser Aufsätze gab E. unter dem Titel: »Études de littérature comparée«, später »Œuvres«
(1847-77) gesammelt heraus. Wir erwähnen davon: »Études sur le moyen-âge«;
»Voyages d'un critique à travers la vie et les livres«;
»Études contemporaines«;
»L'antiquité«
und »La psychologie sociale des nouveaux peuples« (aus dem Nachlaß, 1875).
Auch Übersetzungen aus dem Lateinischen und Englischen
hat Chasles geliefert. Seine »Mémoires« erschienen 1876-78 in 2 Bänden, befriedigten aber die daran geknüpften
Erwartungen nicht. - Sein Sohn Emile Chasles, geb. 1827, nacheinander Lehrer zu St.-Menehould, Mâcon und Douai, dann an den Fakultäten
zu Dijon
[* 15] und Paris, seit 1873 Generalinspekteur für den Unterricht in neuern Sprachen, veröffentlichte eine »Étude sur la
comédie au XVI. siècle« (1856); »Michel de Cervantes, sa vie, son temps, son œuvre« (2. Aufl. 1866)
u. a.