mehr
Lehrern und 180 Lehrerinnen. Die Bildung steht im Osten höher als im Westen; am weitesten zurück sind die Gebirgsthäler zwischen Berkowitza und Sofia, die Gebiete um Iskretz, Bresnik, Radomir, Köstendil und die Umgebung der Hauptstadt. Dem Schulbesuch der Mädchen stehen besondere Hindernisse und Vorurteile entgegen; nur 17 Proz. erhalten Unterricht. Die Unterhaltung der Schulen geschieht größtenteils durch Gemeindesteuern, dann durch einen Teil der Einkünfte der Pfarrkirchen und durch ihnen vermachte und geschenkte liegende Gründe.
Behufs Erbauung neuer Schulhäuser (1878-82 fast 400) zahlt der Staat jährlich 300,000 Frank an die Gemeinden. Die Lehrer (76 Proz. zwischen 17-24 Jahren), meist zugleich Dorfschreiber und Kirchensänger, werden größtenteils auf ein Jahr von den Gemeinden gemietet. Außer den bulgarischen gibt es noch türkische (sehr schlecht), jüdische, armenische, griechische, rumänische, eine amerikanische und eine französische Schule, die gleichfalls der Staatsaufsicht unterstehen. An Mittelschulen besitzt Bulgarien [* 2] 12: ein Gymnasium in Sofia, eine theologische Lehranstalt im Kloster Ljaskowatz, 4 Realschulen in Lom-Palanka, Köstendil, Warna und Gabrowo, 2 höhere Mädchenschulen in Sofia und Tirnowo, 2 pädagogische Lehranstalten in Wratza und Schumen und 2 Unterrealschule in Silistria und Tzaribrod. An denselben erteilen 65 Lehrer und 11 Lehrerinnen Unterricht an 1910 Schüler (davon 267 Mädchen). 411 Schüler erhalten Staatsunterstützung.
Von Fachschulen ist nur eine Ackerbauschule in Rustschuk in Vorbereitung. Auch wird sich binnen kurzer Zeit die Eröffnung einer Hochschule, namentlich für Juristen, nötig machen, da der Mangel an solchen sehr fühlbar ist. Inzwischen studiert auf Kosten der einzelnen Ministerien eine Anzahl junger Leute an fremden Universitäten. An andern Anstalten zur Verbreitung von Bildung sind zu nennen die 1880 errichtete Staatsdruckerei und eine Nationalbibliothek (12,000 Bände) nebst Anfängen eines Museums, beides in einer Moschee zu Sofia untergebracht. An vielen Schulen finden sich schon botanische und mineralogische Sammlungen, an fünf Gymnasien meteorologische Stationen. Die Bulgarische Litterarische Gesellschaft gibt seit Mai 1882 eine Zeitschrift heraus, die zur Kenntnis des Landes viel zu bringen verheißt.
Ackerbau. Die Bulgaren sind meist Bauern, die fest an ihren althergebrachten Gebräuchen und Gesetzen und ihren demokratischen sozialen Einrichtungen halten. Große Grundbesitzer, eine Aristokratie, hat es nie gegeben. Meist ist der Einzelne Eigentümer des Ackers, den er bebaut, und des Gehöfts, das er bewohnt. Doch kommt auch ein Pachtsystem vor, wobei der Eigentümer Saatkorn, mitunter auch Ochsen oder Büffel, seltener Ackergeräte stellt und dafür vom Pachter einen von 40-80 Proz. wechselnden Anteil an dem Erträgnis erhält. Im westlichen Bulgarien besitzt wie in Serbien und Kleinrußland die Gemeinde ihren ganzen Grund und Boden gemeinsam, und die Familienhäupter teilen ihn zu bestimmten Terminen unter sich durch das Los.
Gebaut wird wenig mehr, als der eigne Bedarf erfordert, und der größte Teil des fruchtbaren Bodens liegt unbenutzt da. Bulgarien könnte leicht die dreifache Bevölkerung [* 3] ernähren. Zwei Drittel des Ackers werden mit Mais bestellt, der Rest mit Weizen, Korn, Reis, Tabak, [* 4] Baumwolle [* 5] und Wein; von Gemüsen sind die häufigsten: Bohnen, Zwiebeln und Knoblauch. Besonders geschickt sind die Bulgaren im Drainieren. Ansehnlich ist die durch das Klima [* 6] begünstigte Seidenzucht. Viehzucht [* 7] spielt überhaupt fast eine größere Rolle als Ackerbau, der erst neuerdings größern Aufschwung nimmt.
Das Land ist reich an Pferden, Ochsen, beide von kleinem Schlag, Büffeln, die zum Ziehen benutzt werden, Schafen, Ziegen und Federvieh. Sehr reich an Wild (Rehe, Hirsche, [* 8] Füchse, Bären, Wölfe, Wildschweine) ist namentlich der Zentral- und Westbalkan. Bulgarien ist reich an Mineralquellen und besitzt große Metallschätze, die aber noch kaum berührt sind (Eisen, [* 9] Gold, [* 10] Steinkohle, Torf). Berühmt sind die Eisenlager von Samakow; die Kohlenlager von Pernik und Kalkas, 3 Stunden von Sofia, sind neuerdings in Angriff genommen worden. Salpeter wird bei Owtscha Mogila und Stischarow gewonnen. Für die Industrie und selbst für das Kunsthandwerk hat der Bulgar entschiedene Vorliebe; nur der politische Druck, der auf dem Land lastete, hat deren Entwickelung bis jetzt gehindert. Ausgezeichnetes leistet er im Häuser- u. Brückenbau sowie in der Herstellung von Silber- und Eisen arbeiten, Teppichen, Stickereien, Musselinen, Holzschnitzereien etc.
Über den Handel Bulgariens (Aus- und Einfuhr) ist 1883 der erste Bericht veröffentlicht worden. Danach ist im Zeitraum 1879-81 die Einfuhr von 32,137,800 auf 58,467,100 Frank, die Ausfuhr von 20,092,854 auf 31,819,900 Fr. und der Steuerertrag von 2,771,953 auf 4,995,567 Fr. gestiegen. An der Einfuhr beteiligten sich in Millionen Frank:
1880: | 1881: | 1880: | 1881: | ||
---|---|---|---|---|---|
Österreich-Ungarn | 6.2 | 14.7 | Italien | 2.1 | 5.8 |
England | 4.3 | 13.5 | Frankreich | 1.0 | 3.0 |
Rumänien | 6.3 | 8.5 | Serbien | 0.7 | 2.0 |
Türkei | 2.8 | 6.5 | Rußland | 0.5 | 1.2 |
Deutschlands [* 11] Anteil am Import stieg von 50,150 Fr. in 1880 auf 286,875 Fr. in 1881. Österreich [* 12] importiert namentlich Getränke, Zucker, [* 13] Gewebe, [* 14] Metallwaren, Papier, Chemikalien;
England: Baumwoll- und Eisenwaren, Kupfer; [* 15]
Rumänien: Salz, [* 16] Bauholz, Fische; [* 17]
die Türkei: [* 18] Wein, Früchte, Öl, Seife;
Frankreich: Manufakte, Gewebe, Kaffee;
Serbien: Leinwand, Felle und Getränke.
Ausgeführt werden Cerealien aller Art, Mehl, [* 20] Früchte, Vieh etc.
Die Verfassung ist denen der europäischen konstitutionellen Staaten nachgebildet; danach ist Bulgarien eine erbliche, konstitutionelle Monarchie mit Volksvertretung, aber der Hohen Pforte tributär. Staatsreligion ist die orthodoxe griechische Konfession; doch sind sämtliche Kulte erlaubt, und es darf niemand wegen religiöser Unterschiede vom Genuß bürgerlicher und politischer Rechte, von Ämtern und Ehrenstellen ausgeschlossen werden. Alle in Bulgarien gebornen, nicht unter fremdem Schutz stehenden Personen sind bulgarische Unterthanen. Alle bestehenden Handels- und Schiffahrtsverträge, Konventionen etc. zwischen den fremden Mächten und der Pforte gelten auch für Bulgarien, das keinen Transitzoll erheben darf. Fürst ist seit Alexander I. (s. d.), Landeshauptstadt Sofia.
Die Finanzen Bulgariens befanden sich von Anfang an nicht in Ordnung; das erste Budget (1880) weist 23,114,000 Fr. Einnahmen gegen 27,306,267 Fr. Ausgaben auf, das folgende 28,154,280 Fr. Einnahmen gegen 29,141,814 Fr. Ausgaben. Letztere verteilen sich (in Franken) folgendermaßen:
1880: | 1881: | |
---|---|---|
Minister. des Äußern u. Kultus | 677000 | 644528 |
Unterrichtsministerium | 1372120 | 1691700 |
Justizministerium | 1404200 | 1881520 |
Finanzministerium | 3697400 | 3553652 |
Kriegsministerium | 11250000 | 11249999 |
Ministerium des Innern | 8860367 | 8807815 |
Zivilliste und Hofhaltung | - | 1300000 |
Ministerrat | - | 12600 |
Für 1883 waren die Einnahmen auf 30,568,280 Fr., ¶
mehr
die Ausgaben auf 31,502,427 Fr. veranschlagt; also ein Defizit von 934,147 Fr. Die Währung ist die französische. Nach dem Gesetz vom Juni 1880 gibt es Goldmünzen zu 20 und 10 Fr. (mit dem Kopf des Fürsten), Silbermünzen zu 5, 2, 1 und ½ Fr. und Kupfermünzen zu 10, 5 und 2 Centimes, welch letztere nur das Landeswappen tragen. An Silber sollen pro Kopf der Bevölkerung 6 Fr. ausgegeben werden. Bulgarien ist der internationalen Post- und Telegraphenkonvention beigetreten. 1882 bestanden 52 Postanstalten, durch welche 1,645,094 Briefe und Karten, 26,741 Warenproben und 861,337 Zeitungen befördert wurden. Von Eisenbahnen besteht die Linie Rustschuk-Warna, 224 km lang. Die Länge der Telegraphenlinien betrug 1883: 2117 km.
Bulgarien ist in zwei Militärbezirke, Sofia und Warna, geteilt, deren jeder 12 Bataillone zu 4 Kompanien (Rota) Infanterie umfaßt; außerdem existieren 1 Regiment Kavallerie, 1 Garde-Eskadron, 6 Feld-, 2 Gebirgs- und 2 reitende Batterien mit 80 Geschützen und 3 Kompanien technischer Truppen; zusammen 16,000 Mann. Die Nationalgarde, an deren Übungen alle Männer bis zu 45 Jahren teilnehmen müssen, ist eine Art militärisch organisierter Schützenvereine ^[richtig: Schützenverein].
Die Dienstzeit beträgt 12 Jahre, davon 4 Jahre (bis 1884 nur 2) im aktiven Heer, 4 in der Reserve, 4 in der Landwehr. Die Infanterie führt das Berdan-Gewehr, die Kavallerie den Berdan-Karabiner, die Artillerie 8 und 9 cm Gußstahl- und 4pfündige Bronzekanonen. Arsenale befinden sich in Rustschuk und Rasgrad, in Sofia eine Junker- und eine Feldscherschule. Bulgarien unterhält eine Flottille aus 5 kleinen Dampfern mit je 1-3 Geschützen und 6 Torpedo-Dampfbarkassen; das Personal derselben besteht aus 4 Offizieren und 162 Mann. Staatswappen ist ein goldener Löwe im dunkelbraunen Schild. [* 22] Unter dem Namen Alexanderorden (s. d.) besteht seit 1879 ein Militärverdienstorden in fünf Klassen. Die Flagge ist eine längsgestreifte weiß-grün-rote Trikolore (s. Tafel »Flaggen [* 23] II«). [* 24]
Geschichte.
Die frühsten Bewohner Bulgariens waren die Thraker, ein arisches Volk, welches, in zahlreiche Stämme geteilt, von den Römern zu Anfang der Kaiserzeit unterworfen wurde. Nach dem kleinen Stamm der Mösier, welcher unter den Eingebornen zuletzt die Hegemonie behauptet hatte, wurde die römische Donauprovinz Mösia genannt. Nachdem die untern Donauländer durch die Völkerstürme der Goten und Hunnen furchtbar verwüstet worden waren, drang ein von Serben und Russen verschiedenes slawisches Volk, das sich selbst Slowenen (Σθλοβενοι, Sclaveni) nannte, und dessen (allerdings nicht unvermischte) Nachkommen die jetzigen Bulgaren sind, von Norden [* 25] in das alte Dacien (Siebenbürgen und Walachei) ein und begann in das entvölkerte Römerland jenseit der Donau Einfälle zu unternehmen.
Die oströmischen Kaiser vermochten kaum die Donaugrenze zu behaupten. Unter Kaiser Heraklios (610-641) überfluteten die Slawenstämme fast widerstandslos die ganze Halbinsel; die Serben und Kroaten drangen im Westen bis zum Adriatischen Meer vor, die Slowenen im Osten bis nach Griechenland [* 26] hinein und blieben im Land. Im Donaugebiet entstand noch im Lauf des 7. Jahrh. ein festes slawisches Reich, welches Byzanz sieben Jahrhunderte lang bedrohte und beunruhigte. 679 überschritt das nichtslawische Volk der Bulgaren (s. d.) die untere Donau, setzte sich zwischen der Donau und dem Balkan fest und begann von dort aus sowohl die Byzantiner als die noch unabhängigen Slowenenstämme zu bekämpfen.
Der Fürst (Chan) Boris, welcher auch die Slowenenstämme Makedoniens gewonnen hatte, empfing um 864 samt seinem Volk von griechischen Priestern die Taufe, wobei er den Namen Michael annahm, und schloß sich erst 870 dem Konstantinopler Patriarchat an. Seit der Christianisierung ging das an Zahl sehr schwache herrschende Bulgarenvolk in den unterworfenen zahlreichen, zum Teil schon früher von Konstantinopel [* 27] aus christianisierten Slowenen auf und nahm deren Sprache [* 28] und Sitten an; das Mischvolk hieß aber fortan mit dem Namen des herrschenden Stammes Bulgaren.
Des Boris Sohn Symeon (888-927) war der größte Herrscher Bulgariens. Nach einer zweimaligen Belagerung Konstantinopels, wo eben der schwache Konstantin VII., Porphyrogennetos, herrschte, unterwarf er sich den größten Teil der Halbinsel und nahm den Titel eines »Kaisers (Zesar oder Zar) der Bulgaren und Griechen« an, den die Bulgarenherrscher fortan bis zur Eroberung des Landes durch die Türken führten. Daneben erhob er den bulgarischen Erzbischof zu einem von Konstantinopel unabhängigen Patriarchen.
Symeons Reich umfaßte Donau-Bulgarien, den größten Teil von Thrakien, Makedonien, Thessalien, Epirus, Albanien und einige Gebiete jenseit der Donau; die Serben und die Byzantiner zahlten ihm Jahrgelder. Seine sowie seiner Vorgänger Residenz war in Preslaw (jetzt Eski Stambul) bei Schumen. Die Zeit Symeons ist auch die Blütezeit der altslowenischen (kirchenslawischen) Litteratur, die meist Übersetzungen und Kompilationen bietet und einen byzantinischen, theologisch-rhetorischen Charakter hat.
Symeon, in Konstantinopel erzogen, war ein Bücherfreund und selbst Schriftsteller. Unter seinem Sohn Peter (927 bis 969), einem frommen und friedfertigen Herrscher, zerfiel das große Reich. Der ganze Westen riß sich 963 los, um ein eignes Zarenreich zu bilden. Den Osten (Donau-Bulgarien und Nordthrakien) eroberte 969 der noch heidnische Russenfürst Swätoslaw auf Anstiften des Kaisers Nikephoros Phokas, wurde aber schon 971 von Kaiser Johannes Tzimisces vertrieben, welcher dann diesen Teil Bulgariens dem byzantinischen Reich einverleibte.
Dem zweiten bulgarischen Reich im Westen, dessen Hauptstadt Ochrida in Makedonien war, wollte der Zar Samuel (977-1014) die Ausdehnung [* 29] des Reichs Symeons geben, fand aber an dem byzantinischen Kaiser Basilius II., »dem Bulgarentöter«, einen ebenbürtigen Gegner. Als der letzte Zar, Johann Wladislaw, 1018 bei der Belagerung von Durazzo gefallen war, beendete Basilius II. den 40jährigen Krieg durch die vollständige Unterwerfung Bulgariens. Die Privilegien der Kirche und des Adels (der Boljaren) blieben jedoch unangetastet. Das Land wurde in byzantinische Provinzen eingeteilt und blieb trotz aller Aufstände das 11. und 12. Jahrh. hindurch den Griechen unterthan.
Während der Stürme, welche das byzantinische Reich nach dem Niedergang der Dynastie der Komnenen erschütterten, regte sich wieder der Unabhängigkeitssinn des bulgarischen Adels. 1186 erhoben sich die Bulgaren im Balkan unter Anführung zweier Edelleute, der Brüder Peter und Asên, welche den Zarentitel annahmen, und behaupteten sich durch glückliche Siege über die Armeen des Kaisers Isaak II., Angelos, in dem Land zwischen Balkan und Donau. Dadurch wurde das dritte und letzte Bulgarenreich (1186-1393) gegründet, dessen Zaren in Tirnowo, am Nordfuß des Balkans, residierten. Nach dem Tode ¶