bei Beginn der
Bewegung von 1848 als außerordentlicher
Kommissar von der
Regierung nach
Leipzig
[* 2] geschickt und riet zu
Konzessionen,
was ihm plötzliche
Popularität, von seiten der konservativen
Partei viel ungerechtfertigten
Tadel zuzog.
Unmittelbar darauf
trat er mit dem Gesamtministerium ab, zog sich vorderhand ins Privatleben auf sein
Gut Altscherbitz bei
Schkeuditz zurück, wurde aber im
Herbst 1849 zu
Dresden
[* 3] in die sächsische Erste
Kammer gewählt. Ein Anhänger der preußischen
Union, vertrat er eifrig die Aufrechthaltung des Bündnisses vom dem
MinisteriumBeust gegenüber und schied, da
er nicht durchdrang, aus der
Kammer.
In der aufgelösten
Kammer von 1862 näherte sich der ehemalige entschiedene Aristokrat der sogen.
Fortschrittspartei. Auf
dem konstituierenden
Reichstag des Norddeutschen
Bundes bekämpfte er anfangs die Regierungsvorlage und bemühte sich, dieselbe
in liberalem
Sinn umzugestalten, votierte aber bei der Schlußabstimmung für die
Verfassung. Seitdem lebte
er, vom öffentlichen
Leben zurückgezogen, in seiner
HeimatSachsen.
[* 9] Er starb in
Kötzschenbroda.
Auch an dem parlamentarischen
Leben beteiligte er sich und vertrat von 1850 bis 1866 erst die
UniversitätUpsala, dann die
Akademie der
Wissenschaften auf den
Reichstagen. 1872 wurde er zum Mitglied der Ersten
Kammer des
Reichstags gewählt. Er
ist als historischer Schriftsteller sehr fruchtbar gewesen; sein Hauptwerk ist die in sachlicher und formeller Hinsicht sehr
anerkennenswerte »Geschichte
Schwedens« (Gotha
[* 14] 1855-74),
welche er als Fortsetzung (Bd. 4 u.
5) des von
Geijer begonnenen Werkes für die
Heeren-Ukertsche Sammlung »Geschichte der europäischen
Staaten« verfaßte. Dieselbe
erschien auch in schwedischerSprache
[* 15]
als
»Sveriges historia under konungarne af Pfalziska huset« (Stockh.
1855-85, Bd. 1-7). Daneben verdienen noch erwähnt zu werden
die
Schriften: »Om stats-hvälfningen i
Sverige under konung
Carl XIs regering« (Stockh. 1856);
»Om fredsunderhandlingarne åren
1709-18« (das. 1859);
»Om den Svenska statsforwaltningens förändrade skick under konung
Carl XIs regering« (1858) und
»Om 1680 års riksdag« (das. 1860).
R. et P., Pflanzengattung aus der
Familie der
Cyklanthaceen,
Gewächse des tropischen
Amerika,
[* 16] zum Teil mit
langen, kletternden
Stämmen und
Luftwurzeln oder stammlos dichte Gebüsche bildend. Sie haben große, gefaltete, tief eingeschnitten
Blätter, unscheinbare
Blüten und vierseitige
Beeren mit zahlreichen
Samen.
[* 17] Carludovica palmata W., in
Neugranada,
Ecuador
[* 18] und
Panama,
[* 19] wächst an feuchten, schattigen
Stellen, ist stammlos und trägt auf 2-4 m hohen Blattstielen über 1,25
m breite
Blätter, welche durch tiefe
Einschnitte gefiederten Palmblättern ähnlich sind. Diese
Blätter liefern das
Material
für die echten Panamahüte. Man kultiviert diese und andre
Spezies in unsern Warmhäusern.
Außer mehreren Übersetzungen mathematischer Werke hatte er schon seit 1823 an
SirDavidBrewsters »Edinburgh Encyclopaedia«
und an der »Edinburgh
Review« mitgearbeitet, insbesondere
Essays über
Montesquieu,
Montaigne,
Nelson, die
beiden
Pitt und über
Goethes
»Faust« veröffentlicht. Die neuere
deutsche Litteratur nahm ihn damals ganz gefangen, und niemand
mehr als Carlyle hat dazu beigetragen, ihre Kenntnis den Engländern zu vermitteln. Im Zeitraum weniger Jahre publizierte
er eine Übersetzung vonGoethes
»WilhelmMeister«: »WilliamMeister's apprenticeship« (Edinb. 1825, 3 Bde.),
und eine Auswahl von Übersetzungen
aus
Goethe,
Fouqué,
Tieck,
Musäus,
Jean Paul,
Hoffmann u. a. mit kritischen und biographischen
Einleitungen unter dem
Titel:
»German
romances« (Edinb. 1827, 4 Bde.)
sowie ein große Anzahl kleinerer
Aufsätze, z. B. über
Werner,
Novalis, den Briefwechsel
Goethes mit
Schiller,
Heine, das
Nibelungenlied etc., die später mit andern in der Sammlung seiner
»Essays« (5 Bde.) vereinigt sind. Durch diese
Schriften war Carlyle zu
Goethe in Beziehungen getreten; ein Briefwechsel zwischen beiden ward angeknüpft,
Goethe selbst
leitet die 1830 in
Frankfurt
[* 22] erschienene deutsche Übersetzung der
Schiller-Biographie ein, und der junge englische
Gelehrte
blieb sein lebenlang ein begeisterter Verehrer des
Weimarer Dichterfürsten. Die nächste größere
¶
mehr
Schrift Carlyles, die zuerst in »Fraser'sMagazine« veröffentlicht wurde, führt den wunderlichen Titel: »Sartor resartus, or
life and opinions of Herr Teufelsdroeckh« (deutsch von Fischer, Leipz. 1882);
sie ist offenbar unter dem Einfluß JeanPauls
entstanden und wendet sich mit schonungsloser Härte gegen die Gebrechen der Zeit.
GrößereWirkung hatte
das erste umfangreiche historische Werk Carlyles, seine glänzend und hinreißend geschriebene Geschichte der französischen
Revolution (»The French revolution, a history«, Lond.
1837, 3 Bde.; deutsch von Feddersen, Leipz.
1844, 3 Bde.),
die freilich ebenso wie der 1839 erschienene Essay über den »Chartismus« (s. d.) in der Form vielfach barock
erscheint und einen einseitigen Maßstab
[* 24] an die Betrachtung der Dinge legt, aber wie dieser voll Geist und
Gedankentiefe ist. In denJahren 1837-40 hielt Carlyle in London mehrere Vortragscyklen, von denen eine Serie, die Vorträge über
»Helden, Heldenverehrung und Heldentum in der Geschichte« (»On heroes,
hero-worship and the heroic in history«, Lond. 1846; deutsch von Neuberg,
Berl. 1853), gedruckt wurde.
Aus diesen vor einem kleinen, aber begeisterten Auditorium gehaltenen Vorträgen erkennt man deutlich die Weltanschauung und
das politische System Carlyles. Er stellt darin fünf Typen des Heldentums auf: den Propheten (Mohammed), den Dichter (Dante und
Shakespeare), den Priester (Luther und Knox), den Schriftsteller (Johnson, Rousseau, Burns), den Herrscher (Cromwell
und Napoleon), und aufs nachdrückliche tritt er für das Recht des Genius ein, die Welt zu gestalten. 1845 erschien das bedeutendste
historische Werk Carlyles, seine BiographieCromwells (»Letters and speeches of Oliver Cromwell«, Lond. 1845, 5 Bde.),
welches zum erstenmal, einer neuen Auffassung Bahn brechend, die ganze Größe des puritanischen Feldherrn
und Staatsmanns kennen gelehrt hat.
Minder hervorragend, wenn auch auf den umfangreichsten, in Deutschland selbst gemachten Studien beruhend ist die Geschichte
Friedrichs II. (»The history of Friedrich II., called Frederick the Great«, Lond. 1858-1865, 6 Bde.;
deutsch von Neuberg und Althaus, Berl. 1858-69); die Wunderlichkeiten des Stils überwuchern hier, wie
man mit Recht bemerkt hat, beinahe die Gabe malerischer Darstellung. Zu den besten in englischer Sprache geschriebenen Biographien
gehört »The life of JohnSterling« (Lond. 1851); die letzten historischen Arbeiten, die Carlyle veröffentlicht hat, sind Essays
über die ältere Geschichte Norwegens und JohnKnox (»The early kings of Norway and an essay on the portraits
of JohnKnox«, das. 1875). Inzwischen hatte Carlyle, der seiner politischen Gesinnung nach ein eifriger Konservativer war, immer aber,
unbekümmert um herrschende Strömungen und populäre Richtungen, aufs energischte und rückhaltloseste mit seiner Meinung
hervortrat, sich wiederholt mit Tagesfragen beschäftigt. SeinBuch »The past and the present« (Lond. 1845)
ist eine leidenschaftliche Bekämpfung der Hohlheit und Lüge der modernen Gesellschaft, angeknüpft an ein Tagebuch eines Mönches
aus dem 12. Jahrh);
endlich veröffentlichte er noch während der orientalischen Wirren eine Streitschrift zu gunsten
Rußlands, wie denn der gewöhnlich Gladstone zugeschriebene Ausdruck »the unspeakable Turk« in Wirklichkeit von ihm herrührt.
Ohne jemals im vulgären Sinn des Worts populär zu sein, hat doch kein neuerer Schriftsteller auf die Litteratur, vielleicht
auf die ganze geistige Entwickelung seines Vaterlandes so sehr eingewirkt wie Carlyle, und wenigstens in seinem
höhern Alter wurde der Kreis geistig hochstehender Verehrer, die bewundernd zu dem Greis von Chelsea hinaufschauten, größer
und größer. 1865 ward er als Nachfolger Gladstones gegen Disraeli zum Rektor der UniversitätEdinburg erwählt; 1875 wurde
in England zur Feier seines 80. Geburtstags eine goldene Medaille geprägt, und die Koryphäen der Litteratur,
Darwin, Forster, Hooker, MaxMüller, Tennyson, begrüßten ihn durch eine Adresse, während ihm aus Deutschland eine andre Adresse,
unterzeichnet unter andern von Droysen, Gneist und seinem Altersgenossen Leopold v. Ranke, übersandt wurde. Er starb in
London als der allgemein betrauerte Nestor der englischen Schriftstellerwelt.
Eine Gesamtausgabe der Werke Carlyles erschien in 37 Bänden (Lond. 1872-74). Anthologien aus seinen Schriften sind wiederholt
herausgegeben, so von Ballantyne (Lond. 1870), von Barrel (New York 1876), von Williamson (»Carlyle's birthday book«, Lond.
1879). Eine deutsche Ausgabe ausgewählter Schriften besorgte Kretzschmar (Leipz. 1855-56, 6 Bde.);
Goldkörner aus seinen Werken, verbunden mit einem Lebensbild, veröffentlichte E. Oswald (Leipz. 1882). Aus seinem Nachlaß
gab J. A. ^[JamesAnthony] Froude »Reminiscences« heraus (Lond. 1881, 2 Bde.),
Lebensbilder seines Vaters, seiner Gattin, seines JugendfreundesEdw. Irving und dreier schriftstellerischer Zeitgenossen (LordJeffrey, Southey, Wordsworth), die viel Anstoß erregten und wohl besser nicht veröffentlicht wären. Aus
der großen Zahl der Schriften über Carlyle heben wir hervor: Hood, Thomas Carlyle, philosophic thinker (Lond. 1875);