in der
Regel jeder
Unterthan des betreffenden
Staats, welcher sich im
Besitz des Staatsbürgerrechts befindet. Bei der
Aufnahme
zum Bürger muß man noch Bürgerskinder von andern
Personen unterscheiden: erstere sind geborne Bürger (cives originarii), wenn die
Eltern zur Zeit der
Geburt das
Bürgerrecht hatten, oder sie erlangen das
Bürgerrecht doch leichter als
die
Fremden, nämlich gegen Entrichtung eines geringern Bürgergeldes.
Uneheliche Kinder folgen ihrer
Mutter, haben Anspruch
aufs
Bürgerrecht, erlangen es aber vielfach erst dann, wenn sie die Erfordernisse, die das
Gesetz vorschreibt, erfüllen,
nämlich erlangte
Mündigkeit, ein gewisses
Vermögen, einen bestimmten Nahrungszweig etc. nachweisen; andre
Personen werden
nur durch die
Aufnahme Bürger (cives recepti s. novi).
Bei der
Aufnahme wird der
Name des neuen Bürgers in das Bürgerbuch (Bürgermatrikel, Bürgerrolle) eingetragen; derselbe
leistet nach manchen Stadtverfassungen den Bürgereid, daß
er den Bürgerpflichten nachkommen wolle, entrichtet an die
Kämmerei
der Stadt für seine
Aufnahme das sogen. Bürgergeld und empfängt dann den Bürgerbrief,
eine
Urkunde über seine Ausnahme.
Personen, die sich ein besonderes
Verdienst um eine Stadt erworben haben, oder die der
Rat
aus irgend einem
Grund auszeichnen will, erteilt derselbe auch aus eignem Antrieb das
Bürgerrecht, Ehrenbürgerrecht, und
zwar ohne denselben die Bürgerpflichten mit zu
übertragen. Verloren geht dasBürgerrecht durch ausdrückliche
Aufgebung, durch Wegziehen von einem
Ort, ohne daß man sich jenes an demselben vorbehält, und durch Verheiratung einer Frauensperson
mit einem Nichtbürger.
Wichtig
war in früherer Zeit der Unterschied zwischen Vollbürgern und
Schutzbürgern, von welchem sich in einzelnen
Gemeinden
noch
Spuren erhalten haben. Solche
Schutzbürger, staatsbürgerliche Einwohner (auch
Schutzverwandte genannt)
waren diejenigen, welche auf
Grund eines Staatsgesetzes das
Wohnungsrecht in der
Gemeinde hatten und deshalb in derselben ihre
staatsbürgerlichen, namentlich politischen,
Rechte auszuüben und die entsprechenden
Pflichten zu erfüllen befugt und angewiesen
waren.
Dazu gehörte in den meisten
Fällen die
Teilnahme an allen nicht eigens oder ausschließlich für wirkliche
Bürger errichteten Gemeindeanstalten; dagegen waren sie von den politischen
Gemeinderechte ausgeschlossen, konnten jedoch in Angelegenheiten
von gemischter
Natur, die auf ihre besondern
Interessen von Einfluß waren, mit beratender oder auch zählender
Stimme begabt
werden und vom
Staat wohl auch einen Anspruch auf die
Armen- oder
Versorgungsanstalten der
Gemeinde zugewiesen
erhalten.
Solche Einwohner waren daher auch verpflichtet, von den allgemeinen
Lasten ebenfalls ihren Teil zu tragen. Ausmärker (Forensen,
Markgenossen) sind diejenigen
Staatsbürger oder
Fremden, welche nicht in der
Gemeinde domizilieren, aber ein bürgerschaftliches
Besitztum, auch ein
Grundrecht oder eine Werkstätte etc. in der
Gemeinde haben, wofür sie demnach denSchutz
von seiten der
Gemeinde in Anspruch nehmen, deshalb teilhaben an allen Anstalten, welche mittel- oder unmittelbar ihrem
Gut
förderlich sind, und aus demselben
Grund verhältnismäßig zu den allgemeinen
Lasten beisteuern.
In denjenigen
Gemeinden, in welchen ein bestimmter Vermögenskomplex, namentlich
Liegenschaften, zur Benutzung der
Bürgerschaft
überhaupt oder eines gewissen Teils derselben (Nachbargemeinde,
Nutzungsgemeinde,
Realgemeinde) vorhanden
ist, bezeichnet man dies
Vermögen als
Bürgervermögen im
Gegensatz zu dem Kämmereivermögen, den für die öffentlichen Gemeindezwecke
bestimmten
Mitteln. Zu beachten ist endlich noch, daß man den
Ausdruck bürgerlich oder zivil heutzutage vielfach gebraucht,
um den
Gegensatz zwischen dem Militärstand und den übrigen Staatsgenossen zumAusdruck zu bringen, während
man in der Rechtssprache jene Bezeichnung anwendet, um den Unterschied zwischen
Privatrecht und öffentlichem
Recht zur Geltung
zu bringen. In diesem
Sinn spricht man von bürgerlichem
Recht oder
Zivilrecht als gleichbedeutend mit
Privatrecht im
Gegensatz
zum
Strafrecht und andern Teilen des öffentlichen
Rechts sowie von dem bürgerlichen
Prozeß- oder
Zivilprozeß
als dem Gebiet der Privatrechtsstreitigkeiten im
Gegensatz zum
Strafprozeß, bei welchem die öffentliche Ahndung strafbarer
Handlungen in
Frage steht.
1)
GottfriedAugust, lyrischer Dichter, geb. zu Molmerswende bei
Halberstadt,
[* 2] wo sein
VaterPfarrer
war, genoß den ersten
Unterricht im väterlichen
Haus, dann seit 1760 auf der Stadtschule zu
Aschersleben,
[* 3] wo sich sein Großvater seiner annahm.
Schon hier waren poetische
Versuche seine Lieblingsbeschäftigung; ein
Epigramm auf den
Haarbeutel eines Mitschülers gab aber Veranlassung zu einer
Schlägerei, welche für Bürger harte
Züchtigung und Entlassung von der
Anstalt herbeiführte. Er kam nun auf das
Pädagogium zu
Halle,
[* 4] wo er mit
Göckingk zugleich an poetischen
Übungen teilnahm.
Gegen seine
Neigung, nur aus Verlangen seines Großvaters begann er 1764 das
Studium der
Theologie zu
Halle, ward aber wegen
seiner oft zügellosen Lebensweise von seinem Großvater abberufen und durfte erst
Ostern 1768 von neuem die
Universität beziehen
und zwar diesmal
Göttingen,
[* 5] um sich nun dem
Studium der
Rechte zu widmen.
Bald aber erneuerten sich hier
die alten
Ausschweifungen, so daß der erzürnte Großvater ihm endlich alle weitere Unterstützung entzog. Aus diesem Zustand
tiefer Gesunkenheit riß ihn die
Hand
[* 6] der
Freundschaftempor.
Boie,
Sprengel,
Biester u. a. wußten die
Liebe zu den
Studien von neuem in ihm anzufachen und ihn schonend
auf die
Bahn der
Ordnung und Regelmäßigkeit zurückzuführen. Nachdem esBoie 1772 gelungen war, Bürger die
Stelle eines
Amtmanns
von Altengleichen im Hannöverschen zu verschaffen, trat auch mit dem jungen Dichterkreis in
Göttingen
(Hölty,
Voß,
Miller,
Cramer, dieGrafenStolberg
[* 7] u. a.) in Beziehung.
Sein Großvater söhnte sich jetzt mit ihm aus und schenkte
ihm 1000
Thaler, deren Bürger zum Antritt des übertragenen
Amtes bedurfte; doch ward dieser sehr bald darauf um den größten
Teil des
Geldes betrogen. Im
Herbst 1774 heiratete Bürger eine Tochter des Justizamtmanns Leonhart zu Niedeck
und zog bald darauf nach Wölmershausen, einem Dorf seines Gerichtssprengels.
Aber auch aus seiner Verheiratung gingen für ihn nur traurige
Folgen hervor: er faßte die heftigste
Leidenschaft für die
jüngere
Schwester seiner
Frau, die in seinen Liedern unter dem
NamenMolly überschwenglich gefeierte
Auguste, welche nach dem
Tod ihresVaters (1777) eine Zeitlang unter seinem
Dach
[* 8] lebte, und das Doppelverhältnis zu den beiden
Schwestern
bereitete ihm jahrelang die aufreibendste Gewissensqual. Dazu kamen mancherlei durch geringe Einkünfte, häufige Krankheitsfälle
und eine 1780 übernommene Pachtung zu Appenrode verursachte häusliche Sorgen. Von seinen Vorgesetzten obendrein wegen nachlässiger
Geschäftsführung angeklagt, wurde in der angeordneten Untersuchung zwar freigesprochen; doch entschloß
¶
mehr
Er sich, sein Amt freiwillig niederzulegen. Nach dem Tod seiner Gattin (1784) siedelte er nach Göttingen über, um sich durch
Privatvorlesungen über Ästhetik, deutschen Stil und ähnliche Gegenstände eine neue Existenz zu begründen, und verband sich
im Juni 1785 endlich mit seiner geliebten Molly auch am Altar.
[* 10] Ihr früher Tod stürzte ihn
von neuem in das tiefste Seelenleid und benahm ihm auf lange alle Lust zu dichterischem Schaffen. Die Universität erteilte
ihm bei ihrem 50jährigen Jubiläum die philosophische Doktorwürde und ernannte ihn im November 1789 zum außerordentlichen
Professor, jedoch ohne Gehalt.
Der Wunsch nach einem geordneten Hausstand veranlaßte Bürger zu einer dritten Heirat, der unglücklichsten
von allen. Im Oktober 1790 verband er sich mit seinem »Schwabenmädchen« (s.
Bürger 2); aber schon nach wenigen Wochen trat die unglückseligste Zerrüttung des Familienlebens ein, der zwar durch eine
Ehescheidung (März 1792) ein Ende gemacht wurde, jedoch nicht, ohne daß Lebensmut und Lebenshoffnungen
in Bürger völlig vernichtet worden. Einsam verbrachte er Wochen und Monate im Studierzimmer; die Freunde waren gestorben oder flohen
den Unglücklichen, und das einzige, was ihn noch erhob, das Bewußtsein seines Dichterwerts, ward ihm von Schiller (s. unten)
entrissen. Um die nötigen Subsistenzmittel zu gewinnen, lieferte er Übersetzungen für auswärtige
Buchhändler.
Erst als der schwindsüchtige Mann auch die Arbeitsfähigkeit verloren hatte, bewilligte ihm das Universitätskuratorium,
statt des erbetenen Gehalts, eine einmalige Unterstützung von 50 Thalern. Er starb und hinterließ zwei Töchter
und zwei Söhne. Ein Denkmal wurde ihm an seinem Lieblingsplätzchen in einem öffentlichen Garten
[* 11] gesetzt.
Bürger war klein und hager, die Gesichtszüge waren zu groß für seine Gestalt, aber Stirn und Nase
[* 12] kühn, und durch die schönen
Augen schimmerte der schaffende Dichtergeist.
Gesellige Gewandtheit ging ihm ab, und seinem Charakter fehlte, bei einem hohen Grad von Herzensgüte, die Willensstärke.
Bürgers Dichtertalent gedieh nur langsam zur Entwickelung, und auch später war seine Produktion nie leicht
und mühelos. Erst das Studium der alten und neuern Musterschriftsteller hatte die Schwingen seines Dichtergeistes gekräftigt,
und hauptsächlich war es die unerbittliche kritische Strenge Boies, welche für Bürger der Sporn zu einer feinern und korrektern
Abrundung seiner Gedichte wurde.
Das Organ der Veröffentlichung für diese blieb der 1770 von GotterundBoie gestiftete »Musenalmanach«.
Seine berühmteste Dichtung ist die Ballade »Lenore«, auf welche er während seiner Amtsführung zu Altengleichen
durch das Bruchstück einer alten, wahrscheinlich verloren gegangenen Volksdichtung geführt wurde. Diese mit allgemeiner
Begeisterung begrüßte Ballade erschien, nachdem sie gemäß der Kritik des Göttinger Dichterbundes mehrfach
umgearbeitet worden war, im »Musenalmanach« für 1774. Im J. 1778 übernahm an Göckingks Statt die Redaktion des »Göttinger
Musenalmanachs« und gab die erste Sammlung seiner »Gedichte« (neue
Aufl. 1789, 2 Bde.) heraus.
Schiller wirft in seiner Rezension derselben in der »Allgemeinen Litteraturzeitung« von 1791 Bürger vor, daß
seine Gedichte keinen reinen Genuß böten, daß ihm durchaus der ideale Begriff von Liebe und Schönheit fehle, daher seine
Gedichte zu oft in die Gemeinheit des Volkes hinabsänken, statt dieses zu sich zu erheben, daß überhaupt der Geist, der sich
in seinen Gedichten ausspreche, kein gereifter sei, daß seinen Produkten nur deshalb die letzte Hand der
Veredelung fehle,
weil sie ihm wohl selbst fehle.
Dies wenn auch strenge Urteil mag bestehen, wenn man das Gegengewicht der Vorzüge Bürgers gelten läßt. Denn die Wärme
[* 13] seiner
Empfindung, die unmittelbaren und ergreifenden Naturtöne der Innerlichkeit, die Weichheit und zugleich
die Kraft
[* 14] des Ausdrucks, die Mannigfaltigkeit der Formen, die er beherrschte, werden ihm unter den deutschen Lyrikern immer einen
bedeutenden Platz sichern. In der Ballade hat er (einige verfehlte abgerechnet) sehr Hervorragendes geleistet, und der melodische
Fluß seiner Lieder ist oft von höchster Schönheit.
Seine Übersetzungen sind, wie der Versuch einer Ilias in Iamben und seine Macbeth-Bearbeitung, meistens
durch die Anwendung falscher Übersetzungsprinzipien mißlungen. Am treffendsten hat über Bürger wohl A. W. Schlegel in seinen
»Charakteristiken und Kritiken« geurteilt. Eine Sammlung von Bürgers sämtlichen Schriften veranstaltete Reinhard (Götting. 1796-1798, 4 Bde.,
u. öfter; zuletzt 1860, 4 Bde.).
Derselbe gab auch Bürgers »Lehrbuch der Ästhetik« (Berl. 1825, 2 Bde.)
und »Handbuch des deutschen Stils« (das. 1826) nach seinen in Göttingen gehaltenen Vorlesungen und als einen Supplementband
dessen »Ästhetische Schriften« (das. 1832) heraus. Die von Bohtz besorgte »Gesamtausgabe in Einem Band«
[* 15] (Götting. 1835) enthält
auch einige BriefeBürgers und Althofs vortreffliche, zuerst 1798 zu Göttingen unter dem Titel: »Einige
Nachrichten von den vornehmsten Lebensumständen etc.« erschienene Biographie des Dichters. Die von E. Grisebach besorgte Ausgabe
von »Bürgers Werken« (Berl. 1873, 2 Bde.)
enthält nur eine Auswahl nebst biographisch-litterarischer Skizze. NeueAusgaben der Gedichte allein mit Einleitung und Anmerkungen
veröffentlichten Tittmann (Leipz. 1869) und Sauer (Stuttg. 1884). BürgersLeben beschrieben außer Athof
^[richtig: Althof] noch Döring (Berl. 1826; neue Ausg., Götting. 1848) und in neuerer Zeit Pröhle (Leipz. 1856), während
O. Müller das Leben des Dichters in einem Roman ein deutsches Dichterleben«, Frankf. 1845) bearbeitete, den Mosenthal (in dem
Stück und Molly«) dramatisierte. Außerdem sind über des Dichters Leben zu vergleichen: »BürgersBriefe
an MarianneEhrmann« (hrsg. von Th. F. Ehrmann, Weim. 1802);
2) Elise, eigentlich MarieChristianeElisabeth, geborne Hahn,
[* 16] geb. zu Stuttgart,
[* 17] dritte Gattin des vorigen, dem sie 1789 öffentlich
ihre Hand in einem Gedicht antrug, welches in BürgersSchriften (Bd. 2) zu finden ist. Bürger nahm
anfangs die Sache für einen Scherz, gab aber dann auf Andringen seiner Freunde eine poetische Antwort, woran sich eine Korrespondenz
knüpfte, in welcher in einem denkwürdigen Brief seine ganzen frühern Lebensverhältnisse ohne Schleier darstellte. Bürger reiste
in den Osterferien 1790 nach Stuttgart und führte im Herbst sein »Schwabenmädchen« zum Altar. Die Ehe ergab
sich bald als eine unglückliche, und Bürger empfand nur zu bald die Folgen der Zerstreuungssucht, Eitelkeit und offenbaren Untreue
seiner Frau. Sie verließ ihn im Februar 1792 und wurde 31. März gerichtlich von ihm geschieden. Sie trat nun zuerst als Schauspielerin
unter dem NamenElise Bürger auf den Bühnen zu Hamburg
[* 18] und Altona,
[* 19] zu Hannover
[* 20] und Dresden
[* 21] auf, reiste zuletzt
als Deklamatrice und
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