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Er sich, sein
Amt freiwillig niederzulegen. Nach dem
Tod seiner
Gattin (1784) siedelte er nach
Göttingen
[* 2] über, um sich durch
Privatvorlesungen über
Ästhetik, deutschen
Stil und ähnliche Gegenstände eine neue
Existenz zu begründen, und verband
sich
im Juni 1785 endlich mit seiner geliebten
Molly auch am
Altar.
[* 3] Ihr früher
Tod stürzte ihn
von neuem in das tiefste Seelenleid und benahm ihm auf lange alle Lust zu dichterischem
Schaffen. Die
Universität erteilte
ihm bei ihrem 50jährigen
Jubiläum die philosophische Doktorwürde und ernannte ihn im
November 1789 zum außerordentlichen
Professor, jedoch ohne
Gehalt.
Der
Wunsch nach einem geordneten Hausstand veranlaßte Bürger zu einer dritten
Heirat, der unglücklichsten
von allen. Im
Oktober 1790 verband
er sich mit seinem »Schwabenmädchen« (s.
Bürger 2); aber schon nach wenigen
Wochen trat die unglückseligste Zerrüttung des Familienlebens ein, der zwar durch eine
Ehescheidung (März 1792) ein Ende gemacht wurde, jedoch nicht, ohne daß Lebensmut und Lebenshoffnungen
in Bürger völlig vernichtet worden. Einsam verbrachte er
Wochen und
Monate im Studierzimmer; die
Freunde waren gestorben oder flohen
den Unglücklichen, und das einzige, was ihn noch erhob, das
Bewußtsein seines Dichterwerts, ward ihm von
Schiller (s. unten)
entrissen. Um die nötigen Subsistenzmittel zu gewinnen, lieferte er Übersetzungen für auswärtige
Buchhändler.
Erst als der schwindsüchtige Mann auch die Arbeitsfähigkeit verloren hatte, bewilligte ihm das Universitätskuratorium, statt des erbetenen Gehalts, eine einmalige Unterstützung von 50 Thalern. Er starb und hinterließ zwei Töchter und zwei Söhne. Ein Denkmal wurde ihm an seinem Lieblingsplätzchen in einem öffentlichen Garten [* 4] gesetzt. Bürger war klein und hager, die Gesichtszüge waren zu groß für seine Gestalt, aber Stirn und Nase [* 5] kühn, und durch die schönen Augen schimmerte der schaffende Dichtergeist.
Gesellige Gewandtheit ging ihm ab, und seinem Charakter fehlte, bei einem hohen Grad von Herzensgüte, die Willensstärke. Bürgers Dichtertalent gedieh nur langsam zur Entwickelung, und auch später war seine Produktion nie leicht und mühelos. Erst das Studium der alten und neuern Musterschriftsteller hatte die Schwingen seines Dichtergeistes gekräftigt, und hauptsächlich war es die unerbittliche kritische Strenge Boies, welche für Bürger der Sporn zu einer feinern und korrektern Abrundung seiner Gedichte wurde.
Das Organ der Veröffentlichung für diese blieb der 1770 von Gotter und Boie gestiftete »Musenalmanach«. Seine berühmteste Dichtung ist die Ballade »Lenore«, auf welche er während seiner Amtsführung zu Altengleichen durch das Bruchstück einer alten, wahrscheinlich verloren gegangenen Volksdichtung geführt wurde. Diese mit allgemeiner Begeisterung begrüßte Ballade erschien, nachdem sie gemäß der Kritik des Göttinger Dichterbundes mehrfach umgearbeitet worden war, im »Musenalmanach« für 1774. Im J. 1778 übernahm an Göckingks Statt die Redaktion des »Göttinger Musenalmanachs« und gab die erste Sammlung seiner »Gedichte« (neue Aufl. 1789, 2 Bde.) heraus.
Schiller wirft in seiner Rezension derselben in der »Allgemeinen Litteraturzeitung« von 1791 Bürger vor, daß seine Gedichte keinen reinen Genuß böten, daß ihm durchaus der ideale Begriff von Liebe und Schönheit fehle, daher seine Gedichte zu oft in die Gemeinheit des Volkes hinabsänken, statt dieses zu sich zu erheben, daß überhaupt der Geist, der sich in seinen Gedichten ausspreche, kein gereifter sei, daß seinen Produkten nur deshalb die letzte Hand [* 6] der Veredelung fehle, weil sie ihm wohl selbst fehle.
Dies wenn auch strenge Urteil mag bestehen, wenn man das Gegengewicht der Vorzüge Bürgers gelten läßt. Denn die Wärme [* 7] seiner Empfindung, die unmittelbaren und ergreifenden Naturtöne der Innerlichkeit, die Weichheit und zugleich die Kraft [* 8] des Ausdrucks, die Mannigfaltigkeit der Formen, die er beherrschte, werden ihm unter den deutschen Lyrikern immer einen bedeutenden Platz sichern. In der Ballade hat er (einige verfehlte abgerechnet) sehr Hervorragendes geleistet, und der melodische Fluß seiner Lieder ist oft von höchster Schönheit.
Seine Übersetzungen sind, wie der
Versuch einer
Ilias in
Iamben und seine
Macbeth-Bearbeitung, meistens
durch die Anwendung falscher Übersetzungsprinzipien mißlungen. Am treffendsten hat über Bürger wohl A. W.
Schlegel in seinen
»Charakteristiken und
Kritiken« geurteilt. Eine Sammlung von
Bürgers sämtlichen
Schriften veranstaltete
Reinhard
(Götting. 1796-1798, 4 Bde.,
u. öfter; zuletzt 1860, 4 Bde.).
Derselbe gab auch
Bürgers »Lehrbuch der
Ästhetik« (Berl. 1825, 2 Bde.)
und »Handbuch des deutschen
Stils« (das. 1826) nach seinen in
Göttingen gehaltenen Vorlesungen und als einen Supplementband
dessen Ȁsthetische
Schriften« (das. 1832) heraus. Die von
Bohtz besorgte »Gesamtausgabe in Einem
Band«
[* 9]
(Götting. 1835) enthält
auch einige
Briefe
Bürgers und Althofs vortreffliche, zuerst 1798 zu
Göttingen unter dem
Titel: »Einige
Nachrichten von den vornehmsten Lebensumständen etc.« erschienene
Biographie des Dichters. Die von E.
Grisebach besorgte
Ausgabe
von
»Bürgers Werken« (Berl. 1873, 2 Bde.)
enthält nur eine Auswahl nebst biographisch-litterarischer
Skizze.
Neue
Ausgaben der Gedichte allein mit
Einleitung und Anmerkungen
veröffentlichten Tittmann (Leipz. 1869) und
Sauer (Stuttg. 1884).
Bürgers
Leben beschrieben außer Athof
^[richtig: Althof] noch
Döring (Berl. 1826; neue Ausg.,
Götting. 1848) und in neuerer Zeit
Pröhle (Leipz. 1856), während
O.
Müller das
Leben des Dichters in einem
Roman ein deutsches Dichterleben«, Frankf. 1845) bearbeitete, den
Mosenthal (in dem
Stück und
Molly«) dramatisierte. Außerdem sind über des Dichters
Leben zu vergleichen: »Bürgers
Briefe
an
Marianne
Ehrmann« (hrsg. von
Th. F.
Ehrmann, Weim. 1802);
»Bürgers Ehestandsgeschichte« (Berl. 1812),
woraus »Bürgers letztes Manuskript« (Leipz. 1846) in besonderm Abdruck erschien;
Daniel, Bürger auf der Schule (Halle [* 10] 1845);
Gödeke, Gottfried August in Göttingen und Gellienhausen (Hannov. 1873);
Strodtmann, Briefe von und an Bürger (Berl. 1874, 4 Bde.).
2) Elise, eigentlich Marie Christiane Elisabeth, geborne Hahn, [* 11] geb. zu Stuttgart, [* 12] dritte Gattin des vorigen, dem sie 1789 öffentlich ihre Hand in einem Gedicht antrug, welches in Bürgers Schriften (Bd. 2) zu finden ist. Bürger nahm anfangs die Sache für einen Scherz, gab aber dann auf Andringen seiner Freunde eine poetische Antwort, woran sich eine Korrespondenz knüpfte, in welcher in einem denkwürdigen Brief seine ganzen frühern Lebensverhältnisse ohne Schleier darstellte. Bürger reiste in den Osterferien 1790 nach Stuttgart und führte im Herbst sein »Schwabenmädchen« zum Altar. Die Ehe ergab sich bald als eine unglückliche, und Bürger empfand nur zu bald die Folgen der Zerstreuungssucht, Eitelkeit und offenbaren Untreue seiner Frau. Sie verließ ihn im Februar 1792 und wurde 31. März gerichtlich von ihm geschieden. Sie trat nun zuerst als Schauspielerin unter dem Namen Elise Bürger auf den Bühnen zu Hamburg [* 13] und Altona, [* 14] zu Hannover [* 15] und Dresden [* 16] auf, reiste zuletzt als Deklamatrice und ¶
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plastisch-mimische Darstellerin in Deutschland [* 18] umher und starb, seit den letzten Jahren erblindet, in Frankfurt [* 19] a. M. Man hat von ihr: »Gedichte« (Hamb. 1812),
die Schauspiele: »Adelheid, Gräfin von Teck« (das. 1799),
»Das Boukett« und »Die Heiratslustigen« (Lemgo 1801),
den Roman »Irrgänge des weiblichen Herzens« (Altona 1799).
Vgl. Ebeling, G. A. Bürger und Elise Hahn (2. Aufl., Leipz. 1870).