mehr
Droste v. Vischering 1837 doch der Streit zwischen der Kurie und Preußen [* 2] aus. Bunsen, wieder nach Berlin [* 3] berufen, rechtfertigt die Verhaftung des Erzbischofs in der »Denkschrift über die katholischen Angelegenheiten in den westlichen Provinzen Preußens [* 4] vom 25. August", wurde aber, als er im Vertrauen auf die Versöhnlichkeit der Kurie 1838 nach Rom [* 5] zurückkehrte, vom Papst gar nicht empfangen und erhielt daher einen Urlaub auf längere Zeit. Er ging zunächst nach München, [* 6] dann nach England. Ende 1839 erhielt er den Gesandtschaftsposten bei der Eidgenossenschaft in Bern. [* 7] Von da ward er 1841 nach Berlin zurückberufen und vom König Friedrich Wilhelm IV., welcher bei seinem Besuch in Rom mit Bunsen innige Freundschaft geschlossen und auf Bunsens Rat Schelling und Cornelius nach Berlin berufen und Arndt rehabilitiert hatte, mit einer außerordentlichen Mission betreffs der Errichtung eines evangelischen Bistums in Jerusalem [* 8] (vgl. Bunsens Schrift «Das evangelische Bistum zu Jerusalem«, Berl. 1842) nach London [* 9] betraut, worauf 1842 seine Ernennung zum preußischen Gesandten daselbst erfolgte.
Gegen den Verdacht, als strebe er auch in der deutschen protestantischen Kirche nach Einführung anglikanischer Formen, verteidigte er sich in dem Werk »Die Kirche der Zukunft« (Hamb. 1845), worin er sich entschieden gegen Einführung des Bistums in die evangelische Kirche Deutschlands [* 10] erklärte und im Gegensatz zu toten Formen sittliche Kraft [* 11] und Thätigkeit, volkstümliches Leben aus dem eigensten Herzen als Erfordernisse für die Kirche der Zukunft betonte.
In den damals obschwebenden Verfassungsfragen 1844 vom König von Preußen, dessen Vertrauen auch in dieser Angelegenheit trotz seiner Hinneigung zu liberalen Prinzipien in hohem Maß besaß, zu Rate gezogen, arbeitete er den Entwurf zu einer der englischen möglichst treu nachgebildeten preußischen Verfassung aus. 1848 von den Schleswigern in das deutsche Parlament gewählt, ohne daß er sie vertreten konnte, beteiligte er sich an dem von ihm mit großen Hoffnungen begrüßten Werk mit zwei Sendschreiben über die künftige deutsche Verfassung.
Besonders thätig bewies er sich in der schleswig-holsteinischen Sache, und bereits überreichte er Lord Palmerston sein »Memoir on the constitutional rights of the duchies of Schleswig [* 12] and Holstein«. Doch stieß er bei den englischen Staatsmännern auf unüberwindliches Übelwollen und Unverständnis für deutsche Dinge. Er begab sich zwar 1848 und 1849 auf längere Zeit nach Deutschland, [* 13] vermochte aber seinen königlichen Freund nicht zu mutigem Entschluß in der deutschen Frage zu bewegen.
Doch hielt ihn der König trotz der österreichischen Ränke auf seinem Gesandtschaftsposten, und Bunsen brachte dem König das Opfer, nachdem er 1850 die Beteiligung an den Londoner Konferenzen über Schleswig-Holstein [* 14] abgelehnt hatte, doch das Londoner Protokoll vom zu unterzeichnen. Im übrigen war er in England hochgeachtet und genoß besonders die Freundschaft der Königin, des Prinzen Albert und Peels. Für Angehörige deutscher Länder war er stets ein treuer Berater und hilfreicher Gönner, und sein gastfreundliches Haus bildete einen offenen Mittelpunkt für ihren geselligen Verkehr.
Auch ein Werk der Barmherzigkeit, das deutsche Hospital zu Dalston bei London, schuf in England. Beim Ausbruch des orientalischen Kriegs sprach er sich in mehreren Denkschriften entschieden für ein Bündnis Preußens mit den Westmächten aus, zog sich aber dadurch den Haß der die nächste Umgebung des Königs bildenden russischen Parteien, welche seine Abberufung (Juni 1854) bewirkte. Er siedelte nach Heidelberg [* 15] über, wo er gegen ultramontane und unionsfeindliche Ränke die populäre und seiner Zeit sehr wirkungsvolle Schrift »Zeichen der Zeit, Briefe an Freunde über Gewissensfreiheit und das Recht der christlichen Gemeinde« (1.-3. Aufl., Leipz. 1855 u. 1857, 2 Bde.) schrieb, ferner »Gott in der Geschichte, oder der Fortschritt des Glaubens an die sittliche Weltordnung« (das. 1857-58, 3 Bde.). Seinen Sitz im Herrenhaus, den er bei seiner Erhebung in den erblichen Freiherrenstand 1857 erhielt, nahm Bunsen nur ein einziges Mal ein, in der Sitzung, wo die Regentschaft des Prinzen von Preußen vor den beiden Häusern des Landtags verkündet wurde, Seines asthmatischen Leidens wegen brachte er zwei Winter in Cannes zu und kaufte sich 1860 in Bonn [* 16] an. Hier starb er Neben seiner diplomatischen Wirksamkeit und seiner ausgedehnten Korrespondenz über politische und vornehmlich über kirchliche Angelegenheiten ist Bunsen unausgesetzt litterarisch thätig gewesen.
Von seinen archäologischen Werken ist vornehmlich zu nennen: »Ägyptens Stelle in der Weltgeschichte« (Hamb. u. Gotha [* 17] 1845-57, 5 Bde.). Den eigentlichen Mittelpunkt seiner Bestrebungen aber bildeten die biblischen, kirchengeschichtlichen und liturgischen Studien, in denen er durch die vielseitigsten Kenntnisse und geistvolle Auffassung glänzte, jedoch mitunter seiner kühnen Phantasie die Zügel schießen ließ. Seine wichtigsten Werke in diesem Fach, welche auch englisch erschienen, sind: »Hippolytus und seine Zeit« (Leipz. 1853, 2 Bde.; in der zweiten engl. Ausgabe u. d. T.: »Christianity and mankind. Their beginnings and prospects« auf 7 Bände erweitert);
»Ignatius von Antiochien und seine Zeit« (Hamb. 1847);
»Die drei echten und die vier unechten Briefe des Ignatius von Antiochien« (das. 1847) und das unvollendete »Bibelwerk für die Gemeinde«, dessen Fortsetzung von Kamphausen und Holtzmann besorgt wurde (Leipz. 1858-69, 9 Bde.).
Den Briefwechsel Bunsens mit Friedrich Wilhelm IV. gab L. Ranke heraus (Leipz. 1873).
Vgl. die Biographie von seiner in Karlsruhe [* 18] verstorbenen) Witwe ( Bunsen aus seinen Briefen und nach eignen Erinnerungen geschildert«, deutsch von Nippold, Leipz. 1868-71, 3 Bde.);
Hare, Freifrau von ein Lebensbild aus ihren Briefen (deutsch, 4. Aufl., Gotha 1885). -
Über seine Söhne s. unten 3).
2) Robert Wilhelm, Chemiker, geb. zu Göttingen, [* 19] studierte seit 1828 daselbst Zoologie, Chemie und Physik, setzte diese Studien in Paris, [* 20] Berlin und Wien [* 21] fort, habilitierte sich dann als Privatdozent in Göttingen, übernahm 1836 den durch Wöhlers Abgang erledigten Lehrstuhl der Chemie am polytechnischen Institut zu Kassel [* 22] und ward 1838 außerordentlicher Professor der Chemie an der Universität zu Marburg. [* 23] Hier 1841 zum ordentlichen Professor der Chemie und zum Direktor des chemischen Instituts befördert, folgte er 1851 einem Ruf an die Universität zu Breslau, [* 24] wo er den Plan zu dem großartig angelegten Gebäude des chemischen Instituts entwarf.
Allein vor Vollendung des Gebäudes ging er 1852 als Professor der Chemie nach Heidelberg. hat die Chemie durch zahlreiche neue Untersuchungen und Entdeckungen bereichert. Hervorzuheben sind besonders seine Untersuchungen über die Doppelcyanüre, die Kakodylreihe, die chemische Verwandtschaft und das Schießpulver. [* 25] Auch verdankt man ihm die Entdeckung eines mit Erfolg benutzten Gegengifts gegen die arsenige Säure (Eisenhydroxyd). 1846 machte er in Island [* 26] chemisch-geologische Untersuchungen, wodurch er die wichtigsten Beiträge zur Kenntnis der ¶
mehr
Natur dieses Eilandes und der vulkanischen Erscheinungen überhaupt lieferte. Weitere Untersuchungen lieferte er über das spezifische Gewicht, über das Gesetz der Gasabsorption, über den Einfluß des Druckes auf den Erstarrungspunkt geschmolzener Materien (besonders wichtig für die Bildung der plutonischen Gesteine), [* 28] über die Diffusion, [* 29] über die Verbrennungserscheinungen der Gase, [* 30] über die elektrolytische Gewinnung der Alkali- und Erdalkalimetalle und über Photochemie; auch konstruierte er mehrere nach ihm benannte Apparate, wie den Gasbrenner, ein galvanisches Element u. a. Bunsen stellte zum erstenmal das Magnesium in größerer Menge dar und entdeckte (1860), daß man durch Verbrennen von Magnesiumdraht ein ungemein glänzendes und chemisch wirksames Licht [* 31] erhält.
Bedeutende Ausbildung erhielt durch ihn die Gasanalyse; die glänzendste Entdeckung aber, welche er 1860 in Gemeinschaft mit Kirchhoff machte, ist die sogen. Spektralanalyse [* 32] (s. d.), über welche beide Gelehrte das Werk »Chemische [* 33] Analyse durch Spektralbeobachtungen« (Wien 1861) veröffentlichten. Er schrieb noch: »Enumeratio ac descriptio hygrometrum« (Götting. 1830);
mit Berthold: »Das Eisenoxydhydrat, ein Gegengift des weißen Arseniks oder der arsenigen Säure« (das. 1834, 2. Aufl. 1837);
»Schreiben an Berzelius über die Reise nach Island« (Marb. 1846);
»Über eine volumetrische Methode von sehr allgemeiner Anwendbarkeit« (Heidelb. 1854);
»Geometrische Methoden« (Braunschw. 1857, 2. Aufl. 1877);
»Anleitung zur Analyse der Aschen und Mineralwässer« (Heidelb. 1874);
»Flammenreaktionen« (das. 1880).
3) Georg von, Mitglied des deutschen Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses, vierter Sohn von Bunsen 1), geb. zu Rom, ward in Schulpforta erzogen, studierte Philosophie und Geschichte in Berlin und Bonn und lebte wegen eines hartnäckigen Augenleidens mehrere Jahre bei seinem Vater, der auf seine Geistes- und Gemütsrichtung bestimmenden Einfluß übte. Nachdem er dann Frankreich und Italien [* 34] bereist, sich in England längere Zeit aufgehalten und sich mit den politischen Zuständen dieses Landes eingehend beschäftigt hatte, widmete er sich auf einem Landgut bei Bonn der Landwirtschaft neben der Fortsetzung seiner politischen und volkswirtschaftlichen Studien. Im Mai 1862 wurde er in das preußische Abgeordnetenhaus gewählt und hat bis 1879 ununterbrochen diesem, seit 1867 auch dem norddeutschen und deutschen Reichstag angehört.
Trotz seiner Begabung trat er im Plenum selten als Redner auf, sondern wirkte vornehmlich im Vorstand der nationalliberalen Partei und in verschiedenen Kommissionen, namentlich in der Budget- und in der Unterrichtskommission. 1881 schloß er sich der Sezession und mit dieser 1884 der deutsch-freisinnigen Partei an. Außerdem widmet er seine Muße der Leitung verschiedener gemeinnütziger Vereine, wie der Viktoria-National-Invalidenstiftung, der Kaiser Wilhelms-Spende, des Deutschen Fischereivereins, des Zentralvereins für Hebung [* 35] der deutschen Fluß- und Kanalschiffahrt u. a., namentlich seit er seiner parlamentarischen Thätigkeit wegen nach Berlin übergesiedelt ist. Von seinen vier Brüdern widmete sich der älteste, Heinrich, geb. 1818 zu Rom, in England dem geistlichen Stand und starb im März 1885 als Pfarrer zu Donnington bei Wolverhampton;
der zweite, Ernst, geb. 1819, preuß. Hauptmann a. D. und Kammerherr, lebt ebenfalls in England;
er übersetzte ein anonymes englisches Werk: »William Penn, oder die Zustände Englands 1644-1718«, ins Deutsche [* 36] (Leipz. 1854) und beschäftigte sich in neuerer Zeit namentlich mit religionsgeschichtlichen Studien;
schrieb: »Die Einheit der Religionen im Zusammenhang mit den Völkerwanderungen der Urzeit und der Geheimlehre« (Berl. 1870, 2 Bde.);
»The chronology of the Bible connected with contemporaneous events in the history of Babylonians, Assyrians and Egyptians« (Lond. 1874; deutsch, Berl. 1876);
»Das Symbol des Kreuzes bei allen Nationen« (das. 1876);
»Die Plejaden und der Tierkreis« (das. 1879) u. a.;
Karl, geb. 1821, ist im diplomatischen Dienst angestellt;
Theodor, geb. zu Rom, promovierte in Heidelberg mit einer Dissertation über die »Geschichte des Handelsverkehrs nach Indien«, begleitete dann als Attaché die preußische Expedition nach Os-asien, ging 1864 als Legationssekretär nach Rio de Janeiro, [* 37] wurde 1871 Geschäftsträger in Peru, [* 38] 1873 in Stockholm, [* 39] dann in Brüssel, [* 40] 1874 in Washington, [* 41] hierauf Generalkonsul in Alexandria, verließ 1876 den Staatsdienst und ward 1877 zu Waldeck [* 42] in den deutschen Reichstag gewählt, wo er sich den Nationalliberalen anschloß, aber 1881 nicht wieder gewählt.