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- ganz natürlich; ohne staatliche Mithilfe war da nichts zu erreichen, und dieser standen die erwähnten Verhältnisse entgegen. Hauptsächlich Erleichterung des Abrechnungswesens bezweckten die durch Paul Gotthelf Kummer in Leipzig [* 2] 1792 und durch Karl Christian Horvath von Potsdam [* 3] u. a. 1797 gegründeten Abrechnungsanstalten. Resultatlos blieb auch der durch genannten Horvath und Georg Joachim Göschen in Leipzig 1804 behufs Abschaffung von geschäftlichen Mißbräuchen angeregte »Vertrag der Buchhändler über einige Gegenstände ihres Handels«.
Etwas Dauerndes wurde erst in dem aus dem Horvathschen Abrechnungsinstitut, einem Privatunternehmen, hervorgegangenen Börsenverein der deutschen Buchhändler geschaffen. Dieser Verein, gegründet in der Ostermesse 1825 hauptsächlich auf Anregung Friedr. Campes von Nürnberg [* 4] und Horvaths von Potsdam, umfaßt zwar nicht die Gesamtheit der deutschen Buchhandlungen (Mitgliederzahl bei der Begründung 101 [fast nur Auswärtige, die Leipziger schlossen sich erst nach und nach an], Ostermesse 1885: 1549) und übt direkten Einfluß allerdings nur auf seine Mitglieder; doch erstreckt sich seine Wirksamkeit über den ganzen deutschen Buchhandel, da die große Mehrzahl der bedeutendern Geschäfte und die einflußreichen Leipziger Kommissionäre fast ausnahmslos ihm angehören.
Sein Zweck ist nach dem neuesten Statut: Pflege und Förderung des Wohls sowie Vertretung der Interessen des deutschen Buchhandels im allgemeinen und seiner Angehörigen im weitesten Umfang. Vom Anfang seines Bestehens an in erfolgreicher Weise durch Anregungen bei den Faktoren der Gesetzgebung und Verwaltung und durch Feststellung der geschäftlichen Usancen wirkend, hat sich der Börsenverein um die Entwickelung des buchhändlerischen rechtlichen und geschäftlichen Verkehrs unbestreitbare Verdienste erworben.
Amtliches Organ des Vereins ist das »Börsenblatt für den deutschen und die mit ihm verwandten Geschäftszweige«, zugleich das wichtigste Anzeigeorgan des Buchhandels den Geschäftsgenossen gegenüber. Die in den Jahren 1834-36 in Leipzig als Aktienunternehmen mit bedeutender Unterstützung von seiten der königlich sächsischen Regierung erbaute deutsche Buchhändlerbörse, seit mehreren Jahren alleiniges Eigentum des Börsenvereins, wird in kurzem durch ein neues deutsches Buchhändlerhaus ersetzt werden.
Die Bibliothek des Börsenvereins, welche alles sammelt, was sich auf und Hilfsgewerbe bezieht, zählte Ostern 1885 über 7600 zum Teil bändereiche Nummern. In der neuesten Zeit hat sich Schritt für Schritt mit dieser Entwickelung buchhändlerischer Vereinigung die Litteratur an Zahl und Wert gehoben, und Thatsachen beweisen, daß die hervorragendsten Firmen nicht mehr nur dem »Geschäft« nachjagen, sondern in aufopfernder Weise, durch die veredelnde Macht der Litteratur bestimmt, auch deren höhere Zwecke zu erfüllen bestrebt sind.
Geschäftsbetrieb des deutschen Buchhandels.
Die Zweige, in welche (streng genommen nur in Deutschland) [* 5] der heutige Buchhandel zerfällt, sind schon am Eingang bezeichnet. Reine Verlagshandlungen, d. h. solche, die sich nur mit dem Vertrieb eignen Verlags befassen, bestehen erst, seit die norddeutschen Buchhändler den Besuch der Frankfurter Messe aufhoben. Die beteiligten Verlagshandlungen, die man auch Nettohandlungen nannte, verzichteten nun darauf, Artikel fremden Verlags zu acquirieren und zu vertreiben; dann waren sie auch nicht mehr genötigt, die Messen abzuwarten, um für ihren neuen Verlag Absatz zu vermitteln, sie gaben vielmehr ihre Artikel gewöhnlich sogleich nach deren Erscheinen aus, sahen sich aber hierdurch auch genötigt, Kommissionssendungen zu machen, wodurch das heute bestehende Neuigkeits- und à condition-Geschäft angebahnt wurde. Um nun den Bezug ihrer Artikel auch außer den Messen zu erleichtern, errichteten viele der nicht an Kommissionsplätzen domizilierenden Netto- und andern Verlagshandlungen bei bestimmten Firmen an Kommissionsplätzen, fast ausschließlich in Leipzig, Auslieferungslager, wie solche bis in die Gegenwart vielfach noch bestehen und wesentlich zur Erleichterung und Beschleunigung des Verkehrs der Verleger selbst beitragen.
Der Sortimentshandel befaßt sich mit dem Vertrieb an das Publikum. Reine Sortimentshandlungen, d. h. solche, die gar keinen eignen Verlag führten (sie hauptsächlich sind unter der früher üblichen Bezeichnung »Buchführer« zu verstehen), gab es schon im 16. Jahrh. Sie machten, wie bemerkt, ihre Einkäufe auf den Messen oder bezogen ihren Bedarf von größern Buchhandlungen, welche Lager [* 6] fremden Verlags hielten. Sie legten sich ihre Vorräte nicht nur nach vorliegenden Bestellungen an, sondern sie acquirierten die Artikel, für die sie Verwendung zu haben glaubten, in einer nach dem mutmaßlich zu erwartenden Absatz geschätzten Anzahl.
Hierdurch entstanden die damaligen festen Sortimentslager. Gegenwärtig beschränkt sich der Sortimentshandel im ganzen auf den Vertrieb von Neuigkeiten und Fortsetzungen, derart, daß ältere Artikel in der Regel nur auf ausdrückliche Bestellung beschafft werden. Der von den Sortimentshandlungen früher geübte Gebrauch, Bibliotheken anzukaufen und zu vereinzeln, ist jetzt abgekommen. Dieser Geschäftszweig ist übergegangen an die (reinen) Antiquariatsbuchhandlungen und, was den Ankauf von Partien und ganzen Auflageresten betrifft, an das moderne Antiquariat, welch letzteres auch das Changegeschäft wieder aufgenommen hat.
Beide Zweige des Antiquariats wirken hauptsächlich durch Kataloge und betreiben ihr Geschäft fast nur gegen bar. Das buchhändlerische Kommissionsgeschäft, dessen Anfänge schon im ersten Viertel des 16. Jahrh. erscheinen, ist nicht zu verwechseln mit der Wirksamkeit des kaufmännischen Kommissionärs ebensowenig mit dem Kommissionsverlag oder dem Geschäft, welches sich aus den von den Verlegern den Sortimentern gemachten Kommissionssendungen entwickelt.
Der buchhändlerische Kommissionär besorgt alle Geschäfte seines Kommittenten am Kommissionsplatz. Er ist gewissermaßen der Generalbevollmächtigte, nebenbei der geschäftliche Vertrauensmann seines Kommittenten und eine so wichtige Mittelsperson, daß keine bedeutende Buchhandlung in Deutschland bestehen kann, ohne wenigstens in Leipzig, dem Hauptkommissionsplatz, einen festen Kommissionär zu haben. Kommissionsbuchhandlungen gab es in Leipzig 1791: 29 (darunter aber 1 Buchbinder und 2 Kaufleute);
1840: 78;
Anfang 1885: 133 (mit 5747 Kommittenten).
Außerdem gab es 1885 Kommissionäre: in Berlin [* 7] 34 (315 Kommittenten), in Prag [* 8] 11 (111 Kommittenten), in Stuttgart [* 9] 15 (430 Kommittenten), in Wien [* 10] 39 (610 Kommittenten), in Zürich [* 11] 5 (96 Kommittenten).
Der Gang des [* 12] deutschen buchhändlerischen Geschäfts ist in allgemeinen Umrissen folgender. Wenn der Verleger sich nach Prüfung aller einschlagenden Verhältnisse, die oft für den ganzen Erfolg entscheidend ist und daher einen nicht geringen Grad von Umsicht und umfassender Bildung erfordert, für ein ¶
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Verlagsunternehmen entschieden hat, so schließt er nötigenfalls mit dem Autor ein Übereinkommen (Verlagsvertrag, Verlagskontrakt), gewöhnlich schriftlich, ab. In demselben sind der Betrag des Honorars, die Zahlungstermine, die Größe der Auflage, oft auch Format, Druck und äußere Ausstattung, die Zeit des Erscheinens und die Bedingungen angeführt, unter welchen der Verleger auch für die möglichen künftigen Auflagen des Buches das Verlagsrecht erwerben soll (s. Auflage).
Zuweilen trägt auch der Schriftsteller einen Teil der Kosten, oder er läßt sein Werk ganz auf eigne Kosten drucken und gibt es dem Buchhändler gegen eine verhältnismäßige Provision zum Vertrieb in Kommission (Kommissionsverlag). Endlich kann auch der Autor das Werk, dessen Herstellung er auf eigne Kosten besorgte, in Selbstverlag und Selbstvertrieb nehmen, was aber höchstens etwa bei Schriften von bloßem Lokalinteresse, die einen engen Kreis [* 14] für ihren Debit haben, zweckmäßig sein kann.
Nach Vollendung des Werks erfolgt gewöhnlich der Versand als Novität (Neuigkeit) an die Sortimentsbuchhändler. Zu den Vertriebsmitteln des Verlegers gehören namentlich Annoncen in öffentlichen Blättern oder Fachzeitschriften, Prospekte, Plakate und Probehefte, letztere namentlich behufs Sammlung von Subskriptionen (Unterzeichnungen zum Ankauf), einer zum Vertrieb von den in Lieferungen erscheinenden Werken sehr beliebten Usance; letzteres geschieht meist durch besondere Reisende und wird namentlich von einer Anzahl von Verlagshandlungen, welche den Verlag populärer oder populär-wissenschaftlicher Litteratur kultivieren, geübt, indem diese für die Ausführung der durch Reisende gewonnenen Subskriptionen sich entweder der Vermittelung des Sortimentsbuchhandels oder eigens dafür etablierte Expeditionen oder Agenturen bedienen.
Nachbestellungen wie andre Bestellungen macht der Sortimentsbuchhändler meist durch offene »Verlangzettel«, die den Weg über Leipzig und durch die dortigen Kommissionäre zum Verleger nehmen. Diese Verlangzettel wie auch Prospekte, Rechnungspapiere etc. werden beim Eintreten in Leipzig (und Berlin) auf die Bestellanstalt für Buchhändlerpapiere (Privatposten der betreffenden Korporationen) eingeliefert, welche sie sortiert und den betreffenden Kommissionären der Adressaten zustellt.
Die Nachbestellungen geschehen entweder »à condition«, d. h. mit dem Beding, den unabgesetzten Teil der Bestellung wieder »remittieren« (an den Verleger zurückgeben) zu dürfen, oder »für feste Rechnung«, welcher Ausdruck den Willen des Bestellers kundthut, das Bestellte unbedingt zu behalten. Den Erfolg des Unternehmens lernt der Verleger im allgemeinen oft erst nach Jahren kennen; denn fast immer wird zu der nächsten Buchhändlermesse in Leipzig (Ostermesse jeden Jahrs) und zu andern Zeiten ein mehr oder minder großer Teil der versandten Exemplare als unverkauft wieder zurückkommen oder als Disponenden (unverkaufte und nicht zahlbare Ware) in den Magazinen der Sortimentsbuchhandlungen zum Verkauf zurückbleiben, und erst nachdem er letztere überall eingerufen und von allerwärts zurückempfangen hat, ist der Verleger im stande, ein festes Geschäftsresultat zu ermitteln. Es gibt natürlich auch andre Geschäftsweisen: Absehen von Novasendungen, Lieferung nur in fester Rechnung etc.;
das richtet sich nach der Natur des betreffenden Geschäfts.
Die meisten Verlagsbuchhandlungen geben Verzeichnisse ihrer Verlagsartikel (Verlagskataloge) aus, die sie von Zeit zu Zeit erneuern. Der übliche Kredit, den der deutsche Verlagsbuchhändler den soliden Sortimentsbuchhändler gewährt, erstreckt sich darauf, daß alles, was zwischen 1. Jan. und 31. Dez. verlangt und gesandt wird, in der nächsten Leipziger Ostermesse oder überhaupt zur Zeit des nächsten Abrechnungstermins zur »Abrechnung« kommen oder saldiert werden soll. Für seine Bemühungen und als Ersatz der durch den Geschäftsbetrieb unvermeidlich entstehenden, nicht unbeträchtlichen Spesen erhält der Sortimenter von dem Verleger einen bestimmten Rabatt.
Die Zahl der mit Leipzig in regelmäßiger Verbindung stehenden Buchhandlungen (einschließlich der in Leipzig domizilierenden) betrug:
im Jahr | 1791 | 1840 | 1873 | Anfang 1885 |
---|---|---|---|---|
413 | 1415 | 3983 | 6304 Buchhandlungen | |
in | 146 | 402 | 1067 | 1473 Orten. |
Davon befanden sich
im Jahr | 1791 | 1840 | 1873 | Anfang 1885 |
---|---|---|---|---|
in Leipzig | 50 | 117 | 292 | 514 Buchhandlungen |
in Berlin | 30 | 104 | 444 | 598 Buchhandlungen |
in Wien | 21 | 42 | 116 | 175 Buchhandlungen |
in Stuttgart | 3 | 30 | 98 | 109 Buchhandlungen |
Außerdem gibt es noch eine nicht unbeträchtliche Zahl solcher Buchhandlungen, welche in Leipzig keinen Kommissionär haben, weil ihr Verkehr nicht bedeutend genug ist, die daher ihren Bedarf meist aus zweiter Hand [* 15] beziehen.
Einen Überblick der litterarischen Produktion Deutschlands, [* 16] soweit solche in den regelmäßigen buchhändlerischen Verkehr gelangt, geben folgende Zahlen. Es erschienen:
1570 | 1600 | 1618 | 1650 | 1700 | 1750 | 1800 | 1840 | 1873 | 1884 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
299 | 791 | 1293 | 725 | 951 | 1219 | 3335 | 6904 | 11,050 | 15,607 Werke. |
Die in den einzelnen Jahren erschienenen Werke verteilen sich auf die verschiedenen Litteraturzweige nach Prozenten der Gesamtproduktion folgendermaßen:
1570 | 1600 | 1618 | 1650 | 1700 | 1750 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Theologie | 46.3 | 42.0 | 49.1 | 41.5 | 44.0 | 28.8 |
Jurisprudenz | 13.5 | 15.7 | 8.5 | 7.4 | 8.7 | 8.2 |
Medizin | 4.8 | 4.8 | 4.8 | 5.9 | 6.4 | 8.5 |
Geschichtswissenschaften | 11.0 | 11.6 | 10.3 | 20.0 | 16.1 | 16.2 |
Philosoph. Wissenschaften | 16.6 | 18.7 | 21.7 | 17.0 | 20.1 | 26.8 |
Schönwissenschaftliche Litt. | 3.8 | 3.9 | 3.7 | 5.2 | 2.9 | 8.7 |
Musik | 4.0 | 3.3 | 1.9 | 3.0 | 1.8 | 2.8 |
ferner in den Jahren:
1800 | 1840 | 1873 | 1884 | |
---|---|---|---|---|
Sammelwerke, Litteraturwissenschaft | 2.2 | 2.9 | 2.3 | 2.8 |
Theologie | 10.5 | 18.1 | 10.5 | 9.4 |
Jurisprudenz, Staatswissenschaft, Politik | 7.0 | 5.8 | 8.8 | 9.6 |
Medizin, Tierheilkunde, Pharmazie | 8.2 | 7.0 | 5.0 | 6.0 |
Naturwissenschaften | 4.6 | 4.5 | 5.1 | 5.4 |
Philosophie | 3.4 | 1.0 | 1.4 | 1.0 |
Pädagogik, Jugendschriften, Lehrmittel | 8.1 | 8.6 | 16.4 | 15.6 |
Philologie und Altertumskunde | 3.5 | 4.3 | 3.8 | 4.0 |
Neuere Sprachen und Altdeutsch | 3.1 | 4.0 | 3.4 | 3.2 |
Geschichte, Geographie etc. | 9.7 | 11.6 | 10.1 | 10.1 |
Mathematik, Astronomie | 2.0 | 1.3 | 1.6 | 1.4 |
Kriegswissenschaft und Pferdekunde | 1.8 | 1.5 | 2.7 | 2.5 |
Handelswissenschaft | 1.4 | 1.0 | 2.1 | 4.5 |
Technologische Wissenschaften | 2.7 | 5.4 | 5.0 | 2.7 |
Forst- und Jagdwissenschaft | 1.1 | 0.6 | 0.8 | 0.7 |
Haus- und Landwirtschaft, Gartenbau | 4.1 | 3.1 | 2.6 | 2.5 |
Schönwissenschaftliche Litteratur | 18.4 | 11.9 | 7.8 | 8.4 |
Bildende Künste (ausschließl. Architektur) | 1.7 | 2.3 | 1.7 | 3.9 |
Musik | 0.3 | 0.7 | 1.1 | 3.9 |
Volksschriften und vermischte Schriften | 6.2 | 4.4 | 7.8 | 6.3 |
Über die buchhändlerischen bibliographischen Hilfsmittel vgl. Bibliographie. ¶