ü. M., liegt 33 km von der Hauptstadt, am östlichen Ende des gleichnamigen, von einem schiffbaren
Kanal
[* 2] durchschnittenen
seichten
Sees und hat (1877) 3493 Einw. Auf dem
See findet man noch immer, wie zur Zeit der
Azteken, »schwimmende
Gärten« (Chinampas),
auf denen
Früchte,
Gemüse und
Blumen für den
Bedarf der Hauptstadt gebaut werden.
Landschaft in
Vorderasien, südöstlich von
Babylon, am untern
Euphrat und bis an den
Rand der
ArabischenWüste
reichend, bewohnt von dem
Volk der Chaldäer (assyr. Kaldi, bei den hebräischen
Propheten Kasdîm genannt), welches seinen
erhaltenen Schriftdenkmälern nach zu den
Semiten gehörte. IhrName erscheint in den
Inschriften etwa seit 900
v. Chr.
unter den
Titeln der assyrischen
Könige, und noch später wird das ganze babylonische
Reich als »Land der Kasdîm« bezeichnet;
doch ist der
Name weit älter und mag ursprünglich vielleicht einen einzelnen
Stamm der vorsemitischen Akkadier bezeichnet
haben.
Dieselbe umfaßt einen Zeitraum von 6585 ⅓
Tagen oder von 18 julianischen
Jahren und 11
Tagen (zu 365¼
Tagen), in denen der
Mond
[* 6] 223 synodische
Umläufe zurücklegt, und diente zurZeitrechnung und zur Bestimmung der
Sonnen- und
Mondfinsternisse, welche nach Verlauf dieser Zeit in derselben
Ordnung und
Größe wiederkehren. Nach dem arabischen Astronomen
Albategnius bestimmten die Chaldäer die
Länge des
Sternjahrs zu 365
Tagen 6
Stunden 11
Minuten, woraus hervorgehen würde, daß
sie bereits die Vorrückung der
Nachtgleichen kannten, was aber in neuester Zeit aus gewichtige
Gründe
hin in Abrede gestellt wird. Ein chaldäischer Astrologe, Osthanes, der im
Gefolge des
Xerxes war, soll die
Astrologie nach
Griechenland
[* 7] gebracht haben, wo sie bereits um 400
v. Chr. sehr beliebt war. - Die alte Hauptstadt des
Landes war
Ur (einheimisch
Uru, »Stadt«); ihr gegenüber nördlich vom
Euphrat lag
Uruku (jetzt
Warka), weiter landeinwärts Nipur
(jetzt Niffer). Chaldäa
war in alten
Zeiten sehr reich bebaut, was daraus hervorgeht, daß der assyrische König Sarjukin dort 704
v. Chr.
nicht weniger als 89 feste
Städte und 820 kleinere Ortschaften eroberte, und zahllose noch jetzt deutlich erkennbare, aber
längst ausgetrocknete
Kanäle, teils zur
Schiffahrt, teils zur
Bewässerung dienend, durchschnitten das
Land zwischen
Euphrat und
Tigris und auf dem rechten, südlichen
Ufer des erstern
Stroms.
Später teilte Chaldäa die
GeschickeBabyloniens (s. d.).
In den drei ersten christlichen
Jahrhunderten stand Chaldäa unter den Partherkönigen
und genoß unter ihrer Herrschaft großerRuhe.
Bald darauf bemächtigte sich indes für 41 Jahre der persische
König
Sapores II. des
Landes. Chaldäa fing kaum wieder an aufzublühen, als die Glaubenskämpfe der drei christlichen
Parteien:
der Orthodoxen,
Nestorianer und Eutychianer
(Jakobiten), im 5.-6. Jahrh. neue Verwirrung brachten.
Die letztern blieben die zahlreichern und breiteten sich über ganz
Asien
[* 8] aus. Die
Osmanen waren den Chaldäern
anfangs günstig gesinnt und bedienten sich ihrer als
Statthalter,
Geheimschreiber und
Ärzte; bald aber teilten diese das
Los
der andern
Christen unter türkischer Herrschaft, nur behielten sie ihre
Patriarchen und Oberhäupter. Gegenwärtig versteht
man unter dem
Namen Chaldäer (Kaldani) oder chaldäische
Geister eine Religionspartei in
Vorderasien, welche
aus den Nachkommen derjenigen
Nestorianer (s. d.) besteht, die sich mit der römisch-katholischen
Kirche vereinigt, aber wie
die übrigen unierten orientalischen
Kirchen viele ihrer orientalischen
Gebräuche beibehalten haben.
Sintflutbericht, ein in
Keilschrift auf assyrischen Thontäfelchen befindlicher und erst
in jüngster Zeit (1872) von dem englischen Assyriologen
GeorgeSmith entzifferter ausführlicher
Bericht über die
Sintflut,
der uns mit der
Version der
Sage bekannt macht, wie sie in einer frühern chaldäischen
Periode erzählt wurde. Der
Bericht bildet
eine
Episode eines
Epos, das den
Helden Istubar verherrlicht, aber nur zum Teil erhalten zu sein scheint.
Istubar, ein gewaltiger
Krieger und
Jäger
(Nimrod?), erobert
Reiche und
Länder, verschmäht aber die
Liebe der
GöttinIstar und
wird mit einer
Krankheit gestraft, zu deren
Heilunger den König Sisit aus Surripah aufsucht. Dieser erzählt ihm nun die Geschichte
der
Sintflut und seiner eignen Errettung durch den Gott Hja, der ihm den Entschluß
Bels, die
Menschen wegen
ihrer Verruchtheit zu verderben, angekündigt und ihm befohlen habe, eine
Arche zu bauen und in dieser seine
Familie, seine
sämtlichen Sklaven und alle
Tiere des
Feldes zu bergen.
Hierin wie noch in manchen Einzelheiten (z. B. in dem Aussenden von
Vögeln, um zu erkunden, ob das
Wasser
gefallen sei) klingt die
Erzählung an die biblische
Überlieferung an, wie sie anderseits auch mit dem
Bericht des
Berosos (s. d.)
über den König Xisuthros (Sisit) mannigfache Übereinstimmung zeigt. Dagegen herrscht in andern
Punkten, z. B. in der Angabe
der Dauer der
Flut, über den
Namen des
Bergs, auf dem die
Arche geruht haben soll, etc., Verschiedenheit.
Im allgemeinen ist der chaldäische
Bericht ausführlicher als der des
Berosos.
Vgl. G.
Smith, Chaldean account of the deluge
(Lond. 1873; deutsch von
Delitzsch,
[* 9] Leipz. 1877);
Oppert im »Appendice« zu Ledrains
»Histoire d'Israël« (Par. 1879).
Sprache
[* 10] und Litteratur. Die chaldäische Sprache, zur nördlichen
Gruppe der semitischen
Sprachen gehörig,
bildet mit
Syrisch und Mandäisch zusammen die aramäische Abteilung derselben (s.
Aramäische Sprachen und
Semiten). Ihr
Name
rührt von ihrem Ursprung aus
Chaldäa her, wo die
Juden während der
babylonische Gefangenschaft die chaldäische Sprache annahmen
und später in ihre
Heimat mitbrachten, wo sie zur Zeit der
Makkabäer das
Hebräische auch als Schriftsprache
verdrängte; doch ist die chaldäische Sprache nur verwandt, nicht identisch mit der neuerdings entzifferten semitischen
Sprache der in
Chaldäa aufgefundenen babylonisch-assyrischen
Keilschriften.
Die ältesten Überreste der chaldäischen
Sprache sind einige
Abschnitte in den kanonischen
Büchern
(Esra
2, 4-6, 18 und 8,12-26;
Dan. 2, 4-7,. 28;
Jer.
10, 11). Gegen den Anfang der christlichen
Zeitrechnung beginnen dann die chaldäischen Übersetzungen alttestamentlicher
Bücher
(Targums), die aus sehr verschiedenen
Zeitaltern herrühren und hinsichtlich ihres linguistischen und exegetischen
Charakters
bedeutend voneinander abweichen. Im allgemeinen weisen ihre Spracheigentümlichkeiten
¶
mehr
entschieden auf syrischen Einfluß hin, der überhaupt schon sehr früh in der Ausbildung der chaldäischen Sprache bei den
Hebräern mächtig gewesen sein muß. Die chaldäischen Öriginale vieler apokryphischer Bücher, die wir aus griechischen Übersetzungen
kennen, sind verloren gegangen; auch Josephus schrieb sein Werk über den jüdischen Krieg zuerst in chaldäischer
Sprache. Die Sprache des Talmuds (s. d.) nennt man ebenfalls gewöhnlich Chaldäisch, doch ist dieselbe durchweg mehr oder weniger
mit fremden Elementen versetzt. Lexikalisch ward die chaldäische Sprache mit Erfolg zuerst von den beiden Buxtorf(Basel
[* 12] 1640) bearbeitet,
deren Wörterbuch von Fischer und Gelbe neu herausgegeben wurde (Leipz. 1866-70). Auch J. ^[Jacob] Levy lieferte
ein Wörterbuch (Leipz. 1866-68, 2 Bde.),
ein andres mit Beiträgen von Fleischer (das. 1875 ff.). Grammatiken wurden verfaßt von Fürst (Leipz. 1835), Winer (3. Aufl.
von Fischer, das. 1882) und Petermann (2. Aufl., Berl. 1872; mit Chrestomathie und Glossar). Eine Chrestomathie lieferte Kärle
(Wien
[* 13] 1852); das »ChaldäischeLesebuch« von Winer wurde neu herausgegeben von Fürst (Leipz. 1864),
der auch
ein »Hebräisches und chaldäisches Schulwörterbuch über das AlteTestament« (2. Aufl., das. 1863) und hebräisch-chaldäische
Konkordanzen des Alten Testaments lieferte (das. 1837-40). Die älteste chaldäische Übersetzung des Alten Testaments wurde
neuerdings von Lagarde (Leipz. 1873), die Bibel
[* 14] mit sämtlichen Targums in Warschau
[* 15] (1875-77, 8 Bde.) herausgegeben.