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Schrift Carlyles, die zuerst in »Fraser's Magazine« veröffentlicht wurde, führt den wunderlichen Titel: »Sartor resartus, or life and opinions of Herr Teufelsdroeckh« (deutsch von Fischer, Leipz. 1882);
sie ist offenbar unter dem Einfluß Jean Pauls entstanden und wendet sich mit schonungsloser Härte gegen die Gebrechen der Zeit.
Größere Wirkung hatte das erste umfangreiche historische Werk Carlyles, seine glänzend und hinreißend geschriebene Geschichte der französischen Revolution (»The French revolution, a history«, Lond. 1837, 3 Bde.; deutsch von Feddersen, Leipz. 1844, 3 Bde.),
die freilich ebenso wie der 1839 erschienene Essay über den »Chartismus« (s. d.) in der Form vielfach barock erscheint und einen einseitigen Maßstab [* 2] an die Betrachtung der Dinge legt, aber wie dieser voll Geist und Gedankentiefe ist. In den Jahren 1837-40 hielt Carlyle in London [* 3] mehrere Vortragscyklen, von denen eine Serie, die Vorträge über »Helden, Heldenverehrung und Heldentum in der Geschichte« (»On heroes, hero-worship and the heroic in history«, Lond. 1846; deutsch von Neuberg, Berl. 1853), gedruckt wurde.
Aus diesen vor einem kleinen, aber begeisterten Auditorium gehaltenen Vorträgen erkennt man deutlich die Weltanschauung und das politische System Carlyles. Er stellt darin fünf Typen des Heldentums auf: den Propheten (Mohammed), den Dichter (Dante und Shakespeare), den Priester (Luther und Knox), den Schriftsteller (Johnson, Rousseau, Burns), den Herrscher (Cromwell und Napoleon), und aufs nachdrückliche tritt er für das Recht des Genius ein, die Welt zu gestalten. 1845 erschien das bedeutendste historische Werk Carlyles, seine Biographie Cromwells (»Letters and speeches of Oliver Cromwell«, Lond. 1845, 5 Bde.), welches zum erstenmal, einer neuen Auffassung Bahn brechend, die ganze Größe des puritanischen Feldherrn und Staatsmanns kennen gelehrt hat.
Minder hervorragend, wenn auch auf den umfangreichsten, in Deutschland [* 4] selbst gemachten Studien beruhend ist die Geschichte Friedrichs II. (»The history of Friedrich II., called Frederick the Great«, Lond. 1858-1865, 6 Bde.; deutsch von Neuberg und Althaus, Berl. 1858-69); die Wunderlichkeiten des Stils überwuchern hier, wie man mit Recht bemerkt hat, beinahe die Gabe malerischer Darstellung. Zu den besten in englischer Sprache [* 5] geschriebenen Biographien gehört »The life of John Sterling« (Lond. 1851); die letzten historischen Arbeiten, die Carlyle veröffentlicht hat, sind Essays über die ältere Geschichte Norwegens und John Knox (»The early kings of Norway and an essay on the portraits of John Knox«, das. 1875). Inzwischen hatte Carlyle, der seiner politischen Gesinnung nach ein eifriger Konservativer war, immer aber, unbekümmert um herrschende Strömungen und populäre Richtungen, aufs energischte und rückhaltloseste mit seiner Meinung hervortrat, sich wiederholt mit Tagesfragen beschäftigt. Sein Buch »The past and the present« (Lond. 1845) ist eine leidenschaftliche Bekämpfung der Hohlheit und Lüge der modernen Gesellschaft, angeknüpft an ein Tagebuch eines Mönches aus dem 12. Jahrh);
seine »Latterday-pamphlets« (das. 1850),
unter dem Eindruck der Revolution von 1848 entstandene Weissagungen vom jüngsten Tag, verfolgen ähnliche Tendenzen. 1867 bekämpfte er unter dem seltsamen Titel: »Shooting Niagara - and after?« die Agitation für demokratische Parlamentsreform;
1871 trat er in seinen »Letters on the war between Germany and France« gegen die in England herrschende Strömung auf das entschiedenste für das Recht Deutschlands [* 6] gegen Frankreich ein;
endlich veröffentlichte er noch während der orientalischen Wirren eine Streitschrift zu gunsten Rußlands, wie denn der gewöhnlich Gladstone zugeschriebene Ausdruck »the unspeakable Turk« in Wirklichkeit von ihm herrührt.
Ohne jemals im vulgären Sinn des Worts populär zu sein, hat doch kein neuerer Schriftsteller auf die Litteratur, vielleicht auf die ganze geistige Entwickelung seines Vaterlandes so sehr eingewirkt wie Carlyle, und wenigstens in seinem höhern Alter wurde der Kreis [* 7] geistig hochstehender Verehrer, die bewundernd zu dem Greis von Chelsea hinaufschauten, größer und größer. 1865 ward er als Nachfolger Gladstones gegen Disraeli zum Rektor der Universität Edinburg [* 8] erwählt; 1875 wurde in England zur Feier seines 80. Geburtstags eine goldene Medaille geprägt, und die Koryphäen der Litteratur, Darwin, Forster, Hooker, Max Müller, Tennyson, begrüßten ihn durch eine Adresse, während ihm aus Deutschland eine andre Adresse, unterzeichnet unter andern von Droysen, Gneist und seinem Altersgenossen Leopold v. Ranke, übersandt wurde. Er starb in London als der allgemein betrauerte Nestor der englischen Schriftstellerwelt.
Eine Gesamtausgabe der Werke Carlyles erschien in 37 Bänden (Lond. 1872-74). Anthologien aus seinen Schriften sind wiederholt herausgegeben, so von Ballantyne (Lond. 1870), von Barrel (New York 1876), von Williamson (»Carlyle's birthday book«, Lond. 1879). Eine deutsche Ausgabe ausgewählter Schriften besorgte Kretzschmar (Leipz. 1855-56, 6 Bde.); Goldkörner aus seinen Werken, verbunden mit einem Lebensbild, veröffentlichte E. Oswald (Leipz. 1882). Aus seinem Nachlaß gab J. A. ^[James Anthony] Froude »Reminiscences« heraus (Lond. 1881, 2 Bde.), Lebensbilder seines Vaters, seiner Gattin, seines Jugendfreundes Edw. Irving und dreier schriftstellerischer Zeitgenossen (Lord Jeffrey, Southey, Wordsworth), die viel Anstoß erregten und wohl besser nicht veröffentlicht wären. Aus der großen Zahl der Schriften über Carlyle heben wir hervor: Hood, Thomas Carlyle, philosophic thinker (Lond. 1875);
Fischer, Thomas Carlyle (Leipz. 1881);
Shepherd, Memoirs of the life and writings of Thomas Carlyle (Lond. 1881, 2 Bde.);
Froude, Th. a history of the first forty years of his life (das. 1882, 2 Bde.);
Masson, Carlyle personally and in his writings (das. 1885).