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Kerepeser Straße wird nun der Zentralbahnhof der Ungarischen Staatsbahn und in der Nähe des neuen großen Elevators und der Lagerhäuser an der Donau ein Zentral-Lastenbahnhof gebaut. Budapest [* 2] bildet auch den wichtigsten Stapelplatz der Donaudampfschiffahrts-Gesellschaft. Kommunikationsmittel innerhalb der Stadt bildet außer Fiakern, Komfortabels und Omnibussen die Straßenbahn; den Verkehr zur Ofener Festung [* 3] vermittelt die Dampfseilrampe neben dem Tunnel. [* 4] Dem Personenverkehr auf der Donau endlich dienen Lokaldampfboote von leichter Konstruktion, neben welchen kleine Propeller ununterbrochen zwischen den beiden Ufern hin- und herfahren. Im Sommer verkehrt die Zahnradbahn vom Stadtmeierhof auf den Schwabenberg. Die Verkehrsanstalten (darunter auch eine Waggonleihanstalt) haben ein Aktienkapital von 3,4 Mill. Guld.
Förderungsmittel des Handels sind überdies: die Hauptanstalt der Österreichisch-Ungarischen Bank, die Waren- und Effektenbörse, die Mehlbörse, der Müllertag, der internationale Getreide- und Saatenmarkt, dann zahlreiche Banken und Kreditinstitute. Von den 17 Geldinstituten sind die bedeutendsten: die ungarische Kreditbank (10 Mill. Guld. Aktienkapital, 1882: 1,1 Mill. Guld. Reingewinn), Ungarische Hypothekenbank (11,9 Mill.), Ungarische Eskomptebank (10 Mill.), Ungarische Landesbank (11,7 Mill. Kapital, 1,05 Mill. Reingewinn), Erste vaterländische Sparkasse (2,4 Mill. Kapital, 1,2 Mill. Reingewinn), Vereinigte Budapester Sparkasse (1,2 Mill.), Zentral-Landessparkasse (1,5 Mill.) und das Ungarische Bodenkreditinstitut (ohne Aktienkapital, mit einem Garantiefonds von 7,2 Mill. Guld.). Die bestehenden vier Versicherungsgesellschaften (Erste ungarische allgemeine Assekuranz, Foncière, Ungarisch-Französische Assekuranz und Pannonia) haben ein Aktienkapital von 11,3 Mill. Guld. 1882 wiesen alle Geldinstitute an Aktienkapital 58,1 Mill., an Reservefonds 18,2 Mill., an Einlagen 90,3 Mill., an Vorschüssen 13 Mill. und an Darlehen 123,4 Mill. Guld. auf. Das Aktienkapital aller Budapester Aktiengesellschaften (60) betrug 103,3 Mill. Guld.
Wohlthätigkeitsanstalten, Bäder etc.
Unter den Wohlthätigkeitsanstalten sind nennenswert: das Rochusspital in der Kerepeser Straße und die Landesirrenanstalt im Leopoldifeld, 2 km außerhalb Ofens, ein kolossales, 1860-68 errichtetes Gebäude mit 1000 Kranken;
ferner das Spital der Barmherzigen Brüder in Ofen, das Bürgerspital, das neue Stephanien-Kinderspital, das neue große hauptstädtische Spital am Ende der Üllöer Straße (mit 16 Pavillons für 720 Kranke), die großartigen Spitalbauten der Gesellschaft zum Roten Kreuz [* 5] in Ofen, zwei Garnisonspitäler (darunter das große Militärspital in der Christinenstadt), das israelitische Armenkinder- und Bethesdakrankenhaus in Pest, eine Privatirrenanstalt, ein königliches Blindeninstitut, 8 Waisenhäuser, ein Bürgerversorgungshaus, ein Hónvedasyl, Armenhäuser, ein Zwangsarbeitshaus, Kindergärten, Kleinkinderbewahranstalten und zahlreiche´Vereine für Krankenpflege, Leichenbestattung und andre humane Zwecke. Im ganzen besitzt Budapest 27 Spitäler und 15 Privatheilanstalten.
Was Bäder angelangt, so ist Budapest durch den Donaustrom und die Zahlreichen, meist schon zur Zeit der Römer [* 6] bekannten mineralischen Thermen des Ofener Ufers außerordentlich begünstigt. Letztere teilen sich ihrer Lage nach in zwei Truppen. Zur ersten, in den nördlichen Stadtteilen, gehören das Kaiserbad (Császárfürdö), berühmtes, schon von den Römern vielbenutztes, sehr angenehmes und bequemes Schwefelbad (d. h. große Bassin ist noch ein Rest des Türkenbades Caplin aus dem 16. Jahrh.) mit 11 Quellen von 28-65° C., das Lukasbad, gleichfalls türkischen Ursprungs, und das Königsbad.
Eine andre Gruppe von Bädern verwertet die aus dem Blocksberg kommenden warmen Quellen (37° C.), so: das Raizenbad (Ráaczfürdö) in der Raizenstadt, das zu König Matthias' Zeiten durch Säulengänge mit dem königlichen Schloß verbunden war;
das heutige, 1860 von Joh. N. Heinrich erbaute Bad [* 7] ist eine der prächtigsten Badeanstalten Europas, nach deren Muster die großen Bäder in London, [* 8] Paris [* 9] und Wien [* 10] eingerichtet wurden;
das Bruckbad, 1831 erbaut und durch warme Quellen gespeist, mit einem Volksbad im Hof [* 11] (1560 erbaut), und das Blocksbad, beide mit türkischer Kuppelbedachung. Im Stadtwäldchen befindet sich das neue artesische Bad, dessen Brunnen [* 12] eine Bohrtiefe von 975,5 m hat und täglich 12,000 hl Wasser (74,1° C.) liefert.
Das Wasser dieser zu den alkalisch-salinischen Thermen gehörenden Quellen ist von widerlichem, etwas säuerlichem Geschmack und hepatischem Geruch und wird bei Stockungen und Verschleimung der Brust- und Unterleibsorgane, bei chronischem Magenkatarrh, skrofulösen Geschwülsten, Drüsenverhärtungen, Hämorrhoidalleiden, hysterischen und hypochondrischen Affektionen, Menstruationsstörungen, Gicht und Rheumatismus etc. empfohlen. Etwas weiter in der Ebene unterhalb des Blocksbergs das sehr gut eingerichtete Elisabeth-Salzbad, endlich das schon erwähnte Schwefelbad aus der Margareteninsel (s. oben).
Seit 1853 wurden auch am Fuß des Adlersbergs Bittersalzquellen entdeckt, die eine Temperatur von 15° C. und ein spezifisches Gewicht von 1,010 haben und zwischen dem Karlsbader und Püllnaer Wasser stehen. Von den bedeutendsten derselben (Hunyadi-János-, Rákóczy- und Széchényi-Quelle) werden jährlich viele Tausend Flaschen versendet. In Budapest befinden sich auch Donaubäder und mit vielen Bequemlichkeiten ausgestattete Badeanstalten (Dianabad, die Kaltwasserheilanstalten im Stadtmeierhof und am Schwabenberg etc.). Eine dankenswerte Einrichtung ist die Wasserleitung, [* 13] welche 1868 durch den englischen Ingenieur Lindley begonnen wurde und die Stadt mit (teilweise filtriertem) Donauwasser versieht, mit zwei in Felsen eingehauenen Hochreservoirs in Steinbruch, welche von dem am Flottillenplatz (gegenüber der Margareteninsel) gelegenen Maschinenhaus mit zwei Dampfmaschinen [* 14] gespeist werden. Die permanente Pumpstation befindet sich auf der Neupester Hafeninsel, ein zweites großes Wasserwerk am Fuß des Schwabenbergs liefert das Wasser für die Ofener Stadtteile.
Bildungsanstalten, Vereine etc.
Unter den wissenschaftlichen und Unterrichtsanstalten nimmt den ersten Rang die königliche Universität ein, welche 1635 von dem Fürst-Primas Peter Páazmány zu Tyrnau gegründet wurde und aus einer theologischen und philosophischen Fakultät bestand, unter Maria Theresia 1769 zur königlichen Universität erhoben, 1777 nach Ofen, 1783 jedoch nach Pest in das 1786 unter Kaiser Joseph I. errichtete Gebäude verlegt wurde. Sie umfaßt vier fakultäten (Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Chirurgie, Philosophie), hatte 1882: 198 Professoren (65 ordentliche) und 3252 Hörer (darunter 1560 Juristen) und verfügt über ein Vermögen von 6 Mill. Guld. Mit ihr sind verbunden: ein reformiertes theologisches Kollegium, ein Rabbinatsinstitut, eine 1786 gegründete Tierarzneischule, ein Hebammenkurs, 5 ¶
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Kliniken, ein physiologisches Institut, anatomisches Kabinett, chemisches Justitut, ein botanischer Garten, [* 16] ein Naturalien-, physikalisches und numismatisches Kabinett, eine Sammlung von Altertümern, Bibliothek von 210,000 Bänden nebst vielen Manuskripten (hauptsächlich Hungarica), Buchdruckerei (in Ösen) etc. Zu den Hochschulen gehört außerdem das Josephs-Polytechnikum, welches sich aus der 1846 eröffneten Gewerbeschule in Ofen entwickelte, 1856 zur Hochschule umgewandelt wurde, 1871 eine der Universität ähnliche Organisation erhielt, 1872 nach Pest übersiedelte und in drei Fakultäten: für technische Chemie, Baukunde und Maschinenbau, zerfällt (1882: 42 Lehrer und 444 Studierende);
dann das Ludoviceum, welches 1802 errichtet und 1872 zu einer militärischen Hochschule für Offiziere der Hónvedarmee umgestaltet wurde.
Andre Unterrichtsanstalten sind: 7 Gymnasien, darunter das königliche Universitätsobergymnasium (katholisch) in Ofen, 2 Staats- und ein Piaristengymnasium und ein evangelisch-reform. Obergymnasium in Pest, je eine Staatsoberrealschule in Ofen und Pest, eine städtische Oberreal- und Unterrealschule in Pest, eine 1857 vom Pester Handelsstand errichtete Handelsakademie, mehrere Handelsschulen, eine Landes-Musterzeichenschule mit einem Seminar für Zeichenlehrer (100 Schüler), das unter der Leitung Kratzmanns stehende Justitut für Glasmalerei, [* 17] die Landes-Musikakademie unter der Leitung von F. Liszt, Militärschule für Hónveds,´ein Zentralseminar der römischen Katholiken, eine Präparandenschule für Lehrer und 2 solche für Lehrerinnen, endlich 147 Volksschulen (darunter 87 Gemeindeschulen) mit 731 Lehrern, 38,513 Schülern und 630 Lehrsälen.
Bedeutend ist ferner die Zahl der wissenschaftlichen Institute und Gesellschaften. Dahin gehören vor allen das Nationalmuseum und die Akademie der Wissenschaften. Das Nationalmuseum, 1802 durch eine reiche Schenkung des Grafen Franz Széchényi begründet, seitdem durch bedeutende Stiftungen und Ankäufe erweitert und 1850 in einem neuen Gebäude untergebracht, umfaßt eine Bildergalerie (moderne Gemälde), eine 1869 auf Landeskosten gegründete ethnographische Sammlung, eine Naturaliensammlung mit zoologischer, mineralogischer und botanischer Abteilung, ein reichhaltiges Münz- und Antikenkabinett, eine Sammlung von Gipsabgüssen und eine Bibliothek von 200,000 Bänden nebst 30,000 Urkunden und Manuskripten.
Die Akademie der Wissenschaften hatte anfänglich bloß die Ausbildung der ungarischen Sprache [* 18] zum Zweck, wurde aber 1869 zu einer allgemeinen wissenschaftlichen Gesellschaft umgestaltet und zerfällt in drei Sektionen: für Philologie und Ästhetik, Philosophie, Sozialwissenschaften und Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften. Sie enthält in dent neuen Gebäude die Landes- (Esterházysche) Gemäldegalerie, welche 1871 vom Land um 12 Mill. Guld. angekauft wurde, bestehend aus ca. 800 meist sehr wertvollen alten Gemälden (7 Murillos) und einer schönen Sammlung alter Kupferstiche und Handzeichnungen (über 54,000 Blätter, darunter zahlreiche von Rembrandt und Dürer), ferner eine Bibliothek von über 100,000 Bänden.
In dem neuen Künstlerhaus werden regelmäßig große Frühjahrs- und Herbstausstellungen veranstaltet. Zu den wissenschaftlichen Gesellschaften gehören außerdem: die 1830 gegründete Kisfaludy-Gesellschaft, deren Aufgabe die Pflege der Belletristik und Ästhetik sowie die Veredelung des künstlerischen Geschmacks auf dem Gebiet der Poesie ist;
der St. Stephans-Verein, 1847 zur Herausgabe katholischer wissenschaftlicher und populärer Werke gestiftet;
die Ungarische Historische Gesellschaft (von 1868);
die Gesellschaft der Ärzte (von 1841);
die Gesellschaft der Naturforscher;
die Geologische Gesellschaft mit dem geologischen Institut;
die Geographische Gesellschaft;
das meteorologische Institut;
der statistische Landesrat;
das statistische Landesbüreau und das städtische statistische Büreau (ersteres von Karl Keleti, letzteres von Joseph Körösi geleitet und zu Musteranstalten erhoben);
das Landesarchiv;
die Gesellschaft für bildende Künste (1861 konstituiert);
der Landesrat für bildende Künste (seit 1871);
die Landeskommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmäler.
Die Journalistik entwickelt in Budapest eine rege Thätigkeit. Es erscheinen daselbst 215 Zeitschriften (189 ungarische, 26 deutsche), darunter 13 ungarische und 5 deutsche politische Tagesblätter. Budapest ist sehr reich an geselligen Vereinen und Klubs, unter welchen das Nationalkasino (vom Grafen Stephan Széchényi gegründet) mit dem Jockeyklub, die Klubs der Reichstagsabgeordneten, der Schriftsteller- und Künstlerklub, die Klubs der einzelnen Bezirke und das Militärkasino die hervorragendsten sind.
Die Lloydgesellschaft besteht aus Mitgliedern der angesehenen Geschäftswelt. Die Freimaurer haben etwa 14 zum Großen Orient gehörige Logen, sowohl nach dem schottischen als auch nach dem symbolischen Ritus. Von Theatern bestehen: das königliche Opernhaus in der Andrássystraße, das ungarische Nationaltheater und das ungarische Volkstheater in der Kerepeser Straße, das Ofener ungarische Festungstheater, ein deutsches Theater in [* 19] der Wollgasse sowie ein ungarisches und ein deutsches Sommertheater. In hoher Blüte [* 20] steht in Budapest der Sport, vor allem in der Gestalt von Wettrennen, welche zweimal im Jahr auf dem neuen Wettrennplatz außerhalb der Kerepeser Straße abgehalten werden; außerdem in der Form von Jagden, welche im Umkreis der Hauptstadt stark kultiviert werden, namentlich Fuchsjagden auf den weiten Gefilden des Räkos, bei denen sich auch die Majestäten beteiligen; dann als Rudersport, [* 21] welcher aus der Donau sehr im Schwange ist (fünf Rudervereine, jährlich eine große Regatta). Früher fanden jährlich mehrere Volksfeste statt, vor allen das Stephansfest (20. Aug.), an welchem Tag auch jetzt noch Tausende nach der Festung hinüberströmen, wo die angesehenste Nationalreliquie, die rechte Hand [* 22] König Stephans des Heiligen (s. oben), in der Hauptpfarrkirche zur öffentlichen Verehrung ausgestellt wird.
Behörden etc.
Budapest ist Sitz des ungarischen Reichstags (Ober- und Unterhaus) und zahlreicher Behörden, so der königlich ungarischen Ministerien, des Staatsrechnungshofs der königlichen Kurie (oberster Gerichtshof), der königlichen Tafel, eines Handels- und Wechselgerichts, einer Oberstaatsanwaltschaft, zweier Gerichtshöfe erster Instanz, zweier Finanzdirektionen, einer Finanzprokuratur, eines Hauptzollamts, eines Oberpunzierungsamts, einer Lotteriedirektion, Berghauptmannschaft, Post- und Telegraphendirektion, einer Handels- und Gewerbekammer, der Komitatsbehörde, des ungarischen Landesgeneralkommandos, Hónvedoberkommandos, obersten Militärgerichtshofs und der übrigen Zentralbehörden für die Hónvedarmee, eines griechisch-orientalischen Bistums (serbischer Nationalität), eines Generalsuperintendenten und eines weltlichen Generalinspektors für die lutherische Konfession, eines Superintendenten für die reformierte Kirche, einer israelitischen Landeskanzlei, Zentralkommission für die orthodoxen Israeliten, endlich von 16 Konsulaten fremder Staaten ¶