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Christi durch den Glauben; in der Lehre [* 2] von der Gnade und dem freien Willen nahm er eine absolute Vorherbestimmung der Gläubigen zur Seligkeit, der Ungläubigen zur Verdammnis (Prädestinationslehre) an, und in Ansehung der kirchlichen Gebräuche drang er auf gänzliche Abschaffung aller nicht ausdrücklich in der Heiligen Schrift begründeten Zeremonien.
Von Basel
[* 3] begab sich Calvin
1536 auf kurze Zeit an den
Hof
[* 4] der Herzogin von
Ferrara,
[* 5] mußte aber von da fliehen,
besuchte nochmals seine Vaterstadt und gedachte sich dauernd in
Straßburg
[* 6] oder Basel
niederzulassen. Auf dieser
Reise (im
August
1536) kam er durch Genf,
[* 7] wo die neue
Lehre nach langem
Kampf seit einem Jahr durch einen Regierungsbeschluß
förmlich eingeführt war. Die Verkündiger derselben waren hier die beiden
Prediger
Wilhelm
Farel und
Peter
Viret.
Farel lud Calvin
ein,
in Genf
sein
Gehilfe zu werden; Calvin
weigerte sich anfangs, willfahrte aber dann, als ihm
Farel mit dem
Fluche
Gottes drohte, wenn er
sich dem an ihn ergangenen
Ruf widersetze. Calvin
nahm die
Stelle als
Prediger und
Lehrer der
Theologie in Genf
an
und widmete sich seinem
Amt mit der angestrengteste Thätigkeit. Er lehrte auf der
Kanzel und dem
Katheder, richtete in den
benachbarten Gegenden das Kirchenwesen ein, schlichtete Streitigkeiten, schrieb außer vielen andern
Schriften einen großen und einen kleinen
Katechismus und verfocht in häufigen
Disputationen seine Meinungen gegen jeden
Angriff
mit Hartnäckigkeit und überlegenem
Geist.
Sein Anhang bestand vorzugsweise aus eingewanderten französischen
Protestanten; diesen stand ein beträchtlicher Teil der
eingebornen
Genser als sogen.
Libertiner entgegen, denen die
Lehre Calvins
zu herb war, und welche als
Freunde
der
Schweizer die freiere
Richtung
Zwinglis vorgezogen hätten. Die Erbitterung zwischen beiden
Parteien wurde so stark, daß 1583 Calvin
und
Farel, welche ihren Gegnern das
Abendmahl verweigerten, aus Genf
verbannt wurden. Calvin
begab sich über Basel
nach
Straßburg.
Hier, wo
Martin
Bucer schon seit zehn
Jahren die
Reformation befestigt hatte, fand Calvin
ehrenvolle
Aufnahme,
hielt theologische Vorlesungen und gründete eine französisch-reformierte
Gemeinde. Durch
Teilnahme am
Frankfurter
Reichstag
1539, am
Religionsgespräch zu
Worms
[* 8] 1540 und zu
Regensburg
[* 9] 1541 trat er mit
Melanchthon in freundschaftliche Beziehungen. Dabei
waren aber seine
Blicke fortwährend nach Genf
gerichtet, woselbst unterdessen Calvins
Anhänger die Oberhand
im
Rat erlangt hatten.
Schriftliche Einladungen an denselben führten nicht zum
Ziel, da die
Straßburger ihn nicht von sich lassen wollten. Erst
als im Mai 1541 eine feierliche Gesandtschaft des
Genfer
Rats und der dortigen
Bürgerschaft in
Straßburg erschien, trennte
sich Calvin
von
Straßburg. Im
September 1541 kam Calvin
in Genf
an und legte sogleich dem
Rate daselbst seinen
Plan zur
Verbesserung der
Kirchendisziplin vor, der ohne
Widerspruch angenommen wurde. Dieser
Verordnung gemäß sollten von den
Predigern
in
Vorschlag zu bringende, von der
Gemeinde zu bestätigende
Älteste bestellt werden, deren zwölf in
Gemeinschaft mit sechs
Predigern die oberste kirchliche Behörde, das
Konsistorium, bildeten.
Dieses hatte das Recht, Gesetze zu geben sowie Verächter des Gottesdienstes, sittenlose Personen und Verbreiter heterodoxer Meinungen ohne Rücksicht auf ihren Stand zur Rechenschaft zu ziehen und der weltlichen Obrigkeit zur Bestrafung zu übergeben. Hierdurch hauptsächlich drückte er der Genfer Reformation einen theokratischen Charakter auf. Jede, auch die bescheidenste Opposition gegen seine Ansichten wurde unterdrückt und die Thaten, Mienen und Worte eines jeden Bewohners von Gens streng überwacht.
Ein Anführer der Libertiner, Berthelier, Sohn eines Genfer Freiheitsmärtyrers, wurde sogar mit fünf Gesinnungsgenossen als Aufrührer enthauptet (1555). Dabei wurden theatralische Aufführungen und Tänze untersagt. Auch die Taufe auf andre als biblische Vornamen und sogar das Tragen deutsch-schweizerischer Trachten wurden verboten, ohne daß sich deshalb die Sitten im mindesten verbessert hätten. Auch gegen das Hexenwesen wurde unter Calvin mit massenhaften Verbrennungen eingeschritten.
Mit gleicher Strenge wurden Schriften und Meinungen, die das geistliche Tribunal verdammte, gerichtet. Jakob Gruet wurde 1547 enthauptet, weil er gottlose Briefe und unsittliche Verse geschrieben, auch die kirchliche Ordnung umzustürzen versucht habe. Wegen Widerspruchs gegen Calvins Prädestinationslehre wurde 1551 Bolsec aus Genf verbannt; das berühmteste Beispiel aber von Calvins Glaubenstyrannei ist die Hinrichtung des Spaniers Servet (s. d.) wegen heterodoxer Ansicht über die Trinität 1553. Diese Mordszene fällt übrigens den Vorurteilen des ganzen Zeitalters zur Last; auch die Lutheraner, sogar Melanchthon, haben die Hinrichtung eine That der Gerechtigkeit genannt.
Bald nach Servets Tod ward der Antitrinitarier Gribaldo aus Genf verwiesen. Calvins wahrhaft unermeßliche Thätigkeit erhielt durch die 1559 von ihm bewirkte Stiftung einer theologischen Akademie in Genf, der ersten reformierten Universität, einen neuen bedeutenden Zuwachs. Theodor Beza, seinem ihm sehr ergebenen Schüler, übertrug er das Rektorat, er selbst wollte nur Professor der Theologie sein. Aus dieser Pflanzschule gingen die kühnen und geistvollen Männer hervor, welche die reformierte Lehre den kommenden Geschlechtern bewahrten und in andre Länder, zum Teil in weite Ferne trugen. 1549 schon hatte sich Calvin mit den Zürichern (Consensus Tigurinus) über die Abendmahlslehre geeinigt.
Diese Vereinbarung fand die Zustimmung der übrigen evangelischen Kirchen der Schweiz, [* 10] erregte aber den Zorn der Lutheraner, als deren Wortführer Westphal und Heßhusius in eine erbitterte Polemik mit Calvin gerieten. Calvins schwächlicher Körper erlag endlich den ununterbrochenen Anstrengungen und zunehmender Kränklichkeit. Calvin starb seine Gattin (er hatte 1540 Idelette v. Bures, verwitwete Störder, geheiratet) war 1549, sein einziger Sohn noch früher gestorben.
Calvins bleiche und magere Gesichtszüge mit dem langen, schlichten Bart waren die eines kränklichen Mannes; aus der hohen, reinen Stirn und aus den ernst und scharf blickenden Augen aber sprach ein gelehrter, feiner, fester Geist. Seine Uneigennützigkeit ist vielfach bewundert worden. Er predigte beinahe täglich, hielt wöchentlich drei theologische Kollegien, versäumte keine Sitzung des Konsistoriums, leitete die Verhandlungen der Predigergesellschaft, erließ juristische und theologische Gutachten, führte die wichtigsten politischen Verhandlungen, verfaßte seine gediegenen Werke, darunter die ^vortrefflichen Bibelkommentare, und neben diesem allen erstreckte sich sein Briefwechsel nach allen Ländern Europas. Außer seinen gedruckten Werken bewahren die Genfer und Züricher Bibliotheken als Zeugnisse seiner Thätigkeit an 3000 handschriftliche Predigten, Abhandlungen etc. Er schrieb, solange er noch die Feder halten konnte, und als ihm die Krankheit dies nicht mehr erlaubte, diktierte er von seinem Lager [* 11] aus. An Kenntnis der klassischen Litteratur, an ¶
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Darstellungsgabe und Feinheit des Geistes war Calvin (nach Spittlers Urteil) allen andern Reformatoren weit überlegen. Seine Gemütsstimmung war meist melancholisch und finster. Sein harter und unbeugsamer Sinn steigerte sich, durch Widerspruch gereizt, bis zu bitterm Hohn und stolzer Verachtung gegen diejenigen, welche sein Scharfsinn durchschaute und sein Geist beherrschte. Calvins Werke, namentlich seine »Institutio religionis christianae« (zuerst lateinisch 1536, später öfter, auch französisch, am besten von Rob. Stephanus 1559, neuerlich von Tholuck, 2. Aufl., Berl. 1846, herausgegeben) und seine »Commentarii in libros N. T.« (hrsg. von demselben, das. 1833-34, 7 Bde.; 4. Aufl., das. 1864, 4 Tle.),
sind noch heute für die theologische Wissenschaft von Bedeutung. Eine Gesamtausgabe seiner Werke besorgen Baum, Reuß [* 13] und Cunitz im »Corpus reformatorum« (Braunschw. 1863-84, Bd. 1-28). Calvins Briefe wurden von Bonnet (Par. 1854, 2 Bde.) herausgegeben.
Von Calvin rührt auch die Verbesserung der französischen Bibel [* 14] (nach Olivetans Übersetzung) her. Sein Leben beschrieben von feindlicher Seite Bolsec (Par. 1577; neu hrsg. von Chastel, Lyon [* 15] 1875), von befreundeter Th. Beza (Genf 1576; neue franz. Bearbeitung von Franklin, das. 1864); neuerdings Henry (Hamb. 1835-44, 3 Bde.; Auszug in 1 Bd. 1846), Bungener (2. Aufl., Genf 1863; deutsch, Leipz. 1863), Stähelin (Elberf. 1863), Viguet und Tissot ( Calvin d'après Calvin«, das. 1864); vom katholischen Standpunkt: Audin (6. Aufl., Par. 1873, 2 Bde.; deutsch von Egger, Augsb. 1843-44, 2 Bde.).
Vgl. auch außer den allgemeinen reformationsgeschichtlichen Werken: Galiffe, Quelques pages d'histoire exacte sur les procès intentés à Genève en 1547-59 (Vevey 1862);
Derselbe, Nouvelles pages d'histoire exacte, etc. (das. 1863);
Kampschulte, Johann Calvin, seine Kirche und sein Staat in Genf (Leipz. 1869, Bd. 1);
Lobstein, Die Ethik Calvins (Straßb. 1877);